Gefeiert und beschimpft:
Seit fast 30 Jahren ist Heino der
Inbegriff der Volksmusik. Jetzt
wettert der Sänger gegen
Verlogenheit und
Geschäftemacherei in der
eigenen Branche. Das Gespräch führten
die STERN-Redakteure Peter
Lawandowski und Annette
Rupprecht.
STERN: Wie
lange stehen Sie morgens vor
dem Spiegel? HEINO: Maximai
fünf Minuten.
STERN: Und?
HEINO: Ich habe mir noch nie
gefallen.
STERN: Anderen aber
schon. HEINO: Die mögen
mich, wenn mein Mund aufgeht.
STERN: Aber viele haben
gerade dann ein Problem mit
Ihnen. 97 Prozent der Deutschen
kennen Sie zwar, aber knapp die
Hälfte davon kann Sie nicht
ausstehen. HEINO: Es gibt
keinen Sänger, über den soviel
Schmutz ausgeschüttet worden
ist wie über Heino. Ich werd'
ein Buch darüber schreiben und
meine ganzen Akten seit 1965
rausholen. Es ist ja nicht so, daß
bei Heino alles verschwunden
ist. Da wird sich noch mancher
wundern.
STERN: Wer kriegt
alles eins auf die Mütze?
HEINO: Das werden die schon
noch sehen.
STERN: Kennt
Heino denn keine Selbstzweifel?
HEINO: Ich würde nie was
machen, wozu ich nicht
erhobenen Hauptes stehen
könnte. "Wir lieben die Stürme"
haben wir schon in der Schule
gesungen. Das war ja nichts
Böses. Alles Titel aus der
Jugendbewegung. Daß nachher
die Nazis das Repertoire
mißbraucht haben, ist nicht mein
Problem. Natürlich hätte ich
sagen können, nee, mach' ich
nicht. Aber Sie glauben doch
nicht, daß dann kein anderer
gekommen wäre.
STERN: Das
klingt nach Rechtfertigung.
HEINO: Daß ich in eine rechte
Ecke gedrückt wurde stört
mich, Ich hab' meinen Vater im
Krieg verloren. Ist doch absurd,
daß ich zu den Rechten gehören
soll.
STERN: Sie sind fast 30
Jahre im Geschäft und müssen
sich ebenso lang mit Vorurteilen
rumschlagen. HEINO: Wo viel
Licht ist, ist auch Schatten. Ich
war in Südafrika, viele waren
dort. Der Freddy, der James
Last, alle. Da sage ich mir,
warum soll ich da nicht
rübergehen, wenn die mich
haben wollen. Ich habe nur mehr
Erfolg gehabt als die anderen.
STERN: Und das Bürgertum hat
applaudiert. Mit Heino gegen
die Hippie-Kultur, die Beatles
und die Stones. HEINO: Die
Leute hatten recht, wenn sie
gesagt haben, alles ist nur noch
englisch. Das einzige was man
deutsch hörte, waren die
Nachrichten. Da kam dann ein
Sänger und sang die schönen
alten Lieder.
STERN: Zur Zeit
ist Volksmusik sehr gefragt.
HEINO: Wer sich da alles als
Volksmusikant aufspielt. Die
können ja nicht mal Mi machen.
STERN: Anders als früher?
HEINO: Ja, ich glaube, daß
heute die schneile Mark im
Vordergrund steht und nicht die
Bereitschaft, sich auf den
Künstler einzustellen. Das sieht
man am Naabtal Duo: aufgebaut,
abgewirtschaftet,
weggeschmissen.
STERN:
Heino, der Hüter der wahren
Volksmusik? HEINO:
Jedenfalls habe ich den Zug ins
Rollen gebracht, auf den jetzt
viele aufspringen. Der Markt ist
übersättigt, Billigproduktionen
am laufenden Band, alles wird,
ratsch-ratsch, schnell gemacht.
Wenn's so weitergeht, ist die
Volksmusik in zwei, drei Jahren
am Ende. Denn das meiste ist,
um Klartext zu reden, einfach
Mist.
STERN: Und "Heinina",
das Sie in Ihrer letzten Show mit
Nina Hagen zum besten gaben,
was ist das? HEINO: Das ist ein
Schlager.
STERN: Der wahre
Heino auf dem Weg zum
Rockstar? HEINO: Musikalisch
korrespondiere ich nun mal mehr
mit Nina Hagen als mit dem
Naabtal Duo.
STERN: Steht uns
da eine musikalische Hochzeit
bevor? HEINO: Ja der steht
nichts im Wege. Beide müßten
natürlich zurückstecken. Nina
dürfte nicht so schrill sein und ich
poppiger, was mir ja nicht
schwerfällt.
STERN: Das sind ja
völlig neue Töne. HEINO: Ich
war schon immer ein
Außenseiter, der aber immer
schon von vielen anerkannt
wurde. Das sieht man, wenn ich
mit Udo Jürgens zusammen bin,
mit Nina Hagen oder mit Ivan
Rebroff. Das sind für mich
gestandene Leute, und die
achten mich.
STERN: Dann hat
sich Ihre Ausdauer ja gelohnt.
HEINO: Ich war eben immer in
einem guten Umfeld. Mein
Produzent war Doktor der
Volkswirtschaft, mein Texter
Richter in Robe, mein
Komponist der Pianist von Kurt
Edelhagen. Die haben auf mich
geachtet. Was ich singe, wie ich
gekleidet bin, welche Sendung
ich mache.
STERN: Und Sie
hatten kein Mitspracherecht?
HEINO: In den ersten 15
Jahren durfte ich keine
Interviews geben. Ich hab' schon
mit Leuten geredet, aber wenn
wichtige Sachen waren, hab' ich
nur mit ja oder nein geantwortet.
Lachen sollte ich auch nicht.
STERN: Aber das wäre doch
sympathisch gewesen? HEINO:
Das hat mit dem Image zu tun.
Freddy Quinn oder Hitchcock
haben auch nicht gelacht. Es gibt
eben Leute, die dürfen das nicht.
STERN: Würden Sie das heute
noch mitmachen? HEINO: Man
kann daraus lernen, man kommt
ja nicht ais Allwissenderzur
Welt. Mein Produzent hat mir
auch ein Bankkonto eingerichtet,
an das ich in den ersten Jahren
nicht ran konnte, weil er glaubte,
daß ich nicht mit Geld umgehen
könne. Das stimmte auch.
STERN: Und diese Herren
haben Ihnen Ihr Image mit
dunkler Brille und blonden
Haaren verpaßt? HEINO: Die
blonden Haare habe ich von
Vater und Mutter. Da konnte ich
nichts zu. Die blauen Augen
auch. Die Lichtschutzbrille
bekam ich 1971 nach einem
Augenleiden.
STERN: Aber Sie
sind nicht sehbehindert?
HEINO: Nein, ich sehe alles.
auch was ich nicht sehen will.
STERN: Gibt es einen
Inkognito-Heino? HEINO:
Nee. Ist doch toll erkannt zu
werden.
STERN: Sie haben
etwas Altersloses. HEINO: Na
ja, ein paar Falten sind schon
dazugekommen.
STERN: Dafür
haben Sie ein paar Haare
weniger. HEINO: So schlimm
ist es nicht. Ich habe eben etwas
mehr als Geheimratsecken.
STERN: Bekommen Sie viele
Liebesbriefe? HEINO: Wenn,
dann kriege ich die ganz
bestimmt nicht in die Hände.
Die sortiert die Sekretärin aus.
Aber ich staune daß junge
Leute die sich vor Jahren noch
schämten, heute um ein
Autogramm bitten.
STERN:
Hauptsächlich Frauen? HEINO:
Das hält sich die Waage.
"Caramba, Caracho, ein
Whisky", das ist ja nichts für
Frauen. Von der Stimme, vom
Repertoire her bin ich eher ein
Männer-Typ.
STERN: Haben
Sie homosexuelle Fans?
HEINO: Nein, um Gottes
willen, da bekomm' ich eine
Gänsehaut.
STERN: Und bei
Frauen? Bei welchen kribbelt
es? HEINO: Jedenfalls nicht bei
Kolleginnen. Ich mag lieber
normale Frauen, Sekretärinnen
oder so.
STERN: Wo lassen
Sie eigentlich Ihr Geld? HEINO:
Einen großen Teil beim
Finanzamt.
STERN: Nie an
Monaco gedacht? HEINO:
Wenn ich in diesem Staat
geboren bin, dann muß ich ihn ja
nicht betrügen. Das ist unser
Gesetz, und damit bin ich groß
geworden, und damit fühle ich
mich wohl. Es ist meine Heimat.
Wir haben Berge und brauchen
auf nichts zu verzichten.
STERN: Trotzdem werden in
diesem Land Asylantenheime
angezündet. HEINO: Das ist
einfach schrecklich. Für mich ist
das aber nicht Deutschland. Ich
kenne persönlich niemanden, der
Ausländer haßt. In meiner Band
spielen ein Japaner und ein
Franzose. Die Jungs, die
krakeelen und Häuser
anstecken, wissen doch gar
nicht, was und warum sie das
tun.
STERN: Alles nur pure
Gedankenlosigkeit? HEINO:
Das hat was mit Erziehung zu
tun. Alles ist freier geworden.
Aber Eltern müssen so auf ihr
Kind aufpassen, daß es nicht
entgleist. Wenn ich sage
Ordnung, dann wissen Sie, was
ich meine.
STERN: So genau
nicht. HEINO: Man muß den
Kindern klipp und klar erklären
können, was sie dürfen und was
nicht. Mein Uwe ist jetzt 33.
Wenn ich den frage, kannst du
den Papa vom Flughafen
abholen, dann kommt der. Wir
halten zusammen. Früher, nach
dem Krieg, haben wir auf drei
Zimmern mit 13 Personen
gelebt. Da wurde jeden Tag
gesungen. Und samstags saßen
wir alle auf der Couch und
haben Radio gehört. Für mich ist
die Familie das höchste.
STERN: Trotzdem haben Sie
sich scheiden lassen. HEINO:
Das hat mir keine Probleme
bereitet, nur die Angst, Uwe zu
verlieren. Ich habe vor Gericht
gesagt: Herr Richter, ich habe
mir nichts zuschulden kommen
lassen, ich lasse mich nur
scheiden, wenn ich meinen Sohn
kriege.
STERN: Sie waren
alleinerziehender Vater?
HEINO: Ja, tagsüber, wenn ich
in der Backstube war, habe ich
UwezumeinerMuttergebracht
und gegen Abend wieder
abgeholt. Das war schön.
STERN: Welche Probleme löst
eine gute Ehe? HEINO: Man
hat keine, wenn man eine gute
Ehe hat. Mit Hannelore läuft es
toll. Ich kann sie alleine lassen,
weil alles bei uns zu Hause in
Ordnung ist. Die Hunde laufen
rum, sind gesund, der Uwe hat
eine feste Arbeit, das gibt Ruhe
und Sicherheit.
STERN: Sie
haben Schäferhunde. HEINO:
Ich hab' mit Pudeln angefangen.
Sieben Stück schliefen bei mir im
Bett. Späterhat mir ein
Bekannter einen kleinen
Schäferhund ins Auto getan.
Seitdem züchte ich
Schäferhunde. Ich kann halt
keinem Tier etwas zuleide tun.
STERN: Sind Sie gläubig?
HEINO: Ja, ich gehe jeden
Sonntag in die Kirche. Es ist ja
für alle nur eine kurze Stippvisite
auf dieser Welt. Vielleicht wird
man eines Tages noch mal
geboren. Da kann ich ja nicht
wieder so ein Glück haben. Für
mich ist klar, daß es etwas über
uns gibt. Nur, das ist ganz
bestimmt nicht der Papst.
STERN: Gibt es denn einen
Politiker, dem Sie vertrauen?
HEINO: Genscher ist ein guter
Mann. Kohl auch. Man kann ja
nicht sagen, daß der Mann
schlecht ist. Ich würde mich aber
nie für einen Politiker engagieren.
STERN: Warum nicht?
HEINO: Ein Sänger muß sich
von solchen Dingen lösen.
STERN: Kollegen wie Wolf
Biermann sind da anderer
Auffassung. HEINO: Nur aus
dem Unerfolg heraus macht man
so etwas, um auf sich
aufmerksam zu machen.
STERN: Aber eine Botschaft
haben Sie auch? HEINO: Ich
will Freude bereiten. Wenn wir
uns gegenseitig anöden,
schlagen, treten und betrügen,
finde ich das nicht gut.
Deswegen mag ich über solche
Sachen auch nicht singen.
STERN: Singen Sie denn
überhaupt noch gerne? HEINO:
Leidenschaftlich, am liebsten
"Am Brunnen vor dem Tore"
oder "Ave Maria".
STERN: Wie
sieht bei Ihnen ein freier Abend
aus? HEINO: Früh ins Bett
gehen, Fernsehen anmachen,
Fußball oder fünf, sechs Filme
hintereinander sehen. Das ist
schön. Und wenn ein Liebesfilm
kommt und sie sich nicht
kriegen, dann laufen mir die
Tränen.
STERN: Was lesen Sie?
HEINO: Fast nichts. Höchstens
mal die "Bild" wegen des
Sportteils. Ich bin da ein
ehrlicher Mensch. Ich muß nicht
die "Times" auf dem Flughafen
spazierenführen, um intelligent zu
wirken.
Das Gespräch führten
die STERN-Redakteure Peter
Lawandowski und Annette
Rupprecht.