zaba & tissa: text 01 [20•99]

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Es blitzt und strahlt
der Himmel
vor lauter Zukunft
(oder Tele-ma(n)tik die du bist...)

Von Irmgard Cornelia Klammer

 

Monitor/Bildschirm: Strahlendes und ALLES sehendes AUGE Gottes oder unsere elektronischen Tabernakel?

Vordergründig scheint ein Zusammenhang zwischen Bildschirm und alles sehendem Auge Gottes eine paradoxe Idee zu sein. Doch wer den Hang der Menschen zur Frömmigkeit beachtet, wird der neuen technizistischen Bild-Schirm-Ästhetik seine Heiligkeit nicht absprechen können.
Die traditionelle Funktion des Schirms (Schildes) als Schutz vor "Angriffen" aus der Umwelt, wie Regen, Sonne, Wind, früher Schwerthiebe, Steinwürfe etc. hat mit der modernen Technologie einen ungeheuren Bedeutungswandel erlebt.
"Schirm"1) bezeichnete ursprünglich den Schild der Kämpferinnen, d.h. eigentlich den Fellüberzug des Schildes. Aus dem Fell wurde eine Kathodenstrahlröhre, ein Flüssigkeitskristallschirm oder ein Plasmabildschirm. Nun aber stellt sich die Frage, wie es zu einer derartigen Wortsymbiose wie die des Bildes und des Schirmes kam, denn fälschlicherweise induziert das Wort Bildschirm Schutz vor Bildern; was der Bildschirm2) tatsächlich schützt, ist nicht die über ihn gesendete Bilderflut, sondern die hinter ihm liegenden Maschinenbestandteile, die auseinanderzunehmen den KonsumentInnen durch ein Starkstromzeichen (Blitz=Symbol der höchsten Götter=Schlange) bei Gefahr verboten ist. Aus diesem Grunde ist auch ratsam, ins Innere des Computers zu blicken, sich darin zu versenken, welcher Art die Bauteile sind, die wir als elektronische Augen zur Welt oder als Auge Gottes empfinden.
Rational betrachtet kann ein Bildempfangsgerät nicht stellvertretendes Auge sein. Symbolisch gesehen ist der Bildschirm aber viel mehr als das. Er ist nicht nur unser und Gottes verlängertes Auge in die Welt, er ist der Tabernakel, das Heiligtum der modernen Blitz-Götter.
Etymologisch verweist das Wort Tabernakel auf lat. tabernaculum - (heiliges) Zelt, Hütte, Bude, Wirtshaus, Wein- und Eßlokal, Taverne, Aufbewahrungsgehäuse für Hostien. Vater der du bist im Himmel, unser tägliches Brot gib uns heute in Form von Teleworking, und damit das ganze nicht zu kompliziert wird, konfrontiere uns bei der Bild-Schirm-Arbeit nicht mit allzu vielen Programmen. Microsoft sei Dank, laufen 85% der Computer auf Betriebssystemen von Gates, dem Global Player, der uns die Pforten (Gates) ins elektronische Himmelreich aufhält.
Die Entwicklung der Bildschirme hatte keine zivilen Ausgangsbedingungen. Während des 2. Weltkrieges befaßte sich Karl Otto Götz mit den Störbildern, die bei der Radarüberwachung auftraten. Dabei experimentierte er mit Braunschen Röhren und entdeckte, wie man mit der Filmaufnahmetechnik Formmetamorphosen und Strukturverläufe darstellen kann. Radar ist die Abkürzung für "radio detecting and ranging" und ist ein Verfahren zur Ortung von Gegenständen (Schiffen, Flugzeugen...) im Raum mit Hilfe gebündelter elektromagnetischer Wellen, die von einem Sender ausgehen, am Objekt reflektiert werden und als Echo über einen Empfänger auf einem Anzeigegerät (Braunsche Röhre) sichtbar gemacht werden.
Radar ist ein militärisches Instrument und birgt als Technologie die Poetenzialität zur totalitären Kontrolle der Lebensräume. Mit der Eroberung des Luftraumes - den Sphären, in denen das Unirdische, also Gott, angesiedelt ist - hat das wissenschaftlich-lineare Denken vorläufig gesiegt. Der gläserne Mensch ist noch nicht Wirklichkeit und die totale Überwachung per Videokameras und Monitore nur ein kleines Schreckgespenst Namens "Sicherheitskontrolle". Sicherheit für wen und wovor? Lat. securus bedeutet Sicherheit "sorglos", "unbekümmert sein" und wurde ursprünglich in der Rechtssprache als "frei von Schuld, Pflichten und Strafe sein", verwendet. Nieman/niefrau ist jemals frei von Schuld, dafür sorgen die religösen und moralischen Instanzen, die sich in jeder Kultur und zu allen Zeiten als Medium und via Medien als Option für die Zukunft verkauf(t)en. Sie sind die Lichtspender, die Hoffnungsbringer und -träger, Sinnstifter, Propheten und Kulturträger. Der religöse-institutionelle Weg von den archaischen Orakelstätten über die Licht-und Sonnengötter hin zu den virtuellen Blitz-Göttern im Strahlenglanz ihrer Geräte (Monitore) führt über die selben Meilensteine - Kontrolle, Macht, Gerichtsbarkeit, Versprechen einer besseren Zukunft - vor und zurück.
Die Blitzeschleuderer der patriarchalen Mythologie (Zeus, Jupiter, Thor, Taranis, usw.) ließen sich in ihren Kultstätten nicht nur religiöse Opfer für Bittgesuche darbringen, sie boten auch Prophetie wie wir sie mittlerweile über die Bildempfangsgeräte konsumieren dürfen. Delphi, das bekannteste Orakel im Mittelmeerraum, wurde ursprünglich von einer Schlange bewacht, der Pythia. Von Apollon erschlagen, ging ihr Name auf die delphischen Seherinnen, den Pythien, über . Anderen Überlieferungen zufolge erschlug Apollon die Schlange deshalb, weil er an der alten Orakelstelle sein eigenes Spektakel errichten wollte, denn ursprünglich war das delphische Orakel in Händen von Gaia, dann von Themis und Phoibe. Als Himmelsschlange, lunare und solare Gottheit wurde Pythia Feindin aller aufstrebenden, männlichen Sonnengötter erklärt. Neben ihrer komplexen Symbolik war die Schlange Vermittlerin zwischen Himmel und Erde, Erde und Unterwelt. Sie symbolisierte Weisheit (Sophia), Macht, Tod, Zerstörung, Wiedergeburt (Häutung), Heilung und Zauberkunst. In gynäkokratischen Kulturen verkörperte die Schlange die Mächte des Universums, Donner, Blitz (Axt) , Regen (Donnerkeil), Erleuchtung (Schlängeln der Feuer-Zungen), Erkenntnis, Lebenskraft. Schlangenkulte zählen zu den ältesten Praktiken religiöser Handlungen, insoferne ist es nicht verwunderlich, daß alle apotheotischen Werdegänge mit der Schlangensymbolik dekoriert wurden/werden. Um sie der patriarchalen Symbolik einverleiben zu können, mußte sie rituell (Apollon, hl. Georg etc.) getötet werden.
Die Schlange hat allen Bemühungen, sie von der Erde zu tilgen, zum Trotz, ihren göttlichen Status beibehalten. Aby Warburg sah sie in der Elektrizität verkörpert. Bildlicher Hinweis dazu ist das Blitzsymbol auf allen elektrischen Geräten. 1923, circa 30 Jahre nach seiner Reise nach Neumexiko, verfaßte Warburg sein Manuskript über die Schlangenrituale, in einer Zeit also, in der alle modernen Städte bereits elektrifiziert waren, Telephon und Telegraph die Welt schrumpfen ließen. Sein abschließender Kommentar könnte ohne weiteres auch als Vorwort zur Post-Moderne gelesen werden: "Dem heutigen Amerikaner erregt die Klapperschlange keine Furcht mehr. Sie wird getötet, jedenfalls nicht göttlich verehrt. Was ihr entgegensetzt wird ist Ausrottung. Der im Draht eingefangene Blitz, die gefangene Elektrizität, hat eine Kultur erzeugt, die mit dem Heidentum aufräumt. Telegramm und Telephon zerstören den Kosmos. Das mythische und das symbolische Denken schaffen im Kampf um die vergeistigte Anknüpfung zwischen Mensch und Umwelt den Raum als Andachtsraum oder Denkraum, den die elektrische Augenblicksverknüpfung mordet."3)


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1) Übertragen bedeutet es "schützen", "verteidigen", mit dem Schild parieren". Englisch bedeutet Bildschirm "screen", rückübersetzt (im übetrag. Sinn) "Schirm", "Leinwand", "Schutz" und "Maske"; die militär. Bedeutung ist "Rauchschleier", "Nebelwand", "Tarnung"; architektonisch bedeutet es "Zwischenwand".
2) Der Bildschirm wird fälschlicherweise als Monitor (d.h.Überwacher, Mahner, Warner) bezeichnet. Monitor ist eigentlich die Bezeichung 1. für eine Steuerungseinrichtung, 2. für ein Überwachungsprogramm das die Auslastung und Aktivitäten einzelner Netzkomponenten anzeigt, 3. in der Fernsehtechnik, wo bei Aufnahmen mehrere Kameras eingesetzt werden, die ihr Bild über je einen Bildschirm in die Steuerungszentrale übetragen.
3) Warburg Aby, Schlangenritual, Wagenbach Verlag, Berlin, 1988, 1996, S. 56

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