organism.gif (196079 bytes)

 

indes.gif (66919 bytes)

nolte.gif (2454 bytes)mail.gif (6212 bytes)

Presse....

Fotos

zurück zu
organism.gif (196079 bytes)

 

Auf dem Index:

Abendland
Ahnung
Ethik
Jazz

Les Indes
Künstler
Marschmusik
Organism
Sans Soleil
Tapeten
Worte
Zen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier der vollständige Geleittext zu It's Real Nice To Talk To You. Leider konnte ich aus Platzgründen nicht den gesamten Text im Begleitheft des Album abdrucken - ich bitte um Verständnis.

 

MOTTO ::::

Dies Album gibt dir endlich das Recht, deinen eigenen Film zu haben. Das Filmmaterial jedenfalls hast du, du mußt nur den Mut haben, es zu organisieren. Dies ist eine günstige Gelegenheit.


Worte 

Schreiben? Ja, schreiben! Über Musik? Um Himmels willen nicht über Musik.

Wie war das noch gleich: Ein Konzertbericht, das ist ungefähr so erbaulich wie ein erzähltes Mittagessen — hat österreichische Dramatiker Franz Grillparzer herum gesagt.

Trotzdem: Worte sollten sein. Allerdings nicht über sondern zur Musik. Anmerkungen. Sinniges. Klärendes. Verunklärendes. Ich mag diese Plattencover, diese CD-Booklets ganz gern. Überhaupt habe ich ganz gerne etwas in der Hand, weil in meinen Händen eine ruhelose Beschäftigungssucht ist. Wenn ich mit dem Bus unterwegs bin — wie im Moment —, sehe ich mir gern auf der Karte die Route an, versuche die Orte, durch die wir gerade fahren dort wiederzufinden. Das erinnert mich an Zuhause, wenn ich auf dem Sofa sitze, Musik höre, im Booklet blättere und vor mich hin sinniere.

Booklets sind okay, sie sind sogar sehr okay. Aber da gibt’s Leute, die behaupten Booklets seien sowas wie Musikvideos, gar eine Art Vorläufer dafür. Das ist natürlich Quatsch! Selbst ein bebildertes Buch hat nichts mit einem Video gemeinsam. Film ist ein Medium für die träge Phantasie, und vielleicht ist es überhaupt so, daß das Medium Film die imaginative Tätigkeit des Gehirns erst träge macht (und bei Dauerberieselung auch zum Absterben bringt?)
 


Organism:

Spezialisierte Zellen, die sich sagen: Gemeinsam sind wir stark. Dinge, die zueinander passen. Die Idee zu Organism ist bei ism geboren. Das wundert niemanden. Schließlich ist auch ism mit allem vernetzt, vernetzbar. Organism ist das Natürliche, das es auch im Universum des Künstl(eris)chen gibt.


 

Les Indes

Les Indes ist der alte französische Name für Indien. Sich des Plurals bedienend begriffen die Franzosen Indien offensichtlich nicht als ein Land, sondern als viele Länder. Wie vernünftig! Später leider haben sich die Franzosen berichtigt und Indien sprachlich zu einem gemacht: l'Inde heißt es nun. Die Poesie ist dahin. Einst war dieser Subkontinent gleichbedeutend mit den aromatischen Gewürzen, die dorther kamen und in Europa mit Gold aufgewogen wurden. Diese Zeiten sind lange vorbei, und heute gilt Indien wohl eher als ein Land, in dem gerade erst einmal in jedem Dorf ein Fernseher steht. 
 
 


Keine Ahnung

Ich sollte mich nicht so sehr über Dinge oder Themen verbreiten, von denen ich keine Ahnung habe, wie zum Beispiel "Geschichte". Johannes — die ganze Zeit träumend — ist von meinem Gemurmel plötzlich wach geworden und nickt: "Ja, von Geschichte hast du überhaupt keine Ahnung! Aber vielleicht solltest du einfach eine Geschichte," er zögert einen Moment und massiert sich nachdenklich mit Fingern und Daumen die Stirn: "einfach irgendeine Geschichte erzählen. Vielleicht wird das lustig!"

Also gut: Les Indes heißt auch das Studio. Überall stehen Schälchen mit scharfen indischen Knabbermischungen. Doch der entscheidende Punkt dafür, das Studio Les Indes zu nennen: Hier bekommt das Schicksal noch eine echte Chance, sich in kleinen Katastrophen zu zeigen. Kabel liegen brummig auf dem Boden, Staubflocken vernebeln einem die Sicht, legen sich werteverschleiernd auf Skalen und sorgen für das gewisse knisternde Etwas (Was ist es nur: Es ist nicht Vinyl und auch nicht static?), dem unnachahmlichen Sound von Les Indes. Das Studio ist so klein und so hoch über der Stadt, mit so großen Fensterflächen ausgestattet, daß es klimatisch durchaus mit dem Tropenhaus des Botanischen Gartens mithalten kann. Oft sieht man uns mit einer Tasse Gewürztee in der Hand am Fenster stehen, rätselnd, welches Instrument mit welchem Kanal verbunden ist. Neunzehnzollracks sucht man hier vergeblich. Wie es sich für Indien gehört, steht alles in Holzregalen übereinander getürmt. Und alljährlich wird hier feierlich der 10. April, der Geburtstag Samuel Hahnemanns, begangen.

Das Ganze ist wie eine Handvoll Gewürze. Und gar nicht so leicht zu handhaben. Ich meine: Was willst du essen? Darauf kommt es letztendlich doch an. Huhn? Gemüse? Salat? Hülsenfrüchte? Pilze? Fleisch? Fisch? Und dann: Scharf? Sauer? Salzig? Mild? Süß? Erzähl mir bloß nix vom Eigengeschmack.


Jazz und die Ethnik des Abendlandes

Den Jazz habe ich immer geliebt: Be Bop, Cool, Free Jazz. Ich fand's toll wie Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Konsorten A Night In Tunesia anfingen. So schön arabisch. Es gab in dieser Zeit noch viele Beispiele dieser Art, fremde Musik, neuartige Klänge und Rhythmen dem Jazz zuzuführen. Leider nur beließen es die Jungs bei einleitenden acht Takten oder so und gingen dann — so als wenn gar nichts gewesen wäre — zum gewohnten (Jazz-)Stil über: Wie langweilig! Die Harmonielehre der abendländischen Musik hatten sie gefressen und in den Jazz integriert, aber die außereuroamerikanischen Einflüsse blieben mehr so eine Art Faschingsmaskerade: Man pappte sich exotische Nasen ins Gesicht und machte schwer einen auf Weltmusik.

Heute fällt es uns leicht, es anders zu machen: Man muß sich nur ein bißchen zurücklehnen und träumen, dann fügen sich die einzelnen Teile wie von selbst zusammen. [Da fragt man sich unwillkürlich: Gibt es tatsächlich dieses höhere Wesen, den großen unsichtbaren Regisseur, den kosmischen Dirigenten, der vom Orchestergraben weit draußen hinter dem Pferdekopfnebel unsere Geschicke lenkt?] Balinesische Gongs verbinden sich ganz natürlich mit westlichen Synthi-Sounds, und langsam, langsam entwickeln die Zitate ganz von selbst eigentümliche Melodien — man muß sich nur ins Gras legen und zuhören, wie sich das entwickelt.

Natürlich haben wir gut reden. Das Ethnische kann uns Abendländern gar keinen Schaden mehr zufügen. Wir sitzen fest im Sattel. Wir können es uns mittlerweile sogar erlauben im Fremden eigenständige Kultur zu entdecken — nach dem Motto: schon wieder was, was da vor sich hin gemodert hat, bis wir kamen, ums wertzuschätzen und zu konservieren.

Na, dann ist’s ja gut! Wir sitzen in dem großen Hippie-Bus und fahren. Johannes lacht und Brigitte ist ganz aus dem Häuschen: The Dream. Und uns beschäftigt nur die eine Frage: Was wäre, wenn Elefanten schreiben könnten?
 


Sans Soleil

Am Anfang war sowieso alles ein Traum. Dschunken, die auf ein nebliges Ufer zuschwanken... Es ist nicht immer schön wach zu werden. Es gibt Träume, aus denen man sich nur ungern reißen läßt, und schon gar nicht von solchen Statements wie dem von Bym: "Rockdrums!". Seine kurze Rede begleitet er mit einer eindeutigen Schlagzeugerpantomime. "Na ja", sage ich. "Doch, doch!" sagt er, das Haupt diesmal wild geschüttelt und nicht gerührt.

Sunless9.jpg (1152 bytes)

Ich stelle mir unter Rockmusik was anderes vor als Bym. Rockmusik hat einen anderen Groove, und sie ist rhythmisch auch nicht so straight wie The Dream II. Ich weiß gar nicht, in welches Tonträgerregal ich‘s stellen würde. Das einzige, was ich dazu angeben kann, ist, woran ich gedacht habe, als ich mir im Studio die Nächte um die Ohren geschlagen habe und dran gefeilt habe und immer wieder, Mikrometer um Mikrometer an den Potis des Moog Prodigy gedreht habe, um den Baß noch ein bißchen mehr Richtung Himmelreich zu schrauben: Immer wieder kommt dabei natürlich die Erinnerung an die Musik aus dem besten Film aller Zeiten ins Gedächtnis, der einer der Gründe war, mich mit Synthesizern zu beschäftigen: Sans Soleil (englischer Titel: Sunless), ein Filmessay von Chris Marker über Japan. Das ist der einzige Film, der mich auch beim zweiten Sehen in der Glotze noch so begeistert hat, daß ich — völlig in seiner unprätentiösen Poesie versunken — die Zeit vergessen habe. Den "electronic sound" (wie es damals hieß) zum Film machten übrigens Michel Krasna und Isao Tomita. Analogsequenzer, Analogsynthesizer Moog Source und EMS VCS 3. Das war 1982.
 


Zen
Wenngleich es auch nicht unwichtig ist, wodurch sich jemand inspiriert fühlt, Appetithäppchen bleibt Appetithäppchen, es mutiert nicht zum Hauptgericht. Anders gesagt: Vor vielen, vielen Jahren schmückte sich beinahe jede hippe Rede mit dem Buchtitel Zen oder die Kunst des Bogenschießens. Die Zeigefinger der vom fernöstlichen Geist angefixten Lehrer zeigten auf dich Dummbeutel, der du’s Prinzip noch nicht kapiert hattest: "Der Weg ist das Ziel, Mann!" Erläuternd: "Und wenn du schon ins Schwarze treffen willst, dann ziel gefälligst ein Stück weiter nach oben!" Alles andere wäre nicht nur unhöflich, es würde auch jegliche physikalische Erkenntnis über die ballistische Flugbahn des Bogens ignorieren. Ja, und was sagt uns das?

"Can", schreit Nick, mein Freund und streitlustiger Mitmusiker aus alten Tagen, mit der Statur von Karl Valentin. Er fuchtelt mit dem rechten Arm, der schließlich (lang genug geschüttelt) seine rechte Hand zum Fuchteln bringt, Richtung Musik: "Deine Stücke.... also mich erinnert das Ganze an Can" Als dieses Gespräch stattfindet, haben wir weder geraucht, noch — das wird niemand wundern — eine von den bunten "E"s eingeworfen, nein, die Droge, die an diesem Abend Nicks Handgelenke und unser aller Zungen lockert ist der Zweigelt. Rot, samtig und trocken gurgelt der diskutierfreundliche Österreicher die Kehlen hinunter.
 


Marschmusik

Koinzidenz: Ein paar Tage später sehe ich eine Tatort-Wiederholung im Fernsehen. Der WDR hatte damals — vor gut 20 Jahren — ein bißchen Geld springen lassen und den amerikanischen Actionregisseur Sam Fuller eine Folge der Krimireihe drehen lassen. Das Ergebnis ist gar nicht einmal schlecht, vor allem die Musik gefällt mir. Schon so Rockmusik, aber ohne das damals übliche Gefichtel auf halbverzerrten Fendergitarren: Can.

Natürlich hat Can (Rock-)Musik mit (Stil-)Mitteln der Zeit gemacht — aber wenn man die Musik heute hört, dann merkt man deutlich, daß man diese Band nie mit dem Mainstream von damals zur Deckung bringen könnte. Militärisch ausgedrückt: Die Kölner sind nicht im Gleichschritt mit den anderen marschiert und deswegen sagen sie auch mehr über sich aus als über die modischen Vorlieben ihrer Ära. Das reduziert ihre Austauschbarkeit — damals wie heute — erheblich und schmälert (schlecht fürs Konto in der Schweiz) ihre Vermarktbarkeit. Andererseits macht gerade das Can so einmalig.

Ich habe Paul nicht gefragt, aber ich möchte wetten, er sieht es genauso.


Tapeten

André ist einer jener für die Musikszene unverzichtbaren "Experten" (nicht die, die sich in Quizsendungen für Geld löchern lassen). Er ist Musiker mit ganzem Herzen und hat von jeher die Wände seines Zimmers mit Plattenregalen unsichtbar gemacht— kein Mensch könnte sagen, welches die Farbe seiner Tapete ist. Vielleicht hat er auch gar keine Tapete? Heute macht er im Südwesten Radio. Er pflegt zu sagen: "Es gäbe überhaupt keinen Grund für mich Musik zu machen, wenn es die Musik schon gäbe, die ich mache." Stimmt!

Bei der Arbeit an At Night — besonders bei der Baßlinie — dachte ich an Papa Was A Rolling Stone: Das Entspannte, der langsame Groove, die wenigen, aber genau richtigen, weil notwendigen und unverzichtbaren Töne. "An etwas denken" ist aber nicht gleichbedeutend mit "etwas nachmachen".


Künstler

Es gibt Konzeptartisten, bei denen der Plan, die Idee das Wichtigste ist, es gibt Imitatoren, die um jeden Preis dabei sein und abkassieren wollen, es gibt betroffene Künstler mit der Message ("Damit die Welt das erfährt!") und es gibt da auch so Typen wie mich, Leute, deren Leidenschaft das Experimentieren ist, die immer mit einem Bein aus der Bahn geworfen sind. Das Spannende für mich ist, zuzuschauen, was dabei herauskommt, wenn ich dies und das tue. Was kann man sich mehr wünschen als Selbsterfahrung?

1