Hobbyaufgabe
Nix, nix, gornix:
Gelb is gröi und blau is roud;
Nix, nix, gornix:
Blouß ewich is der Doud.
Venga der Tjalf
Aus irgendeinem Loch krächzt das letzte Lied von einer frühen Tom Waits-Platte. Ringsum poltert der Wirt betont vorwurfsvoll Stühle kopfüber auf die Tische und weckt damit zwei verstrubbelte Existenzen aus dem Tiefschlaf. Es riecht nach Tropfbier und Magensaft. Die Bedienung, eine Sinologin im sechzehnten Aufbausemester mit pfundschweren Tränenbeuteln und angemalt wie ein Bauernschrank, kippt die heutigen Bierreste zur morgigen Verwendung in einen Schlauch, der zurück in das Fass führt: Dienstagmorgen um halb drei in einer ganz normalen Bierschwemme irgendwo in Mittelfranken.
Die eine der beiden Existenzen rülpst tief aus dem großen Zeh herauf. Die Bedienung versteht umgehend diese Aufforderung zum Abkassieren und eilt sogleich herbei. Die Existenz winkt großmütig ab und lässt anschreiben. Die Bedienung klimpert mit ihrem Geldbeutel und hat mich auch schon entdeckt. Von nun an gings bergab.
"Gabi!" flüstere ich so leise, dabei so deutlich wie ich kann auf das Häufchen Rothaar zu meiner Rechten hinunter, "Gabi! Hast du was Kohle dabei?"
"'sssssnlos", grummelt es daraus hervor und irgendwas von wegen "eingeladen", und mich überfällt plötzlich der Fluchtinstinkt des gehetzten Wildes. Vor mir wölbt sich die ehemals weiße Metzgerschürze des Wirts; hinter ihm kramt die Bedienung ein paar Kröten zusammen.
"Mir machn etz leider scho zu", mault einer von beiden, "mir wolln euch da ned länger aufhaldn. Dürfm mir etz da mal abkassiern?!"
Ich kann nicht anders als meinem Fluchtinstinkt zu gehorchen und sublimiere schnell: "Ja. Scho. Aber lass mi gschwind nomal da naus - !" und bin auch schon durch die Sperre aufs Klo entwischt.
Hier atme ich auf, obwohl in den Pfützen, die um meine Knöchel spülen, sich nicht mal mehr Pinkelsteine halten: Luft kann schneiden. Draußen wartet Gabi.
Ich nehme alles vor, was der Herr Wirt hier draußen von mir erwartet. Da fällt mein Blick auf das Waschbecken. Eine knallrosa Packung liegt dort, die keine Seife ist. Sie nähert sich meinem umwölkten Blick, und da ist es eine Zwölferpackung Ritex feucht, elektroschockgeprüft.
In den Deckel hat jemand einen Zettel hineingeklemmt, mit einer mechanischen Schreibmaschine getippt, zwei Ausbesserungen mit blauem Kugelschreiber. Ich kneife ein Auge zu, um zu entziffern:
"I a Ware wegen Hobbyaufgabe für umsonst zu verhökern!!!!! Viel Spaß damit!!!!!!"
Planlos, wie es weitergeht, wanke ich in die Gaststube zurück, zwölf rosane Ritex feucht in der Faust.
Gabi hat mittlerweile die Bedienung in einen girls' talk verwickelt, von dem sogar der Wirt sich zur Abrechnung zurückgezogen hat.
"Je-den Monat zwei Tage später!" hustet Gabi gerade, "je-den Monat!"
Ich bin kaum einen Moment stehengeblieben, unschlüssig, ob ich mich mit dem Wirt in Grundsatzdiskussionen einlassen oder Frauengespräche mithören soll. Ich entschließe mich zum zweiten.
"Gabi, wir gehen", lasse ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen. Der Blick der Bedienung streift mein Päckchen.
"Dann aber mal schnell", sagt sie, "wenns da bloß um zwei Tage geht!" Gabi ist ein As.
Jetzt sammelt sie ihre Knochen in die Höhe, winkt einmal so souverän wie graziös zum Wirten hinüber, der gerade die Spuren des Abends auf den Biergläsern verwäscht, und schwingt meinen Kadaver zur Wirtshaustür hin.
Anstandshalber habe ich ein Päckchen von rosa Parisern auf dem Tisch liegen lassen, leider zerdonnert die Bedienung es gerade mit der Sitzfläche eines Stuhles. Morgen müssen wir also woanders hin.
Gabi schüttelt sich vor Husten in meinem Arm. Die andere Existenz bleibt noch.
In der Tür hat die Hauskatze noch gerade eine Büchse Kaffeesahne leergeschlabbert und bleckt uns vorwurfsvoll die Zunge nach. Ich beneide sie um ihren getigerten Schwanz.
naus afd Gass