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CD-Kritiken

März 1999

Hans Zimmer / The Thin Red Line (CD)

Eine Kompanie amerikanischer Soldaten durchstreift die geheimnisvolle Phantasiewelt einer tropischen Pazifikinsel, bei jedem Schritt in Erwartung feindlichen Kugelfeuers. Dazu hört man ein 20-köpfiges Orchester, das eine elegisch-schöne Melodie mit pulsierenden Streichern, warmen Celli und einer gefühlvollen Klarinette spielt.
Die Musik bleibt auch dann ruhig, fast meditativ, als plötzlich eine infernalisch-brutale Schlacht beginnt. Explosionen, Blut, überall tote und sterbende Körper. Kontrastiert wird diese eruptive Gewalt nicht nur durch die verstörend aufreizende Musik sondern auch durch provokant gegengeblendete Bilder eines verlorenen Tropenparadieses. Dazu hört man eine getragene kontemplative Narration, die sich als Gedanken eines der Soldaten auf der Suche nach dem Sinn des Lebens entpuppt.
Die langsam-schleppende Lyrik setzt der Musik eine kontrapunktische Struktur entgegen. Es entsteht eine surreale Melange aus hyperrealistischen Kriegsbildern, wunderschönen Landschaftaufnahmen, weicher Rückblenden, philosophischer Kontemplationen und leidenschaftlicher, transzendierender Musik. Dies ist der "schmale Grat" aus Wahnsinn und Phantasie der das dreistündige Epos wie eine rote Linie durchzieht.
Während der Film in Terrence Malick einen genialen, zur lebenden Legende entrückten Bildmagier zum Regisseur hat, hat er in dem mehrfachen Oscarpreisträger Hans Zimmer einen Komponisten, der die komplette Bandbreite der vertrackten psychologischen Impressionen zu einem Feuerwerk audiovisueller Klang- und Bildphantasien zu verdichten versteht. Die Musik hat die Wirkung eines Zauberstabes, mit dem alle Dinge berührt und in eine metaphysische Zwischenwelt entrückt werden.
Neben den rund zehnminütigen orchestralen Klangflächen kommen auch Malanaische Chorgesänge zum Einsatz, die extra für den Film in der Südsee aufgezeichnet wurden (so die traditionelle Hymne "Christian Race" in "The Coral Atoll" und "Light"). Die komponierte Musik zieht alle Orchestrierungsregister. Neben Violinen und Celli erklingen etwa Harfen, Skakahatchi-Flöten, Oboen, Querflöten sowie tibetanische Trommeln und Glocken.
Daneben werden Stücke des französischen Komponisten Gabriel Urbain Fauré (1854-1924) und des estnischen Komponisten Arvo Pärt (*1935) eingebracht. Sowohl der romantische, an Wagner und Camille Saint-Saëns orientierte Fauré als auch der an minimalistischen, polyphonischen und kontrapunktischen Techniken geschulte Pärt werden durch diese Zitate quasi zum Spiritus rector der Kompositionen Zimmers erhoben.
Leider wird die dreistündige Reise durch die Zimmerschen Klangwelten bei der vorliegenden CD-Version auf eine knapp einstündigen Kompilation des Scores zusammengeschmolzen. Außerdem finden sich nur die Orchesterversionen, wobei das gesprochene Wort auf der Strecke bleibt. Angesichts der engen Verbindung von Lyrik und Musik eine problematische Entscheidung. Es wäre sehr zu wünschen, daß sich BMG und RCAVICTOR entschließen noch eine zweite CD auf den Markt zu bringen, die auch die übrigen Kompositionen und einige der Narrationen enthält.
Alles in allem sind der Film und untrennbar verbunden die Musik ein Wurf, wie er nur selten gelingt: Eine vorwärtsdrängende, in Metaphern schwelgende Handlung, wird mit hypnotische Traum- und Tierbilder verflochten und durch eine halluzinierende Untergangsmusik umrahmt. Angesichts einer solchen Ausnahmeleistung sind die mehrfachen Oscarnominierungen mehr als verdient. Der Soundtrack ist für jeden Freund differenziert-komplexer und gefühlvoller Klangwelten ein unbedingtes Muß. (Gabriel Seiberth)

Weitere Rezensionen vom Januar 1999



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Zuletzt aktualisiert am 24.März 1999


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