zaba & tissa: text 02 [21•99]

|

Beseelte Objekte
Kommentar zum Umgang mit neuen Technologien

Von Sabine Bauer

Die Schwelle, da Maschinen und im speziellen unsere omnipotenten Steuerungsmaschinen, die Computer, uns als unbeseelt erschienen, ist überschritten.1) Modernität mißt sich an dem Grad der Vernetzung, an der Steuerung und Streuung durch Computer. Sie sind in unserer Wahrnehmung und in unserer Sprache zu lebendigen Wesen mutiert, wir hingegen fühlen uns ihnen gegenüber kleiner, fehlbarer, unvollkommener, je lebendiger sie werden, je größer der Mythos von der rechnergesteuerten Vernunft uns verblassen läßt vor dem digitalen Interface der Zukunft. Computer werden als Metamedien bezeichnet, sie sollen uns im privaten wie öffentlichen Raum mit allen nötigen Arbeits- und Vergnügungsmitteln versorgen. Sie sind aber auch metaphysische Instanzen. Meist tragen die großen Rechner in den Rechenzentren die Namen von Frauen, von göttlichen Frauen - Iris, Aphrodite, Helena. Manchmal schleicht sich auch ein griechischer oder keltischer Männername ein wie Ares oder Merlin, deren Anrufung göttliche Wunder wirken soll. Nicht nur Männer, auch Frauen sprechen von ihnen immer öfters als ob der Computer ihr Du wäre. In ihren Namen offenbart sich schon die persönliche Wunsch-Beziehung, die wir unseren ausgelagerten Gedächtnismaschinen anvertrauen, für manche ist sie, die Maschine eine phantastische Erweiterung ihres Selbst, für andere ein Ding, mit dem sie sich notgedrungenermaßen anfreunden müssen, um weiter "up to date" für den Arbeitsprozeß zu bleiben. Dazu kam der neue "Hype", der mit dem Internet aufkam. Ob Zwang oder Spiel, es steuert auf dasselbe zu, nämlich auf die totale Vernetzung der gesellschaftlichen Sphären. Wir haben also den Punkt überschritten, wo Maschinen uns als artifizielle Objekte entgegentreten. Sie sind integraler Bestandteil unserer Lebenswelten. In diesem Punkt, so scheint es, läßt sich das Rad oder sagen wir besser das Chip der Zeit nicht mehr ersetzen. Bedrohlich und angsterregend steht aber noch die vorletzte Schwelle vor uns, das Schreckensgespenst, daß wir Teil der Maschinen sein sollen, hineinverwoben ins digitale Netz, versehen mit einem digitalen Ersatzteil, der uns eines Tages auffordern könnte: "Update your wetware."

Kritische Distanz
In den fünfziger und sechziger Jahren am Beginn der Entwicklung war die Sicht auf die neuen Formen der maschinellen Versklavung deutlicher, klarer, unverblümter. Der Philosoph Günther Anders und die Philosophin Hannah Arendt (1906-1975), die auch eine kurze Zeit verheiratet waren, schrieben zu dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Arendt, die mehr die totalitären Strukturen der technischen Zivilisation herausarbeitete, Anders, der unsere emotionale Befindlichkeit im Begriff der prometheischen Scham2) eingefangen hat und der bis zu Letzt - er lebte bis 1992 - nicht davon abzubringen war, mit der Hand zu schreiben, um besser Distanz halten und das Neue verstehen zu können. Es ist empfehlenswert, ihre Bücher zu lesen, sie geben ethische, politische und kritische Maßstäbe zur Hand, mit denen sich auch die derzeitigen Entwicklungen gut beurteilen lassen.
Anders gab zu bedenken, daß die Entscheidung über die Nutzung und Verwendung der neuen Technologien bereits gelaufen sei. Wir befinden uns bereits in dem Dilemma, nur mehr von einer ziemlich eingeschränkten Meinungsfreiheit Gebrauch machen zu können, weil wir nicht mehr die Wahl der Mittel haben. Meinungsfreiheit die ohne Technologiekritik auskommen soll ist in der gegenwärtigen Lage, da alle Lebensbereiche von den neuen Technologien dominiert werden, eine kollektive Achillesferse. Was wir gegen die Technik äußern, äußern wir gegen die Notwendigkeit des Fortschritts, des Arbeitsmarktes, der Konjunktur. Und es nicht zuletzt die Ideologie des Fortschritts und des Konsums selbst, die uns veranlaßt, resignativ zu sein und mitzumachen:

"...denn der Fortschritt der Wissenschaft ist von dem, was wir tun wollen, fast unabhängig geworden; seine Rasanz, wie die Wissenschaftler uns immer wieder erklären, nicht mehr zu stoppen, so wenig wie die unaufhaltsame Entwicklung der Technik. Der Fortschritt folgt seinen eigenen unerbittlichen Gesetzen und zwingt uns, ohne Rücksicht auf die Folgen zu tun, was immer wir tun können."3)

Können und Wollen driften auseinander. Anders formuliert die Situation:

"Daß wir mehr herstellen als vorstellen und verantworten können."4)

Ein Grund für die Forcierung der Technologien um jeden Preis ist die meist bei der männlichen Spezies ausgeprägte Technikeuphorie und Technikverliebtheit. Sie beinhaltet das Grundproblem, daß allein in Technologie vertraut und investiert wird, anstatt nach der Kultur zu fragen, die mit der Technik transportiert wird. Die neuen Technologien (wie davor die alten) werden zur Lösung aller Zukunftsprobleme hochstilisiert. Mit angstmachenden Parolen a lá "Wer heute nicht mitsurft, gehört morgen schon zum Gestern" wird nicht gespart, eine Lawine von Wortsalven paralysiert uns und treibt uns gleichzeitig voran.
Längst ist offensichtlich, daß durch die neuen Technologien nicht ebenso viel an Erwerbsarbeitsplätzen geschaffen wie durch sie eingespart wird. Mit der industriellen Revolution kam eine Arbeits- und Identitätsvernichtungsmaschine in Gang, die Informationsrevolution vermag uns noch mehr davon zu bringen:

"Kurz, der anscheinend unwiderstehliche technische Fortschritt, der im Verlaufe der industriellen Revolution nur bestimmte Volksschichten mit Erwerbslosigkeit bedrohte und die Maschinenstürmerei auslöste, bedroht heute die Existenz ganzer Volksgruppen und potentiell die der Menschheit, ja des organischen Lebens überhaupt."5)


Dies ist ein TEXTAUSZUG! Gesamttext als RTF-File zum downloaden HIER!

Achten Sie die Urheberrechte!

1) Sherry Turkle, Leben im Netz, Identitäten im Zeitalter des Internet. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1998. S. 119ff.
2) Wir schämen uns darüber, geworden und nicht gemacht zu sein.
3) Hannah Arendt, Macht und Gewalt. Piper, München 1970, S. 86
4) Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. Band 1, München 1980,Vorwort
5) Hannah Arendt, ebd., S. 20

kontakt
Portrait zaba

|

Top Übersicht Home Salon
1