Babydirk's Kurzgeschichten-Seite Nr. 1

Schwules zum Schmunzeln

Wie alles begann

Wie alles begann

An meine Geburt kann ich mich nicht mehr so genau erinnern, möglicherweise gab es jedoch dabei einige mysteriöse Umstände, denn mein Vater behauptete später des öfteren, daß "dieses Kind unmöglich von ihm stammen könnte", aber ich greife jetzt voraus.

Jedenfalls hatte ich das unverdiente Pech, in einer wohlbehüteten, konservativen Familie auf dem Lande aufzuwachsen, mit einem Vater, von dem ich später ebenfalls des öfteren behauptete, daß "dieser Mensch unmöglich mein Erzeuger sein könnte", und einer Mutter, die manchmal zwar recht progressive Anwandlungen zeigte, ansonsten aber eher selten über den heimischen Tellerrand hinausschaute.

Die ersten Jahre verliefen entweder völlig ereignislos, oder sie sind einfach meinem Gedächtnis entschwunden (ich tippe auf das erstere, denn in unserer Familie und erst recht in unserem Dorf gab es recht selten "Ereignisse"). Dies änderte sich erst, als ich etwa fünf Jahre alt war und ich Mutters Kleiderschrank und ihre (wie sich später herausstellte spärlichen) Schminkutensilien entdeckte. Eine unerschöpfliche und geheimnisvolle Welt, die nur darauf wartete, von mir erforscht zu werden!

Der Beitrag meines Vaters zu meiner Erziehung beschränkte sich im wesentlichen darauf, mir zu erklären, was ein Junge zu tun hat und was er tunlichst unterlassen sollte. Ein Junge sollte Fußball spielen (ausgerechnet!), sich mit anderen Jungen herumbalgen, immer möglichst dreckig nach hause kommen und im Stehen pinkeln, und er sollte es unterlassen, mit Barbie-Puppen zu spielen, Kleider und Schuhe der Mutter anzuprobieren und mit den Mädchen der Nachbarschaft Seilchen zu hüpfen. Der Beitrag meiner Mutter war, mir gegen meinen Vater beizustehen ("Nu laß' ihn doch, wenn's ihm Spaß macht...").

Die Schule gefiel mir eigentlich ganz gut, wenn es da nicht diesen entsetzlichen Sportunterricht gegeben hätte. Das einzige, was ich wirklich gerne spielte, war Völkerball, Fußball lernte ich hingegen schon in frühester Jugend inbrünstig zu hassen. Auch war ich ziemlich wehleidig (bin ich immer noch), und wenn ich mich bei einer Sportart einmal verletzt hatte, war sie für mich gestorben. Da ich mich beim Sport recht ungeschickt anstellte, verletzte ich mich dann auch oft. So ist es eigentlich nicht verwunderlich, daß mein Zeugnis, das ansonsten immer ganz gut war, durch die Vier in Sport stark beeinträchtigt wurde, zumindest in den Augen meines Vaters. "Ein Junge muß in Sport eine Eins oder wenigstens eine Zwei haben!" Auch der Hinweis meiner Mutter, daß ich in Deutsch, Religion, Kunst und Musik eine Eins hatte, konnte ihn nicht milder stimmen. "Bist Du sicher, daß dieses Kind von mir ist?" Klatsch! (Das war, wie mir später von kompetenter, weil ausführender Stelle, bestätigt wurde, eine Ohrfeige, die sich mein Vater von meiner Mutter eingehandelt hatte. Später sollte sie allerdings diese Reaktion auf ähnliche Bemerkungen einstellen, wahrscheinlich weil sie sie doch zu oft zu hören bekam.)

Mit den Mädchen aus meiner Klasse verstand ich mich immer recht gut, mit Ausnahme von Tanja, heute bekennende Lesbe, die Doppelaxt stets griffbereit zum Schlag gegen frauenfeindliche Männer. Sie war schlimmer, als alle Jungen zusammen. Sie spielte leidenschaftlich gern Fußball, immer mit vollem Körpereinsatz, wovon zahlreiche blaue Flecke an den Schienbeinen der gegnerischen Spieler beredtes Zeugnis ablegten. Übrigens nicht an meinen, denn ich versuchte stets, in ihre Mannschaft zu kommen, was sie regelmäßig abblocken wollte, oder ich ging ihr einfach aus dem Weg. Jedenfalls war ich immer von einem Pulk Mädchen umgeben, was mir gelegentlich den Spott, aber auch mindestens ebenso oft die heimliche Bewunderung meiner männlichen Schulkameraden einbrachte. ("Wie machst du das bloß?") Mir tat es nur immer leid, daß ich mich nicht Händchen haltend in die Riege der Mädchen einreihen konnte, die regelmäßig in den Pausen zum Klo marschierte, denn dann war ich plötzlich unter den Jungen allein.

Mit den Jungen aus meiner Klasse hatte ich so meine Probleme: Auf der einen Seite waren sie mir zu laut, zu ungehobelt und ihre Gesprächsthemen zu langweilig - Sport, Autos, Mädchen - auf der anderen Seite mochte ich aber auch den einen oder anderen ganz gern, seltsamerweise immer die gutaussehenden, und ich war selig, wenn einer von diesen das Wort an mich richtete oder mich sogar mal zum Geburtstag einlud, was selten genug vorkam. Pluspunkte konnte ich nur dadurch sammeln, daß ich einigen die Hausaufgaben machte oder sie bei Klassenarbeiten abschreiben ließ, denn meistens war ich entschieden besser als diese Objekte meiner Anbetung. So kam es, daß mir schon sehr früh bewußt war, daß ich zwar mit Mädchen die besseren Freundschaften eingehen konnte, daß ich aber nur bei manchen Jungs Schmetterlinge im Bauch zu haben schien. Und mir war sehr wohl bewußt, daß es meineswissens nur mir so erging, wenn ich auch das Wort dafür erst einige Zeit später kennenlernte - schwul!


Copyright 1996 by Dirk Kurz



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Last updated July, 24th, 1996


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