The University of Maryland, European Division

German 338: Kurzgeschichten
 

 

 

 

 

 

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Zum Hintergrund unseres Kurses:

Wenn man wissen will, warum ein Autofahrer in keiner deutschen Stadt an seinen Ausgangsort zurückkommt, wenn er viermal links abgebogen ist, dann macht es wenig Sinn über die Intelligenz der Städteplaner zu spekulieren, - man braucht einfach historisches Wissen: Die Straßen in einer deutschen Innenstadt existieren seit dem Mittelalter, als man zu Fuß ging oder auf einem Pferd saß; sie haben diese Straßen nicht für uns gebaut, sondern für sich. So wie wir heute Computer bauen, - für uns, und nicht für die Nachwelt (von der wir doch überhaupt keine Ahnung haben).

Ich finde es hochinteressant, zurückzuschauen in die geschichtlichen Abläufe, um zu verstehen, was unser Leben heute ausmacht. Wenn man sich die richtigen Dinge anschaut, ist das - im Gegensatz zum üblichen Geschichtsunterricht - nicht im geringsten langweilig. Was die normalen Menschen in  ihrem normalen Leben in den vergangenen Zeiten gemacht haben, ist äußerst spannend. Viel spannender als zu erfahren, welcher König wann und wie lange regiert hat.

Die LITERATUR hat hier eine ganz spezielle Funktion: Sie nimmt uns mit auf die Reise in die Vergangenheit, ohne uns auf die Schulbank zu setzen, denn sie erzählt uns eine Geschichte, so als ob sie gerade passieren würde, selbst wenn sie uns Figuren und Schauplätze aus vergangenen Jahrhunderten vor die Augen stellt. Wir brauchen keine Kenntnis der Geschichte, um solche Geschichten in ihrer Intensität zu empfinden.

ABER: Diese Geschichten - wenn sie nicht aus der jetzigen Zeit stammen - sind in einer historischen Konstellation entstanden, die anders war als unsere, und wenn wir sie gut verstehen wollen, dann müssen wir ihrer freundlichen Aufforderung nachkommen und uns ein wenig kümmern um die Bedeutung von ledigen Müttern, Holzdiebstahl im Wald eines Aristokraten, Soldatenleben um 1800, Hunger in der Nachkriegszeit, die sexuellen Tabus in der viktorianischen Zeit usw., usw. Wenn wir solche historischen Fakten verstehen, dann sprechen die Texte doch noch ein wenig deutlicher und farbiger zu uns.

Man kann sich ja vielleicht vorstellen, dass jemand in 200 Jahren eine Geschichte aus unserer Zeit liest und nicht weiß, dass es damals keine Hotels auf dem Mond gab, dafür aber Telefone ohne Bildmonitor, Autos, die Benzin brauchten und Leute, die gern in der Sonne saßen, weil das Ozonloch noch klein war. Dieser Leser hat dann einfach nicht das Wissen, um die Situationen in den Texten zu verstehen. Im Prinzip ist das für alle Menschen normal, jedenfalls zunächst einmal: So wie wir als Kinder nicht wissen, das andere Kulturen andere Sprachen haben, so wissen wir als Erwachsene nicht, dass eine Familie vor 500 Jahren etwas völlig anderes war als heute; wir müssen erst lernen, dass wir unsere Sicht der Welt nicht für die Welt halten dürfen.

Das ist ein großes Anliegen dieses Kurses: Den Blick zu öffnen für das was in unserer heutigen Welt nicht mehr existiert, - damals aber selbstverständlich da war. In unseren Zeiten ist es vielleicht besonders wichtig, Egozentriertheiten in Wissen umzuwandeln. 

 
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