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Gewisse Parallelen sind nicht
zu übersehen. Die Kabinette Schleicher und Papen waren bereits von Hitlers Gnaden und
platzten auf dessen Geheiß. Da war Hitler, wenn ich nicht irre, höchstens Clubobmann im
Reichstag. Der greise, vertrottelte General von Hindenburg weigerte sich als
Reichspräsident die längste Zeit, den "böhmischen Gefreiten" Hitler als
Reichskanzler anzugeloben; also eher aus Standesdünkel. Franz Josef II. tat mit dem
gewählten Wiener Bürgermeister und Antisemiten Lueger ungefähr das Gleiche.
Hitler fraß Kreide, wurde fast staatsmännisch, scharwenzelte im Frack umher und
antichambrierte regelmäßig bis zum Kotau bei Hindenburg, dessen Umgebung von hinten
geschupft mehr und mehr dazu überging, den alten Herrn zu belabern. Am 30. Jänner war es
dann so weit und anderntags die Welt in Deutschland schon ganz anders. Hitlers Partei war
auf diesen Moment bestens vorbereitet. Die NSDAP-Sektionen in allen Städten und Dörfern
hatten sich bereits ausgeschnapst, wer welche lukrativen Positionen bekommen soll. Durch
willige Cops und Staatsanwälte ließ man die Amtsinhaber verhaften, warf ihnen Korruption
oder andere Verfehlungen vor und installierte die eigenen Leute. Die Journaille gab noch
ihren Senf dazu. Nach drei Wochen kamen die Beamten aus der U-Haft raus, weil sich der
Verdacht "mit dem größten Bedauern" als unbegründet erwies. Aber ihren Job
hatten bereits andere. Man schickte sie mit: "Tut uns leid", in den Ruhestand.
Meinem Großvater, als erstem Reichsbahndirektor, ist es so ergangen. Zugegeben ein
bedeutender Posten, aber längst nicht wie heute bezahlt. Ich habe bisher keinen Hinweis
gefunden, dass er ihn aufgrund einer obskuren Farbenlehre bekommen hätte. Er war nie in
einer politischen Partei, wenn auch wahrscheinlich deutschnational gesinnt. Davor war er
Notar in Togo, einer deutschen Kolonie, und geriet mit seiner ganzen Familie im WK1 in
französische Gefangenschaft. Mein Onkel Hans, in WK2 gefallen, ist in Bordeaux geboren.
(Allzuviel mehr weiß ich nicht.) Ich glaube, dass die Absetzung durch die Nazis meinen
Großvater so getroffen hat, dass er es zum Familiengeheimnis machte. Auch sein Sohn, mein
Vater, neigte dazu, manche Dinge, keineswegs strafbar, mit ins Grab zu nehmen. Großvaters
"Reichsbahndirektor i.R." war sein ganzer Stolz, das "i.R." Insignie
seiner Rehabilitation als staatstreuer Beamter. Wenn ich vom Beamtenabbau durch die FPÖ
vernehme, fällt mir das Schicksal meines Großvaters jedes Mal wieder ein.
Ich bin jetzt 19 Jahre in Österreich. Noch keine drei Monate hier, ja eigentlich am
ersten Tag, bekam ich die gnadenlose Bürokratie dieses Landes zu spüren. Zoll,
Fremdenpolizei, Meldeamt, Finanzamt, Gebietskrankenkasse. Jetzt habe ich hier Vereine und
eine Firma gegründet, als Beauftragter für Kinder mit Baubehörden, Magistrat und
Verkehrsministern verhandelt. Es ging wie geschmiert, sagt man beiläufig. Niemand hat
geschmiert, muss ich dazu sagen.
In Spanien, Marokko, Serbien und sonst wo bin ich früher gewesen und traue mich zu sagen:
In Österreich ist kein Beamter korrupt, der es also darauf anlegt, Vorteile gegen
Bakschisch in Aussicht zu stellen. Hässlich wie ich bin, habe ich nie eine Sekretärin
mit einer Bonboniere becircen müssen. (Erbschleichende Briefträger nehm ich mal aus).
Warum soll man sie daran hindern, die oftmals einzigen sozialen Kontakte zu sein und zu
nutzen? Österreichische Beamte funktionieren wie am Schnürchen gezogen. Das ist meine
Erfahrung hier. Es verlagert sich vielmehr auf die politische Ebene. Das Schnürchen sind
die Gesetze. Die werden auf politischer Ebene verhandelt. Und da ist für Korruption ein
weites Feld; auch für mich nach all der Zeit noch zu erkunden. Rosenstingl, Euroteam - da
tut sich einiges auf.
Es ist mir nur einmal gelungen, einen Satz aus einem Gesetz ersatzlos zu streichen. Sonst
wird um jedes Wort gefeilscht. Stets habe ich gespottet über die Präambel des
steirischen Straßenverwaltungsgesetzes, in der stand, dass das Gesetz zwei Wochen nach
der Okkupation durch Nazideutschland erstmals in Kraft trat, und auf den
menschenfeindlichen und fortschrittsgläubigen Charakter dieses Gesetzes verwiesen. Der
Landtag hat dann nicht das Gesetz, sondern nur die Präambel geändert, den Satz, auf den
ich mich berief, gestrichen. Forget it!
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