Wir alle kennen dieses Wort. Stille. So ist sie uns vertraut und dennoch oft fremd. Mancher mag sagen, daß er sie nur allzu selten erlebe. Ein anderer, daß er sie fast als bedrohlich empfände. Im Folgenden möchte ich mich diesem Wort nähern und dies nicht zuletzt, weil es uns im Wushan-Magazin um die "stillen Künste" geht. Gemeinhin wird der Begriff "Stille" als jener Zustand verstanden, welcher "das Fehlen von" Klängen/Lauten um-schreibt, oder - einfach ausgedrückt - "nichts oder so gut wie nichts hören". Auch die Stille in der Bewegung wird als "sich nicht bewegen" verstanden.
In solch rationaler Definition geht jedoch die Essenz einer wunderbaren Qualität verloren. Ebendiese Qualität findet sich auch im "weiwuwei", dem daoistischen Handeln, ohne zu handeln, wie auch im Kernsatz des Hannya Shingyo, eines buddhistischen Sutras "shiki fu I ku ku fu I shiki", der bedeutet: Alle Erscheinungsformen sind Leere und alle Leere ist Erscheinungsform.
Hier im Westen wird ku, die Leere, gemeinhin als nihilistischer Ansatz verstanden. Doch sie ist keinesfalls nihilistisch! Vielmehr beinhaltet diese Leere alle Möglichkeiten des Seins und ist ihr Ursprung, sehr verwandt dem chinesischen wu. Wuji, der "Gipfel des Nichts", ist der Ursprung von Yin und Yang. Auch der Beginn des Taijiquan, das Stehen in der Ausgangsposition, wird Wuji genannt, zu dem man nach der Form wieder zurückkehrt.
Soweit mein Ausflug über die Stille zum Nichts, bzw. zur Leere.
Was machen nun diese drei Aspekte?
...eben!
Nichts.
Sie SIND und zurückkehren zur Stille bedeutet Rückkehr zum Sein bzw. zum Seienden. Dies bewirken ebenso die stillen Künste, sei es nun Taijiquan, Chan- Meditation, das Chanoyu (Teezere-monie) oder auch die Tuschemalerei.
Mancher mag nun einwenden, daß er/sie aber wenig Stille zur Verfügung habe: Der Alltag in unserer westlichen Zivilisation sei beständig von Geräuschen und Lauten angefüllt und nirgends sei ein Raum, in welchem man Stille fände.
Dies ist ein wichtiger Punkt. Stille bedeutet hier nicht unbedingt "das Fehlen von Geräuschen". Stille ist überall, hinter jedem Geräusch. Lauschen Sie doch nur in den Hintergrund jedweger Kulisse! Sie ist überall, denn sie ist der Urgrund, so wie die weiße Leinwand der Grund eines Bildes ist, der leere Raum der Urgrund Ihres Wohnzimmers.
Sie können Stille an der starkbefahrenen Kreuzung ebenso finden wie auf einem Schulhof, in einem Konzertsaal. So ist der Weg des Dao, der Weg der stillen Künste, ein Weg, welcher zum einfachen Urgrund des Seins zurückführt, aus welchem heraus alles möglich ist.
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