Irish Folk
Das wird keine lustige Geschichte. Es wird nämlich so eine Art Liebesgeschichte, und deswegen kann sie nicht gut lustig sein. Sie stimmt zwar nicht, aber sie ist wahr. Umgekehrt kannst du's genauso sagen.
Sie handelt vom Florian.
Und als sie ihn ins Freibad mitnehmen wollten, kam Florian fast um vor Freude.
Es war alles ziemlich ungünstig zusammengekommen: Der Vater auf Montage am anderen Ende Deutschlands, die Mutter ausnahmsweise allein auf Erholung am Meer. Was soll man da anstellen? Genau: Jeden Tag ins Freibad gehen und sturmfreie Bude halten.
Norbert, sein großer Bruder, wäre ja lieber ohne Florian ins Freibad.
Man muß ja nun auch nicht sofort vor seiner neuen Freundin damit hausieren gehen, daß man etwelche kleinen Geschwister hat. Wie sieht denn das aus. Sie packten die Badetasche.
Die ganze Zeit nervte Norbert schon herum, weil Florian sich fürchterlich viel Zeit ließ, nur trödelte und seinem Bruder beim Taschenpacken im Wege stand. Und in zwei Minuten waren sie mit Annemarie verabredet. Nichts als Theater mit der Freundin und dem Brüderchen.
Florian kaute einen Apfel. Daß Norberts Neue Annemarie hieß, wußte er. Hoffentlich hatte sie nicht wieder so abstehende Ohren wie seine Letzte. Norbert fegte umher wie ein aufgescheuchtes Geflügel und verstaute gerade als letzten Handgriff das Radio in der Badetasche - da klingelte es. Gar nicht erst aufmachen, gleich selber hinuntergehen, es wird ja auch langsam Zeit. Florian mußte nur heimlich grinsen, wie nervös sein Bruder war, und brachte aufreizend langsam seinen Apfelbutzen zum Mülleimer: - -- --- ---- .
Annemarie stand da unten, breitbeinig über ein Fahrrad gespreizt. Sie gab irgendwo da oben Norbert einen Kuß ins Gesicht, und ansonsten blendete die Sonne zu stark, daß Florian sie hätte begutachten können. Er sah nur ihre braungebrannten Füße, auf denen sie sich ein Stück zu Norbert hinaufstemmte, daß ihre Zehen sich falteten. Weit offene, weiße Gesundheitssandalen trug Annemarie.
Dann waren sie im Freibad. Annemarie war eigentlich eine ganz Nette. Als Norbert eine Zeitlang verschwunden war, um für sich und Annemarie ein Zitroneneis zu holen (für Florian natürlich keins), setzte sie sich nicht etwa affig auf dem Handtuch zurecht und stierte an Florian vorbei, wie Norberts Letzte das getan hätte, sondern unterhielt sich mit ihm.
"Magst du Irish Folk?" fragte sie Florian.
Sieh an, ihr fiel sogar noch was anderes ein, als wie's denn in der Schule so läuft. Leider kannte Florian keinen Irish Folk. Jedoch er sagte, mal so auf Verdacht:
"Doooch."
Annemarie sah ihn fest und prüfend an. Jetzt konnte er ihrem Blick schon nicht mehr standhalten.
"Okay", gab Florian resigniert zu und stellte sich ertappt, "was ist denn eigentlich Irish Folk?" Er konnte es sogar richtig aussprechen. - Sie erklärte es ihm.
Irgendwie war sie unheimlich. Man konnte sie nicht anlügen, nicht einmnal so kleine Sachen wie das gerade eben gingen bei ihr durch. Aber nicht wie bei Mami, die einem selbstverständlich auch jedesmal an der Nasenspitze ansah, ob man gelogen hatte (Jedenfalls behauptete sie das), sondern bei ihr war es irgendwie ganz klar und logisch, daß man sie nicht anlügen durfte. Tat man es doch, ließ sie es einfach nicht gelten.
Ganz von selber. Sie log umgekehrt ja auch nicht, wollte etwa Florian nicht für blöd verkaufen, nur weil er ein paar Jährchen hinterher war, sondern nahm es sehr ernst, daß er tatsächlich kapierte, was Irish Folk ist.
Das klang nicht mal schlecht, was sie davon wußte (es gab da nämlich furchtbar komplizierte Lieder mit wilden Harmonien, die in moll anfangen und in Dur aufhören oder andersrum! Annemarie pfiff ihm sogar ein einschlägiges Beispiel voller abenteuerlicher Melodiesprünge an!), und dann kam bald Norbert mit den zwei Zitroneneis zurück.
"Geh doch gleich nochmal hundert Bahnen schwimmen", flachste Florian, und Annemarie grinste verlegen und geschmeichelt.
Und es wurde noch ein sehr gelungener Nachmittag.
Annemarie kam jetzt öfter.
Eine ausgesprochene Schönheit war sie ja nicht unbedingt, fand Florian, und Norbert widersprach auch nicht zu so etwas, aber sie hatte eine recht brauchbare, umgängliche Art am Leib.
Wenn Florian sie auf der Straße getroffen hätte, hätte er nicht für sicher garantieren können, ob er sie am Gesicht erkannt hätte. Erstens schien zur Zeit dauernd die Sonne, so daß Florian sowieso keinen Leuten über ein Meter sechzig ins Gesicht schauen konnte, zweitens war er allgemein zu jung, um den Mädchen auf der Straße nachzuschielen, und drittens war sie eher unscheinbar gezeichnet. Weder schön noch häßlich, aber wenigstens keine abstehenden Ohren.
Es dauerte lange, bis Florian dahinterkam, was Annemaries Eigenheit ausmachte: Sie hatte nämlich ein unübertroffenes Talent dazu, barfuß zu laufen. Ihre offenherzigen Gesundheitsschlappen waren um diese Jahreszeit schon das äußerste, was sie ihren Füßen an Einengung zumutete. Wann und wo sie konnte, streifte sie die Dinger ab und fand erst barfuß in ihren Normalzustand.
In der Wohnung sowieso und im Freibad, wo Florian sie zum ersten Mal erlebt hatte, aber so ging sie auch einkaufen oder sonstwo in der Stadt herum, und bei ihr war das ganz selbstverständlich: es war unbändig.
Bei seiner Körpergröße waren die Füße ohnehin der Körperteil an Annemarie, den er am besten kannte. Barfußsein machte sie erst so richtig aus. Florian hätte sich das nie getraut. Damit konnte sie ihm imponieren, gerade weil sie es nicht darauf absah und es ja nicht einmal bemerkte.
Sie hatte auffallend lange, schmale Zehen, mit feinen Knochen darin, und sehr beweglich, und sie lackierte sich die Nägel nicht, wie Florian das von den meisten anderen Damen kannte, die mit offenem Schuhwerk daherkamen, fiel ihm angenehm auf. Und einen schön gewölbten Spann. Sehnige Fersen. Nervige Knöchel.
Aber nicht so zerbrechlich und filigran, als ob sie nie einmal ein gut Stück Weges unter die Sohlen nehmen könnte, sondern durchaus zu etwas zu gebrauchen. Ein verdammt hübsches Barfußgesicht, fand Florian. "Zart" war das Wort, das ihm dazu einfiel. Und sehr, verdammt sehr brauchbar.
Vielleicht weil wirklich hübsche Barfußgesichter so verdammt selten sind. Sie hatte es einfach nicht nötig. Schuhe nicht und Nagellack schon gleich gar nicht. Das fand er schön an ihr. Es gab ihr so was Nacktes, so als ob sie einfach nichts zu verbergen hätte und sich das erlauben konnte. Sie mochte sich doch sehen lassen.
Nie auch war Florian so bewußt geworden, und er mußte grinsen darum, daß der Mensch, der eigentlich sonst einen so kompakten Eindruck macht, unten in Fransen endet. - Es war bei Annemarie auch etwas anderes als die eine von zwei Möglichkeiten, Schuhe an oder aus zu haben. Es war mehr.
Einmal, wieder im Freibad - Norbert leistete gerade seine Bahnen ab und hüpfte alle paar Minuten vom Fünfmeterbrett, um Annemarie einen Anblick zu bieten - fragte er sie, eigentlich nur um etwas zu sagen: "Warum habt ihr Frauen eigentlich so komische Brüste?" Sie standen auf einem Hügel und schauten von weitem Norbert zu.
Das Thema war ihm sehr ernst, denn er fand es fürchterlich unpraktisch, daß die Frauen andauernd zu ihrer Badehose noch ein Oberteil anziehen mußten, nur damit sie ihre Brüste irgendwo unterbrachten, und das war immerhin ungefähr die Hälfte aller Badegäste, ja der Menschheit.
Vielleicht war das Interesse in Florians Alter auch rein biologisch bedingt. Annemarie stand gerade vor ihm, ausnahmsweise mit den Sandalen an und gegen die Sonne, und Florian mußte wieder sehr mühsam zu ihr hinaufblinzeln.
"Komische Brüste?" fragte sie ein bißchen überrascht, vielleicht sogar erschrocken, "findest du?" und blickte auf ihre eigenen nieder.
"Die brauchen wir irgendwann, wenn wir Kinder kriegen. Erklär ich dir vielleicht mal, bei Gelegenheit. Außerdem", und sie ließ den Gummizug ihres Büstenhalters schnalzen, "sehen sie doch hübsch aus, oder nicht?"
Florian nickte.
"Doooch", sagte er.
Annemarie sah ihn von oben herab an und lächelte, möglicherweise mit einem gewissen Kopfschütteln.
Florian überlegte etwas.
Dann faßte er sich ein Herz und sagte: "Sei mal barfuß."
Sie schien nicht recht zu verstehen, aber sie streifte sich doch mit dem einen Fuß den Schlappen vom anderen und stellte sich außen neben ihrem Paar Schlappen ins Gras und wartete.
Florian betrachtete Annemarie ernsthaft.
"Und nun?"
"Darf ich dich mal drücken?" fragte er sie.
"Ich mag dich mal drücken, wenn du barfuß bist." Er durfte.
Er umschlang sie auf Höhe ihres Bauchs, und sie war schön sonnenwarm und weich fürs Gesicht, und er fühlte und roch sie Haut an Haut und bekam von ihr übers Haar gestreichelt.
Und sie war barfuß.
Außen um sie herum wimmelte der Freibadbetrieb.
So wären sie wohl eine Weile stehengeblieben, da klatschte sie ihn plötzlich auf die Schulter und rief: "Hey! Wer zuerst im Wasser ist! Um ein Zitroneneis!" - da schossen sie jauchzend in Richtung Schwimmbecken los und landeten je einen Arschbomber.
Florian verstand sich richtig gut mit Annemarie. Norbert sollte nur feste seine Schwimmfinessen trainieren, so lange hatte er schon Annemarie für sich. Nicht, daß er Geheimnisse mit ihr vor Norbert gehabt hätte, aber der Kerl brauchte ja auch nicht alles zu wissen.
Florian ging immer lieber ins Freibad, weil das jetzt etwas mit Annemarie zu tun hatte. Er dachte inzwischen recht gerne an sie.
In diesen Tagen gewöhnte er sich selber an, viel barfuß zu laufen. Eigentlich ohne daß er viel dazutat. Er bekam ein Gefühl von Erdverbundenheit davon, wie er es nie gekannt hatte und das auf keine andere Art zu erreichen ist. Den Boden unter den Füßen spüren, zehenlüften, noch Socken dabei sparen, und auch Barfußlaufen hatte neuerdings etwas mit Annemarie zu tun.
Er mochte im Freibad das Gras zwischen den Zehen rupfen und tausenderlei Kleinzeug unter den Sohlen pieksen fühlen, und ging schon auch mal nach einem Regentag in den Wald hinaus, in einem Schlammloch herumplantschen.
Man federte auch gleich ganz anders beim Gehen. Von allen barfüßigen Mädels, die er traf, mußte er nicht erst die Füße erblicken, um sie als barfuß zu erkennen. Denn jede, so wie er selbst, schlenderte ganz von selbst viel... drüberstehender.
Die Landschaft wurde schöner davon, wenn man sie mit bloßen Füßen betrat. So zeigte sie sich erkenntlich, wenn man sie respektierte.
"Deine Annemarie ist eigentlich ganz in Ordnung", sagte er zu Norbert. Der zuckte nur die Schultern. So schlau war er schon selber, und was hatte denn der kleine Frosch für eine Ahnung, der nicht wußte, wozu es zweierlei Sorten Menschen auf der Welt gab.
Aber das eine Mal hatte Norbert keine Zeit fürs Freibad, weil er für irgendeine wichtige Schulaufgabe lernen mußte, da ging Florian allein ins Bad und traf sich mit Annemarie.
Niemand dachte sich was dabei, es war einfach Zeit, schwimmen zu gehen, und wenn der Große was Wichtigeres zu tun hatte, mußte der Kleine halt heute selber.
Es handelte sich um sein erstes Rendezvous, wenn er es genau bedachte, aber so grundsätzlich mocht' er es gar nicht sehen. Er war eben da mit der Annemarie, einen lustigen Nachmittag verleben, und warum soll man da einzeln hin, wenn man miteinander eine viel schönere Zeit haben kann.
Sie lagen nebeneinander auf dem Handtuch auf den Bäuchen, die Vorbeigehenden hielten sie wahrscheinlich für Geschwister, und unterhielten sich über irgendetwas.
Weil Florian viel mit den Händen redete, war er mit der einen über Annemaries Rücken geraten und behielt sie gleich dort. Daß er zu ihr Körperkontakt hatte, schuf Nähe und Konzentration auf das Gespräch und war überhaupt nicht so unangenehm. Dann lagen sie unbequem.
Gleichzeitig drehten sie sich auf die andere Seite und sprachen jetzt in den gleißenden Himmel hinauf. Es ging um Irish Folk.
Dann entstand eine Pause. Annemarie pfiff eine irische Melodie vor sich hin.
Sie überlegten beide, was sie gerade gelernt hatten. Nachdenklich schaute Annemarie zu ihren Zehen hinunter und probierte, wie gelenkig sie noch waren. Da fiel Florian ein:
"Du?"
Pause.
"Darf ich mich mal auf dich drauflegen?"
Annemarie kannte ja die verrückten Anwandlungen Florians von seinem Einfall, mal Barfuß zu machen. Darum tat sie eine einladende Handbewegung, und Florian kletterte umständlich auf Annemarie.
Er war ungefähr halb so lang wie das Mädchen und überhaupt nicht schwer. Der dürre Hering. Er spendete Annemarie eher noch Schatten, als daß er etwa verschwitzt an ihr geklebt oder zu unruhig auf ihr herumgeturnt wäre, wie kleine Buben tun. Wie er nur wieder auf die Idee gekommen war: Das war ja ungeahnt schön?
Er lag ganz ruhig und genoß den Augenblick. Sie stützte ihn mit einer Hand ab, damit er nicht hinunterrollte, denn auch sie spürte ihn eigentlich ganz gerne.
Und dann schliefen sie ein.
Norbert war doof. Konnte nicht anständig kochen, und jetzt, wo Annemarie mal in der Wohnung da war, führte er sie mit in sein Zimmer und versteckte sich mit ihr. Und das Rezept für Spaghetti blieb wieder am kleinen Florian hängen. Richtig doof. Unfair war das, jawoll. Florian schlich sich zu Norberts Zimmer, um ihm das zu sagen.
Abgesperrt hatte er auch noch. Na warte.
Gar nicht lang an der Tür rütteln, das nützt sowieso nichts. Aber was dann?
Zuerst mal durchs Schlüsselloch linsen. Das ist genauso unfair. - Florian glaubte nicht, was er da sah.
Norberts Bett stand genau im Blickfeld. Da lagen die zwei drauf und waren splitterfasernackt: Mehr als barfuß, dachte Florian.
Annemaries Beine erkannte er sofort, sie reckte sie nämlich genau seinem Schlüsselloch entgegen, und diese langen Zehen hatte er schon so oft mal anfassen wollen. Was ihn aber irritierte, war, daß sein Bruder zwischen ihren Beinen lag und mit dem Hintern auf und ab ging. Sowas hatte Florian noch nie gesehen.
Vage dämmerte ihm, daß es genau das war, was man mit Annemarie tun konnte. Daß es genau darum ging, wenn man sie ganz für sich haben wollte. Eine ganze neue Welt tat sich auf. Sie waren gerade mittendrin und hätten sich nicht mal stören lassen, wenn Florian auf einmal mitten im Zimmer gestanden wäre.
Florian schaute eine Weile zu, und dann traten ihm langsam Tränen in die Augen. Er verstand selber nicht genau, warum, denn er konnte sich nichts Genaues daraus machen, was da in seines Bruders Zimmer und Bett vor sich ging, aber er fühlte, daß Annemarie ihm bei dieser Tour ein ganzes Stück weit verloren ging, weit, weit abhanden kam.
Er hätte ihnen etwas zurufen mögen, aber das hätte nichts geholfen. Die beiden waren viel zu weit von ihm entfernt. Nicht nur die zwei Meter bis zum Bett, sondern viel, viel weiter, irgendwo jenseits der Atomsphäre, "in a galaxy far, far away", unerreichbar für ihn. Das Auge noch am Schlüsselloch, fing Florian an zu weinen.
Er mußte krampfhaft schnupfen und schniefen. Das hatte er ja schon seit Jahren nicht mehr getan: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Und wenn er am Marterpfahl gefesselt schmort, dann singt er die Lieder seines Stammes und lacht seinen Feinden Hohn. Aber das war Florian im Moment herzlich egal. Er dachte nur mehr an Annemarie, wußte selber nicht warum, lief eine ganze Zeitlang flennend im Gang auf und ab, in Rotz und Wasser zerfließend und keine Ahnung, wohin mit sich, und stiefelte schließlich aufs Klo hinaus und übergab sich.
Diesen Abend gab es keine Spaghetti.
Annemarie und Norbert waren irgendwann aus dem Zimmer gekommen, wieder zurück auf der Erde, sehr aufgeräumt, Annemarie mit einem alten T-Shirt von Norbert an (und sonst nichts), und hatten ganz normal getan, als ob überhaupt nichts anderes Sache wäre. Florians verheultes Gesicht hatten sie noch nicht einmal bemerkt. Sie unterhielten sich aufgekratzt und laut und suchten sich eine Büchse Ölsardinen aus dem Kühlschrank.
Da fand Florian auf einmal, daß Annemarie bestürzend schön aussah in dem alten T-Shirt, und vor allem so bezaubernd barfuß wie immer, und nahm sich vor, in Zukunft mehr auf die Mädchen zu achten.
In den letzten paar Tagen hatte Florian sich eine CD mit Irish Folk gekauft. Die ließ er jetzt laufen, aus Trotz, um seine eigene Stimmung in das Geschehen in der Küche einzubringen. Annemarie wummerte halb unbewußt mit den Fersen auf dem Fußboden mit.
Sie lachte jetzt und war schon glücklich, ihr Ölsardinenbrot mit zwei Händen verschlingen zu können: Sie lebte!
Norbert, den sie mit immer noch leuchtenden Augen anstrahlte, mampfte bloß in sich drein und kaute lustlos. Das freute Florian diebisch.
Es wehte ein frischer Wind von Irish Folk durch die Wohnung. Das hatte er von Annemarie gelernt. Die mochte er gern leiden. Die war seine Freundin.
Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt: Es wird keine lustige Geschichte.
Ganz besonders traurig wird sie dadurch, daß kleine Jungen ganz besonders traurig sein können, weil sie noch nicht viel eingesteckt haben. Sie müssen sich erst daran gewöhnen, daß das Leben unfair ist, und lernen, tapfer zu lächeln, "Jetzt erst recht" zu sagen, Hauptsache, daß sie noch den Kopf auf den Schultern behalten haben.
Vielleicht tröstet es dich, daß Florian sich über seine Traurigkeit und Verwirrung mit ein paar Irish Folk-CDs hinweghelfen konnte. Solche komplizierten Lieder mit wilden Harmonien, die in moll anfangen und in Dur aufhören. Oder andersrum.
Irish Folk Part Two
Schwimmbad