Marienlieder Johannes Brahms op. 22

 

1. Der englische Gruß

1. Gegrüßet Maria, du Mutter der Gnaden!
    So sangen die Engel der Jungfrau Maria
    in ihre gebete, darinnen sie rang.
2. Maria, du sollst einen Sohn empfangen!
    Darnach tun Himmel und Erde verlangen,
    daß du die Mutter des Herren sollst sein.
3. O Engel, wie mag ich das erleben?
    Ich habe mich noch keinem Manne ergeben
    in dieser weitenund breiten Welt.
4. Wie Tau kommt über die Blumenmatten,
    so soll dich der heilige Geist überschatten,
    so soll der Heiland geboren sein.
5. Maria die höret solches gerne;
    sie sprach: ich bin eine Magd des Herren,
    nach deinem Worte geschehe mir.
6. Die Engel nun sanken auf ihre Knie,
    sie sangen alle Maria den Lobgesang!

 

2. Marias Kirchgang

1. Maria wollt zur kirche gehn,
    da kam sie an den tiefen See.
2. Als sie wohl an den See hinkam,
    der Schiffmann jung stand fertig da.
3. Ach Schiffmann, schiff mich über das Meer,
    ich geb dir was dein Herz begehrt.
4. Ich schiffe dich wohl über das Meer,
    wenn du willst meine Hausfrau sein.
5. Soll ich erst deine Hausfrau sein,
    viel lieber schwimm ich über das Meer.
6. Als sie wohl in die Mitte kam,
    fingen alle Glöcklein zu läuten an.
    Sie läuten groß, sie läuten klein,
    sie läuteten wohl alle zugleich.
    Maria kniet auf einen Stein,
    dem Schiffmann sprang sein Herz entzwei.

 

3. Marias Wallfahrt

1. Maria ging aus wandern,
    so fern ins fremde Land,
    bis sie Gott den Herren fand.
2. Sie hat ihn schon gefunden
    wohl vor des Herodes Haus,
    er sah so betrüblich aus.
3. Das kreuz, das mußt er tragen
    nach jeruzalem vor die Stadt,
    wo er gemartert ward.
4. Was trug er auf seinem Haupte?
    Ein' scharfe Dornenkron;
    das Kreuz, er trägt er schon.
5. Daran soll man bedenken,
    ein jeder jung or alt,
    daß Himmelreich leidet Gewalt!

 

4. Der Jäger

1. Es wollt gut Jäger jagen,
    wollt jagen von Himmelshöhn;
    was begegn't ihm auf der Heiden?
    Maria, die Jungfrau schön
2. Der jäger, den ich meine,
    der ist uns wohlbekannt;
    er jagt mit einen Engel,
    Gabriel ist er genannt.
3. Der Engel blies sein Hörnlein,
    das laut' sich also wohl:
    Gegrüßt seist du, Maria,
    Du bist aller Gnaden voll!
4. Gegrüßt seist du, Maria,
    du edle Jungfrau fein!
    Dein Schoß soll hegen tragen
    ein Kindlein zart und klein.
5. Dein Schoß soll hegen tragen
    ein Kindlein zart und klein,
    das Himmel und ach Erden
    einsmals wird nehmen ein.
6. Maria, die vielreine,
    fiel nieder auf ihre Knie,
    dann sie bat Gott vom Himmel,
    sein Wille geswchehen woll.
7. Dein Will, der soll geschehen
    ohn sonder Pein und Smerzt.
    Da empfing sie Jesum Christum in ihr,
    in ihr jungfräulich Herz.

 

5. Ruf zur Maria

1. Dich, Mutter Gottes, ruf' wir an,
    bitt für uns, Maria!
    Tu uns in Ängsten nicht verlan,
    Jesum, der Sohn, der Not ernahm,
    die er um manschlich Geschlecht wollt han,
    bitt für uns, Maria!
2. Daß wir vollkommen werden gar,
    bitt für uns, Maria!
    Leib und Gut auf Erd bewahr,
    daß wir in Zeit viel guter Jahr
    dort leben mit der Engel Schar,
    bitt für uns, Maria!
3. Du bist der Brunn, der nicht verseicht,
    bitt für uns, Maria,
    daß uns der heilige Geist erleucht
    zu wahrer Reu und ganzer Beicht!
    Jesus, dein Sohn, dir nicht verzeicht,
    Bitt für uns, Maria!

 

6. Magdalena

1. An dem österlichen Tag
    Maria Magdalena ging zu dem Grab;
    was fand sie in dem Grabe stehn?
    Einen Engel wohlgetan.
2. Der Engel grüßt sie in der Zeit:
    "Den da suchet das vielselige Weib,
    er ist erstanden von dem Tod,
    den du salben woltest."
3. "Maria!" ruft er zu ihr zu hant,
    da erkennt sie ihren Heiland,
    sie sah aller in aller der Gebärde,
    sam er ein Gärtner wäre.

 

7. Marias Lob

1. Maria, wahre Himmelsfreud,
    der Welt Ergötzlichkeit!
    Wer wollt dich nicht lieben?
    Du stehst mir geschrieben,
    ja bist mir gegraben
    mit tiefen Buchstaben
    in meinem Herzelein!
2. Wie schmelzet ein Karfunkelstein
    in Lorbeerkränzelein,
    so geht es mir eben.
    mein Seel und mein Leben
    vor Lieb sich zertrennen
    und in scich verbrennen
    bei deinen Nennen!
3. Der ganzen Schöpfung reiche Zier
    vergleicht sich nicht mit dir.
    Es dürfen die Blumen
    ihr Schönheit nicht rühmen,
    sie müssen sich schämen,
    du tuest benehmen
    all ihre Zierlichkeit.
4. Des Himmels Sternen angesicht
    und aller Sonnen Licht,
    samt Edelgesteinen,
    sie dürfen nicht scheinen,
    der Perlen, Korallen,
    Gold, Silber, sie fallen,
    Vor dir in Finsternis.
5. Maria, o mein höchste Freud,
    die Welt ist mir verleidt,
    ich suche zu sterben,
    du wollst mir erwerben
    nur Gottes Gnaden,
    auf höheren Pfaden
    so scheid ich frölich hin.
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