FLUSSFAHRT DURCH DIE RUSSISCHE WILDNIS
MAINPOST, 24.12.1993
"Eine Flußfahrt, die ist lustig, eine Flußfahrt, die ist fein", dachten sich elf Würzburger Studenten und Studentinnen und stürzten ins Vergnügen hinein. Nein,Schon die Busfahrt vom Arbeits-camp zum Fluß machte einige Stu-dentinnen zu quikenden Wesen wie beim Kiliani-Volksfest auf der Achterbahn; nur Aussteigen nach zwei Minuten empfahl sich nicht in der russischen Weite. In über vierstündi- ger Fahrt ging es zwar nicht ans Ende der Welt, doch immerhin anden Rand Europas und immer tieferin den Ural hinein.Ein geländegängiger, völlig überladener Bus hatte keine Problememit Spurrillen von einem Meter tiefe. Doch in einem Wasserloch war Endstation. Durchdrehende Räder, Wasser und Dreck spritzten zum Kaputten Fenster rein - Was nun, wastun? Keine Panik: nach etwas War-tezeit kam zufällig ein Laster vorbei, der selbstverständlich half - das Leben in der Wildnis hat durchaus seine Reize.Nach der ersten Nacht in den Zelten wurden am Morgen die Katamarane aufgepumpt, zusammengeknotet. Gepäck verstaut, improvisiertund ab ging es. Immer schön imWechsel wurde gerudert, gesonntund in die einsame Natur geschaut. Russische Bären - Fehlanzeige. 80 Kilometer den Flußlauf entlang und nur eine Begegnung mit der Zivilisation: Ein Dorf mit rund 30 Holzhäusern stand nach 20 Kilometern amFlußrand. Doch die übrige Zeit Leben, als wäre man alleine auf der Welt.
Was das bedeutet? Beispielsweise keine Angst vor verdrecktem Wasser. So diente der Weiße Ruß am Morgen zum Waschen, Zähneputzen und Schwimmen. Während des Tages als Trinkwasser-Reserve und abends als Kochwasser. Der sogenannte Sprit mit 98 Prozent Alkohol wurde auf trinkbare Dosis von 40 Prozent verdünnt. So kreiste am Lagerfeuer zu russischer Gitanrenmusik Becher und Flasche, die legendäre nissische Zigarette Papirossy löste sich in Rauch auf - Malboro-Man wäre vor Neid erblaßt. Auch in den Schlafgewohnheiten zeigten deutsche Studenten Interesco an rlucc.rhon TohoncooxArrkbnhoi lmriu Jci Vv'iiuilia. -Ein Tciiliciluici erzählt: Als ich ins Z.elt Krabbelte klärte mich mein russischer Freund auf: Hier wird nach alter Tradition geschlafen. Warme Kleidung ist überflüssig, zwei Decken reichen für zwei Jungs und zwei Mädchen. Ich habe gemerkt: Alles andere war nur eine Frage der Platzordnung, so daß niemandem kalt wurde. Es waren schöne Nächte . . ."
...und tolle Tage. Auch wenn der Regen seit mehreren Stunden die Kleidung bis aufs letzte Hemd durchweichte, was in dieser Situation wörtlich zu nehmen ist. Kaffee, Lagerfeuer und Wodka verhinderten schlimmeres. Erkältungen wurden ohne Murren akzeptiert. Zur Hustenwelle mag auch die körperliche Anstrengung bei gleichzeitig immer spärlicherem Essen beigetragen haben. Ein Student erinnert sich noch ganz genau: "Die Suppe war an den ersten Tagen noch mehr ein Eintopf, wurde immer dünner bis ich am Ende schließlich Brotkrummeln hineinwarf, um überhaupt noch etwas festes im Mund zu haben. Die russisehe Alternative dazu war für mich ein Horror. Selbstgefangene Fische wurden zwar ausgenommen und zerteilt, aber einschließlich Kopf und Gräten in die Suppe geschmissen. Als ich meine Hemmung über die Zubereitungsart überwunden hatte. schlürfte ich die Suppe begierig in mich rein. Am Ende kam die Katastrophe! Eine Gräte stellte sich in meinem Hals quer, ich würgte, lief in die Büsche. Als ich wiederkam, hatte ich keine Suppe mehr im Magen und der Kochtopf war leer.
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