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Platon, Timaios 24e25d Von vielen großen Taten, die ihr [Athener] und eure Stadt [Athen] vollbracht habt, liest man hier mit Bewunderung; doch eine ragt unter allen durch ihre Größe und Heldenhaftigkeit hervor. Die Aufzeichnungen berichten nämlich, wie eure Stadt einst einer gewaltigen Macht das Ende bereitet hat, als diese vom Atlantischen Meer aufgebrochen war und in ihrem Übermut gegen ganz Europa und Asien zugleich heranzog. Damals konnte man nämlich das Meer dort noch befahren; denn vor der Mündung, die ihr in eurer Sprache die Säulen des Herakles nennt, lag eine Insel, und diese Insel war größer als Libyen und Kleinasien zusammen. Von ihr gab es für die Reisenden damals einen Zugang zu den anderen Inseln, und von diesen auf das ganze Festland gegenüber rings um jenes Meer, das man wahrhaft so bezeichnen darf. Denn alles, was innerhalb der erwähnten Mündung liegt, erscheint wie eine Hafenbucht mit einer engen Einfahrt; jenes aber kann man wohl wirklich als ein Meer und das darum herum liegende Land in Tat und Wahrheit und in vollem Sinne des Wortes als ein Festland bezeichnen. Auf dieser Insel Atlantis nun gab es eine große und bewundernswerte Königsherrschaft, die sowohl über die ganze Insel als auch über viele andere Inseln und über Teile des Festlandes ihre Macht ausübte; zudem regierten diese Könige auf der gegen uns [Ägypten] liegenden Seite über Libyen, bis gegen Ägypten hin, und über Europa bis nach Tyrrhenien. Diese ganze Macht also versammelte sich einst zu einem Heereszug und machte den Versuch, sich das ganze Gebiet bei euch und bei uns und alles, was diesseits der Mündung liegt, in einem einzigen Ansturm zu unterjochen. Damals nun, Solon, wurde die Kraft eurer Stadt mit ihrer Tüchtigkeit und Stärke vor allen Augen sichtbar; sie tat sich vor allen anderen durch ihren Mut und durch ihre Kriegskunst hervor, und so stand sie zuerst an der Spitze der Griechen; als dann aber die anderen abfielen und sie notgedrungen auf sich allein gestellt war und dadurch in die äußerste Gefahr geriet, da zeigte sie sich den herannahenden Feinden überlegen und konnte ein Siegeszeichen errichten; jene, die noch nicht unterworfen waren, bewahrte sie vor der Unterwerfung, und uns anderen allen, die wir diesseits der Säulen des Herakles wohnen, schenkte sie großzügig die Freiheit wieder. In der darauffolgenden Zeit aber gab es gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen; es kam ein schlimmer Tag und eine schlimme Nacht, da eure ganze Streitmacht mit einem Male in der Erde versank, und ebenso versank auch die Insel Atlantis ins Meer und verschwand darin. Deswegen kann man noch heute das Meer dort weder befahren noch erforschen, weil in ganz geringer Tiefe der Schlamm im Wege liegt, den die Insel, als sie sich senkte, zurückgelassen hat. Platon: Spätdialoge 2. Übers. v. Rudolf Rufener. Zürich, München 1974 (Platon. Sämtliche Werke 6), S. 202204. |
Platon, Kritias 108e109a und 113b121c 3. Vor allem wollen wir zuerst daran erinnern, dass es im ganzen neuntausend Jahre her sind, seitdem, wie man erzählt hat, der Krieg entstanden ist zwischen den Menschen, die außerhalb der Säulen des Herakles, und allen denen, die innerhalb von ihnen wohnten; diesen Krieg muss ich nun von Anfang bis zu Ende schildern. Bei den einen hat, wir sagten es schon, unsere Stadt hier die Führung gehabt und hat den ganzen Krieg durchgekämpft; bei den anderen waren es die Könige der Insel Atlantis. Von dieser erzählten wir, dass sie einst größer gewesen sei als Libyen und Kleinasien zusammen, dass sie aber jetzt infolge von Erdbeben untergegangen ist und für die Schiffer, die von hier in das große Meer hinausfahren wollen, eine undurchdringliche Schlammbank bildet, durch die sie nicht hindurchkommen. Die vielen Barbarenvölker und was es damals an griechischen Stämmen gab, die werde ich im Lauf meines Berichtes einen nach dem anderen anführen, wie es dieser jeweils gerade mit sich bringt. Von den damaligen Athenern aber und von ihren Gegnern, mit denen sie Krieg führten, sowohl von der Macht als auch von den Staatseinrichtungen der beiden, muss ich dagegen gleich am Anfang ausführlich berichten. Unter diesen zweien aber soll die Schilderung der Zustände in dieser Stadt hier den Vorrang haben. [...] 7. Wie im vorigen von der Verlosung unter den Göttern erzählt wurde, dass sie die ganze Erde teils in großen und teils in kleinen Stücken unter sich verteilten und sich Heiligtümer und Opfer stiften ließen, so fiel nun auch Poseidon durch das Los die Insel Atlantis zu. Dort siedelte er seine Nachkommen, die er mit einem sterblichen Weibe gezeugt hatte, an einer bestimmten Stelle der Insel an, die etwa folgendermaßen aussah. Am Meere, etwa in der Mitte der ganzen Insel, lag eine Ebene; man sagt, sie sei die schönste aller Ebenen gewesen und von reichlicher Fruchtbarkeit. Am Rande dieser Ebene, etwa fünfzig Stadien gegen das Innere der Insel zu, erhob sich ein durchweg niedriges Gebirge. Dort oben hatte sich einer der Menschen angesiedelt, die zu Anbeginn in jener Gegend aus der Erde entstanden waren. Er hieß Euenor und wohnte zusammen mit seinem Weibe Leukippe; die beiden hatten eine einzige Tochter namens Kleito. Als das Mädchen eben in das mannbare Alter gekommen war, starben ihr Mutter und Vater; Poseidon aber gewann sie lieb und vereinigte sich mit ihr. Und er machte die Anhöhe, wo sie wohnte, zu einem wohlbewehrten Platz, indem er sie rundherum abbrach und Ringe darumzog, abwechselnd von Wasser und von Land, zuerst kleiner und dann immer größere, und zwar zwei aus Land und drei aus Wasser, wobei er sie gewissermaßen von der Mitte dieser Insel aus ringsum abzirkelte, nach allen Seiten mit den gleichen Abständen, so dass der Hügel für die Menschen unzugänglich war; denn Schiffe und Schiffahrt gab es damals noch nicht. Und was für ihn als Gott ja eine Leichtigkeit war: Er stattete die Insel, die da in der Mitte lag, aufs schönste aus, indem er zwei Quellwasser aus der Erde aufsprudeln ließ, von denen das eine warm, das andere kalt aus seinem Brunnen floss, und indem er aus dem Boden mannigfache und ausreichende Nahrung hervorgab. An Nachkommen männlichen Geschlechtes erzeugte er fünf Zwillingspaare und zog sie auf. Und er teilte die ganze Insel Atlantis in zehn Stücke und gab dem älteren des ersten Zwillingspaares das mütterliche Haus mit seinem Umschwung als Anteil; das war das größte und beste Stück. Auch setzte er ihn zum König über die anderen ein; diese machte er zu Statthaltern und gab einem jeden die Herrschaft über viele Menschen und über ein weites Landgebiet. Ihnen allen gab er Namen; dem ältesten und Könige aber jenen, von dem denn auch die ganze Insel und das Meer seine Bezeichnung hat; es wurde nämlich das atlantische genannt, weil der erste, der damals als König regierte, Atlas hieß. Sein Zwillingsbruder, der nach ihm geboren war, erhielt als Anteil die Anhöhen der Insel nach den Säulen des Herakles hin, gegen das heutige Gebiet von Gadeira, das nach dem damaligen Ortsnamen so heißt. Ihn nannte Poseidon auf Griechisch Eumelos, in der Landessprache aber Gadeiros, was denn wohl auch dem Gebiet den Namen gegeben hat. Und vom zweiten Zwillingspaar nannte er den einen Ampheres, den anderen Euaimon, vom dritten den zuerst geborenen Mneseus, den, der nachher kam, Autochthon. Vom vierten Paar nannte er den Älteren Elasippos, den Jüngeren Mestor. Und der Erstgeborene des fünften Paares erhielt den Namen Azaes, der Zweitgeborene den Namen Diaprepes. Diese alle und auch ihre Nachkommen wohnten also hier viele Menschenalter lang und regierten auch über zahlreiche andere Inseln des Meeres, und zudem dehnten sie, wie ich schon vorher erwähnt habe, ihre Herrschaft auf die hierwärts innerhalb (der Säulen des Herakles) Wohnenden aus, bis nach Ägypten und Tyrrhenien. Von Atlas nun stammte auch wieder ein großes und hochgeehrtes Geschlecht; König war stets der älteste, und indem er wiederum dem ältesten seiner Nachkommen die Königsherrschaft übergab, erhielten sie sich diese viele Generationen lang. Und an Reichtum besaßen sie eine solche Fülle, wie es sie früher noch nie in irgendwelchen Königshäusern gegeben hatte und wie es sie auch nicht leicht je wieder geben wird, und es stand ihnen alles zur Verfügung, was in der Stadt und im übrigen Lande beschafft werden musste. Denn dank ihrer Herrschaft flossen ihnen große Einkünfte von den auswärtigen Gebieten zu; das meiste indes zum Lebensunterhalt lieferte die Insel selbst. Zuerst alles, was im Bergbau an harten und geschmolzenen Metallen geschürft wird, auch das, wovon wir heute nur noch den Namen kennen, das aber damals mehr als nur ein Name war, nämlich das Goldkupfererz, das man an vielen Orten der Insel schürfte und das nächst dem Gelde unter den Menschen jener Zeit am höchsten geschätzt wurde. Und ferner, was der Wald den Zimmerleuten für ihre Arbeit liefert, das brachte die Insel in reichlichem Maße hervor, und im weiteren ernährte sie ausreichend zahme und wilde Tiere. Sogar die Elefanten waren hier besonders zahlreich; denn es war genügend Nahrung vorhanden, nicht nur für all die anderen Tiere, die in den Sümpfen und Seen und Flüssen leben, und auch für die, welche auf den Bergen und in den Ebenen weiden, sondern eben auch für den Elefanten, welcher das größte Tier ist und am meisten frisst. Und was im weiteren jetzt die Erde irgendwo an Wohlgerüchen hervorbringt, sei es von Wurzeln oder von Gras oder von Hölzern oder von Säften, die von Blüten oder Früchten herabträufeln auch das alles brachte die Insel hervor und ließ es wohl gedeihen. Und weiter: Die veredelte Frucht und die trockene Frucht, die uns zur Nahrung dient, und was wir dazu noch als Speise verwenden alle die verschiedenen Arten, die wir als Hülsenfrüchte bezeichnen , sodann die baumartige Frucht, die uns Getränk und Speise und Salböl liefert, und jene, die hoch oben auf dem Baume wächst, schwer aufzubewahren ist und uns zum Spiel und zum Vergnügen dient, ferner das, was wir als erwünschtes Linderungsmittel gegen den überfüllten Magen als Nachspeise einem vorsetzen, der vom Essen übersättigt ist alles das brachte die heilige Insel, die damals noch im Sonnenlichte lag, hervor, schön und zum Staunen und in unerschöpflicher Fülle. Und die Bewohner nahmen das alles von der Erde in Empfang und bauten Heiligtümer und königliche Paläste, Häfen und Schiffswerften und verschönten das ganze übrige Land, wobei sie in folgender Ordnung vorgingen: 8. Zunächst überbrückten sie die Wasserringe um die alte Mutterstadt herum und bahnten damit einen Weg nach außen und zurück zum Königspalast. Das war der Palast, den sie gleich am Anfang in diesem Wohnsitz des Gottes und ihrer Vorfahren errichtet hatten. Jeder Herrscher übernahm ihn von seinem Vorgänger und stattete, was dieser schon ausgestattet hatte, noch weiter aus und suchte dabei den früheren nach Möglichkeit zu übertreffen, bis sie schließlich ihren Wohnsitz so vollendet ausgebaut hatten, dass jeder, der ihn sah, von seiner Größe und Schönheit überwältigt wurde. Sie gruben vom Meere aus einen Durchstich von drei Plethren in der Breite, hundert Fuß in der Tiefe und fünfzig Stadien in der Länge bis zum äußersten Ring und bahnten auf diesem Wege aus dem Meere zu ihm eine Einfahrt wie zu einem Hafen, wobei sie die Einmündung weit genug öffneten, dass auch die größten Schiffe einlaufen konnten. Darauf durchbrachen sie aber auch die Gürtel aus Erde, welche die Wasserringe voneinander trennten, auf der Höhe der Brücken, und zwar so weit, dass eine einzelne Triere von einem Wasserring in den anderen hindurchfahren konnte, und überdachten den Durchgang, so dass die Durchfahrt unter Dach verlief; die obere Randhöhe der Erdgürtel stand nämlich genügend hoch über dem Meeresspiegel. Der größte Gürtel war aber der, zu welchem dem Meer ein Zugang geöffnet war; er maß drei Stadien in der Breite, und der anschließende Erdgürtel war ebenso breit; von den beiden nächsten war der Wasserring zwei Stadien breit und der trockene wiederum gleich wie der flüssige davor; ein Stadion schließlich maß der Ring, der in der Mitte unmittelbar um die Insel herumlief. Die Insel, auf der sich der Königspalast befand, hatte einen Durchmesser von fünf Stadien. Diese Insel und die Ringe und die Brücke, deren Breite eine Plethre betrug, umgaben sie von beiden Seiten mit einer steinernen Mauer und errichteten auf den Brücken Türme und Tore, überall dort, wo vom Meer her die Durchgänge waren. Den Stein dazu brachen sie ringsum von den Abhängen der Insel, die in der Mitte lag, und von der äußeren und inneren Seite der Ringgürtel; zum Teil waren diese Steine weiß, zum Teil schwarz und zum Teil auch rot. Und indem sie diese Steine herausbrachen, hoben sie gleichzeitig an der Innenseite zwei tiefe Becken als Docks für die Schiffe aus, die vom Felsen selbst überdacht waren. Ihre Bauten waren zum Teil einfarbig; bei den anderen wechselten sie mit den Steinsorten ab und gestalteten sie in bunten Farben, aus lauter Spielerei, wobei sie ihnen eine natürliche Anmut verliehen. Und die Mauer, die um den äußersten Ring herum lief, umkleideten sie in ihrem ganzen Umkreis mit Erz, wobei sie von diesem gleichsam einen Überzug machten; die innere Mauer übergossen sie mit Zinn und diejenige um die Burg selbst mit Goldkupfererz, das wie Feuer funkelte. 9. Der Königspalast innerhalb der Akropolis war folgendermaßen angelegt: In der Mitte stand dort das der Kleito und dem Poseidon geweihte Heiligtum, ohne Zugang, von einem goldenen Gehege umgeben, und zwar an der Stelle, wo die beiden ganz am Anfang das Geschlecht der zehn Herrscher gezeugt und geboren hatten. Dahin brachten sie auch jedes Jahr aus allen zehn Landesteilen einem jeden der beiden die Früchte der Jahreszeit als Opfergaben. Der Tempel des Poseidon selbst war ein Stadion lang, drei Plethren breit und von einer Höhe, die damit sichtlich übereinstimmte; doch hatte er in seinem Aussehen etwas Barbarisches. Auf der Außenseite umkleideten sie den Tempel mit Silber, außer der Giebelbekrönung; die war vergoldet. In seinem Inneren aber sah man die Decke ganz aus Elfenbein und bunt geschmückt mit Gold und Silber und Goldkupfererz; alles andere aber, die Wände und die Säulen und den Boden überzogen sie mit Goldkupfer. Und sie stellten goldene Bildsäulen darin auf, den Gott als Wagenlenker, wie er auf einem Wagen mit sechs geflügelten Pferden steht, so groß, dass er mit seinem Scheitel die Decke berührt. Rings um ihn aber waren hundert Nereiden, auf Delphinen reitend damals glaubte man, dass es so viele gebe; und noch viele andere Bildwerke waren im Tempel, Weihgeschenke von Privatleuten. Und außerhalb standen rings um ihn herum die goldenen Bildwerke aller zehn Könige und ihrer Frauen und sämtlicher Nachkommen und viele andere Weihgeschenke von Königen und von Privatleuten aus der Stadt selbst und aus all den auswärtigen Gebieten, die sie beherrschten. Und der Altar stimmte in seiner Größe und Ausführung mit dieser ganzen Pracht überein, und ebenso war der Königspalast der Größe des Reiches angemessen und angemessen auch der ganzen Tempelanlage. Die beiden Quellen aber, die mit dem kalten und die mit dem warmen Nass, waren von reicher Fülle und mit ihrem Wohlgeschmack und der Güte des Wassers zum Genusse wunderbar geeignet; die Bewohner nutzten sie, indem sie rings darum ihre Häuser aufstellten und Baumpflanzungen anlegten, die dem Wasser entsprachen. Und ringsum richteten sie Bassins ein, die einen unter freiem Himmel, die anderen unter einem Dach für die warmen Bäder im Winter. Die königlichen Bäder waren von den privaten abgesondert; noch andere gab es für die Frauen und wieder andere für die Pferde und die sonstigen Zugtiere, und alle richteten sie so ein, wie es zur Ausstattung eines jeden dienlich war. Das abfließende Wasser aber leiteten sie zum Hain des Poseidon, der dank seinem trefflichen Boden einen mannigfaltigen Bestand von wunderbar schönen und hohen Bäumen hatte, und führten es durch Kanäle den Brücken entlang zu den äußeren Ringen. Dort waren denn auch viele Tempel für manche Gottheiten, auch viele Gärten und viele Gymnasien angelegt für die Leibesübungen der Männer, während die Übungsplätze für die Pferde abseits auf den beiden Inseln zwischen den Wasserringen lagen. So hatten sie unter anderem mitten auf der größeren dieser Inseln den Platz für eine Rennbahn ausgewählt; sie maß ein Stadion in der Breite, und in ihrer Länge um den ganzen Ring bot sie Raum für den Wettlauf der Pferde. Um sie herum aber lagen auf beiden Seiten die Kasernen für den Großteil der Leibwächter; den zuverlässigeren aber war die Wache auf dem kleineren Erdring anvertraut, welcher näher an der Akropolis lag, und denjenigen, die sich vor allen anderen durch ihre Treue auszeichneten, waren die Unterkunftsräume im Inneren der Burg, unmittelbar um den Königspalast zugewiesen. Die Werften aber waren angefüllt mit Dreiruderern und mit all den Gerätschaften, die zur Ausstattung dieser Schiffe gehören, und alles das lag in genügender Menge bereit. So waren also die ganzen Einrichtungen um den Königspalast herum. Wenn man aber die äußeren Häfen, drei an der Zahl, durchquert hatte, so stieß man auf eine Ringmauer, die ihren Ausgangspunkt beim Meer hatte und die überall in ihrem Verlauf fünfzig Stadien vom größten Ring, der den größten Hafen bildete, entfernt war und sich dort, wo der Durchstich zum Meer einmündete, wieder zusammenschloss. Dieser ganze Raum war von vielen dichtgedrängten Häusern besetzt. Die Ausfahrt und der größte Hafen aber waren überfüllt von Schiffen und von Kaufleuten, die aus allen Richtungen herkamen und mit ihrer Menschenmenge Tag und Nacht ein lautes Stimmengewirr und ein vielfältiges Getümmel verursachten. 10. Über die Stadt und wie es um die Residenz herum nach deren Gründung aussah, habe ich nun so ziemlich das berichtet, was man damals überliefert hat. Und nun muss ich zu erzählen versuchen, wie das übrige Land von Natur beschaffen war und welcher Art seine Einrichtungen waren. Zunächst einmal soll das ganze Land sehr hoch gelegen und vom Meer steil aufgestiegen sein; nur um die Stadt herum sei eine große Ebene gewesen und habe diese rings umgeben. Sie war aber ihrerseits wieder rundum von Bergen umkränzt, die sich bis zum Meer erstreckten; es war eine flache und gleichmäßige Ebene, als Ganzes von länglicher Form, die sich in der Länge auf beiden Seiten über dreitausend Stadien, in der Breite, vom Meere aufwärts, über zweitausend Stadien ausdehnte. Dieser Teil der ganzen Insel lag gegen Süden zu, gegen den Nordwind abgeschirmt. Von den Bergen, die ihn umgaben, rühmte man seinerzeit, dass sie an Anzahl und Größe und Schönheit alle heutigen übertroffen hätten, und es habe auf ihnen viele reiche Dörfer der ringsum wohnenden Bevölkerung gegeben, und Flüsse und Seen und Wiesen mit genügender Nahrung für alle Haustiere und alles Wild, und einen Waldbestand, der in seiner Ausdehnung und mit seinen mannigfachen Holzarten das Material für alle Arbeiten im gesamten und zu allen Zwecken in reichem Maße lieferte. Diese Ebene nun war von Natur und durch die Arbeit vieler Könige im Verlauf einer langen Zeit auf folgende Weise ausgestaltet worden. Im großen und ganzen bildete sie ein langgestrecktes Rechteck; wo die Seiten nicht gerade verliefen, waren sie durch einen Graben, den man ringsum ausgehoben hatte, gerade gerichtet. Wenn uns einer sagt, wie tief und wie breit und wie lang dieser gewesen sei, so kann man fast nicht glauben, dass dieses von Menschenhand geschaffene Werk, verglichen mit anderen Bauwerken dieser Art, solche Größe gehabt habe; und doch muss ich erzählen, was ich gehört habe. Ein Plethron tief wurde der Graben ausgehoben; seine Breite betrug überall ein Stadion, und da er rings um die ganze Ebene herum gezogen war, ergab sich eine Länge von zehntausend Stadien. Er nahm alle Wasserläufe, die von den Bergen herab kamen, in sich auf, und nachdem er um die Ebene herum geführt und sich der Stadt von beiden Seiten genähert hatte, ließ er sie dort ins Meer fließen. Von seinem oberen Laufe (landeinwärts) her waren aber in gerader Richtung Kanäle von etwa hundert Fuß Breite in die Ebene eingeschnitten, die in der Gegend des Meeres wieder in den (großen) Graben mündeten und voneinander hundert Stadien entfernt waren. Auf diesen führten sie das Holz aus den Bergen in die Stadt, und auch die übrigen Produkte brachten sie auf ihren Schiffen zur Erntezeit heran, weshalb sie Querverbindungen von den einzelnen Kanälen in die anderen und zu der Stadt hin gegraben hatten. Somit konnten sie auf ihrem Land zweimal im Jahr Ernte halten: im Winter dank dem Regenwasser, das Zeus ihnen spendete, und im Sommer dank dem Wasser, das ihnen das Land selbst bot, indem sie es aus den Kanälen zuleiteten. Was nun die Zahl der Bewohner in der Ebene betrifft, so war festgesetzt, dass jedes Landlos für seine kriegstauglichen Männer einen Anführer zu stellen hatte. Die Größe eines Landloses aber betrug ungefähr zehn auf zehn Stadien, und im ganzen gab es sechzigtausend davon. Die Zahl der Menschen dagegen, die vom Gebirge und vom übrigen Lande kamen, sei unermesslich gewesen, und alle waren nach Landschaften und Dörfern je einem dieser Landlose und seinem Anführer zugeteilt. Es bestand nun die Regelung, dass jeder Gruppenführer den sechsten Teil eines Kampfwagens stellte, bis es im ganzen zehntausend Wagen waren, außerdem zwei Pferde mit ihren Reitern, dazu ein Zweigespann, doch ohne Wagenkorb, auf dem ein Krieger mit einem leichten Schild stand und neben diesem der Wagenlenker der beiden Pferde; ferner zwei Schwerbewaffnete und je zwei Bogenschützen und Schleuderer, an Leichtbewaffneten sodann je drei Steinwerfer und Speerschützen und schließlich vier Seeleute zur Bemannung von zwölfhundert Schiffen. So war das Kriegswesen der Königsstadt geordnet; in den neun anderen Landesteilen aber war es jedesmal wieder anders; doch das aufzuzählen, würde zu lange dauern. 11. Für die Ausübung der Macht und für das Strafwesen aber galten von Anfang an folgende Regelungen. Von den zehn Königen übte ein jeder in dem ihm zubestimmten Gebiet die Macht aus: Er regierte über die Männer in seiner Stadt und befand über die meisten Gesetze, wobei er bestrafen und hinrichten ließ, wen immer er wollte. Ihre gegenseitigen Machtverhältnisse aber und ihre gemeinsamen Beziehungen beruhten auf Anordnungen des Poseidon, wie es ihnen der herkömmliche Brauch überliefert hatte und eine Inschrift, die von den ersten Königen auf einer Säule aus Goldkupfererz aufgezeichnet war. Diese stand in der Mitte der Insel im Heiligtum des Poseidon; dort kamen sie abwechselnd jeweils im fünften oder im sechsten Jahr zusammen, womit sie die geraden und die ungeraden Zahlen zum gleichen Recht kommen ließen. An diesen Zusammenkünften berieten sie über ihre gemeinsamen Angelegenheiten; sie prüften, ob sich einer von ihnen eines Übergriffs schuldig machte, und hielten darüber Gericht. Und wenn sie sich zu diesem Gericht anschickten, gingen sie zuerst gegenseitig eine Treueverpflichtung ein, und zwar in folgender Form. Im heiligen Bezirk des Poseidon wurden einige Stiere freigelassen; die zehn Könige blieben für sich allein, und nachdem sie zum Gott gebetet hatten, er solle sie das ihm wohlgefällige Opfer fangen lassen, machten sie auf die Tiere Jagd, und zwar ohne eiserne Waffen, nur mit Knüppeln und Schlingen; den Stier, den sie fingen, führten sie zur Säule und schlachteten ihn an ihrer Spitze, gerade über jener Inschrift. Auf der Säule aber war außer den Gesetzen auch eine Schwurformel angebracht, mit schweren Verwünschungen gegen die, welche ihnen nicht gehorchten. Wenn sie nun gemäß ihren Bräuchen den Stier geopfert und alle seine Glieder geweiht hatten, füllten sie einen Mischkrug und warfen für jeden ein Klümpchen geronnenes Blut hinein. Alles übrige brachten sie ins Feuer, nachdem sie zuerst ringsum die Säule gereinigt hatten. Dann schöpften sie mit goldenen Schalen aus dem Mischkrug, gossen eine Spende ins Feuer und legten dann einen Eid ab, dass sie gemäß den an der Säule aufgezeichneten Gesetzen Gericht halten und dass sie es bestrafen wollten, wenn sich einer zuvor eines Übergriffs schuldig gemacht hätte, und auch dass sie von jetzt an jene Inschrift in keinem Punkte absichtlich übertreten und nur so regieren und gehorchen wollten, wie es den Vorschriften des Vaters entspreche. Wenn das ein jeder für sich selbst und für sein Geschlecht gelobt hatte, trank er und stellte die Schale als Weihgeschenk im Heiligtum des Gottes auf; dann wandte er sich der Mahlzeit und seinen dringlichen Geschäften zu. Wenn aber die Nacht kam und das Opferfeuer erkaltet war, zogen sie alle ein wunderschönes dunkelblaues Gewand an und setzten sich dort, wo das Eidopfer gebrannt hatte, auf die Erde nieder; im ganzen Umkreis des Tempels löschten sie alle Feuer aus, und so, im nächtlichen Dunkel, ließen sie sich Recht sprechen und saßen selbst zu Gericht, wenn einer unter ihnen einen anderen eines Übergriffs beschuldigte. Hatten sie dann ihren Spruch gefällt, so schrieben sie, sobald es Tag wurde, das Urteil auf eine goldene Tafel, und als Erinnerung machten sie diese samt ihren Gewändern zur Weihgabe. Auch sonst gab es manche besondere Gesetze über die Ehrenrechte der einzelnen Könige; die wichtigsten Bestimmungen waren, dass sie niemals die Waffen gegeneinander erheben durften und dass alle zu Hilfe kommen sollten, wenn je einer von ihnen in einer Stadt den Versuch machte, das königliche Geschlecht zu vertreiben. Ferner sollten sie, wie schon ihre Vorfahren, die Beschlüsse über Krieg und andere Maßnahmen gemeinsam beraten und dabei dem Geschlecht der Atlantiden den Vorrang zuerkennen. Ein König aber sollte niemals den Tod eines Verwandten verfügen können, es sei denn, dass mehr als die Hälfte der Zehn dem zustimmte. 12. Diese Macht nun, in der Größe und Beschaffenheit, wie sie damals in jenen Gegenden bestand, vereinigte der Gott und führte sie gegen unsere Lande, und zwar, wie man sagt, etwa aus folgender Veranlassung: Während vieler Menschenalter, solange nämlich die göttliche Natur in ihnen wirksam war, blieben sie den Gesetzen gehorsam und dem Göttlichen, das ihnen verwandt war, freundlich gesinnt. Denn ihr Denken war aufrichtig und in allen Dingen großzügig, indem sie gegenüber allem, was ihnen das Schicksal brachte, und auch in ihren gegenseitigen Beziehungen eine mit Klugheit verbundene Milde walten ließen; denn neben der menschlichen Tüchtigkeit achteten sie alles andere gering und machten sich wenig aus dem vorhandenen Besitz; mit Gleichmut nahmen sie die Masse ihres Goldes und der übrigen Kostbarkeiten hin, als wären sie eher eine Last; von der üppigen Fülle ließen sie sich nicht berauschen und verloren auch nicht wegen des Reichtums die Herrschaft über sich selbst und kamen so zu Fall, sondern nüchtern und mit klarem Blick sahen sie ein, dass auch dies alles nur in gegenseitiger Freundschaft, verbunden mit menschlicher Tüchtigkeit, gedeihen kann, während durch eifervolles Streben danach und durch Überschätzung es selbst dahinschwindet und damit zugleich auch die Tüchtigkeit vernichtet wird. Infolge dieser Überlegung und solange die göttliche Natur in ihnen gegenwärtig blieb, mehrten sich all die Güter, die wir vorhin aufgezählt haben. Als aber der Anteil am göttlichen Wesen dahinschwand, weil es immer wieder mit vielem Irdischen vermischt wurde und so die menschlichen Wesenszüge die Oberhand bekamen, da vermochten sie ihren vorhandenen Reichtum nicht mehr zu ertragen und entarteten. In den Augen dessen, der einen klaren Blick hat, erschienen sie schändlich, weil sie das schönste unter ihren kostbarsten Gütern verderbten; den anderen aber, die nicht zu sehen vermögen, was wahrhaft zu einem glücklichen Leben beiträgt, kamen sie jetzt erst recht herrlich und glückselig vor, in ihrem Überfluss an ungerechtem Reichtum und an Macht. Zeus aber, der Gott der Götter, der nach Gesetzen regiert und solches durchschauen kann, sah ein, dass ein tüchtiges Geschlecht in eine üble Verfassung geraten war. Er beschloss, sie zu bestrafen, damit sie zur Besinnung kämen und sich besserten. Deshalb rief er alle Götter zu ihrem ehrenvollsten Wohnsitz zusammen, der sich in der Mitte der ganzen Welt erhebt und alles überschaut, was je am Werden teilhatte. Und als sie versammelt waren, sprach er... [Der Rest ist leider nicht überliefert.] Platon: Spätdialoge 2. Übers. v. Rudolf Rufener. Zürich, München 1974 (Platon. Sämtliche Werke 6), S. 317330. |