1. Was versteht man unter einer Schizophrenie?

Die Schizophrenie ist eine "Psychose", d.h. eine ernsthafte seelische Erkrankung. Bei ihr ist die Beziehung zur Wirklichkeit und zu den Mitmenschen tiefgehend verändert. Sie ist eine Störung der Gesamtpersönlichkeit.

Die Betroffenen sind am Anfang meist gespannt, verängstigt und verwirrt; sie fühlen sich manchmal verfolgt (Wahn) und werden von Trugwahrnehmungen, zum Beispiel Stimmen (Halluzinationen), körperlichen Mißempfindungen oder Schmerzen geplagt, sie klagen über Denkstörungen und gebrauchen zuweilen merkwürdige Redewendungen (Zerfahrenheit); ihre Gefühle und Gedanken sind oft zwiespältig; sie sind meist ausgesprochen feinfühlig und neigen zu überschießenden Reaktionen, z.B. in Form von Aufregung oder plötzlichem Rückzug; sie erleben zuweilen gegensätzliche Gefühle und fühlen sich selbst nicht mehr als Herr ihres Körpers; eigenwillige oder gleichförmige Bewegungen bis hin zur Bewegungslosigkeit sind manchmal zu beobachten.

Alle diese Erscheinungsweisen können entweder wieder völlig verschwinden, mit Schwankungen allmählich in leichtere Dauerbehinderungen übergehen, welche das Alltagsleben wenig beeinträchtigen, oder es kann unter ungünstigen Umständen zu Rückfällen kommen. Rückfälle entmutigen gewisse Patienten schließlich so, daß sie sich vor allem zurückziehen, sich abschließen, ihre früheren Interessen und Aktivitäten aufgeben und möglicherweise in Gleichgültigkeit und Hoffnungslosigkeit zu versinken drohen, wenn man ihnen nicht hilft.

 

2. Einige "Fakten"

 

 

3. URSACHEN SCHIZOPHRENER PSYCHOSEN

Mit großer Wahrscheinlichkeit steht fest, daß dafür keine isolierte Einzelursache verantwortlich gemacht werden kann. Zahlreiche unterschiedliche Einflüsse sind von Bedeutung. Die verschiedenen Faktoren können bei jedem Betroffenen von ganz unterschiedlicher Bedeutung sein.

 

Das Verletzlichkeit-Stress-Modell:

Ganz allgemein besagt dieses Modell, daß die Außenhaut der Seele, das sogenannte Nervenkostüm, nicht bei allen Menschen gleich stabil ist, daß es wohl einige Menschen gibt, die eine besondere dünne Außenhaut haben. Psychisch belastende Umstände in der lebensgeschichtlichen Entwicklung, wie beispielsweise der Verlust eines nahestehenden Menschen, Stress durch eine Prüfung, Kontaktstörungen und damit verbundene Isolation, tragen zu einer kritischen Grenzüberschreitung der Verletzlichkeit bei. Beim Zusammentreffen vieler ungünstiger Ereignisse kann es zu einer akuten Überforderung der nervlichen Belastbarkeit kommen. Die empfindliche Außenhaut wird überstrapaziert und das Nervenkostüm reißt ein, so daß es zum Ausbruch einer schizophrenen Psychose kommen kann. Kritisch belastend sind:

 

Biologische Bedingungen:

In der Verwandtschaft schizophren erkrankter Menschen können weitere Fälle von schizophrenen Psychosen vorkommen. Der Einfluß der Vererbung kann nur als eine Teilbedingung der schizophrenen Verletzlichkeit angesehen werden. In jedem Falle wird nur die Veranlagung vererbt, nicht die Schizophrenie selbst.

 

Stoffwechselstörungen (biochemische Faktoren)

Eine erhöhte Verletzlichkeit, sowie körperliche und lebensgeschichtliche Einflüsse können zu einer Störung im Gehirnstoffwechsel führen (Überschuß des Überträgerstoffes Dopamin). Bei einer akuten schizophrenen Psychose liegt dann eine schwere Entgleisung dieses Überträgerstoffes Dopamin vor.

 

4. Symptome

Es ist sehr schwer, einen Überblick über die vielfältigen Symptome zu geben, die bei einer schizophrenen Erkrankung auftreten können. Ich werde mich daher in etwa an den ICD 10 (International Classifikation Of Diseases, Ausgabe 10) der WHO halten.

Sinngemäß werden im ICD 10 folgende Gruppen von Symptomen aufgeführt:

Alle oben genannten Symptome können auch bei anderen Erkrankungen auftreteten. Vor der Diagnose einer Schizophrenie müssen daher andere Störungen wie z.B. bestimmte Arten von Rauschzuständen auf Grund der Einnahme von Drogen oder ein körperlicher Schaden am Gehirn als Ursache der Erkrankung ausgeschlossen sein. Dann reicht es aus, wenn 1 Symptom der Gruppe 1-4 oder mindestens 2 Symptome der Gruppe 5-8 über mindestens einen Monat eindeutig ausgeprägt sind.

 

 

5. Einteilung der Schizophrenien

Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie:

Sie ist die häufigste Schizophrenieform. Hierbei hat der Erkrankte meist das Gefühl verfolgt und/oder bedroht zu werden ohne sich dagegen wehren zu können. Diese Überzeugung ist in der akuten Krankheitsphase vom Erkrankten nicht korrigierbar. Alltägliche Dinge die sich um ihn herum ereignen bezieht der Erkrankte auf sich. In diesem Falle spricht man von wahnhaftem Erleben (Beziehungswahn). Zusätzlich können Stimmen gehört werden. Diese können z.B. über den Erkrankten reden, Befehle erteilen etwas zu unterlassen, zu unternehmen, oder einfach jegliches Handeln des Patienten kommentieren. Die Fülle von Erlebnissen ruft häufig große Angst, Fassungslosigkeit und starkes Mißtrauen aus.

 

Hebephrene Schizophrenie:

Sie beginnt meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Der Erkrankte wirkt unbekümmert, frohgelaunt und heiter ohne sich dabei wirklich freuen zu können. Die Gefühle sind gestört. Das Denken ist beschleunigt und dem Inhalt der Ideen ist schwer zu folgen. Der Erkrankte lebt oft ziel - und planlos.

 

Katatone Schizophrenie:

Man teilt sie in zwei gegensätzlich aussehende Krankheitsbilder, die einzeln oder auch wechselnd auftreten können.

 

Schizoaffektiven Psychose:

Treten neben paranoid-halluzinatorischen Symptomen auch starke Stimmungsschwankungen auf, spricht man von einer schizoaffektiven Psychose. Die Stimmungsschwankungen können hierbei sowohl in Form von unangepaßt heiterer als auch depressiver Stimmung sein.

 

Schizophrenia simplex:

Eine eher seltene Verlaufsform ist die Schizophrenia simplex. Diese Verlaufsform entwickelt sich langsam und über einen längeren Zeitraum. Der Erkrankte verändert sich im persönlichen Verhalten, wie z.B. deutlicher Interessenverlust, Müßigkeit und einem sozialen Rückzug, er distanziert sich ohne erkennbare Gründe von der Familie. Zu dem Zeitpunkt, an dem dieses Verhalten bemerkt wird, liegt der Erkrankungsbeginn meist um Jahre zurück. Symptome, wie bei den vorbeschriebenen Verlaufsformen werden nur selten gesehen.

 

 

6. BEHANDLUNG

Medikamentös:

Die medikamentöse Therapie bedient sich der sogenannten Psychopharmaka.

 

Psychotherapie:

Psychotherapeutische Behandlungsansätze lassen sich in Anlehnung an das Verletzlichkeits-Stress-Modell in 2 Strategien unterteilen:

Verhaltenstherapien haben sich bei schizophren erkrankten Menschen bewährt und sollten Bestandteil jedes Behandlungskonzeptes sein. Schon kurz nach Abklingen der akuten schizophrenen Psychose kann eine Teilnahme an einer psychoedukativen Gruppe sehr hilfreich sein. Dort werden Informationen über die Erkrankung, Entstehung und Verlauf vermittelt. Darüber hinaus wird über mögliche Behandlungsverfahren und die Bedeutung der Rückfallvorbeugung gesprochen. Im Hinblick auf die Vermeidung von Rückfällen wird der Erkrankte geschult, Frühsymptome zu erkennen und Möglichkeiten zur Bewältigung (Krisenplan) zu entwickeln.

Weitere psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten:

 

Beratung:

Der Sozialdienst steht als Berater für folgende Bereiche zur Verfügung:

 

Rehabilitation:

Die soziotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen nehmen einen positiven Einfluß auf die "sozialen Gegebenheiten", d.h. vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen und die unmittelbare Umgebung des Erkrankten. In den Bereichen Arbeit, Wohnung, Freizeitgestaltung usw. werden lebenspraktische Maßnahmen in Alltagssituationen so "umorganisiert" und begleitet, daß sich der Erkrankte trotz zeitweiser krankheitsbedingter Einbuße seiner Lebensqualität wieder wohl fühlen kann. Verlorengegangene Fähigkeiten und Talente werden gefördert.

Eine schrittweise Wiedereingliederung in seine Wohn- und Arbeitswelt wird gemeinsam vorbereitet. Unter ergotherapeutischen Maßnahmen werden alle Tätigkeiten zusammengefaßt, die mit einer handwerklichen Beschäftigung zu tun haben. Der Erkrankte hat die Gelegenheit individuell, trotz möglicher Konzentrationsstörungen oder fehlendem Durchhaltevermögen, sich entweder mit künstlerischem Gestalten oder ganz einfachen Dingen zu beschäftigen.

In der Beschäftigungstherapie werden dem Erkrankten verlorengegangene Bedürfnisse und Wünsche näher gebracht. Die Arbeit in Gruppen trainiert das soziale Verhalten, er lernt wieder, sich mit seinen Mitmenschen auseinanderzusetzen und wird von der Krankheit abgelenkt. Angeboten werden beispielsweise Töpfern, Modellieren, Handarbeiten, Batiken, Seiden-malerei, Stricken, Weben, Nähen, Flechten, Holzarbeiten, Gesellschaftsspiele. Die Arbeitstherapie ist ein allmähliches Belastungstraining und dient zur Vorbereitung auf den Wiedereinstieg in den beruflichen Alltag. Nach individuellen Bedürfnissen wird eine geeignete Therapie angeboten. Die Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen werden trainiert und gemeinsam festgelegt durch Sortieren, Montieren, Fertigung, Ablegearbeiten, Botengänge, Mitarbeit in der Gärtnerei, Holzverarbeitung, Mechanikertätigkeit, Bürotätigkeit, Weben, Stuhlflechten.

Die Sporttherapie hat das Ziel, eingeschränkte Bewegungsfunktionen wiederherzustellen. Von großer Bedeutung ist hierbei für den Erkrankten sein "Zurechtkommen" in der Gruppe und die Motivation zur Bewegung. Es kommt also nicht auf die sportliche Leistung an. Durch die therapeutischen Bewegungen soll das Vertrauen in den eigenen Körper und die Körperwahrnehmung wiedergewonnen werden.

Im Krankheitsverlauf können sich die Bedürfnisse des Erkrankten ändern, die Behandlung muß flexibel und die Dauer der Therapie individuell sein.

 

7. Rückfälle

Wenn Belastungssituationen nicht entschärft werden können und die Überforderung andauert, können Symptome entstehen, die anzeigen, daß der Betreffende auf seine Belastungsgrenze zusteuert und wieder ein psychotischer Schub entstehen kann.

 

Frühwarnsymptome:

  • Unruhe und Schlafstörungen
  • Gefühl beobachtet und kontrolliert zu werden
  • Konzentrationsstörungen
  • Gefühl alles auf sich zu beziehen
  • sozialer Rückzug
  • Gefühl der Schwäche
  • Vernachläßigung der Körperpflege
  • Zwangsgedanken
  • Veränderung im Tagesablauf
  • Stimmen hören
  • Depressive Verstimmung/Interessenverlust
  • Reizbarkeit/Aggression
  • Geräuschempfindlichkeit
  • Mißtrauen
  • Veränderung der Eß- und Trinkgewohnheiten
  • zunehmende Religiosität

 

Bewältigungsstrategie:

Um eine mögliche Krise zu bewältigen, helfen folgende individuelle Bewältigungsmassnahmen:

  • Regelmäßige Medikamenteneinnahme
  • Frühwarnsymptome erkennen lernen
  • Kontaktaufnahme zu einer Vertrauensperson (Partner, Freund, Arzt)
  • Aufgaben und Anforderungen überschaubar halten
  • Vermeidung belastender Situationen
  • Tagesstrukturierung mit Zeitplan
  • Vermeidung von Zeitdruck, evtl. längere Pausen einlegen
  • Die eigene verminderte Leistungsfähigkeit akzeptieren
  • Innere Unruhe durch körperliche Bewegung ausgleichen
  • Befindlichkeit in einem zeitlichen Rahmen eigenverantwortlich schriftlich dokumentieren

 

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