Abschied Du füllst mich an wie Blut die frische Wunde und rinnst hernieder seine dunkle Spur, du dehnst dich aus wie Nacht in jener Stunde, da sich die Matte färbt zur Schattenflur, du blühst wie Rosen schwer in Gärten allen, du Einsamkeit aus Alter und Verlust, du Überleben, wenn die Träume fallen, zuviel gelitten und zuviel gewusst. Entfremdet früh dem Wahn der Wirklichkeiten, versagend sich der schnell gegebenen Welt, ermüdet von dem Trug der Einzelheiten, da keine sich dem tiefen Ich gesellt; nun aus der Tiefe selbst, durch nichts rühren, und die kein Wort und Zeichen je verrät, musst du dein Schweigen nehmen, Abwärtsführen zu Nacht und Trauer und den Rosen spät. Manchmal noch denkst du dich --: die eigene Sage --: das warst du doch --? ach, wie du dich vergasst! war das dein Bild? war das nicht deine Frage, dein Wort, dein Himmelslicht, das du besasst? Mein Wort, mein Himmelslicht, dereinst besessen, mein Wort, mein Himmelslicht, zerstört, vertan -- wem das geschah, der muss sich wohl vergessen und rührt nicht mehr die alten Stunden an. Ein letzter Tag --: spätglühend, weite Räume, ein Wasser führt dich zu entrücktem Ziel, ein hohes Licht umströmt die alten Bäume und schafft im Schatten sich ein Widerspiel, von Früchten nichts, aus Ähren keine Krone und auch nach Ernten hat er nicht gefragt -- er spielt sein Spiel, und fühlt sein Licht und ohne Erinnern nieder -- alles ist gesagt. Gottfried Benn
DIE GESCHICHTE VOM FRANZ BIBERKOPF Von einem einfachen MANN wird hier erzählt, der in BERLIN am ALEXANDERPLATZ als Strassenhändler steht. Der MANN hat vor anständig zu sein, da stellt ihm das Leben hinterlistig ein Bein. Er wird betrogen, er wird in Verbrechen reingezogen, zuletzt wird ihm seine BRAUT genommen und auf rohe Weise umgebracht. Ganz aus ist es mit dem MANN FRANZ BIBERKOPF. Am Schluss aber erhält er eine sehr klare Belehrung: MAN FÄNGT NICHT SEIN LEBEN MIT GUTEN WORTEN UND VORSÄTZEN AN, MIT ERKENNEN UND VERSTEHEN FÄNGT MAN ES AN UND MIT DEM RICHTIGEN NEBENMANN. Ramponiert steht er zuletzt wieder am ALEXANDERPLATZ, das Leben hat ihn mächtig angefasst. Alfred Döblin [ Gedicht auf dem Umschlag der S. Fischer-Ausgabe]
Wer nie sein Brot mit Tränen ass, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend sass, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr lasst den Armen schuldig werden, Dann überlasst ihr ihn der Pein, Denn alle Schuld rächt sich auf Erden. Johann Wolfgang Goethe
Alles war ein Spiel In diesen Liedern suche du Nach keinem ernsten Ziel! Ein wenig Schmerz, ein wenig Lust, Und alles war ein Spiel. Besonders forsche nicht danach, Welch Antlitz mir gefiel, Wohl leuchten Augen viele drin, Doch alles war ein Spiel. Und ob verstohlen auf ein Blatt Auch eine Träne fiel, Getrocknet ist die Träne längst, Und alles war ein Spiel. Conrad Ferdinand Meyer
An die Parzen Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen! Und einen Herbst zu reifem Gesange mir, Dass williger mein Herz, vom süssen Spiele gesättigt, dann mir sterbe. Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch ist mir einst das Heil'ge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen, Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinabgeleitet; Einmal Lebt' ich, wie Götter, und mehr bedarf's nicht. Friedrich Hölderlin
Ausfahrt Vom Lande steigt Rauch auf. Die kleine Fischerhütte behalt im Aug, denn die Sonne wird sinken, ehe du zehn Meilen zurückgelegt hast. Das dunkle Wasser, tausendäugig, schlägt die Wimper von weisser Gischt auf, um dich anzusehen, gross und lang, dreissig Tage lang. Auch wenn das Schiff hart stampft, und einen unsicheren Schritt tut, steh ruhig auf Deck. An den Tischen essen sie jetzt den geräucherten Fisch; dann werden die Männer hinknien und die Netze flicken aber nachts wird geschlafen, eine Stunde oder zwei Stunden, und ihre Hände werden weich sein, frei von Salz und Öl, weich wie das Brot des Traumes, von dem sie brechen. Die erste Welle der Nacht schlägt ans Ufer, die zweite erreicht schon dich. Aber wenn du scharf hinüberschaust, kannst du den Baum noch sehen, der trotzig den Arm hebt - einen hat ihm der Wind schon abgeschlagen - und du denkst: wie lange noch, wie lange noch wird das krumme Holz den Wettern standhalten? Vom Land ist nichts mehr zu sehen. Du hättest dich mit einer Hand in die Sandbank krallen oder mit einer Locke an die Klippen heften sollen. In die Muscheln blasend, gleiten die Ungeheuer des Meers auf die Rücken der Wellen, sie reiten und schlagen mit blanken Säbeln die Tage in Stücke, eine rote Spur bleibt im Wasser, dort legt dich der Schlaf hin, auf den Rest deiner Stunden, und dir schwinden die Sinne. Da ist etwas mit den Tauen geschehen, man ruft dich, und du bist froh, dass man dich braucht. Das Beste ist die Arbeit auf den Schiffen, die weithin fahren, das Tauknüpfen, das Wasserschöpfen, das Wändedichten und das Hüten der Fracht. Das Beste ist, müde zu sein und am Abend hinzufallen. Das Beste ist, am Morgen, mit dem ersten Licht, hell zu werden, gegen den unverrückbaren Himmel zu stehen, der ungangbaren Wasser nicht zu achten, und das Schiff über die Wellen zu heben, auf das immerwiederkehrende Sonnenufer zu. Ingeborg Bachmann
Besinnung Göttlich ist und ewig der Geist. Ihm entgegen, dessen wir Bild und Werkzeug sind, Führt unser Weg; unsre innerste Sehnsucht ist: Werden wie er, leuchten in seinem Licht! Aber irden und sterblich sind wir geschaffen, Träge lastet auf uns Kreaturen die Schwere. Hold zwar und mütterlich warm umhegt uns Natur, Säugt uns Erde, bettet uns Wiege und Grab; Doch befriedet Natur uns nicht, Ihren Mutterzauber durchstösst Des unsterblichen Geistes Funke Väterlich, macht zum Manne das Kind. Löscht die Unschuld und wendet uns zu Kampf und Gewissen. So zwischen Mutter und Vater, So zwischen Leib und Geist Zögert der Schöpfung gebrechlichstes Kind. Zitternde Seele Mensch, des Leidens fähig Wie kein anderes Wesen, und fähig des Höchsten: Gläubiger, hoffender Liebe. Schwer ist sein Weg, Sünde und Tod seine Speise, Oft verirrt er ins Finstre, oft wär ihm Besser, niemals erschaffen zu sein. Ewig aber strahlt über ihm seine Sehnsucht, Seine Bestimmung: das Licht, der Geist. Und wir fühlen: ihn, den Gefährdeten, Liebt der Ewige mit besonderer Liebe. Darum ist uns irrenden Brüdern Liebe möglich noch in der Entzweiung, Und nicht Richten und Hass, Sondern geduldige Liebe, Liebendes Dulden führt Uns dem heiligen Ziele näher. Hermann Hesse
Welke Blätter Plötzlich hallt mein Schritt nicht mehr, sondern rauscht leise, leise wie die tränenvolle Weise, die ich sing', vor Sehnsucht schwer. Unter meinen müden Beinen, die ich hebe wie im Traum, liegen tot und voll von Weinen Blätter von dem grossen Baum. (Selma Meerbaum-Eisinger mit 15 Jahren... 3 Jahre bevor sie im SS-Arbeitslager Michailowska starb)
Das Ganze Im Taumel war ein Teil, ein Teil in Tränen, in manchen Stunden war ein Schein und mehr, in diesen Jahren war das Herz, in jenen waren die Stürme - wessen Stürme - wer? Niemals im Glücke, selten mit Begleiter, meistens verschleiert, da es tief geschah, und alle Ströme liefen wachsend weiter und alles Aussen ward nur innen nah. Der sah dich hart, der andre sah dich milder, der wie es ordnet, der wie es zerstört, doch was sie sahn, das waren halbe Bilder, da dir das Ganze nur allein gehört. Im Anfang war es heller, was du wolltest und zielte vor und war dem Glauben nah, doch als du dann erblicktest, was du wolltest, was auf das Ganze steinern niedersah, da war es kaum ein Glanz und kaum ein Feuer, in dem dein Blick, der letzte, sich verfing: ein nacktes Haupt, in Blut, ein Ungeheuer, an dessen Wimper eine Träne hing. Gottfried Benn
Das Rosenband Im Frühlingsschatten fand ich sie; Da band ich sie mit Rosenbändern; Sie fühlt' es nicht, und schlummerte. Ich sah sie an; mein Leben hing Mit diesem Blick an ihrem Leben: Ich fühlt' es wohl und wusst' es nicht. Doch lispelt' ich ihr sprachlos zu, Und rauschte mit den Rosenbändern: Da wachte sie vom Schlummer auf. Sie sah mich an; ihr Leben hing Mit diesem Blick an meinem Leben, Und um uns ward's Elysium. Friedrich Gottlieb Klopstock
Harzreise im Winter Dem Geier gleich, Der auf schweren Morgenwolken Mit sanftem Fittich ruhend Nach Beute schaut, Schwebe mein Lied. Denn ein Gott hat Jedem seine Bahn Vorgezeichnet, Die der Glückliche Rasch zum freudigen Ziele rennt; Wem aber Unglück Das Herz zusammenzog, Er sträubt vergebens Sich gegen die Schranken Des ehernen Fadens, Den die doch bittre Schere Nur einmal löst. In Dickichts-Schauer Drängt sich das rauhe Wild, Und mit den Sperlingen Haben längst die Reichen In ihre Sümpfe sich gesenkt. Leicht ist's folgen dem Wagen, Den Fortuna führt, Wie der gemächliche Tross Auf gebesserten Wegen Hinter des Fürsten Einzug. Aber abseits, wer ist's? Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, Hinter ihm schlagen Die Sträuche zusammen, Das Gras steht wieder auf, Die Öde verschlingt ihn. Ach, wer heilet die Schmerzen Des, dem Balsam zu Gift ward? Der sich Menschenhass Aus der Fülle der Liebe trank! Erst verachtet, nun ein Verächter, Zehrt er heimlich auf Seinen eignen Wert In ung'nügender Selbstsucht. Ist auf deinem Psalter, Vater der Lieb, ein Ton Seinem Ohre vernehmlich, So erquicke sein Herz! Öffne den umwölkten Blick Über die tausend Quellen Neben dem Durstenden In der Wüste! Der du der Freuden viel schaffst Jedem ein überfliessend Mass. Segne die Brüder der Jagd Auf der Fährte des Wilds, Mit jugendlichem Übermut Fröhlicher Mordsucht, Späte Rächer des Unbills, Dem schon Jahre vergeblich Wehrt mit Knütteln der Bauer. Aber den Einsamen hüll In deine Goldwolken! Umgib mit Wintergrün, Bis die Rose wieder heranreift, Die feuchten Haare, O Liebe, deines Dichters! Mit der dämmernden Fackel Leuchtest du ihm Durch die Furten bei Nacht, Über grundlose Wege Auf öden Gefilden; Mit dem tausendfarbigen Morgen Lachst du ins Herz ihm; Mit dem beizenden Sturm Trägst du ihn hoch empor. Winterströme stürzen vom Felsen In seine Psalmen, Und Altar des lieblichsten Danks Wird ihm des gefürchteten Gipfels Schneebehangner Scheitel, Den mit Geisterreihen Kränzten ahnende Völker. Du stehst mit unerforschtem Busen Geheimnisvoll offenbar Über der erstaunten Welt Und schaust aus Wolken Auf ihre Reiche und Herrlichkeit, Die du aus den Adern deiner Brüder Neben dir wässerst. Johann Wolfgang Goethe
Der Asra Täglich ging die wunderschöne Sultanstochter auf und nieder Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weissen Wasser plätschern. Täglich stand der junge Sklave Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weissen Wasser plätschern; Täglich ward er bleich und bleicher. Eines Abends trat die Fürstin Auf ihn zu mit raschen Worten: Deinen Namen will ich wissen, Deine Heimat, deine Sippschaft! Und der Sklave sprach: Ich heisse Mohamet, ich bin aus Yemmen, Und mein Stamm sind jene Asra, Welche sterben, wenn sie lieben. Heinrich Heine
Der Panther Im Jardin des Plantes, Paris Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein grosser Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille - und hört im Herzen auf zu sein. Rainer Maria Rilke, September 1903
Die gestundete Zeit Es kommen härtere Tage. Die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont. Bald musst du den Schuh schnüren und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe. Denn die Eingeweide der Fische sind kalt geworden im Wind. Ärmlich brennt das Licht der Lupinen. Dein Blick spurt im Nebel: die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont. Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand, er steigt um ihr wehendes Haar, er fällt ihr ins Wort, er befiehlt ihr zu schweigen, er findet sie sterblich und willig dem Abschied nach jeder Umarmung. Sieh dich nicht um. Schnür deinen Schuh. Jag die Hunde zurück. Wirf die Fische ins Meer. Lösch die Lupinen! Es kommen härtere Tage. Ingeborg Bachmann
Der verwundete Baum Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten, Die Frevler - hast du viel dabei gelitten? Ich selber habe sorglich dich verbunden Und traue: Junger Baum, du wirst gesunden! Auch ich erlitt zu schier derselben Stunde Von schärferm Messer eine tiefre Wunde. Zu untersuchen komm ich deine täglich, Und meine fühl ich brennen unerträglich. Du saugest gierig ein die Kraft der Erde, Mir ist, als ob auch ich durchrieselt werde! Der frische Saft quillt aus zerschnittner Rinde Heilsam. Mir ist, als ob auch ichs empfinde! Indem ich deine sich erfrischen fühle, Ist mir, als ob sich meine Wunde kühle! Natur beginnt zu wirken und zu weben, Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben! Wie viele, so verwundet, welkten, starben! Wir beide prahlen noch mit unsern Narben! C.F. Meyer
Vereinsamt Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein, - Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat! Nun stehst du starr, Schaust rückwärts, ach! wie lange schon! Was bist du Narr Vor Winters in die Welt entflohn? Die Welt - ein Tor Zu tausend Wüsten stumm und kalt! Wer das verlor, Was du verlorst, macht nirgends Halt. Nun stehst du bleich, Zur Winter-Wanderschaft verflucht, Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmeln sucht. Flieg, Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! - Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn! Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein, - Weh dem, der keine Heimat hat! Friedrich Nietzsche
Die Seeräuber-Jenny 1 Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen Und ich mache das Bett für jeden. Und Sie geben mir einen Penny und ich bedanke mich schnell Und Sie sehen meine Lumpen und dies lumpige Hotel Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden. Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen Und man fragt: Was ist das für ein Geschrei? Und man wird mich lächeln sehn bei meinen Gläsern Und man sagt: Was lächelt die dabei? Und ein Schiff mit acht Segeln Und mit fünfzig Kanonen Wird liegen am Kai. 2 Man sagt: Geh, wisch deine Gläser, mein Kind Und man reicht mir den Penny hin. Und der Penny wird genommen, und das Bett wird gemacht! (Es wird keiner mehr drin schlafen in dieser Nacht.) Und sie wissen immer noch nicht, wer ich bin. Aber eines Abends wird ein Getös sein am Hafen Und man fragt: Was ist das für ein Getös? Und man wird mich stehen sehen hinterm Fenster Und man sagt: Was lächelt die so bös? Und das Schiff mit acht Segeln Und mit fünfzig Kanonen Wird beschiessen die Stadt. 3 Meine Herren, da wird ihr Lachen aufhören Denn die Mauern werden fallen hin Und die Stadt wird gemacht dem Erdboden gleich. Nur ein lumpiges Hotel wird verschont von dem Streich Und man fragt: Wer wohnt Besonderer darin? Und in dieser Nacht wird ein Geschrei um das Hotel sein Und man fragt: Warum wird das Hotel verschont? Und man wird mich sehen treten aus der Tür am Morgen Und man sagt: Die hat darin gewohnt? Und das Schiff mit acht Segeln Und mit fünfzig Kanonen Wird beflaggen den Mast. 4 Und es werden kommen hundert gen Mittag an Land Und werden in den Schatten treten Und fangen einen jeglichen aus jeglicher Tür Und legen ihn in Ketten und bringen vor mir Und fragen: Welchen sollen wir töten? Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen Wenn man fragt, wer wohl sterben muss. Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle! Und wenn dann der Kopf fällt, sag ich: Hoppla! Und das Schiff mit acht Segeln Und mit fünfzig Kanonen Wird entschwinden mit mir. Berthold Brecht [Dreigroschenoper]
Warum die Zitronen sauer wurden Ich muß das wirklich mal betonen: Ganz früher waren die Zitronen (ich weiß nur nicht genau mehr, wann dies gewesen ist) so süß wie Kandis. Bis sie einst sprachen: "Wir Zitronen, wir wollen groß sein wie Melonen! Auch finden wir das Gelb abscheulich, wir wollen rot sein oder bläulich!" Gott hörte oben die Beschwerden und sagte: "Daraus kann nichts werden! Ihr müßt so bleiben! Ich bedauer!" Da wurden die Zitronen sauer . . . Heinz Erhardt
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, die Sonne stand zum Grusse der Planeten, bist alsobald und fort und fort gediehen, nach dem Gesetz, wonach du angetreten. So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen, so sagten schon Sibyllen, so Propheten; Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt geprägte Form, die lebend sich entwickelt. J.W. Goethe
Durch jede Stunde... Durch jede Stunde, durch jedes Wort blutet die Wunde der Schöpfung fort, verwandelnd Erde und tropft den Seim ans Herz dem Werde und kehret heim. Gab allem Flügel, was Gott erschuf, den Skythen die Bügel dem Hunnen den Huf - nur nicht fragen, nur nicht verstehn; den Himmel tragen, die weitergehn, nur diese Stunde ihr Sagenlicht und dann die Wunde, mehr gibt es nicht. Die Äcker bleichen, der Hirte rief, das ist das Zeichen: tränke dich tief, den Blick in Bläue, ein Ferngesicht: das ist die Treue, mehr gibt es nicht, Treue den Reichen, die alles sind, Treue dem Zeichen, wie schnell es rinnt, ein Tausch, ein Reigen, ein Sagenlicht, ein Rausch aus Schweigen, mehr gibt es nicht. Benn, 1933
Dû bist mîn, ich bin dîn: des solt dû gewis sîn; dû bist beslozzen in mînem herzen, verlorn ist daz slüzzelîn: dû muost och immer darinne sîn.
Das Göttliche Edel sei der Mensch, Nach ewigen, ehrnen, Hilfreich und gut! Grossen Gesetzen Denn das allein Müssen wir alle Unterscheidet ihn Unseres Daseins Von allen Wesen, Kreise vollenden. Die wir kennen. Nur allein der Mensch Heil den unbekannten Vermag das Unmögliche: Höhern Wesen, Er unterscheidet, Die wir ahnen! Wählet und richtet; Ihnen gleiche der Mensch! Er kann dem Augenblick Sein Beispiel lehr uns Dauer verleihen. Jene glauben. Er allein darf Denn unfühlend Den Guten lohnen, Ist die Natur: Den Bösen strafen, Es leuchtet die Sonne Heilen und retten, Über Bös und Gute, Alles Irrende, Schweifende Und dem Verbrecher Nützlich verbinden. Glänzen wie dem Besten Der Mond und die Sterne. Und wir verehren Die Unsterblichen, Wind und Ströme, Als wären sie Menschen, Donner und Hagel Täten im grossen, Rauschen ihren Weg Was der Beste im kleinen Und ergreifen Tut oder möchte. Vorüber eilend Einen um den andern. Der edle Mensch Sei hilfreich und gut! Auch so das Glück Unermüdet schaff er Tappt unter die Menge, Das Nützliche, Rechte, Fasst bald des Knaben Sei uns ein Vorbild Lockige Unschuld, Jener geahneten Wesen! Bald auch den kahlen Schuldigen Scheitel. Johann Wolfgang Goethe
Erinnerung Joseph von Eichendorff 1 Lindes Rauschen in den Wipfeln, Vöglein, die ihr fernab fliegt, Bronnen von den stillen Gipfeln, Sagt, wo meine Heimat liegt? Heut im Traum sah ich sie wieder, Und von allen Bergen ging Solches Grüssen zu mir nieder, Dass ich an zu weinen fing. Ach, hier auf den fremden Gipfeln: Menschen, Quellen, Fels und Baum, Wirres Rauschen in den Wipfeln, - Alles ist mir wie ein Traum. 2 Die fernen Heimathöhen, Das stille, hohe Haus, Der Berg, von dem ich gesehen Jeden Frühling ins Land hinaus, Mutter, Freunde und Brüder, An die ich so oft gedacht, Es grüsst mich alles wieder In stiller Mondesnacht.
Früher, da ich unerfahren Früher, da ich unerfahren Und bescheidner war als heute, Hatten meine höchste Achtung Andre Leute. Später traf ich auf der Weide Ausser mir noch mehr Kälber, Und nun schätz ich, sozusagen, Erst mich selber. Wilhelm Busch
Good morrow, masters, put your torches out; The wolves have prey'd, and look, the gentle day, Before the wheels of Phoebus, round about Dapples the drowsy east with spots of grey. Much ado about nothing, V, 3 Übersetzung: Ihr Herren, guten Morgen, löscht die Fackeln aus! Der Wölfe Raubzug ist gewesen; seht den milden Tag. Vor Phöbus Wagen schreitet er einher, Den noch schlaftrunkenen Ost mit Grau besprenkelnd.
Hast du die Lippen mir Hast du die Lippen mir wundgeküsst, So küsse sie wieder heil, Und wenn du bis Abend nicht fertig bist, So hat es auch keine Eil. Du hast ja noch die ganze Nacht, Du Herzallerliebste mein! Man kann in solch einer ganzen Nacht Viel küssen und selig sein. Heinrich Heine
Ich halte ihr die Augen zu... Ich halte ihr die Augen zu Und küss sie auf den Mund; Nun lässt sie mich nicht mehr in Ruh, Sie fragt mich um den Grund. Von Abend spät bis Morgens früh, Sie fragt zu jeder Stund: Was hältst du mir die Augen zu, Wenn du mir küsst den Mund? Ich sag ihr nicht, weshalb ichs tu, Weiss selber nicht den Grund - Ich halte ihr die Augen zu Und küss ihr auf den Mund. Heinrich Heine
Sie erlischt Der Vorhang fällt, das Stück ist aus, Und Herrn und Damen gehn nach Haus. Ob ihnen auch das Stück gefallen? Ich glaub, ich hörte Beifall schallen. Ein hochverehrtes Publikum Beklatschte dankbar seinen Dichter. Jetzt aber ist das Haus so stumm, Und sind verschwunden Lust und Lichter. Doch horch! ein schollernd schnöder Klang Ertönt unfern der öden Bühne; - Vielleicht, dass eine Seite sprang An einer alten Violine. Verdriesslich rascheln im Parterr Etwelche Ratten hin und her, Und alles riecht nach ranzgem Öle. Die letzte Lampe ächzt und zischt Verzweiflungsvoll und sie erlischt. Das arme Licht war meine Seele. Heinrich Heine
Die Grenadiere Nach Frankreich zogen zwei Grenadier, Die waren in Russland gefangen. Und als sie kamen ins deutsche Quartier, Sie liessen die Köpfe hängen. Da hörten sie beide die traurige Mär: Dass Frankreich verloren gegangen, Besiegt und zerschlagen das grosse Heer - Und der Kaiser, der Kaiser gefangen. Da weinten zusammen die Grenadier Wohl ob der klägliche Kunde. Der eine sprach: Wie weh wird mir, Wie brennt meine alte Wunde! Der andere sprach: Das Lied ist aus, Auch ich möcht mit dir sterben, Doch hab ich Weib und Kind zu Haus, Die ohne mich verderben. Was schert mich Weib, was schert mich Kind, Ich trage weit bessres Verlangen; Lass sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind - Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! Gewähr mir, Bruder, eine Bitt: Wenn ich jetzt sterben werde, So nimm meine Leiche nach Frankreich mit, Begrab mich in Frankreichs Erde. Das Ehrenkreuz am roten Band Sollst du aufs Herz mir legen; Die Flinte gib mir in die Hand, Und gürt mir um den Degen. So will ich liegen und horchen still, Wie eine Schildwach, im Grabe, Bis einst ich höre Kanonengebrüll Und wiehernder Rosse Getrabe. Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab, Viel Schwerter klirren und blitzen; Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab - Den Kaiser, den Kaiser zu schützen. Heinrich Heine
Im Nebel Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein. Voll von Freunden war mir die Welt Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar. Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allen ihn trennt. Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein. Hermann Hesse
Das Lachen Höre oh Freund und Bruder: Wenn Du ein Kamel hast, so habe acht, es langsam zu führen, denn du musst an seine weichen Füsse denken, denen die harten Bergwege Schmerz bereiten, da sie an den weichen Wüstensand gewohnt sind. Wenn du ein Pferd hast, lasse dich leicht sein auf seinem Rücken, dass es dich wie eine Wolke fühle und daher fliege gleich dem Wind. Wenn du einen Gedanken hast, oh Freund und Bruder, so lasse ihn leise schreiten, mit des Kamels weichen Füssen, lasse ihn daherbrausen mit des edlen Pferdes heisser Hast und bleibe du selbst verborgen wie in einer Wolke. Wenn du aber in deinem Geiste eine wunderbare Lüge birgst, so mache aus ihr ein Gedicht oder ein Lachen oder beides, und reite schnell, sehr schnell - denn wer ein Lachen bringt mit dem Atem einer Lüge, bringt ein Geschenk. Elsa Sophia von Kamphoevener
Lethe Jüngst im Traume sah ich auf den Fluten Einen Nachen ohne Ruder ziehn, Strom und Himmel stand in matten Gluten Wie bei Tages Nahen oder Fliehn. Sassen Knaben drin mit Lotoskränzen, Mädchen beugten über Bord sich schlank, Kreisend durch die Reihe sah ich glänzen Eine Schale, draus ein jedes trank. Jetzt erscholl ein Lied voll süsser Wehmut, Das die Schar der Kranzgenossen sang - Ich erkannte deines Nackens Demut, Deine Stimme, die den Chor durchdrang. In die Welle taucht ich. Bis zum Marke Schaudert ich, wie seltsam kühl sie war. Ich erreicht' die leise ziehnde Barke, Drängte mich in die geweihte Schar. Und die Reihe war an dir zu trinken, Und die volle Schale hobest du, Sprachst zu mir mit trautem Augenwinken: "Herz, ich trinke dir Vergessen zu!" Dir entriss in trotzgem Liebesdrange Ich die Schale, warf sie in die Flut, Sie versank, und siehe, deine Wange Färbte sich mit einem Schein von Blut. Flehend küsst ich dich in wildem Harme, Die den bleichen Mund mir willig bot, Da zerrannst du lächelnd mir im Arme Und ich wusst es wieder - du bist tot. C.F. Meyer
Menschen bei Nacht Die Nächte sind nicht für die Menge gemacht. Von deinem Nachbar trennt dich die Nacht, und du sollst ihn nicht suchen trotzdem. Und machst du nachts deine Stube licht, um Menschen zu schauen ins Angesicht, so musst du bedenken: wem. Die Menschen sind furchtbar vom Licht entstellt, das von ihren Gesichtern träuft, und haben sie nachts sich zusammengesellt, so schaust du eine wankende Welt durcheinandergehäuft. Auf ihren Stirnen hat gelber Schein alle Gedanken verdrängt, in ihren Blicken flackert der Wein, an ihren Händen hängt die schwere Gebärde, mit der sie sich bei ihren Gesprächen verstehn; und dabei sagen sie: Ich und Ich und meinen: Irgendwen. Rilke
Mondnacht Es war, als hätt' der Himmel Die Erde still geküsst, Dass sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müsst. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis' die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Joseph von Eichendorff
Sehnsucht Joseph von Eichendorff Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht. -
Todesfuge. Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne und er pfeift seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen Er ruft spielt süsser den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith Text von Paul Celan (1947)
Komm in den totgesagten park und schau: Der schimmer ferner lächelnder gestade, Der reinen wolken unverhofftes blau, Erhellt die weiher und die bunten pfade. Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau Von birken und von buchs, der wind ist lau, Die späten rosen welkten noch nicht ganz, Erlese, küsse sie und flicht den kranz. Vergiss auch diese letzten astern nicht, Den purpur um die ranken wilder reben, Und auch was übrig blieb von grünem leben Verwinde leicht im herbstlichen gesicht. Stefan George
Komm, Trost der Welt Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, Die Lüfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermüd, Singt übers Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen, Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd gemacht, Das weite Meer schon dunkelt, Lass ausruhn mich von Lust und Not, Bis dass das ewige Morgenrot Den stillen Wald durchfunkelt. Joseph von Eichendorff
Gesänge I O dass wir unsere Ururahnen wären. Ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor. Leben und Tod, Befruchten und Gebären glitte aus unseren stummen Säften vor. Ein Algenblatt oder ein Dünenhügel, vom Wind Geformtes und nach unten schwer. Schon ein Libellenkopf, ein Möwenflügel wäre zu weit und litte schon zu sehr. II Verächtlich sind die Liebenden, die Spötter, alles Verzweifeln, Sehnsucht, und wer hofft. Wir sind so schmerzliche durchseuchte Götter und dennoch denken wir des Gottes oft. Die weiche Bucht. Die dunklen Wälderträume. Die Sterne, schneeballblütengross und schwer. Die Panther springen lautlos durch die Bäume. Alles ist Ufer. Ewig ruft das Meer - Gottfried Benn
Über einem Grabe Blüten schweben über deinem Grabe. Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe, Den wir alle liebten, die dich kannten, Dessen Augen wie zwei Sonnen brannten, Dessen Blicke Seelen unterjochten, Dessen Pulse stark und feurig pochten, Dessen Worte schon die Herzen lenkten, Den wir weinend gestern hier versenkten. Maiennacht. Der Sterne mildes Schweigen... Dort! ich seh es aus der Erde steigen! Unterm Rasen quillt hervor es leise, Flatterflammen drehen sich im Kreise, Ungelebtes Leben zuckt und lodert Aus der Körperkraft, die hier vermodert, Abgemähter Jugend letztes Walten Letzte Glut verrauscht in Wunschgestalten, Eine blasse Jagd: Voran ein Zecher, In der Faust den überfüllten Becher! Wehnde Locken will der Buhle fassen, Die entflatternd nicht sich haschen lassen, Lustgestachelt rast er hinter jenen, Ein verhülltes Mädchen folgt in Tränen. Durch die Brandung mit verstürmten Haaren Seh ich einen kühnen Schiffer fahren. Einen jungen Krieger seh ich toben, Helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben. Einer stürzt sich auf die Rednerbühne, Weites Volksgetos beherrscht der Kühne. Ein Gedräng, ein Kämpfen, Ringen, Streben! Arme strecken sich und Kränze schweben - Kränze, wenn du lebtest, dir beschieden, Nicht erreichte! Knabe, schlaf in Frieden! C.F. Meyer
Vergänglichkeit der Schönheit Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand Dir endlich mit der Zeit umb deine Brüste streichen. Der liebliche Corall der Lippen wird verbleichen; Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand. Der Augen süsser Blitz, die Kräffte deiner Hand, Für welchen solches fällt, die werden zeitlich weichen. Das Haar, das itzund kan des Goldes Glantz erreichen Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band. Der wohlgesetzte Fuss, die lieblichen Gebärden, Die werden theils zu Staub, theils nichts und nichtig werden, Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht. Diss und noch mehr als diss muss endlich untergehen, Dein Hertze kan allein zu aller Zeit bestehen Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht. (um 1695) Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Sonnet
Verlorene Liebe Lieder schweigen jetzt und Klagen, Nun will ich erst fröhlich sein, All mein Leid will ich zerschlagen Und Erinnern - gebt mir Wein! Wie er mir verlockend spiegelt Sterne und der Erde Lust, Stillgeschäftig dann entriegelt All die Teufel in der Brust, Erst der Knecht und dann der Meister, Bricht er durch die Nacht herein, Wildester der Lügengeister, Ring mit mir, ich lache dein! Und den Becher voll Entsetzen Werf ich in des Stromes Grund, Dass sich nimmer dran soll letzen Wer noch fröhlich und gesund! Lauten hör ich ferne klingen, Lustge Bursche ziehn vom Schmaus, Ständchen sie den Liebsten bringen, Und das lockt mich mit hinaus. Mädchen hinterm blühnden Baume Winkt und macht das Fenster auf, Und ich steige wie im Traume Durch das kleine Haus hinauf. Schüttle nur die dunklen Locken Aus dem schönen Angesicht! Sieh, ich stehe ganz erschrocken: Das sind ihre Augen licht, Locken hatte sie wie deine, Bleiche Wangen, Lippen rot - Ach, du bist ja doch nicht meine, Und mein Lieb ist lange tot! Hättest du nur nicht gesprochen Und so frech geblickt nach mir, Das hat ganz den Traum zerbrochen Und nun grauet mir vor dir. Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern, Fort und lache nicht so wild! O ich möchte dich zertrümmern, Schönes, lügenhaftes Bild! Spät von dem verlornen Kinde Kam ich durch die Nacht daher, Fahnen drehten sich im Winde, Alle Gassen waren leer. Oben lag noch meine Laute Und mein Fenster stand noch auf, Aus dem stillen Grunde graute Wunderbar die Stadt herauf. Draussen aber blitzts vom weiten, Alter Zeiten ich gedacht', Schaudernd reiss ich in den Saiten Und ich sing die halbe Nacht. Die verschlafnen Nachbarn sprechen, Dass ich nächtlich trunken sei - O du mein Gott! und mir brechen Herz und Saitenspiel entzwei! Joseph von Eichendorff
Zwielicht Joseph von Eichendorff Dämmrung will die Flügel spreiten, Schaurig rühren sich die Bäume, Wolken ziehn wie schwere Träume - Was will dieses Graun bedeuten? Hast ein Reh du lieb vor andern, Lass es nicht alleine grasen, Jäger ziehn im Wald und blasen, Stimmen hin und wieder wandern. Hast du einen Freund hienieden, Trau ihm nicht zu dieser Stunde, Freundlich wohl mit Aug und Munde, Sinnt er Krieg im tückschen Frieden. Was heut müde gehet unter, Hebt sich morgen neugeboren. Manches bleibt in Nacht verloren - Hüte dich, bleib wach und munter!Zusammenstellung:
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