* Lauries Angst *
von DannyD
Kurze Anmerkung des Autors:
Dies ist eine nicht kommerzielle fan fiction, die sich auf das offene Ende zu "Mit den Augen eines Mörders" bezieht. Sie stellt in keinster Weise eine Urheberrechtsverletzung dar, usw.
Tut mir leid, Freunde, aber ich mag nun mal Ray Bellano..., und ich konnte einfach nicht zulassen, daß..., na, Ihr werdet sehen ;-)
***
Der Ventilator summte monoton. Die Klimaanlage surrte leise vor sich hin, doch nichts schien der brütenden Hitze trotzen zu können. Es war Mitte Juli, also Hochsommer, und Abkühlung konnte eigentlich nur eine eiswürfelkalte Dusche schaffen. Doch daran war im Augenblick nicht zu denken. Arbeit war angesagt, und Laurie Fisher konnte es sich nicht leisten, an so einen Luxus wie eine Dusche oder ein kaltes Glas Orangensaft zu denken. Dieser wichtige Kunde saß ihr im Nacken und wollte die Entwürfe für seine neuen Büroräume so schnell wie möglich haben. Am besten gestern. Und am besten so kostengünstig wie möglich. Was für ein Affe! dachte sie und band ihr Haar mit schnelllen Griffen zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ihr Haar war feucht, und auch ihre Kleidung fühlte sich alles andere als frisch an.
Max Campbell, ihr Kollege und .... nein, eigentlich war er kein Freund, ...und Zuhörer, trat an ihren Schreibtisch und betrachtete ihre Entwürfe. "Hey, schöne Lady, darf ich dich nachher zum Abendessen einladen?" Er lächelte sie sanft an, und Laurie wußte, daß es sich hierbei nur um eine Einladung zum Essen handelte, nichts weiter. Eine Einladung ohne Hintergedanken. Doch Laurie schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid, Max," bedauerte sie. "Aber ich muß diese Entwürfe bis morgen fertig haben." Sie deutete auf das Durcheinander auf ihrem Schreibtisch.
Max ließ jedoch nicht locker. "Du bist doch schon fast fertig," stellte er fachmännisch fest. Er ging in die Hocke, um so mit ihr auf einer Höhe zu sein. Mit einer Hand hielt er sich an der Lehen ihres Bürostuhles fest. "Außerdem würde dir chinesisches Essen bestimmt gut tun," fügte er hinzu.
"...ich habe als Kind mit richtigen Ziegelsteinen in meinem Zimmer ein Haus gebaut... Meine Mutter hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen, als sie es gesehen hat..." Eine Erinnerung durchzuckte Lauries Gehirn. Damals beim Chinesen... Sie erschauderte, als die Erinnerung zu schmerzhaft wurde. Wieder sah sie sein Gesicht, diese Augen, die so sanft aussahen und doch so hart wie Stein werden konnten. Laurie schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu verteiben. KEIN chinesisch.
"Warum gehen wir nicht zu 'Piedro's' und schlagen uns den magen mit Pizza und Pasta voll?" schlug sie nun ihrerseits vor. Hauptsache, diese schrecklichen Bilder in ihrem Kopf verschwanden.
Max' Augen leuchteten auf. "Okay, ich hole dich um sieben ab, ja?" Er stand auf. Laurie nickte nur und vertiefte sich wieder in ihre Arbeit. Ihre Hand zitterte, als sie einige Notizen für ihren Kunden machte. Max sah es und zögerte. Vielleicht war es jetzt klüger, den Mund zu halten, aber Laurie war seine Kollegin und Freundin, und Max wußte genau, wie schwer die ganze Sache für sie war. "Bist du in Ordnung?" fragte er zaghaft.
Laurie hob den Kopf. Äußerlich war sie die toughe Lady, die so vorher gewesen war, doch in ihren großen blauen Augen spiegelte sich die Angst wieder, die sie seit jener Nacht ständig verfolgte. Manchmal wünschte sie sich, er hätte sie einfach getötet, damit sie diese schreckliche Angst niemals hätte ertragen müssen. Er hatte ihr nicht das Leben genommen, nein, viel schlimmer, er hatte ihr die Freude am Leben geraubt. Max konnte nur erahnen, was in ihr vorging. Er wollte ihr helfen, aber wußte nicht wie.
"Ich bin okay," log sie und zwang sich zu einem Lächeln. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch schlug an und entband beide von einer schmerzlichen Fortsetzung dieser Unterhaltung.
"Laurie Fisher," meldete sie sich.
****
Es war erst fünf vor sieben, als Max an Lauries Wohnungstür klopfte.
"Ich komme!" hörte er von drinnen Lauries Stimme und Sekunden später öffnete sich die Tür.
"Hi!" begrüßte er sie und hielt ihr ein kleines Geschenk unter die Nase: Einen stacheligen Kaktus. Laurie lachte. "Bin ich so unausstehlich?" fragte sie und stellte die Pflanze auf den Telefontisch bei der Tür. Max schüttelte den Kopf. "Keineswegs. Ich dachte nur, daß es mal etwas anderes ist als die schnöden Blumen." Laurie griff nach ihrer Handtasche und schloß die Wohnungstür hinter sich. Der Schlüssel drehte sich zweimal im Schloß.
"Aha," machte sie nur. Max vermied es, ihr den Arm zu reichen, denn er wußte, wie Laurie auf körperliche Berührungen reagierte. "Tja, in der heutigen Zeit ist es zwar schwer zu glauben, aber es gibt noch Männer mit Phantasie," meinte er grinsend und hätte sich im nächsten Moment am liebsten die Zunge abgebissen. Ray Bellano hatte schließlich auf grausame Art bewiesen, welche Phantasien in einem Mann schlummern konnten. Tödliche Phantasien...
Doch anscheinend hatte Laurie diesmal den Witz als Witz angenommen und nicht darüber nachgedacht. Jedenfalls konnte Max keine negative Reaktion erkennen.
Bei 'Piedro's' herrschte wie immer Hochbetrieb. Glücklicherweise hatte Max einen Tisch bestellt. "Senorita Laurie," säuselte der Herr des Hauses. "Schön, daß Sie wieder mal ihren Weg in unser Lokal finden!" Er küßte ihr galant die Hand. "Genießen Sie den Abend... und natürlich auch mein Essen!"
"Danke, Piedro."
Max schüttelte verwundert den Kopf, als der Mann gegangen war. "Mir hat er noch nie die Hand geküßft," beschwerte er sich scherzhaft. Laurie studierte bereits die Speisekarte. "Das liegt wahrscheinlich daran, daß ich schönere Beine habe als du," gab sie lächelnd zurück. "Ich glaube, ich nehme 'Paste Primavera'," entschied sie. Max bestellte sich eine TEXAS-Pizza. Dazu gab es Rotwein.
Laurie ließ ihren Blick durch das Restaurant schweifen. Die meisten Tischen waren besetzt. Piedros Küche genoß einen ausgezeichneten Ruf und jeden Abend war hier die Hölle los. Sie mochte den Laden. Irgendwie fühlte sie sich hier sicher und geborgen. Die Menschen war nett und lachten oft. Viele Menschen; sie war nicht allein. Niemand würde ihr hier etwas tun. Sie lächelte Max an. "Es war eine gute Idee, hierher zu gehen," gab sie zu. Max nippte an seinem Kaffee. "Schön, daß Du mitgekommen bist, Laurie."
Das Essen wurde serviert. Doch während Max seine Pizza bearbeitete, saß Laurie nur still da und beobachtete ihn. "Danke, daß du mich gefragt hast, ob ich mitkomme," meinte sie und griff zögernd nach ihrer Gabel. Max hob überrascht die Augenbrauen. "Nicht der Rede wert," gab er zurück und ein weiteres Stück Pizza verschwand in seinem Mund. Laurie drehte die Nudeln auf die Gabel. "Ich habe mich nie bei dir bedankt, daß du immer für mich dagewesen bist, obwohl ich dich manchmal ziemlich schroff behandelt habe," sagte sie unvermittelt. Max schüttelte den Kopf. "Mach' dir darüber keine Gedanken," beschwichtigte er. "Ich weiß, daß Du nach...", Er korrigierte sich schnell. "...daß du danach eine schwere Zeit durchgemacht hast. Du mußt nur wissen, daß ich immer für dich da bin, okay?" Laurie jonglierte mit ihrer Gabel und den Nudeln. "Mnachmal wache ich mitten in der Nacht schreiend auf und sehe ihn vor meinem Bett stehen," erzählte sie leise. "Er steht nur da und starrt mich einfach an. Und manchmal kann ich sogar seine Stimme hören, die sagt 'Weißt du nicht, wie sehr ich dich liebe?'" Lauries Stimme wurde brüchig. Max wußte nicht, wie er reagieren sollte. Auf so eine Offenbarung hatte er keine Antwort. Er wußte, daß Laurie Angst hatte. Ständig. Man hatte diesen Mistkerl noch nicht gefaßt und Max wußte, daß Laurie erst wieder ruhig schlafen würde, wenn diese Gefahr beseitigt war. Natürlich ging niemand davon aus, daß Ray zurückkommen würde, aber oft ist es nur ein Gedanke, eine Vorstellung, die die Menschen verrückt machen.
In Lauries Augen schwammen die ersten Tränen. "Er ist einfach überall. In meiner Wohnung, im Büro, im Fitness-Center... Er beobachtet mich...." Ihre Gabel fiel klirrend auf den Teller. Max ergriff ihre Hand. "Laurie! Er lebt nur in deinen Gedanken. Wenn du ihn daraus verbannst, dnan wird er niemals wiederkommen!" Er sprach eindringlich auf ihn ein. Laurie schniefte. Sie fummelte ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche. "Tut mir leid, daß ich hier so 'rumheule", entschuldigte sie sich. Max lächelte sie an. "Du kannst heulen soviel du willst."
*****
"So ein verdammtes, eingebildetes...." Wütend knallte Laurie einen Aktenordner auf den Tisch. Max, am Nebenschreibtisch, blickte erschrocken auf. "Nicht schlagen!" bettelte er scherzhaft. Er rollte mit seinem Drehstuhl zu ihr herüber. "Wer ist denn der Ärmste?" erkundigte er sich.
Laurie ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Eine rotblonde Strähne ihres Haares fiel ihr widerspenstig in die Stirn. Der Ärger war ihr deutlich anzusehen. "Dieser neue Kunde, der die Pläne für seine Büroräume haben wollte..." Sie schlug mit ihrer kleinen Faust auf die Tischplatte. "Ich habe zwei Wochen an den Entwürfen gearbeitet, und jetzt sagt mir dieser Schleimbeutel von Ratte, daß er sich noch anderswo erkundigt hat und jetzt lieber in den Vorort ziehen will, weil dort die verdammten Mieten niedriger sind." Mit einer heftigen Handbewegung schleuderte Laurie die Entwürfe auf den Boden. "Und die hier sind so viel wert wie die Zeitung von gestern!"
Vivienne Anderson, ein junges Mädchen aus der Telefonzentrale, lenkte Lauries Aufmerksamkeit auf sich. "Bitte entschuldige, aber da ist ein Gespräch für dich auf Leitung eins," informierte sie. Laurie machte eine wegwerfende Handwegung. "Ich bin verreist," meinte sie wütend.
Max hob die Entwürfe wieder auf. "Hey, vielleicht übernimmt ein anderer Kunde diese Büropläne," versuchte er sie zu besänftigen.
Vivienne Anderson stand noch immer vor Lauries Schreibtisch. Sie schien zu zögern. "Laurie..." Diese hob den Kopf und sah sie verärgert an. "Sag' einfach, ich sei heute nicht im Büro. Sag', ich sei vor Wut geplatzt!" Sie zerknüllte ein unschuldiges Blatt Papier und warf es frustriert gegen die Fensterscheibe. Vivienne holte tief Luft. "Es ist die Polizei, Laurie!"
Schlagartig herrschte Ruhe in dem Büro. Sämtliche Mitarbeiter richteten ihre Blicke auf Laurie, die Vivienne entsetzt anstarrte. Max hatte den gleichen Gedanken wie alle anderen, wie Laurie auch, aber er versuchte die Situation zu entschärfen: "Wahrscheinlich haben sie deinen Wagen abgeschleppt." Eine schwache Ausrede.
Laurie atmete tief durch und nahm den Telefonhörer von der Gabel. Sie drückte die entsprechende Taste. "Hier ist Laurie Fisher," sprach sie in die Muschel. Max war überrascht, wie ruhig sie war. Laurie lauschte der Stimme am anderen Ende. Sie schloß für einen Moment die Augen. Das war ihre einzige Reaktion. Dann:
"Ja, ich komme sofort." Sie beendete das Gespräch. Sie wußte, daß ihre Kollegen zuhörten, obwohl jeder so tat als sei er gerade unheimlich beschäftigt. Laurie blickte Max bittend an. "Würdest du mitkommen?" Sie stand auf. "Er hat sich gestellt."
*****
Es war ein Spießrutenlauf. Die Beamten auf der Polizeistation hatten wahrscheinlich noch nie etwas von Takt oder Mitgefühl gehört. Ungeniert sprachen sie über den Fall und rissen Witze darüber, daß Ray Laurie die ganze Zeit über in ihrer alten Wohnung beobachtet hatte. Es waren Witze auf niedrigstem Niveu, und erst als sie Laurie erkannten, verstummten sie. Laurie war froh, daß Max bei ihr war. Während sie mit dem zuständigen Lieutenant Micheales sprach, um klammerte sie fest Max' Hand. Sie erfuhren, daß Ray sich aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen freiwillig gestellt hatte. Irgendwo in einem Polizeirevier am anderen Ende der Stadt. Die Beamten dort hatten es erst für einen schlechten Witz gehalten, als dieser große, dürre Kerl mit den langen Haaren und diesen abgetragenden Klamotten zu ihnen gekommen war. Irgendjemand hatte dann jedoch richtig geschaltet und das zuständige Revier unterrichtet. Lauries Aufgabe bestand nun darin, Ray zu identifizieren. "Keine Sorge, Miss Fisher," beruhigte sie Lt. Michaels. "Er wird Sie nicht sehen. Sie stehen hinter einer Spiegelwand und müssen uns nur sagen, ob er es ist." Max hatte seine Zweifel. "Muß das denn sein? Immerhin hat er sich freiwillig gestellt...." Lt. Michaels unterbrach ihn. "Reine Routine."
Diese 'reine Routine' entpuppte sich jedoch als Geniestreich schlechter Planung. Denn just in dem Moment, als Laurie und Max den Raum verließen, stand plötzlich Ray vor ihnen. Zwei Polizeibeamte hatten ihn gerade in Handschellen in das Vernehmungszimmer führen wollen.
Laurie erstarrte vor Schreck. Sie machte einen Schritt zurück und fühlte die kalte Wand in ihrem Rücken. Panik stieg in ihr hoch. Sie war gefangen!
Max stellte sich schützend vor sie. Natürlich war nichts zu befürchten, aber Lauries Angst machte jeden vernünftigen Gedanken zunichte. Vor ihr stand der Mann, der ihre beste Freundin Allison und ihren Ex-Freund Jerry kaltblütig ermordet hatte, weil ER sie liebte.
Es waren nur wenige Sekunden verstrichen, doch Laurie kam es vor wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit des Grauens. Sie war wie gelähmt vor Angst. Sie starrte Ray über Max' Schulter hinweg an. Betete darum, daß die Beamten ihn endlich abführten. Jeden Moment würde die Handschellen klirrend zu Boden fallen, und seine kraftvollen Hände, die soviel Schönheit errichten und auch wieder zerstören konnten, würden sich um ihren Hals legen...
Sie sah seine Augen. Darin funkelte kein Haß oder wilde Mordlust... Laurie schluckte. Es waren Augen voller Mitgefühl und Reue. Eine Träne rollte über seine Wange.
"Es tut mir leid, Laurie!" war alles, was er sagte.
Und Laurie glaubte ihm. Sie glaubte seinen Augen.
Ende (vorerst)
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Nun zu Teil 2: "Rays Offenbarung"
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