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Vorwort 

„Darf ich Sie mal etwas fragen? Sind Sie Deutsche? Und Sie gehoeren dem Islam an?“ 
„Ja, ich bin Deutsche, und ja, ich gehoere dem Islam an.“ 
„Sie meinen, Sie haben den deutschen Pass. Aber aus welchem Land kommen Sie? Und woher kommen Ihre Eltern? Und Ihre Grosseltern?“ 
„Ich habe einen deutschen Pass. Ich komme aus dem Sauerland in Westfalen. Ebenso wie auch meine Eltern und meine Grosseltern. Nur mein Uropa war kein Deutscher.“ 
„Aha.“ Der erstaunte Ausdruck im Gesicht meines Gegenuebers weicht einem verstehenden Laecheln. 
„Mein Uropa war Hollaender.“ 
„Hollaender?“ Das Laecheln erlischt so ploetzlich, wie es gekommen ist. 

Ich bin tatsaechlich nicht islamisch vorbelastet. Ich bin in Deutschland geboren, in einer deutschen Kleinstadt aufgewachsen und dort auch zur Schule gegangen. Nach dem Abitur habe ich an einer deutschen Universitaet studiert und sogar einen deutschen Hochschulabschluss erworben. 
Und ich bin Muslima. Irgendwann einmal habe ich mir den Islam als meine Religion gewaehlt. Ich verwahre in meinem Dokumentenordner neben meinem deutschen Pass, meiner Heiratsurkunde und meinen Zeugnissen auch eine Bescheinigung auf, die besagt, dass ich mich zum Islam bekenne. Seit einigen Jahren trage ich Kopftuch, selbst auf den Passfotos in meinen offiziellen Papieren, bete 5 Mal am Tag und erfuelle auch sonst nach bestem Wissen und Gewissen meine religioesen Pflichten. Mein Mann ist Muslim und meine Kinder werden es, so Gott will, auch. 

„Sind Sie mit einem Tuerken verheiratet?“ 
„Nein, ich bin verheiratet mit einem Aegypter.“ 
„Ach soooo.“ Das verstehende Laecheln erstrahlt in neuem Glanz, nur um dann wiederum zu verschwinden und einem eher mitleidsvollen Blick Platz zu machen. 
„Und jetzt muessen Sie ein Kopftuch tragen, Sie Arme?“ 

Fuer mein Gegenueber ist damit die Welt wieder in Ordnung. Mein Fall ist geloest, die Akte geschlossen. Mein Mann ist die Ursache dafuer, dass ich mich zum Islam bekenne. Oder, besser gesagt, bekennen muss. Denn von freier Entscheidung kann bei einer Frau im Zusammenhang mit dem Islam wohl kaum die Rede sein. Deutsche Frauen tendieren eben dazu, dem suedlaendischen Charme zu erliegen. Einmal verheiratet mit einem Auslaender, kommt dann das dicke Ende nach. Jeder weiss doch, dass das Leben der Frau im Islam bestimmt wird vom Mann. Denn im Islam bestimmt der Mann. Kopftuch, Kinder, Pruegelstrafe. 
Schliesslich kennt man die Muslime aus Presse- und Fernsehberichten. Man ist informiert. 
In Deutschland bekennen sich etwa 3% der Bevoelkerung zum Islam. Auf der ganzen Welt gibt es fast eine Milliarde Muslime. Und ueberall sind sie ein Aergernis. Terroristen, Waffenschieber, Drogenhaendler, Kriegsbetreiber. 
Dass der Islam trotzdem nichts an Anziehungskraft verloren hat, liegt in ungluecklichen Umstaenden begruendet. Deutsche Frauen geraten unter den Einfluss muslimischer Maenner. Tuerken, die in Deutschland leben, besinnen sich auf ihre islamischen Wurzeln, weil sie sich in der deutschen Gesellschaft nicht anerkannt fuehlen. Und in der Dritten Welt geht es den Menschen so schlecht, dass sie sich von skrupellosen Fundamentalisten -  mangels anderer Alternativen - den Islam als Ansatz zur Problemloesung aufschwatzen lassen. 

Menem, ein guter Freund, sagte Menschen, die so denken,  immer: “Wenn Sie nur lang genug suchen, werden Sie fuer jeden einzelnen Muslim auf der Welt einen psychologischen Grund dafuer finden, warum er Muslim ist.“ 
Nun, zumindest sparen sie sich so die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Islam. Die Rollen des Guten und des Boesen sind seit Jahrhunderten klar verteilt. In der Realitaet des Zusammenlebens jedoch erweist sich dieses Weltbild oft als truegerisch. Die direkte Konfrontation mit dem Anderen wirft Fragen auf, die wir nicht gerne hoeren. Sind wirklich die anderen auf dem falschen Weg? Oder sind wir es letztendlich selbst? 

Sicher ist, dass wir lernen muessen, miteinander auszukommen. Wir muessen unsere Ueberheblichkeit ablegen und beginnen, unsere Gegenueber als erwachsene Menschen zu betrachten, die ebenso wie wir im 20. Jahrhundert leben. Wenn wir genau hinsehen, koennen wir manches voneinander lernen. 
Lassen Sie sich diese Chance nicht nehmen! 

 
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