Die Geschichten von Menschen, die gern die Kleidung des anderen Geschlechts tragen, ähneln einander mehr oder weniger. Meine Geschichte ist wohl eher typisch für das, was CDs und TVs erleben.
Es begann in der Pubertät: Ich entdeckte eines Tages, wie erregend ich es empfand, wenn ich eine Feinstrumpfhose trug. Es waren die Strümpfe meiner Mutter, die mich anmachten. Zu diesem Zeitpunkt wußte ich nicht, wie man diese Neigung nennt, aber eines wußte ich ganz sicher: Es machte mir großen Spaß! Nach einer Weile reichten mir die Strümpfe allein nicht mehr und ich probierte Schuhe, Blusen und vor allem Kleider an. Ich liebte das Gefühl, weiblich zu sein, sexy auszusehen und posierte vor dem Spiegel. Das ging natürlich nur, wenn ich allein in der Wohnung war.
Ein typischer Junge war ich nie. In einem gewissen Alter spielen Jungen nur mit anderen Jungen und nicht mit Mädchen. Mädchen sind in dieser Zeit "zickig" und "langweilig". Das fand ich keineswegs. Ich hätte gern viel mehr mit Mädchen gespielt, aber genauso, wie die anderen Jungen Mädchen "blöd" fanden, hatte ich keine großen Chancen, bei den Mädchen ein akzeptierter Spielkamerad zu werden. Das fand ich sehr schade, arrangierte mich aber damit. Ich hätte eben gern die guten Dinge beider Seiten genossen und nicht nur die der Jungen...
Meine Mutter hätte statt zweier Söhne lieber auch eine Tochter gehabt. Es amüsierte sie, wenn ich mit ihren Schuhen ins Wohnzimmer kam und begutachtet werden wollte. Ein paarmal lackierte sie mir die Fingernägel. Mein Vater war davon nicht begeistert: "Du verwirrst den Jungen nur! Laß diesen Unsinn." Wenn er gewußt hätte, wie sehr ich es mochte.
Eines Tages fand meine Mutter eine Strumpfhose in meinem Schulranzen. Sie wunderte sich und fragte mich, wozu ich sie brauche. Ich hatte keine plausible Antwort parat. Ich denke, sie schrieb es meiner Pubertät zu, denn sie sprach nie wieder darüber.
Mit 16 Jahren zog ich zu Hause aus und wechselte die Schule. In der Wohngruppe, in der ich nun lebte, konnte ich meiner Neigung praktisch überhaupt nicht nachgehen. Man ist in einer WG ja fast nie allein.
Von der Schule aus ging es mit meiner "großen Liebe" in die erste eigene Wohnung. Und wieder war an offenes Tragen von Frauenkleidung nicht zu denken. Alles lief in den "normalen" Bahnen ab. Ich schätzte meine Freundin so ein, daß mit ihr bezüglich dieses Themas nicht gut Kirschenessen wäre. Und so war es auch: Sie fand die Unterwäsche, die ich mir zugelegt hatte. Ich versuchte es mit der Ausrede, ich habe es für sie gekauft. Zuerst war sie erfreut. Als ich dann aber durchblicken ließ, daß auch ich gern solche Unterwäsche trage, war das Ende der Fahnenstange erreicht. Sie war doch die Frau im Hause! Der Mann hat männlich zu sein. Von Zeit zu Zeit zog ich trotzdem die besagten Wäschestücke an. Meine Freundin tolerierte es zähneknirschend. Nach einiger Zeit trennten wir uns. Das Crossdressing war sicher nicht der Hauptgrund, hat aber zur Trennung beigetragen. Damals war ich sehr traurig und enttäuscht darüber, daß sie mit dem CD nichts zu tun haben wollte. Aus heutiger Sicht weiß ich, daß ich damals viel falsch gemacht habe. Ich bin ihr nicht böse für ihre damalige Reaktion.
In meiner kleinen Wohnung konnte ich nun - wann immer es mir gefiel - meine weibliche Identität entdecken. Zwar geschah das praktisch ausschließlich innerhalb meiner vier Wände, aber die neu gewonnene Freiheit bedeutete mir sehr viel.
Ein paar Jahre verbrachte ich so mit gemischten Gefühlen, bis sich die Beziehung zu meiner jetzigen Frau ergab. Ich zog bei ihr ein. Meine weiblichen Klamotten hielt ich unter Verschluß, da ich nicht riskieren wollte, daß sie negativ darauf reagiert. Nach mittlerweile 4 Jahren wurde der Wunsch, mein Geheimnis zu offenbaren, immer größer. Ich konnte seelisch nicht mehr mit dieser Geheimniskrämerei leben. Meine Träume drehten sich nur noch darum, meinen weiblichen Part ausdrücken zu wollen. Irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich meine Angst überwinden konnte, und vertraute meiner Partnerin mein spezielles Geheimnis an.
Sie hat - mit allen Höhen und Tiefen - wunderbar reagiert. Wir sprechen viel über das Thema TV/TS und sind auch sicher noch lange nicht damit fertig. Dieser Prozeß dauert noch lange - wenn nicht gar für immer - an.
Lest mehr zum Thema in Coming Out.