Die schlechte Nachricht vorneweg: Wer an einer Colitis ulcerosa leidet, trägt ein
deutlich höheres Risiko an einem Dickdarmkrebs (einem kolorektalen Karzinom)
zu erkranken. Allerdings- und das ist die eher gute Nachricht - gilt das vor allem
für Patienten, die seit mindestens 15 Jahren erkrankt sind, nicht sachgerecht
behandelt werden (oder die Therapie vernachlässigen) und regelmäßig Schübe durchmachen.
Auch wenn die Kolitis vor dem 20. Lebensjahr begonnen hat und große Abschnitte des Dickdarms
befallen sind, erhöht sich das Krebsrisiko.
Die Statistiker beziffern die kumulative Inzidenz eines kolorektalen Karzinoms
nach einem Krankheitsverlauf von 20 Jahren mit 5 bis 10%, nach 30 Jahren sollen
es bereits 12 bis 20% sein. Gemessen an der Normalbevölkerung kann das
Risiko, einen Dickdarmkrebs zu entwickeln bis zu zwanzigmal höher sein. Etwa
50% der Patienten mit Colitis ulcerosa sterben derzeit an einem Kolonkarzinom;
so jedenfalls steht es in einem Standardwerk der Gastroenterologie.und es trifft
häufig bereits Dreißig- und Vierzigjährige.
Allerdings, manche Hochrechnungen sind umstritten und neuere Untersuchungen
kommen zu weit harmloseren Zahlen: Bei konsequenter, sachgerechter Behandlung - so
die Kritiker- ist die Gefahr , eine bösartige Dickdarmgeschwulst zu entwickeln,
nur auf das Zwei- bis Dreifache gesteigert - auch wenn die Krankheit schon mehr
als ein Jahrzehnt bestanden hat. Außerdem, und das ist eine weitere gute
Nachricht - wenn nur der Enddarm erkrankt ist, besteht kein erhöhtes
Krebsrisiko.
 
Deutlich geringer ist die Krebsgefahr beim Morbus Crohn: Patienten, bei denen
nur der Dünndarm befallen ist, können beruhigt sein; bösartige Geschwülste des
Dünndarms sind eine Rarität.
Wenn dagegen auch das Kolon beteiligt ist, besteht ein erhöhtes Risiko, im Laufe
der Jahre ein kolorektales Karzinom zu entwickeln. Die Gefahr steigt nach dem 5.
Jahr der Erkrankung allmählich an. Wie groß das Risiko tatsächlich ist, die
Fachleute sind sich nicht einig.
 
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, einmal jährlich sind unverzichtbar, besonders wenn die Erkrankung schon zehn Jahre bestanden hat und immer wieder Schübe aufgetreten sind. Der Gastroenterologe führt eine totale Koloskopie durch, bewertet das Ausmaß der entzündlichen Veränderungen, entfernt Polypen und entnimmt systematisch Gewebeproben, die auf verdächtige Veränderungen der Zellarchitektur, sogenannte „schwere Dysplasien“ untersucht werden. Schwere Dysplasien sind ein Alarmsignal: Wenn sie nachgewiesen werden, muß die Koloskopie in halbjährlichen oder gar vierteljährlichen Abständen wiederholt werden.
 
Die Frage, ob 5-Aminosalicylsäure und ihre Abkömmlinge, z. B. Sulfasalazin
helfen können, einem Dickdarmkrebs vorzubeugen, ist nicht ausdiskutiert,
doch vieles spricht dafür. Optimisten führen vor allem die Ergebnisse mit der Acetylsalicylsäure ins Feld
und verweisen auf die enge chemische Verwandtschaft. Tatsächlich, Giovannucci und
Mitarbeiter haben in einer großen Kohortenstudie zeigen können, daß Aspirin
(Acetylsalicylsäure), regelmäßig über Jahre genommen, das Risiko, ein
kolorektales Karzinom zu entwickeln, halbiert. Auch andere Stoffe, die wie
Aspirin die Bildung bestimmter Gewebshormone, der Prostaglandine hemmen,
besitzen möglicherweise die gleiche Wirkung.
Sulfasalazin (Azulfidine) und Olsalazin
(Dipentum), zwei Standardpräparate in der Therapie der Colitis ulcerosa
werden im Dickdarm durch die dortige Bakterienflora in den Wirkmetaboliten 5-
Aminosalizylsäure (Mesalazin) gespalten. Mesalazin wird auch direkt in
verschiedenen Arzneimitteln mit verzögerter Wirkstofffreisetzung verwendet.
Diese Verbindung, ist mit der Acetylsalicylsäure chemisch eng verwandt und
hemmt ebenfalls die Prostaglandinsynthese. Man darf deshalb hoffen, daß die
Aminosalicylate, mit denen sich Akutphasen bei chronisch-entzündlichen
Darmerkrankungen bekämpfen und neue Krankheitsschübe unterdrücken lassen, auch mögliche Spätfolgen verhindern, nämlich den Dickdarmkrebs verhüten helfen.