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CD-Rezensionen


Coil / Transparent

Erneut vertrösten uns Coil mit Material vergangener Tage, welches den meisten bislang nicht zugänglich war, da es entweder auf ultralimitierten Tapes oder gar nicht veröffentlicht wurde. In vorliegendem Fall handelt es sich dabei um Aufnahmen aus den Anfangstagen des Projektes als man noch unter dem Namen ´Zos Kia´ firmierte und sogar einige Live-Konzerte gab; so stammen z.B. die ersten 5 Stücke von einem Mitschnitt des Berliner Atonal Festivals 1983. Wer Coil nur von ihren jüngeren Veröffentlichungen her kennt, wird überrascht sein, denn das dort Dargebotene erweist sich als wesentlich rauher und derber als all das, was danach kam. So klingen beispielsweise der Opener ´Sicktone´ und das anschließende ´Baptism Of Fire´ sehr stark nach Throbbing Gristle.
Wer ´Unnatural History´ (ebenfalls eine Zusammenstellung alten Coil-Materials) kennt, wird in ´Rape´ einen Anknüpfungspunkt finden, denn es ist sozusagen eine Pre-Version von ´Here To Here´, welche sich vorallem durch den entsetzlichen Schrei am Ende des Stückes von dem verwandten Stück unterscheidet.
´Here To Here´ ist schließlich auch selbst auf dieser Compilation zu hören. Angereichert wurde es hier um zwei weitere Stücke aus dieser Bandphase (´Stealing The Words´, ´On Balance´), die sich ohne Probleme auch auf der ´Unnatural History´-Compilation wiederfinden könnten. Das ist der skurille Sound, der für mich Coil zu einer der interessantesten Bands im Bereich der Experimental- und Atonal-Musik macht.
Schließlich befindet sich noch je ein Stück zweier weiterer Live-Auftritte auf dieser CD, von denen das leider etwas kurze ´Silence & Secrecy´ ebenfalls eine große Nähe zur ´Unnatural History´ aufweist.
Einziger Kritikpunkt dieser Compilation ist die äußerst schlechte Soundqualität der Aufnahmen; aber verleiht nicht gerade das auch den Stücken die entsprechende Authenzität ?

Dive / Snakedressed

Dive ist zurück - und hat zu meiner Erleichterung wieder zu seinen Ursprüngen zurückgefunden, ohne dabei auf neue Akzente zu verzichten. Nach dem sehr lauen "Grinding Walls"-Soundtrack und einem ebenso enttäuschenden Beitrag zur Split-CD "Night Shadows" (mit Controlled Bleeding) präsentiert uns Dirk nun wieder ungeölt krachige und kaputte Sounds, Sirenen und seine unverwechselbar gemein-dreckige Stimme. Aber Vorsicht : So ganz nebenbei haben sich bei eingen Stücken saftige Grooves hinzugesellt, die jedoch dem Dive-typischen Stil nicht schaden ("Snakedressed" und "Growing Deep Inside"). Titel wie "Throw Myself Away" oder "Sufferhead" künden ja bereits von der gewohnt einfachen und dennoch gekonnten Ivens´schen Lyrik.
Vielleicht schmeiß ich mich ja auch mal eines Tages weg; zumindest eher als diesen Silberling. Dirk Ivens hat die Mülltonne in jedem Fall gut getan; Recyceltes kann zuweilen eben doch Qualität besitzen !

Download / The Eyes Of Stanley Pain

Ein wahres Sammelsurium an orginellen Sounds bietet uns das so häufig als ´Ex-Skinny Puppy´ bezeichnete Projekt Download, das allerdings mit den Urvätern des Dark Electro wenig gemein hat. Zu skurill, zu unstrukturiert erscheint dieses Werk und Fans der alten Skinny Puppy werden es schwer haben, dem neu eingeschlagenen Weg zu folgen. Kaum hat sich eine rhythmische Struktur herausgebildet, wird diese auch prompt durch ein krachiges Aufeinandertreffen neuer Sounds & Samples unterbrochen. Ein Krieg der Synths und Sampler ? - Mir gefällt dieses gewollte Chaos, gibt es doch immer wieder Neues zu entdecken. Wer die Band live gesehen hat und nicht gerade eines der Konzerte erwischte, die soundtechnisch ein Debakel waren (Rostock etwa), konnte sich auch von der eindrucksvollen Umsetzung auf der Bühne überzeugen.

Download / III

Schon das schöne Cover macht neugierig auf dieses Album. Nach dem Weggang von Marc Spybey kommt "III" ohne Vocals aus, was aber der Qualität der Musik keinen Abbruch tut. Download klingen auf dieser CD sehr aufgeräumt und teilweise sogar entspannt. Die lärmigen und überladenen Stücke gehören offenbar der Vergangenheit an. Man hört zwar noch, daß es sich um Download handelt, aber Passagen, die vielleicht noch an Skinny puppy erinnern existieren nicht mehr. War "The eyes of Stanley pain" noch etwas schwer einzuordnen, so kann man diese CD ohne Bedenken unter "Intelligent techno" einordnen. Irgendwo zwischen LFO und Atom heart. Krasse Sounds und Überraschungen werden sparsam und gezielt eingesetzt und auf zwei Stücken sind sogar Cellos vertreten. Die konsequente Weiterentwicklung einer Band, die es aber in der konservativen Electroszene schwer haben wird. (Rüdiger Illg)

Erblast / I

Goethes Erben-Fans seien gewarnt. Mit Erblast I legt Oswald Henke ein schwer zugängliches Werk vor, das man eher als eine Soundcollage als eine Musik-CD in herkömmlichen Sinne bezeichnen kann. Auch ich habe mich zu Beginn damit schwer getan.
Man versucht wie gewohnt, den Worten von Oswald zu folgen, doch merkt man bald, daß in diesen Worten nicht die Aussagekraft der Erben-Stücke steckt. Betrachtet man das Klanggebilde als Gesamtheit, so beginnt sich "I" dem Hörer zu öffnen.

Haus Arafna / Blut

Industrial ist in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen. Vorreiter waren hier vorallem die rhythmischen Industrial-Stücke im Stile von Esplendor Geometrico. Hinter diesem Ausgangspunkt wurden auch Bands wie Throbbing Gristle oder SPK erstmals einer größeren Hörerschaft zugänglich. Eine Reihe neuer Bands tauchte auf. So auch Haus Arafna, die man eindeutig dem "klassischen" Industrial-Lager im Stile der Throbbing Gristle zuordnen kann. Im Gegensatz zu Dive oder Esplendor Geometrico diktiert hier nicht der Rhythmus, sondern das Verworrene, das Debile. Hier wird nicht einmal im Ansatz ein sauber ausgefeilter Sound präsentiert, es handelt sich eher um analoge Zwischenstufen; bewußt dreckig, bewußt kaputt. Der Zeitgeist der post-industriellen, spätkapitalistischen Gesellschaft.
Diese Musik (oder sagen wir besser dieses Klangkonstrukt) kann man als dilletantisch bezeichnen; hier regiert eine Verzweiflung, eine Idiotie, ein Exzess, der sich direkt ins Gehirn hineinbohrt. Es bedarf schon einiger Übung, diese CD am Stück von vorne bis hinten durchzuhören. Vielleicht wäre ein Hinweis auf die gesundheitsschädlichen Folgen ganz angebracht gewesen, stattdessen wurde das Pappcover lediglich in einen Draht gehüllt, was das Auspacken etwas erschwert.
´Blut´ ist die gnadenlose Konfrontation mit der Dekadenz, der die kranke Menschheit zunehmendst anheim fällt.

The Residents / Eskimo

Weiße Schneelandschaften tun sich auf, ein eisiger Wind bläßt ums Gesicht, der Himmel ist klar und die Seehunde (oder sind es gar Eisbären) untermalen dieses Stilleben mit eigenartigen Klängen. Diesen Eindruck vermittelt das 1979 erschienene Residents-Album ´Eskimo´, welches vor einiger Zeit (wie viele andere Residents-Alben auch) auf CD wiederveröffenticht wurde. Das eigenwillige amerikanische Projekt, das bis zum heutigen Tage seine Anonymität wahrt und nur im Form kopfloser Gestalten mit großen Augäpfeln in Erscheinung tritt, hat mit diesem Longplayer zugleich ihr wohl düsterstes und ambientlastigstes Werk geschaffen, das im Vergleich zu anderen Residents-Scheiben noch sehr eingängig wirkt - trotzalledem bleibt es sehr experimentell. Ich wage zu behaupten, daß dies´ (neben der Zwillings-EP ´Diskomo´) die elektronischste Veröffentlichung der einstigen Kunststudenten ist.
Worüber ich immer noch ein bißchen rätsel, sind die obskuren Stimmen, die sich im Laufe des Zweiten der sechs Tracks in das Klanggemälde einfinden. Sind das die Eskimos oder doch vielmehr futuristische Gestalten aus ferner Zukunft. Irgendwie könnte diese CD ja auch der Soundtrack zum sagenumwobenen Atlantis sein und da ist diese Vermutung doch nicht so ganz abwegig.
Nochmal zusammengefaßt : Extrem ruhig, extrem windig, extrem kalt. Für Nicht-Kenner der Residents der ideale Einstieg !
Aber bitte : Warm anziehen !

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Zuletzt aktualisiert am 17.Oktober 1998


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