Schnurren und Grillen
blau so schee blau wie das meer
san meine augerl schau her
mußt di nur traun
tiaf eineschaun
einefoin derfst dann aufd nacht wann der mond lacht
da hast mei antwort auf all deine frogn
i will di hobn
rot is mei mund kirschenrot
das leben versaamt nur der tod
mußt di nur traun
a bussl und dann
küß i di richtig aufd nacht wann der mond lacht
da hast mei antwort auf all deine frogn
i will di hobn
warm bacherlwarm wird dir wern
wennst in mein betterl di wärmst
mußt di nur traun
schlupf eine und dann
kitzl i di daßd min mond um die wett lachst
mei antwort auf alle frogn
i will di hobn
ludwig hirsch, 1986
Römisch Eins
Es war einmal ein Mond. Der schien fahl und schön über ein wahrhaft riesenhaftes Königreich.
Da war auch einmal ein kleines Mädchen, das hatte einen kleinen Jungen sehr lieb und er sie auch - nur dass er dem Bier ein wenig zugetan war, nur ein klein bisschen mehr, als das kleine Mädchen gutheißen konnte.
Der kleine Junge steckte bis oben hin voller Schnurren und Grillen, und wenn er dem Bier endlich zugetan genug gewesen, konnte es vorkommen, dass er sich hinsetzte und ein lustiges Märchen aus all den Schnurren und Grillen und Schwänken und Flausen in seinem Kopfe zusammenspann.
Römisch Zwei
Und es war einmal ein großer alter Drache, der wohnte ganz weit hinter sieben Bergen und Flüssen von dem Mädchen und dem Jungen weg. Aber es war nun einmal ein wahrhaft riesenhaftes Königreich, in dem die dreie wohnten, und so blieb der Drache zu Zeiten nicht ohne Einfluss auf das kleine Mädchen. Den kleinen Jungen mochte er nicht sonderlich.
Manchmal, wenn ihn danach gelüstete, rief er das kleine Mädchen zu sich, nicht lange gefragt, ob sie Lust hatte, zu dem Drachen zu kommen oder mit dem kleinen Jungen einen Nachmittag im Bette zu vertrödeln. Wenn der Drache rief, dann musste das kleine Mädchen antraben und dem Drachen zu Willen sein. Was sie da trieben, konnte der kleine Junge nie so genau erfahren, denn er durfte nie mit - und wenn er den Drachen bei den seltenen Gelegenheiten so schnaufen hörte, war es ihm auch ganz recht so.
Warum das kleine Mädchen denn nicht einfach zu Hause im Bette bei ihrem kleinen Jungen blieb? Nun, der Drache hatte eben doch einige Macht in dem riesenhaften Königreich, und wenn das kleine Mädchen trotzig die Arme über ihren knabigen Tittchen verschränkte und sagte:
"Nö, du doofer alter Drache, ich bleib lieber bei meinem kleinen Jungen und vertrödel meine Nachmittage mit ihm im Bette!",
dann hättest du den Drachen mal hören sollen. Er tat dann höchst betrübt und sagte:
"So so, dann werde wohl ich armer alter Drache zu euch kommen müssen und über euren Feldern kreisen, um zuzusehen, was ihr den ganzen Tag so tut."
Das wollte natürlich dem alten Drachen auch wiederum niemand antun, man hat ja Verpflichtungen. Und dann musste das kleine Mädchen eben doch wieder hinter die sieben Berge und Flüsse reisen, denn man wusste: Wenn der Drache über den hiesigen Feldern kreiste und ein paarmal heftig ausatmete, verkokelte die Gerstenernte des ganzen Jahres von seinem stinkenden ätzenden feurigen Atem, und dann gab es ein Jahr lang kein Bier, daran sich der kleine Junge schadlos halten konnte.
Ja, es schien wirklich zuweilen ein sehr einsamer alter Drache, der Drache.
Römisch Drei
Eines Tages tändelten das kleine Mädchen und der kleine Junge wieder einmal einen lieben langen Nachmittag in ihrem Bette umher. Sie hatten ein paar neue neckische Spiele ausprobiert und einander ein wenig am Bauch gekitzelt. Da erging plötzlich erneut der Ruf des großen alten Drachen.
"Kleines Mädchen!" rief er, "kleines Mädchen, du musst kommen! Mir ist langweilig!"
Da fasste sich das kleine Mädchen ein Herz und sagte: "Du oller Drache kannst mich mal nach allen Marschrichtungszahlen! Es ist grade so schön im Bette mit meinem kleinen Jungen. Ich spring doch nicht jedesmal, wenn du pfeifst! Heute mal nicht. Vielleicht andermal. Also tschüss, und ruf mich bloß nicht so bald wieder."
Der Drache musste glauben, er habe sich verhört. Dergleichen hatte ihm noch kein kleines Mädchen zu antworten gewagt. Und im Laufe der Zeit hatte er sich wohl an einiges gewöhnen müssen, denn die Jungfrauen heutzutage sind auch nicht mehr, was sie vor tausend Jahren mal waren. Und er schrie:
"Verrat!"
und schnob und spie Feuer vor Wut, dass es sofort ein ganzes Tagwerk Gerste dahinraffte, und er brauste heran und entführte das kleine Mädchen höchstpersönlich und verschleppte sie in seine nasse kalte Höhle hinter den sieben Bergen und Flüssen.
Römisch Vier
Der kleine Junge lag indessen allein im Bette des kleinen Mädchens und kapierte zuerst überhaupt nicht, was vor ihm geschah.
"So geht das nicht weiter", sagte er sich. "Wo kommen wir da hin, wenn jeder alte Drache sein Jungfrauenopfer abschleppt, wie es ihm in sein fossiles Hirn schießt? Ich geh jetzt auch hinter die sieben Berge und Flüsse und huste dem Drachen was."
Und er stand auf, zog sich ein Paar Hosen über und machte sich auf hinter die sieben Berge und Flüsse, verschliss ein paar Schuhe unterwegs und soff ein Dutzend Wirtshäuser leer, bis er endlich vor der Höhle des Drachen stand.
Römisch Fünf
"Kleines Mädchen!" rief er. "Kleines Mädchen, ich bin da! Was treibt ihr da drinnen? Lasst mich doch mitspielen!"
Und das kleine Mädchen kam aus der Drachenhöhle geschossen und fiel dem kleinen Jungen freudig um den Hals und herzte und küsste ihn ab vor eitel Wiedersehensfreude. Hinter ihr steckte der fette alte Drache sein greises Haupt aus der Höhle und fragte verdutzt: "Was willst du denn hier?"
Der kleine Junge tauchte aus dem Meer von Küssen empor und sprach:
"Ich wollte bloß mein kleines Mädchen wieder abholen. Ihr habt jetzt lange genug miteinander in eurer Höhle gesessen und was weiß ich was getrieben. Sie wird mal wieder einen Nachmittag mit mir im Bette vertrödeln wollen und nicht mit dir altem Krautskopf in der feuchten Höhle drin herumlungern. Außerdem ist sie alles andere als freiwillig bei dir da drin."
"Ist das wahr?" fragte der Drache das kleine Mädchen, "willst du mich schon wieder verlassen und mit diesem kleinen Lausebengel ziehen?"
"Ja!" rief das kleine Mädchen, "ich hab ihn lieb, und bei dir in der Höhle holt man sich die Pest an den Arsch!"
"Du hast es gut bei mir", wandte der Drache ein, "ich sorge für dich und könnte dich auf meine alten Tage vielleicht sogar noch heiraten."
Das kleine Mädchen zog ihr Näslein kraus:
"Lass mal gut sein. Wenn ich mal jemanden heirate, dann bestimmt nicht so ein mittelalterliches Reptil wie dich, du schandbar hässliches gepanzertes horniges Schuppenvieh."
Da wurde der Drache traurig.
"Dein kleiner Junge", qualmte er aus den Nüstern, "weißt du, was der ist? Ein alter Säufer ist der! In dem seinen Alter hab ich noch lange noch nicht so viel gebechert wie der!",
denn Trauer macht uns oft ungerecht.
"Ist er nicht!" ereiferte sich das kleine Mädchen, indessen ihr Tränen der Wut in die Äuglein traten.
"Er ist vielleicht ein fröhlicher Zecher vor dem Herrn, mehr aber schon nicht! Und er weiß eine Menge wunderschöne Schnurren und Grillen zu erzählen, nicht bloß dauernd aus seiner ersten Ehe und ödsinnige Bürogeschichten!"
"Können wir dann gehen?" meldete sich der kleine Junge kleinlaut wieder aus dem Hintergrunde, dem ohnehin die ganze Richtung nicht zusagte, die das Gespräch einschlug.
Römisch Sechs
"Ja, ihr könnt gehen", sagte der Drache. "Und ihr müsst auch nie wiederkommen, wenn ihr allein den Weg bis nach Hause findet."
"Das kann nicht schwer sein", sagte der kleine Junge, "hergefunden hab ich doch auch."
"O ja", knurrte der Drache hinterhältig, "zwölf Kneipen leergesoffen hast du, und das Paar Schuhe hast du auch nicht verschlissen, sondern mit einem Fetzen Kater im Schädel im Straßengraben vergessen."
„Ist doch dasselbe", maulte der kleine Junge.
"Und außerdem", fuhr der Drache fort, "werde ich euch begleiten und das Leben schwermachen!"
"Tust du doch schon seit Jahren", warf das kleine Mädchen ein.
"Ich werde", sprach der Drache, "über euch kreisen und beständig Feuer speien, so dass ihr über verbrannte Erde wandern müsst! In den sieben Bergen werdet ihr mit Bären zu kämpfen haben, und an den Flüssen mit Stechmücken!"
"Hach, wie ungeheuer beziehungsreich. Was meinst du?" fragte das kleine Mädchen den kleinen Jungen, "schaffen wir das?"
"Klar schaffen wir das. Auf dem Herweg war's auch nicht viel anders", sagte der kleine Junge, fasste sie bei der Hand und trat den Rückweg mit ihr an.
Römisch Sieben
Zu ihren Häupten zog der große alte Drache gewaltige Kreise und blies und schnaubte, was das Zeug hielt, um das Land um die beiden Kinder herum schwarz zu verwüsten und in Schutt und Asche zu pusten.
Mit den Bären aber in den sieben Bergen wurde der kleine Junge spielend fertig, indem er ihnen einen zünftigen Schwank aus seiner Jugend erzählte - denn was ein richtiger Bär ist, der steht auf sowas.
Und die Stechmücken an den Flüssen erledigte der Drache gleich selber mit seinem Atem, der nach dem Komposthaufen hinter einer Metzgerei stank. Am meisten machte ihnen zu schaffen, dass alle Wirtshäuser unterwegs entweder leergesoffen oder vom Drachen vorsorglich ausgebrannt waren.
Das kleine Mädchen beobachtete mit diebischem Vergnügen, wie dem Drachen über ihnen so langsam die Puste dabei ausging. So gelangten sie, nachdem sie jeder ein weiteres Paar Schuhe verschlissen hatten, glücklich nach Hause.
Römisch Acht
"So, das wars wohl", sprach der kleine Junge zu dem Drachen. "Was sagst du jetzt?"
"Ihr habt gewonnen", schnaufte der Drache erschöpft, "aber ich fürchte, jetzt müsst ihr mich dabehalten."
"Wiesooo?" entsetzte sich das kleine Mädchen sogleich, "schau du gefälligst zu, dass du wieder in deine eklige Tropfsteinhöhle hinter den sieben Bergen und Flüssen kommst!"
"Ach", sagte der Drache, "ich bin alt und schwach geworden. Wer weiß, ob ich einem jungen, frischen Blut wie dir noch lange gewachsen wäre. Das anstrengende Ausbrennen von Wirtshäusern hat mich müde gemacht. Und wie ihr gesehen habt, ist der Weg zu meiner Höhle nichts als verbrannte Erde."
"Da hat er recht", rief der kleine Junge sogleich, "man soll eben die Wirtshäuser am Wege doch besser leersaufen als ausbrennen!"
Damit nahm er abermals das kleine Mädchen bei der Hand, verschwand mit ihr im Haus und trug sie zu Bette.
Römisch Neun
Draußen vor der Tür aber lag der große alte Drache und musste mitanhören, wie der kleine Junge sein kleines Mädchen ordentlich zur Brust nahm und sie nicht nur ein paarmal und nicht nur einen Nachmittag lang herummöbelte, wie sich das gehört. Bis spät in die Nacht hörte der arme Drache die Bettfedern quietschen, und gelegentlich auch das kleine Mädchen. Wie jammerte und jaulte der Drache da vor Gram!
Über dem riesenhaften Königreich aber stand der schöne fahle Mond vom Anfang und leuchtete mit den Augen des kleinen Mädchens um die Wette - und wenn sie nicht gerade mehr oder weniger lustige Märchen spinnen, vertrödeln sie wohl noch heute ihre Nachmittage mitsammen im Bette.
Römisch Zehn
"Ist eigentlich noch Bier da?" fragte der kleine Junge.
"Vergiss es", sagte das kleine Mädchen.
Hinter die sieben Berge und Flüsse