08. Dez. 2000
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Mail an TransPersona
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Erster
Besuch bei Transpersona
"Vielleicht werden sie mich ja beissen!" war lange Zeit eine billige
Ausrede, um nicht bei der Gruppe von TP vorbeizuschauen. Das sollte sich nun ändern...
Schon Wochen vorher hatte ich meinem Kollegen spasseshalber
"angedroht", wir sollten beim nächsten Monatstreffen einfach mal dabei sein.
Doch dachte ich zu diesem Zeitpunkt nicht im entferntesten daran, diese Idee wirklich in
die Tat umzusetzen. Und je näher der tatsächliche Termin kam, um so mulmiger wurde es
mir beim Gedanken daran. Doch vielleicht war die Zeit nun reif, sich der Situation zu
stellen, sich dem Schicksal zu stellen...
Sonntag davor: Drei Tage vor dem "grossen" Mittwochabend fingen die
Gefühle an total verrückt zu spielen. Einerseits war der Wunsch da, mal hinzugehen und
die Reaktionen zu erleben. Andererseits aber die Furcht, nicht angenommen zu werden, sich
zu blamieren, oder dass etwas (was auch immer) schief gehen könnte. Ich brauchte eine
moralische Stütze, Argumente. Dann schaltete sich mein gesunder, nüchterner
Menschenverstand ein und ich sagte mir: "Du bist erwachsen genug, und wenn's dir
wirklich nicht passt, kannst du ja immernoch aufstehen und davonlaufen. Zu verlieren hast
du nichts!" Zudem muss man sich um sein Image wirklich keine Sorgen machen, das tun
doch schon die anderen...
Früher Mittwochnachmittag: Im Geschäft plagen mich die Gedanken und der
Druck im Bauch macht sich ungemütlich bemerkbar. Ich habe meinen Kollegen (der mich
begleiten wird, allerdings nicht en femme) angerufen und gefragt, ob wir das ganze nicht
abblasen sollen. Doch der meint, ich solle heute unbedingt dorthin gehen. Denn wenn ich
heute nicht hinginge, würde ich gar nie mehr hingehen. Und damit hat er nicht unrecht...
Später Mittwochnachmittag: Obwohl ich früher vom Geschäft heimging und
gleich mit den Vorbereitungen begonnen habe, war die Zeit sehr knapp bemessen. Um sieben
Uhr sollte ich bereits mit dem Auto abgeholt werden. Also ging's los mit duschen,
rasieren, schminken und anziehen. Zum Glück hatten wir bereits am Sonntag das Outfit für
diesen Abend ausgesucht, sonst wäre eine zusätzliche halbe Stunde nötig gewesen. Kurz
nach sieben dann noch schnell die Handtasche füllen, Schlüssel packen und raus in die
kühle, dunkle Nacht...
Abends vor dem Lokal: Beim Parkieren kamen die Zweifel in konzentrierter Form
wieder über mich. Sollen wir es jetzt wagen? Oder lieber wieder umkehren? Bin ich auch
perfekt geschminkt? Sitzen die Kleider richtig? Habe ich nicht irgendwas vergessen? Meine
Hände waren eiskalt und ein Wechselbad der Gefühle wie vor einer grossen Prüfung oder
einem Vortrag machte mir zu schaffen. Vor uns stieg eine Frau aus dem Auto, dem Aussehen
nach auch jemand von TP. Immerhin war ich also heute nicht die einzige. Wie tröstlich...
Also los! Wir stiegen aus dem Auto, gingen mit schnellen Schritten ins Haus, die
Treppe hoch und bewegten uns möglichst still und unauffällig in den Raum. Am Tisch
sassen bereits etwa sechs Damen, welche uns kaum Beachtung schenkten. Also setzten wir uns
auch brav in eine Ecke und warteten mal ab. Nach und nach tröpfelten dann immer mehr
Leute in den Saal und es dauerte nicht lange, bis jemand auf uns zu kam und sich
vorstellte. Dummerweise kann ich mich (der grossen Aufregung wegen) nicht mehr an all die
Namen erinnern, doch wir wurden sehr nett begrüsst und über den Ablauf des Abends
informiert. Immerhin weiss ich noch, dass sich Nadia, Petra und Claudia zu uns an den
Tisch setzten. Mit der Zeit kamen immer mehr MitgliederInnen dazu, stellten sich vor und
verteilten sich zusehend im Raum. Schlussendlich waren es an die vierzig Leute(!).
Pünktlich um neun begann dann die eingeladene Psychologin Christa Gubler mit
ihrem zweistündigen Vortrag über Sexualität. Es war ein interessanter Vortrag mit
anschliessender Diskussion, obwohl ich wegen der Anspannung und Nervosität gar nicht
alles mitbekommen konnte. Ich war irgendwie wie in Trance.
Die Tage danach: Komischerweise ist mir erst in den nachfolgenden Tagen
bewusst geworden, was ich erlebt hatte. Erst eine Woche später realisierte ich, dass ich
über meinen eigenen Schatten gesprungen war, meinen inneren Widerstand überwunden hatte.
Und heute bin ich wirklich sehr stolz darauf.
Fazit: Es war ein sehr positives Erlebnis. Was mich am allermeisten erstaunt
und erfreut hat, war die Tatsache, dass die MitgliederInnen so vorbehaltlos und ohne
schräge Blicke mit dir reden konnten. Man/frau wird als Mensch wahrgenommen und es fühlt
sich an, als sei dein Auftritt in deiner Rolle das Selbstverständlichste der Welt. Und
weil ja alle "im gleichen Boot" sitzen, fühlt man/frau sich dadurch auch
sicherer und im Gespräch ernst genommen.
Etwas schockiert hat mich hingegen die direkte Offenheit, wie über gewisse Dinge
geredet wurde. Ich bin es mir (in meiner isolierten Welt?) nicht gewohnt, die Dinge so zu
benennen wie sie heissen. Zum Beispiel Begriffe wie Transvestit oder auch sexuelle Themen
(vom Vortrag) umschreibe ich meist mit Fantasiewörtern, weil es dann für mich einfacher
ist, darüber zu reden. Daran werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen.
Mit Sicherheit möchte ich wieder hingehen. Die Menschen haben einen sehr
positiven und lieben Eindruck auf mich gemacht. Doch wenn ich ans nächste Treffen denke,
beginnt sich wieder dieses elende Magendrücken, diese Mischung aus Nervosität und
Furcht, zu melden. Doch ich hoffe schwer, dass dieses Angstgefühl nach ein paar Besuchen
der Vergangenheit angehört.
Heute bin ich stolz und erfreut, dort gewesen zu sein!
Ich bereue es trotzdem nicht, schon früher hingegangen zu sein. Denn früher
hatte ich es einfach als richtig empfunden, nicht dabei zu sein und ich akzeptiere meine
frühere Einstellung. Vermutlich war ich einfach noch nicht soweit und die Zeit war noch
nicht reif.
... die Damen von Transpersona beissen also doch nicht!
Patricia, Ende November 2000
Patricias Webpage: http://www.patricia.ch
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