Aresch Yawari, 23.8.96

Photos

Es regnete heftig an das Fenster, als er an seinem Schreibtisch in der alten Schuhkiste kramte. Die Lampe erhellte nur die Tischplatte, er saß jetzt schon fast drei Stunden hier und wie immer wurde er wehmütig beim Anblick der alten Photos und der vergangenen Zeiten.
Der CD-Player spielte schon die ganze Zeit ein und das selbe Lied. Es war Sinatras "My Way", und das trug auch nicht zur Aufheiterung seines Gemüts bei.
Ganz zu unterst lag ein Bild, das ihn beschäftigte. Er wußte noch, daß es ein besonderes Bild war, aber ihm war entfallen, welchen Zusammenhang er damit verband. Es zeigte ihn im Urlaub in Österreich beim Skifahren. Er war dick eingepackt und sah Müde aus. Und er sah nicht in die Kamera. Dadurch wirkte das Bild etwas steril. Aber sonst kam ihm nichts in den Sinn.
Dann waren da noch die Bilder, die er auf dieser Burg gemacht hatte, mit seiner damaligen Freundin. Schwarzweiß und nicht immer richtig belichtet, aber beim Gedanken an diese Zeit entfuhr ihm ein kleiner Seufzer und Sinatra sang gerade "I did it my way!".
Das Bild das ihn beim Skifahren zeigte war etwas körnig, so als wenn es extrem vergrößert wurde. Er sah es an und etwas leuchtete in seinem Hinterkopf, aber es war nur ein unbestimmtes unbehagliches Gefühl, das er nicht näher beschreiben konnte.
Viele seiner Bilder zeigten seine Stadt bei Nacht und auch ein anderes Mädchen. Die Qualität der Bilder war deutlich besser und er erinnerte sich, daß er die gerade während eines Photokurses gemacht hatte. Einige waren künstlerisch wirklich gut gelungen. Andere hatte er wohl nur wegen des Mädchens gemacht.
Dann schoß es ihm wieder durch den Kopf. Das Bild dürfte gar nicht existieren. Jetzt kam ihm die ganze Geschichte wieder in den Sinn. Er saß mit ein paar Freunden in einer Kneipe und sie redeten über Geheimdienste und Spione und welche Macht sie über einen hätten, was big brother wohl gerade so sieht. Und er kamen auf die Idee eine dieser Gratis-Postkarten an den MAD zu schicken, nachzufragen ob er letzten Sommer im Juli oder August an der Holländischen Küste war.
Natürlich klebten sie auch keine Briefmarke auf, denn die Post verschickt die Karten auch so, wie sie schon bei anderen Gelegenheiten festgestellt hatten.
Unterschieben war sie nur mit "Die drei kleinen Fonzies". Am nächsten Morgen war die ganze Geschichte schon wieder vergessen, die Karte aber abgeschickt. Und als dann eine Woche später ein Brief im Kasten lag, auf dem mit einer krakeligen Handschrift "MAD" geschrieben stand, wollte ihm zuerst gar nicht einfallen, wo er ihn einordnen sollte. Während er ihn öffnete fiel ihm der Postkartengag wieder ein und er schmunzelte bei dem Gedanken, das einer seiner Freunde ihm jetzt eine Antwort zuschickten.
Als er in den Umschlag griff und ein Bild hinauszog, verschwand sein Lächeln mit einem Mal, denn er erkannte sich in voller Schneekleidung, wie er in Österreich über die Berge kletterte und er war sich sicher, daß er in den ganzen acht Tagen nicht einen Menschen zu Gesicht bekommen hatte.
Er zeigte seinen Freunden das Bild ohne Kommentar, aber als ihm klar wurde, das keiner von ihnen das Bild je gesehen hatte, zog er es vor ihnen nicht zu erzählen, was für eine Vermutung er hatte, sie würden ihm ohnehin nicht glauben.
Aber er wußte es jetzt: "Big brother is watching you!"




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