Teil
3 (Chronologie)
3.Kapitel
- Die Geschichte des revolutionären 1.Mai in Berlin
(Ergänzungen
und Korrekturen willkommen!) [Anmerkung der LÖPA: unsere Ergänzungen
sind kursiv eingefügt, 2001 und später ist komplett von uns
und nicht kursiv gekennzeichnet.]
1987
- Vorher
Demo
Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1988 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1989 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1990 - Vorher
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1991 - Vorher
Demo Fest
Randale Nazis
Bilanz Skandale
Nachher
1992 - Vorher
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1993 - Vorher
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1994 - Vorher
Demo
Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1995 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1996 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1997 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1998 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
1999 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
2000 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
2001 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
2002 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
2003 - Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
2004
- Vorher Walpurgisnacht
Demo Fest Randale
Nazis Bilanz
Skandale Nachher
Abkürzungen Anmerkungen
zum Zahlenmaterial !
1.Mai
1987
Vorher: Verschärfung des innerstädtischen
Klimas durch CDU-Regierung; "750-Jahr-Feier" in Berlin; Volkszählung
steht bevor, morgens Durchsuchung im Mehringhof deswegen.
Demo: DGB-Kundgebung am Vormittag.
Fest: Wie seit Jahren üblich am Lausitzer
Platz, getragen von v.a. linken Gruppen, breites Spektrum von Radikalen
bis Reformern.
Randale: Am Nachmittag am Rande des Festes
erste militante Aktionen (Polizei-Bulli umgestürzt, später erste
kleine Barrikaden und Festnahmen). Für viele Leute war klar, dass
es an diesem Abend im Kiez knallen würde. Die Heftigkeit überraschte
dann aber alle, am meisten die Bullen, die am späten Nachmittag das
Straßenfest mit Tränengaseinsatz abräumen wollten. Nach
einigen Stunden des Straßenkampfes zog sich die Polizei gegen elf
Uhr nachts aus dem Kiez rund um die Skalitzer Straße zurück.
Es wurden über 30 Geschäfte geplündert, darunter auch der
seitdem berühmte Bolle-Supermarkt an der Wiener Str., der danach
ausbrannte (und auch 13 Jahre später noch als Ruine dasteht!). Die
Tat wurde später aber von einem Serienbrandstifter gestanden, der
nur die Gunst der Stunde nutzte. Überall brannte es: Autos, Baufahrzeuge,
Barrikaden, Hauwagen, Müllcontainer, ein Feuerwehrfahrzeug, der U-Bahnhof
Görlitzer Bahnhof; unzählige Scheiben gingen zu Bruch. Hunderte
trommelten stundenlang auf den Stahlstreben der Hochbahn und auf allem,
was Lärm machte. Gegen drei Uhr morgens rückten starke Polizeikräfte
mit Wasserwerfern, Panzerwagen und schwerem Räumgerät in den
Kiez ein. Es war der erste echte "riot", den Berlin erlebte.
Nazis: Nix.
Bilanz: 400 Polizisten im Einsatz. 47 Festnahmen.
Über 100 Verletzte. Schäden in "Millionenhöhe".
Skandale: Die ganze Nacht an sich.
Nachher: Innensenator Kewenig entdeckte
die "Anti-Berliner" als Urheber der Krawalle, die sich in "brutaler Gewalt
zusammengerottet haben, um zu stören und zu zerstören". Als
staatliche Antwort darauf wurde die Sondereinheit für "einsatzbezogene
Lagen und Training" (EbLT) gebildet, eine gut ausgerüstete Schlägertruppe,
die erstmals das inzwischen längst typische Einsatzbild der Berliner
Anti-Riot-Polizei erprobte: Schutzkleidung statt Schutzschilder, schnelle
und bewegliche Einheiten, dazu ein Zug mit Wasserwerfer und Panzerwagen.
Ihr offizielles Ziel: "beweissichere Festnahmen"; in der Realität
vor allem brutale Prügelorgien.
Liberale Linke und Medien beklagten die Gewalt und wiesen auf soziale
Ursachen hin. In der Folgezeit war viel die Rede von der "Zwei-Drittel-Gesellschaft",
von den "sozial Schwachen", die aufbegehren. Es wurde (folgenlos) über
Konzepte geredet, den 36er-Kiez zu stabilisieren. In autonomen Kreisen
herrschte eine Mischung aus Euphorie und Erschrecken. Der Geist, der da
aus der Flasche gelassen worden war, war manchen nicht ganz geheuer. Obwohl
doch sehr viele begeistert waren von der wilden Nacht, wurden auch Exzesse
beklagt: Alkoholmissbrauch, sexistische Anmache, Plünderung kleiner
Geschäfte, unkontrollierte Gewalt... Es gab zahlreiche Versuche,
nachträglich den Riot nach außen auch politisch zu vermitteln.
1.Mai
1988
Vorher: Mobilisierungsphase zum IWF-Kongress
im Herbst 1988. Innensenator Kewenig stößt Drohungen aus (autonome
Szene bis zum Herbst abräumen... Vorgehen "mit Rigorosität und
Härte"). Prügeltruppe "EbLT" aufgestellt, erstmals massiver
Einsatz von Panzerwagen. Schon Tage vor dem 1.Mai starke Polizeipräsenz
im 36er-Kiez, die Stadtreinigung räumt Barrikadenmaterial weg. Alle
reden vom Krawall und von 1987: Neuauflage? Bullenrache?
Walpurgisnacht: Abends kleinere
Auseinandersetzungen am Heinrichplatz.
Demo: Mittags am Oranienplatz erstmals die
revolutionäre 1.Mai-Demo durch Kreuzberg und Neukölln, 6000-8000
Menschen. Die Demo verlief friedlich, die Polizei hielt sich zurück.
Die Größe der Demo überraschte alle, und die erfolgreiche
Mobilisierung außerhalb einer "Bewegungszeit" wurde als Triumph
angesehen.
Fest: Bei sonnigem Mai-Wetter am Lausitzer
Platz. Das Fest endete friedlich, bevor die Randale anfing.
Randale: "Traditionell" begann die Randale
mit der Plünderung von Getränke-Hoffmann Manteuffelstr./Ecke
Waldemarstr. Es waren etwa 300-400 Leute beteiligt, darunter viele Jugendliche
und Auswärtige. Die Polizei kontrollierte die Lage weitgehend und
nahm die erwartete Rache für 1987. Es wurde wild mit Tränengas
herumgeballert, Panzerwagen und Wasserwerfer fegten brennende Müllhaufen
beiseite. Mindestens 2 Kneipen wurden gestürmt. Vor allem die EbLT-Einheit
zeichnete sich erwartungsgemäß durch brutalen Einsatz aus,
Festgenommene wurden in den Wannen verprügelt.
Nazis: Nix.
Bilanz: 1500 Polizisten im Einsatz, 53 verletzt
(vor allem EbLT-Bullen). Viele Zivilpolizisten im Einsatz. 134 Festnahmen,
davon 75 wegen Straftaten; 24 Haftbefehle, 18 Haftverschonungen, 6 Leute
in U-Haft (u.a. ein "taz"-Mitarbeiter). Mindestens 50 Verletzte, eine
Person mit Schädelbasisbruch, zwei Schwerverletzte vorübergehend
auf der Intensivstation.
Skandale: Drei leitende Polizeiführer,
darunter Polizeidirektor Manthey, Chef der "geschlossenen Einheiten" der
Berliner Polizei, beobachteten den Einsatz vom Rande und wurden von Bullen
verprügelt (Prellungen, Blutergüsse).
Nachher: Allenthalben wurde das Randale-Ritual
beklagt und festgestellt, dass nicht autonome Gruppen, sondern Kids, Betrunkene
und Touristen die Randale bestimmten und entsprechend von den Bullen niedergemacht
worden seien.
1.Mai
1989
Vorher: Seit Februar erste rot-grüne
Regierung in Berlin, aber auch Wahlerfolg für rechtsextreme "Republikaner".
Widerstände im Apparat gegen SPD-Innenpolitik und Innensenator Pätzold.
Hungerstreik der RAF-Gefangenen. Zwei Leute in Berlin wegen Amazonen-Anschlägen
im Knast.
Die rot-grüne Regierung hoffte, durch politische und polizeiliche
Zurückhaltung den 1.Mai entschärfen zu können. Die Sondereinheit
EbLT war ebenso aufgelöst worden wie die politische Abteilung der
Staatsanwaltschaft. Die alternative Szene um die Grünen (damals noch
"Alternative Liste") setzte darauf, Krawalle kämen aus Unmut und
Opposition gegen bürgerliche Parteien zustande und seien darum mit
dem Eintritt der AL in die Regierung überflüssig geworden. Demgegenüber
waren viele Linksradikale nun gerade motiviert, ihre grundsätzliche
Ablehnung auch eines rot-grün verwalteten Staatsapparates zu beweisen.
Walpurgisnacht: Abends Besetzung
der Oranienstr.192, Plünderung bei Penny-Supermarkt Naunynstr. und
Getränke-Hoffmann Manteuffelstr., Steine und Wasserwerfer-Einsatz.
16 Festnahmen. Die Polizei erklärte, das besetzte Haus vorerst nicht
zu räumen.
Demo: Vormittags versammelte der DGB angeblich
50.000 Menschen (die veröffentlichte Teilnehmerzahl der DGB-Demo
ist traditionell maßlos übertrieben).
Die revolutionäre 1.Mai-Demo wurde von rund 20-30 Leuten aus der
älteren autonomen und antiimperialistischen Szene vorbereitet. Die
Vorbereitung verlief im wesentlichen nichtöffentlich. Die Vorbereitungsgruppe
fühlte sich tendenziell überfordert. An der Demo durch Kreuzberg
und Neukölln nahmen rund 10.000 Menschen teil. Die Polizei hielt
sich anfangs völlig zurück. In Neukölln kam es aus der
Demo heraus zu immer heftigeren Aktionen, Sex-Shops wurden demoliert,
der Penny-Supermarkt Reuterstr. geplündert, ein Müllcontainer
angezündet, schließlich das Woolworth-Kaufhaus Hermannstr.
geplündert und anzuzünden versucht. Viele Menschen verließen
deshalb die Demo aus Angst vor der eskalierenden Gewalt oder aus Angst
vor dem zu erwartenden Eingriff der Bullen. Diese beschränkten sich
aber auf ein massives Spalier auf dem letzten Teilstück der Demo.
Die Demo-Leitung bemühte sich, über Lautsprecher einen geordneten
und geschlossenen Verlauf zu gewährleisten und selbstgefährdende
Aktionen zu unterbinden. Der Abstrom nach der Demo über den Kottbusser
Damm war wiederum von zahlreichen eingeschmissenen Schaufensterscheiben
begleitet.
Fest: Am Lausitzer Platz, organisiert vor
allem von Linksradikalen, aber auch von linken AL- und Gewerkschaftsleuten.
Randale: Am späten Nachmittag kamen
viele hundert Menschen von der Demo zum Fest, und rasch sammelten sich
immer mehr Leute am Rande des Festes und begannen, die Bullen mit Steinen
zu bewerfen. Wieder einmal wurde Getränke-Hoffmann Manteuffelstr.
aufgemacht. Anfangs hielt sich die Polizei noch zurück ("Achtung,
Achtung, hier spricht die Polizei! Bitte beenden Sie das Werfen mit Steinen
auf die Polizeibeamten!"). Nach etwa einer Stunde räumten die Bullen
dann mit massivem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfer den Fest-Platz
und die Randale begannen. Die Tankstelle Ecke Görlitzer Str. wurde
geplündert, einige versuchten, dort Benzin abzuzapfen, andere wollten
sie anzünden. Die Zahl derer, die sich an der Randale beteiligten,
stieg bis auf rund 1500 Menschen an, was alle überraschte. Zeitweise
waren große Bulleneinheiten eingeschlossen und warfen in ihrer Not
selbst mit Steinen (nach eigener Aussage hätten sie ansonsten nur
noch schießen können). Ein Wasserwerfer wurde mit Motorschaden
bereits aufgegeben, konnte aber nicht erobert werden. Viele Gullydeckel
wurden aufgestellt als Wannen-Falle. Die Gewalt richtete sich kaum gegen
Geschäfte, sondern vor allem gegen die Bullen direkt, denen auch
die vergangenen zwei Jahre Terror (durch EbLT und andere) heimgezahlt
wurden. Bis etwa Mitternacht ging die Randale. Sie war neben der Schlacht
um die Mainzer Straße im November 1990 die heftigste Auseinandersetzung
in Berlin nach dem Krieg.
Nazis: Nix (?).
Bilanz: ca. 1600 Polizisten im Einsatz,
346 davon verletzt. 154 beschädigte Polizei-Fahrzeuge (Schaden: 530.000,-).
20 Festnahmen, 5 Haftbefehle, 2 Haftverschonungen, 3 Leute in U-Haft.
1,5 Millionen DM Schaden. 95 Pkw beschädigt, davon 30 ausgebrannt.
12 Geschäfte geplündert, Glasbruch bei 58 Läden, 15 Sex-Shops
und Spielsalons, 6 Banken, etlichen Wohnungen, Büros und Lokalen.
Skandale: Die Äußerungen aus
dem alternativen Klientel in den Tagen nach dem 1.Mai waren von Hysterie
und Aggressivität gezeichnet. So wurde z.B. behauptet, Autonome hätten
Tränengas auf das Fest geworfen und eine antifaschistische Ausstellung
in einem Bus der Geschichtswerkstatt angezündet. Immer wieder wurde
fälschlich unterstellt, eine Explosion der Tankstelle mit vielen
Toten sei nur durch Glück vermieden worden durch die Rückschlag-Sicherungsventile
und die Bauweise der Zapfanlage ist eine Explosion der Tanks bei Zündelei
an den oberirdischen Aufbauten aber unmöglich. Im Bestreben, alle
links zu überholen, verrannte sich hingegen der Ex-Grüne T.
Ebermann in der "konkret" zu der absurden Behauptung, Demo-Leitung und
Fest-OrganisatorInnen (die er fälschlich in eins setzte) hätten
mit den Bullen kooperiert.
Der eigentliche Skandal fand innerhalb der Sicherheitsbehörden statt:
Durch Indiskretion wurde später bekannt, dass vor allem der Republikaner-nahe
Polizei-Führer Ernst an diesem Tag bewusst schlampig arbeitete und
Bullen verheizte, um den verhassten SPD-Innensenator Pätzold und
seine "Deeskalation" abzuschießen.
Nachher: Die "BZ" titelte am Tag danach:
"Beirut? Nein, das ist Berlin!" Die Diskussion war heftig und explosiv,
mit dem Unterschied zu 1987, dass linksliberale Kreise diesmal auf der
anderen Seite standen und anstatt ihren politischen Nutzen aus dem Krawall
zu ziehen im Gegenteil ihre Staatsloyalität mit allen Mitteln unter
Beweis stellen wollten. Am 8.Mai 1989 fand in einer Kirchengemeinde ein
"Kiez-Palaver" zu dem Krawall statt, wo unter anderem bekannte rot-grüne
Lokalpolitiker (Strieder, Härtig, Köppl) auftraten. 200 Menschen
diskutierten da sehr kontrovers und ohne Annäherung vor laufenden
Kameras.
Am 10.05.89 initiierte die Gewerkschaft der Polizei eine Bullen-Demo gegen
Innensenator Pätzolds Deeskalation und die Randale. Am selben Tag
fand im Mehringhof eine autonome Vollversammlung statt, wegen des großen
Andrangs unter freiem Himmel im Hof. Auch hier wurde sehr kontrovers diskutiert;
manchen machte der Bruch zu den liberaleren Linken Angst, andere stellten
den Sinn des Krawalls oder von Gewalt an sich in Frage. Es wurde diskutiert,
inwieweit ein solcher Riot überhaupt noch steuerbar und/oder politisch
einsetzbar sei; ob es am Ende vor allem sich austobende Männergewalt
sei... Kritisiert wurde auch, dass durch die Randale das Straßenfest
gesprengt wurde.
Das Klima in der Stadt war nach dem 1.Mai sehr angespannt, den Linksradikalen
wehte der Wind ins Gesicht wie lange nicht. Es gab Aufrufe von "Kiezbewohnern",
demnächst gewaltsam gegen Barrikadenbau einzuschreiten, und ein "Kreuzberger
Manifest" aus dem AL-Spektrum, in dem die radikalen Linken beschuldigt
wurden, den Kiez zu zerstören. Wieder war überall viel die Rede
vom sinnentleerten Krawall der Kids und Betrunkenen und Angereisten.
1.Mai
1990
Vorher: Die politische Großwetterlage
war bestimmt vom Zusammenbruch der DDR und der Ratlosigkeit der Linken
angesichts der nationalistischen Mobilisierung in Deutschland. Außerdem
lastete der 1.Mai 1989 als Hypothek auf jeder Vorbereitung. Es war klar,
dass diesmal keine polizeiliche "Deeskalation" zu erwarten war von der
rot-grünen Regierung. Die "taz" tat sich besonders hervor durch eine
wütende Hetzkampagne im Vorfeld, die ihren Höhepunkt in der
Ausgabe vom 30. April erreichte: Die Linksradikalen wurden wahlweise und
wortreich als Mafia, Grünanlagenzerstörer, Wohlstandslinke,
Lügner, potentielle Mörder und Totschläger, Antisemiten,
Nazis, Muttersöhnchen, Kiezzerstörer diffamiert in "Artikeln",
die sich nicht einmal mehr den Deckmantel journalistischer Berichterstattung
umzuhängen versuchten. Selbst die AL war der "taz" zu links und wurde
beschuldigt, für den Krawall und möglicherweise auch Tote mitverantwortlich
zu sein, da sie das geplante und "vernünftigerweise" verbotene Fest
auf dem Gelände des Görlitzer Parks unterstützte. Das Fest
sei im übrigen nichts als eine Tarnbezeichnung für geplante
Randale (Den Amoklauf vom 30. April inszenierten Max Thomas Mehr, Brigitte
Fehrle und die Pseudonyme "Martin Dittkamp" und "Valerie Dupont").
Für die radikalen Linken war klar, dass der diesjährige revolutionäre
1.Mai sehr gründlich vorbereitet werden musste. Es wurde eine enge
Zusammenarbeit zwischen Demovorbereitung und Fest angestrebt, zudem wurden
politische Aktionstage Ende April organisiert (die aber nur wenig Resonanz
fanden).
Demo: Die Vorbereitung begann diesmal, anders
als 88/89, bereits Mitte Januar. Die Protokolle sowie ergänzende
Texte zu den Themen Militanz und Durchführung der Demo wurden ab
Anfang März in der Interim abgedruckt. Es gab anfangs einen neuen
Vorbereitungskreis unabhängig von den Vorbereitungsgruppen der Jahre
davor. Die Vorbereitungsgruppe war offenbar weniger von kommunistischen
und mehr von undogmatisch-autonomen Kreisen als 1989 bestimmt. Außerdem
war bis Mitte April eine türkisch-kurdische ML-Gruppe beteiligt,
verließ das Plenum jedoch, da es zum Thema Stalinismus keine Einigung
gab. Anfang April wurde der Vorschlag für den gemeinsamen Aufruf
veröffentlicht. Das Motto der Demo war, passend zur bevorstehenden
"Vereinigung" Deutschlands: Lieber raus auf die Straße als heim
ins Reich!
Die Polizei war bereits bei den Vorkontrollen zur Demo sehr massiv um
den Oranienplatz präsent. Als eine Gruppe versuchte, die Vorkontrollen
gewaltsam zu durchbrechen, zogen zwei Bullen ihre Pistolen. Es gab im
Vorfeld 38 ASOG-Festnahmen. An der Demo nahmen rund 12.000 Menschen teil
(die Polizei zählte 8000-10.000, die VeranstalterInnen 15.000), darunter
auch einige hundert Menschen aus Ost-Berlin, wo zuvor eine unabhängige
Ost-Demo von ca.2000 Leuten gemacht worden war. Trotz engem Polizeispalier,
starken Polizeikräften in Seitenstraßen und einzelnen Steinwürfen
verlief die Demo insgesamt friedlich und diszipliniert durch Kreuzberg
und Neukölln und zurück zum Festplatz. In Neukölln wurde
aus einem Wohnhaus mit einem Luftgewehr auf die Demo geschossen, wobei
zwei oder drei Personen verletzt wurden.
Die "RIM" bildete einen Block von ca. 50 Leuten und brachte einen eigenen
Lautsprecherwagen mit, den sie notfalls mit Gewalt durchsetzen wollten.
Er fuhr dann ziemlich am Ende der Demo vor dem Kinder-Block und beschallte
genervte Kinder und Eltern mit ML-Parolen.
Fest: Auf dem Gelände des Görlitzer
Parks wurde ein Fest vorbereitet, getragen von Autonomen bis hin zu linken
AL-Leuten. Der SPD-Bezirksbürgermeister König verbot dieses
Fest; Kurz vor dem 1.Mai platzte die Vorbereitungsgruppe unter dem politischen
Druck und wollte das Fest absagen. Spontan bildete sich eine neue Gruppe
aus Linksradikalen, die versuchten, trotz Verbots das Fest zu organisieren
und durchzusetzen, was auch gelang. Das Fest war dadurch recht improvisiert
und ziemlich szenedominiert.
Randale: Abends besetzte die Polizei den
Kiez und sparte nicht mit provokativem Auftreten. Die Tankstelle Ecke
Görlitzer Str. wurde von Wannen mit Absperrgittern gesichert. Am
Lausitzer Platz sammelten sich nach und nach Leute und bewarfen die absperrenden
Bullen mit Steinen, daraufhin wurde mit Tränengas der Lausitzer Platz
und auch das Fest im Park geräumt. Später wurde der U-Bahn-Verkehr
auf der Linie 1 eingestellt. Etwa 500 Menschen beteiligten sich an der
Randale, die sich bis gegen 2 Uhr morgens hinzog. Die Polizei ging sehr
brutal vor. Vermummte Zivilbullen sollen gesichtet worden sein.
Nazis: Nix.
Bilanz: 3800 Polizisten im Einsatz (2000-3000
in Kreuzberg), davon 230 verletzt.
Geringe Sachschäden.
100 Festnahmen, 7 Haftbefehle, 4 Haftverschonungen, 3 Leute in U-Haft.
200 Verletzte, darunter viele Kopfverletzungen. Ein 15jähriger wurde
von den Bullen der EB41 mit Schädelbruch, eingeschlagenen Zähnen
und gebrochenen Handgelenken ins Urban-Krankenhaus eingeliefert.
Skandale: Bei der nächtlichen Randale
wurden zwei Pressefotografen und ein SFB-Kamerateam von Bullen geprügelt.
Der Innensenator Pätzold entschuldigte sich dafür, gegen die
Bullen wurden Ermittlungen eingeleitet. Die "taz" kommentierte, es habe
"im Gegensatz zu früheren 1.Mai-Nächten kaum Behinderungen der
Presse" gegeben so beeinflusst der Standpunkt die Sichtweise...
Nachher: Polizeipräsident Schertz
sah ein erfolgreiches Konzept der "Deeskalation und Präsenz". Die
Berliner AL schloss sich dem an. Innensenator Pätzold beklagte den
hohen Anteil ausländischer Jugendlicher, die sich am Krawall beteiligt
hätten.
Ähnlich wie beim 1.Mai 2000 wurde auch 1990 der revolutionäre
1.Mai von Regierungs- und Medienseite im Vorfeld zur Entscheidungsschlacht
zwischen Zivilgesellschaft und barbarischen Horden hochgeredet, um dann
nach dem Ausbleiben der großen Schlacht alles unter "ferner liefen"
abzuhandeln und umso kleiner zu machen.
Die "taz"-Hetze im Vorfeld des 1.Mai hatte ein Nachspiel: Am 4.Mai erschien
eine Erklärung in der Zeitung, in der sich 35 "taz"-MitarbeiterInnen
aus Technik und Verwaltung von den Artikeln vom 30.April distanzierten.
Der AStA der Technischen Universität veröffentlichte eine Erklärung,
die historische Parallelen zog zur Springer-Hetze und dem darauf folgenden
Mordanschlag auf Rudi Dutschke 1968. Damals sei zurecht gesagt worden
"Springer hat mitgeschossen", diesmal sei die "taz" mitverantwortlich
für ein politisches Klima, in dem wenn auch nur
mit Luftdruckgewehr auf DemonstrantInnen geschossen werde.
Aus der autonomen Szene gab es einige Nachbereitungspapiere. Da die Demo
noch größer als im Vorjahr gewesen war und geschlossen hatte
durchgeführt werden können, und da das Fest hatte durchgesetzt
werden können, wurde der Tag insgesamt als großer Erfolg gewertet.
Manche befürchteten, die Integrations- und Befriedungsstrategie gegen
den revolutionären 1.Mai könne auf autonome Kreise übergreifen,
indem Leute den Platz einnehmen würden, der durch den Rechtsruck
des AL-"taz"-Spektrums freigeworden sei (eine etwas paranoide Vorstellung,
die aber in den folgenden Jahren immer wieder mal auftauchte). Andere
beklagten, dass die radikale Linke nichts zu mitzuteilen hätte und
den Ereignissen hinterherlaufe. Der Verlauf der nächtlichen Randale
wurde überwiegend als von den Bullen gezielt herbeigeführt interpretiert.
1.Mai
1991
Vorher: Politische Begleitumstände
waren die deutsche Vereinigung, die neue große Koalition aus SPD
und CDU in Berlin, der kurz zuvor beendete zweite Golfkrieg der NATO gegen
den Irak und die innerlinke Debatte um Stalinismus und linkes Ost-West-Verhätnis.
Nach den zugespitzten Jahren 1989/90 war dieser 1.Mai etwas geruhsamer.
Demo: Anfang März begann die Vorbereitung,
deren Protokolle in der Interim veröffentlicht wurden. Viele Leute
aus der 89/90er-Vorbereitung waren wieder beteiligt. Türkisch-kurdische
Gruppen waren spärlich vertreten (eine ML-Gruppe, eine Antifa-Gruppe),
Frauengruppen gar nicht. Hauptdiskussionspunkte der Demo-Vorbereitung:
Frage der Route und Stalinismus/ "RIM". Einige Ostberliner Gruppen hätten
lieber eine eigene Ost-Demo gemacht, setzten diesen Gedanken aber nicht
um. Die Demoroute führte letztlich vom Oranienplatz nach Friedrichshain,
um die Verbindung West-Ost herzustellen und weil eine Route nach Prenzlberg
ungünstig schien. Dabei spielte die besonders in Friedrichshain starke
Hausbesetzungsbewegung und der Mythos Mainzer Straße
eine erhebliche Rolle (in der Mainzer Str. waren viele Häuser besetzt
und Anfang November 1990 von den Bullen geräumt worden, dabei gab
es noch heftigere Auseinandersetzungen als am 1.Mai 1989 in Kreuzberg;
die rot-grüne Koalition in Berlin zerbrach daran). Aus Friedrichshain
meldete sich prompt Protest gegen den Einfall der Horden und
befürchtete Fremd-Randale, auch der BesetzerInnen-Rat war gegen diese
Demo-Route.
Das Plenum besprach den "RIM"-Konflikt, der sich seit 1.Mai 1990 eher
verschärft hatte, und wollte der "RIM" Lautsprecherwagen und Stalin-Transparent
(die "5 Köpfe") verbieten. Die "RIM" bemühte sich durch persönliches
Erscheinen darum, dies abzuwenden, jedoch erfolglos. Die beteiligte ML-Gruppe
verteidigte dagegen die Freiheit der Propaganda und Agitation
und geriet dadurch selbst in Konflikt mit dem Plenum.
Bei Nieselregen kamen rund 10.000 Leute zu der Demo (Polizei: 8000, VeranstalterInnen:
20.000), mehr als zur DGB-Demo. Die Demo verlief friedlich. Wichtige Themen
waren die Ablehnung der "Hauptstadt Berlin" und Solidarität mit dem
Kampf in Kurdistan.
Es kam zum gewaltsamen Konflikt mit der "RIM", die wieder einen eigenen
Lautsprecherwagen mitgebracht hatte. Er wurde fahruntüchtig gemacht,
ein Transparent mit Stalin-Bild wurde der "RIM" geklaut. Die "RIM"-Leute
gingen dann am Ende der Demo. Die Polizei hielt sich während der
Demo zurück.
Nach der Demo kam es in Friedrichshain zu Auseinandersetzungen zwischen
abströmenden Demo-Teilnehmerlnnen und provozierenden Bullen. Zwei
Polizeifahrzeuge wurden mit Mollis angegriffen.
Fest: Relativ kurzfristig wurden zwei Feste
vorbereitet: Am Lausitzer Platz in Kreuzberg und am Kollwitzplatz in Prenzlauer
Berg. Das Fest am Lausitzer Platz fand wieder kein friedliches Ende.
Randale: Am Lausitzer Platz begann am späten
Nachmittag das Spiel vom Vorjahr; Steine flogen gegen die Bullen-Absperrung
an der Tankstelle Ecke Görlitzer Str., die Polizei ließ sich
nicht lange bitten und räumte gegen 19 Uhr den Platz mit Tränengaseinsatz.
Es ging auch so weiter wie im Vorjahr: ein paar hundert Leute, davon nur
wenige aus der autonomen Szene, lieferten sich Scharmützel mit den
Bullen.
Nazis: Nix
Bilanz: 4500 Polizisten im Einsatz, davon
3100 in Kreuzberg und Friedrichshain. 87 Polizisten verletzt, davon einer
stationär behandelt (1993 behauptete der Innensenator laut "taz",
1991 seien 233 Polizisten verletzt worden; vielleicht eine Verwechslung
mit 1990).
105 ASOG-Festnahmen, 76 Festnahmen wegen Straftaten (wobei ca. die Hälfte
der Festgenommenen in Ost-Berlin wohnten). 4 Haftbefehle, alle mit Haftverschonung.
Geringe Sachschäden (1992 ist aber davon die Rede, der Schaden habe
mehr als 1 Million DM betragen...).
Skandale: Die Polizei griff ein ZDF-Kamerateam
an und stürmte das türkische Lokal 'Kösk' am Lausitzer
Platz. Diese Vorwürfe wies der Polizeipräsident später
zurück und entschuldigte sich für nichts.
Nachher: Innensenator Heckelmann tönte,
Berlin habe die Bewährungsprobe als Regierungssitz "in aller Gelassenheit,
aber konsequent" bestanden. Auch Polizeipräsident Schertz sah "Konsequenz
und Augenmaß". Die AL kritisierte die Randale ebenso wie die Polizeitaktik.
1.Mai
1992
Vorher: Allgemeinpolitische Themen im Vorfeld
des 1.Mai gab es wenige, eher begrenzte, z.B. die Riots in Los Angeles
und die Weltausstellung Expo in Sevilla. Lokale Themen waren vor allem
die Anti-Olympia-Kampagne und der Widerstand gegen die Öffnung der
Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain für Autos.
Die Zersplitterung autonomer Strukturen hatte sich fortgesetzt. Der Ost-West-Konflikt
und die Debatte über den Umgang mit Stalinismus bzw. ML-Gruppen prägte
auch in diesem Jahr die Vorbereitung des revolutionären 1.Mai.
Demo: Mitte März begann die Vorbereitung
der Demo durch ein Koordinierungstreffen, das sich ausdrücklich nur
für den technischen Ablauf der Demo, nicht aber für deren Inhalte
zuständig fühlte. Darin war z.T. personelle/strukturelle Kontinuität
zu den vergangenen Jahren gegeben und es überwogen klassisch-autonome
Kiezgruppen. Wieder war eine türkisch-kurdische ML-Gruppe in der
Vorbereitung, und wieder wurde das Fernbleiben von Frauen(-Gruppen) bedauert.
Die Protokolle der KO-Gruppe wurden in der Interim veröffentlicht.
Motto der Demo: In die Herzen ein Feuer unser Kampf geht weiter.
Am Vormittag des 1.Mai gab es unabhängig davon einen Zug der
Widerspenstigen aus Ost und West zur DGB-Kundgebung. Die Vorkontrollen
der Polizei mittags in Kreuzberg waren sehr massiv. Die "RIM" versuchte
in diesem Jahr zum ersten Mal, durch eine frühzeitige eigene Anmeldung
der Demo am Oranienplatz Fakten zu schaffen und ihre Interessen gegen
alle anderen Gruppen durchzusetzen. Das klappte aber nicht.
Zu Beginn der Demo eskalierte der Konflikt zwischen türkisch-kurdischen
ML-Gruppen. Die Gruppe Partizan griff Bolschewik Partizan
an, andere ML-Gruppen verhielten sich absprachewidrig, die "RIM" nutzte
das Chaos und prügelte sich und ihrem Lautsprecherwagen einen Weg
in die Mitte der Demo. Es gab zahlreiche Verletzte, einige davon schwer.
Die Schlägerei zog sich bis zur Ecke Adalbertstr. hin, wo die Bullen
ein Hinausdrängen der "RIM" verhinderten. Etwas später wurde
der "RIM"-Lautsprecherwagen beschädigt und verließ die Demo
nach etwa der Hälfte der Strecke. Die Schlägereien hatten zur
Folge, dass in der Mitte der Demo (zwischen der "RIM" und dem Internationalistischen
Block, der von den ML-Gruppen angeführt wurde) eine sehr große
Lücke entstand, so dass es faktisch zwei Demos hintereinander waren.
An der gesamten Demo, die vom Oranienplatz durch Mitte und Neukölln
führte, nahmen 12.000-15.000 Menschen teil. Es kam während der
Demo zu einzelnen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Computerladen
wurde geplündert, ein Wachschutzwagen angezündet, eine Bullenwanne
beinahe. Das letzte Stück der Demo auf dem Kottbusser Damm bis zum
Kottbusser Tor eskalierte zunehmend.
Fest: Keines. Nachdem in den Vorjahren jedes
Fest im Tränengas geendet hatte, fand sich diesmal keine Vorbereitungsgruppe.
Randale: Gegen Ende der Demo versuchte
die Polizei Festnahmen. Es flogen Steine auf Schaufenster und auf die
Bullen, die wiederum Tränengas und Wasserwerfer einsetzten. Schon
am späten Nachmittag wurde der U-Bahn-Verkehr der Linie 1 eingestellt.
Die Taktik der Polizei bestand darin, mehr Wasserwerfer und Tränengaseinsatz
als Prügeleinsätze zu machen und massiv aufzufahren. Sie kontrollierte
die Lage weitgehend. Wiederum beteiligten sich viele Kids aus dem Kiez
oder auch von anderswo an der Randale, während viele Altautonome
kopfschüttelnd danebenstanden.
Abends gab es im Kollwitz-Kiez in Prenzlauer Berg unter dem Motto "Der
Osten schlägt zurück" eine kurze und heftige Demo von ca.1000
Leuten mit Barrikadenbau, Steinen gegen BGS und Plünderungen; in
Friedrichshain wurden diverse Schaufenster eingeworfen.
Nazis: Nachmittags sammelten sich am Thälmannpark
in Prenzlauer Berg einige Dutzend FAP-Nazis zu einer Demo, von BGS-Einheiten
geschützt. Rund 200 spontan mobilisierte Antifas griffen sie trotzdem
erfolgreich mit Steinen bis in die S-Bahn hinein an.
Bilanz: 5000 Polizisten (davon 500 BGS)
im Einsatz, davon 127 verletzt, einer stationär behandelt.
294 Festnahmen, davon 142 wegen Straftaten, 23 Haftbefehle, 15 Haftverschonungen,
8 Leute in U-Haft.
Bei 52 Läden gingen Scheiben zu Bruch, es gab 6 Plünderungen,
57 Autos wurden beschädigt.
Skandale: Ein RTL-Kamerateam wurde vom
Wasserwerfer weggespült. In ein Lokal wurde eine Tränengasgranate
geschossen, wofür der Polizeipräsident sich entschuldigte.
Nachher: Innensenator Heckelmann lobte
das umsichtige Vorgehen der Polizei und teilte mit: "der Sachschaden liegt
im Gegensatz zum Vorjahr deutlich unter der Millionengrenze". Auch die
Gewalt habe deutlich abgenommen (oder gar "deutlichst"? eine der skurrilen
Wortschöpfungen Heckelmanns). Die Rede war von "äußerster
Zurückhaltung bei gleichzeitigem entschiedenen Zugriff bei Angriffen".
Etwas später intrigierte der notorische Scharfmacher Polizeidirektor
Kittlaus gegen Polizeipräsident Schertz: Alles sei viel schlimmer
gewesen und werde schöngeredet. Er fand aber keine Unterstützung.
Der "taz"-journalist Nowakowski hatte für sein Blatt die jüngere
Vergangenheit bewältigt und kritisierte, die offizielle Tiefstapelei
sei Schönfärberei für die Hauptstadt-Debatte, das Polizeikonzept
sei auf Bürgermeister Diepgens Geheiß hin "Schluss mit der
Deeskalation und draufgehauen" gewesen.
Die Nachbereitung in der Interim beschäftigte sich ganz überwiegend
kritisch mit dem Verhältnis zu ML-Gruppen, insbesondere der "RIM".
Deren brutales Vorgehen auf der Demo hatte viele schockiert. Es gab aber
auch Kritik am undifferenzierten Verhalten der Autonomen. Die abendliche
Randale wurde mehr am Rande abgehandelt; begrüßt wurde, dass
es militante Aktionen in Kreuzberg, Prenzlberg und Friedrichshain gegeben
hatte; ein politischer Inhalt der Kreuzberg-Randale wurde kaum gesehen.
1.Mai
1993
Vorher: Die politischen Begleitumstände
ähnelten denen von 1992: große SPD-CDU-Koalition, Hauptstadt
Berlin... Der nationalistische Wiedervereinigungs-Taumel, die rassistischen
Pogrome von Hoyerswerda und Rostock und der Aufwind für Nazi-Gruppen
bestimmten das Klima. Daneben trat die Anti-Olympia-Kampagne in ihre heiße
Phase. Die Spaltung der radikalen Linken hatte sich 1992 erheblich verstärkt,
vor allem die Berliner autonome Szene zerfiel zunehmend in Bewegungsautonome,
kommunistische Autonome und Antifa-Szene.
Demo: Im Februar begann die Demo-Vorbereitung,
die Plenum-Protokolle wurden in der Interim veröffentlicht. Nach
den ungelösten Konflikten v.a. der Jahre 1991/92 beteiligten sich
viele Gruppen nicht (mehr) daran: Bewegungsautonome, Frauengruppen,
MigrantInnen, Ost-Linke... so wurde die Vorbereitung dominiert von kommunistischen
Autonomen, die versuchten, eher reformistische Gruppen wie die Kritischen
GewerkschafterInnen in die Vorbereitung mit einzubeziehen. Der versuchte
Spagat zwischen dem Brückenschlag zu weniger radikalen
Kreisen und eigenen Ansprüchen, dazu die kritische bis destruktive
Haltung vieler Linksradikaler dem Plenum gegenüber, führten
zu einer Lähmung. Obwohl zu Anfang erklärt worden war, der revolutionäre
1.Mai müsse nun mehr inhaltlich als formal diskutiert und gefüllt
werden, ging es schon nach kurzer Zeit fast nur noch um den innerlinken
Konflikt, um Route, Zusammensetzung und Verantwortlichkeit der Demo. Es
gab endlose Debatten über Routenvorschläge und Verhältnis
zur "RIM". Gruppen aus Ostberlin beklagten sich, nicht einbezogen zu sein.
Dem Vorbereitungsplenum wurde der Vorwurf gemacht, von ML-Gruppen dominiert
zu sein. Der Brückenschlag zu den anderen gesellschaftlichen
Kräften scheiterte letztlich, sie zogen sich zurück; gleichzeitig
erklärten diverse linksradikale Gruppen, die Demo so nicht mittragen
zu wollen.
Wenige
Wochen vor dem 1.Mai platzte dann eine Vollversammlung an der Frage der
Haltung zu "RIM" bzw. Stalinismus, und es bildete sich ein
zweites, autonomes Plenum zur Demo. Zwischen beiden Plena
gab es starke Konkurrenz. Die schließlich erarbeitete Demo-Route
vom Oranienplatz nach Prenzlauer Berg wurde von einigen Ost-Gruppen abgelehnt
mit der Kritik, hier wollten sich Westler an die Ereignisse des letztjährigen
1.Mai im Kollwitzkiez anhängen; zuletzt wurde beschlossen, die Demo
nur bis zum Rosenthaler Platz zu führen.
Zur Demo kamen knapp 10.000 Menschen (die Polizei sprach von 5500). Das
erste 1.Mai- Plenum bildete die Demo-Spitze, die aber nur aus wenigen
hundert Menschen bestand (v.a. ML-Gruppen). Dahinter kam der um ein vielfaches
größere Block des autonomen Plenums. Zu Beginn
der Demo kam es wie 1992 zum Konflikt zwischen "RIM" und Teilen der Demo.
Leute versuchten, die "RIM" daran zu hindern, dicht hinter dem Kern des
Autonomen Blockes einzuscheren. Diese prügelte sich daraufhin den
Weg frei. Die chaotische Schlägerei zog sich bis zur Ecke Adalbertstr.
hin, wo die "RIM" nicht mehr weiterkam. Die "RIM"Leute setzten vor allem
Holzlatten ein, während ihre GegnerInnen weitgehend unbewaffnet waren.
Es gab viele unkontrollierte Flaschen- und Steinwürfe. An der Ecke
Adalbertstr. drangen Bullen in die Demo ein und holten die "RIM" samt
Lautsprecherwagen gewaltsam aus der Demo. Dazu gab es von einigen Umstehenden
lauten Beifall. Die Demo ging dann weiter, begleitet von häufigen
Auseinandersetzungen mit der massiv präsenten Polizei. Einmal eskalierte
die Situation mit Tränengaseinsatz und Molli-Würfen, beruhigte
sich aber wieder. Immer mehr Leute verließen die Demo. In der Nähe
der Olympia-GmbH (Breite Str.) sprengte die Polizei schließlich
die Demo mit Einsatz von Knüppeln und Wasserwerfern, sie musste um
17 Uhr aufgelöst werden. Es gab viele Festnahmen und Verletzte.
Fest: Am Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg),
vorbereitet von Ost-Gruppen in bewusster Abgrenzung vom West-1.Mai.
Randale: Abends im Anschluss an das Fest
am Helmholtzplatz im dortigen Kiez Barrikaden und Steine gegen Wasserwerfer
und Panzerwagen. In Kreuzberg vergleichsweise wenig: Ein paar Sitzblockaden
auf der Straße führten bereits zum Wasserwerfer-Einsatz, es
gab vereinzelte Steinwürfe auf die Polizei, die den ganzen Kiez besetzt
hielt.
Nazis: In Berlin-Friedrichsfelde machten
100 FAP-Nazis eine Demo, die von den Bullen geschützt wurde. Viele
mobilisierte Antifas wurden an Sperren abgefangen, 40 wurden festgenommen;
nur etwa 30 erreichten den Schauplatz, es gab einzelne kurze Auseinandersetzungen
mit Nazis.
Am Vorabend hatte ein junger Nazi einen ZDF-Reporter niedergestochen.
Bilanz: 4000 Polizisten im Einsatz (darunter
1000 BGS), (davon 1500 in Kreuzberg), 19 davon verletzt.
169 Festnahmen (über 60 schon bei der Demo), davon 115 wegen Straftaten,
24 Haftbefehle, 13 Haftverschonungen, 11 Leute in U-Haft.
Viele Verletzte, nach der Demo 5 Menschen im Krankenhaus.
Skandale: Gegen 00.30 Uhr lief eine BGS-Truppe
in Formation durch die Oranienstr.; ein Betrunkener im Eingang einer Mini-Pizzeria
grölte dazu provokativ den Anfang des Horst-Wessel-Liedes.
Daraus entstand das Gerücht, die BGS-Leute hätten das Nazi-Lied
gesungen. Einige OhrenzeugInnen erstatteten Anzeige, Staatsschutz und
BGS ermittelten ein paar Wochen lang halbherzig deswegen und stellten
dann das Verfahren ein; es fanden sich keine weiteren Beweise, die Bullen
unterstellten "bewusstes Singen von Störern".
Nachher: Innensenator Heckelmann, Polizeipräsident
Saberschinsky und Bürgermeister Diepgen äußerten die bekannten
Sprüche danach: Die Polizei sei "zurückhaltend", "schnell" und
"konsequent" vorgegangen gegen "sattsam bekannte professionelle Randalierer"
und habe erst eingegriffen, als Menschenleben in Gefahr waren; die Gesamtbilanz
sei "so erfolgreich wie seit vielen Jahren nicht mehr".
Die Medien bemerkten einmal mehr den immer mehr wachsenden Anteil von
deutschen und ausländischen Jugendlichen bei der Randale.
In der Interim drehte sich die Nachbereitung neben der Kritik an den ritualhaften
Krawallen und der inhaltlich sich entleerenden, auch ritualisierten Demo
(analog zu 1992) weitgehend um den "RIM"-Konflikt, um das Verhältnis
Autonome vs. KommunistInnen (inkl. ML Gruppen, Stalinisten...)
und um die Demo-Vorbereitung. Die Spaltungen im Vorfeld setzten sich bruchlos
fort. Konstruktive Ansätze waren selten; auch wenn die Beiträge
oft so eingeleitet wurden, wurde meist gegenseitig abgekotzt.
Am Abend des 1.Mai eskalierte die Spaltung der türkisch-kurdischen
ML-Gruppe DevSol am Kottbusser Damm, ein Mann wurde erschossen.
1.Mai
1994
Vorher: Die Spaltung der radikalen Linken
aus den Jahren 1991-93 hielt unvermindert an, außer Antifa gab es
kein gemeinsames Thema. Auch aus dem Osten kamen keine neuen Impulse mehr.
Das nach dem 1.Mai 1993 weiter bestehende Autonome Plenum plädierte
für einen Autonomie-Perspektiven-Kongress, der aber zum 1.Mai 1994
nicht organisierbar war, auf den Herbst 1994 verschoben wurde und schließlich
zum 1.Mai 1995 stattfand.
Demo: Nach dem Desaster des revolutionären
1.Mai 1993 fand sich diesmal keine Gruppe zur Vorbereitung der Demo zusammen.
Auch der DGB konnte in diesem Jahr bei kühlem Wetter
nur wenige Menschen (ca.5000) mobilisieren. Dabei gingen die Bullen gegen
kurdische TeilnehmerInnen vor wegen Zeigens von kurdischen bzw. PKK-Symbolen.
Die "RIM" meldete als "Revolutionärer 1.Mai-Bündnis" unverdrossen
eine Demo um 13 Uhr am Oranienplatz an, zu der sie seither jedes Jahr
mit demselben Flugblatt (bei aktualisiertem Datum) aufruft. Die Demo führte
zum Brandenburger Tor, es nahmen anfangs knapp 1000, später nur noch
einige hundert Menschen daran teil. Die Bullen waren sehr massiv an der
Demo dran und nahmen am Ende etliche Menschen fest, u.a. wegen Abspielen
des Slime-Liedes "Deutschland" (mit dem Refrain "Deutschland verrecke")
und Aufruf zu Straftaten aus dem Lautsprecherwagen.
Abends mobilisierte die Kreuzberger Lokalpartei KPD/RZ zur "Mutter aller
Demonstrationen" vom Marheinekeplatz in Kreuzberg zum Kottbusser Tor.
Das Motto "Gegen nächtliche Ruhestörung und sinnlose Gewalt"
lockte rund 2500 Menschen zur seit Jahren lautesten und fröhlichsten
Mai-Demonstration ("Deutsche Polizisten Gärtner und Floristen!").
Kurz vor dem Kottbusser Tor griffen die Bullen auch diese Demo an und
lösten sie auf.
Fest: Auf dem Oranienplatz wurde ein "internationalistisches
Straßenfest" organisiert mit einigen tausend Leuten und guter Stimmung
bis zum Abend.
Randale: Abends löste die Polizei
wegen angeblicher Steinwürfe und der versuchten Öffnung des
Plus-Supermarkts am Oranienplatz das Fest gewaltsam auf. Es gab auch Wasserwerfer-Einsatz.
Die Polizei hielt den Kreuzberger Kiez besenrein besetzt und kontrollierte
die Situation.
Nazis: Die FAP wollte mittags in Berlin-Treptow
demonstrieren, wo aber bereits 500 Antifas auf sie warteten bei einer
angemeldeten Kundgebung. Die Polizei hatte die FAP-Demo wegen "polizeilichem
Notstand" verboten, was vor Gericht aber nicht durchkam. Später versammelten
sich die Nazis in Prenzlauer Berg zu einer Spontandemo, wobei 25 von ihnen
festgenommen wurden. Die kurzfristige Antifa-Mobilisierung dorthin kam
zu spät, zahlreiche Antifas wurden eingekesselt und nach ASOG festgenommen.
Bilanz: 4000 Polizisten im Einsatz, davon
34 verletzt. 139 Festnahmen, davon 40 wegen Straftaten.
Ein Mann wurde schwer verletzt, als er aus einer Wanne flüchtete
und dabei von einem Lastwagen angefahren wurde. Der Fahrer beging Fahrerflucht.
Skandale: Keine.
Nachher: Kaum Nachbereitung. Innensenator
und Polizeipräsident sagten dasselbe wie jedes Jahr: Alles war ein
großer Erfolg.
1.Mai
1995
Vorher: Überregional spielte neben
den allgemeinen Themen der zugespitzte Krieg in Kurdistan
eine Rolle. Lokale Begleitumstände waren der Fall Kaindl,
der die linksradikale Szene in Atem hielt durch Verhaftungen, Aussagen
und politische Spaltung, sowie kurz vor dem 1.Mai der Fall KOMITEE
mit dem gescheiterten Bombenanschlag auf die Baustelle des neuen zentralen
Berliner Abschiebeknastes in Köpenick. Auch dieses Jahr gab es keine
Demo-Vorbereitung, stattdessen einen bundesweiten "Autonomie-Kongress"
in Berlin, der im wesentlichen von Bewegungsautonomen getragen
war.
Walpurgisnacht: Am Vorabend des
1.Mai feierten wie seit Anfang der 90er Jahre üblich und jedes
Jahr mehr Menschen am Kollwitzplatz die Walpurgisnacht. Als die
Bullen das Feuer auf dem Platz löschten und das Fest sprengten, wurden
aus ein paar hundert rasch rund 2000 Menschen, die sich gegen die rund
600 Bullen zur Wehr setzten mit Steinen und Barrikaden. Einige Stunden
lang knallte es im Kollwitz-Kiez heftig. Später stellte sich heraus,
dass die Bullen unter anderem deswegen vor Ort waren, weil ein Mitglied
der "Anwohner-Initiative" beim Bezirksamt den Schutz des neuen Rasens
auf dem Platz vor Zerstörung angemahnt hatte...
Demo: Die "RIM" machte ihre 13-Uhr-Demo mit
anfangs rund 2000 TeilnehmerInnen, beim Verlassen des Kreuzberger Kiezes
blieben die Neugierigen und Mitläufer zurück, einige hundert
blieben übrig. Die Polizei war wieder massiv präsent und griff
u.a. wegen Zeigens von PKK-Symbolen die Demo an. Zum Abschluss des Autonomie-Kongresses
gab es eine Spontandemo von einigen tausend Leuten zum Abschiebeknast
Kruppstraße, auf der die Solidarität mit den wegen des KOMITEE-Anschlages
Gesuchten gezeigt wurde.
Fest: In Prenzlauer Berg am Humannplatz (in
sicherem Abstand zu Kollwitz- und Helmholtz-Kiez).
Randale: Angefeuert durch die Randale der
Walpurgisnacht, zog es abends viele Schau- und Wurflustige in den Kollwitzkiez.
Diesmal standen aber nur wenige 100 Menschen einer großen Bullenübermacht
gegenüber.
Nazis: Nichts(?).
Bilanz: Insgesamt rund 100 verletzte Polizisten,
davon 4 "schwer". 160 Festnahmen, 5 Leute sollten dem Haftrichter vorgeführt
werden.
Skandale: Keine besonderen.
Nachher: Innensenator Heckelmann meinte,
"die geringsten Sachschäden seit 1987" seien Beweis dafür, "dass
der 1. Mai für die Bürger Berlins seinen Schrecken verloren
hat"...
1.Mai
1996
Vorher: Die innerlinke Diskussion im Vorfeld
des 1.Mai lief in die Richtung, dass die autonome Bewegung und ihr
revolutionärer 1.Mai aus den Jahren 1987-1991 nicht mehr existiere,
dass der Versuch, das totgelaufene Modell zu erhalten, 1992/93 in der
Spaltung geendet habe und deswegen mehr eine Neu- als eine Wiederbelebung
anstünde. Dabei war vor allem die Antifaschistische Aktion Berlin
(AAB) aktiv. Aus dem Osten gab es wiederum heftige Kritik an einer Demo
durch Prenzlauer Berg.
Besondere politische Kristallisationspunkte gab es nicht, abgesehen von
den defensiven Themen wie Antifa, Antirassismus, staatliche Repression
(wie 1995/96 gegen die Zeitschrift "radikal") und dem Feindbild Innensenator
Schönbohm ("Mit mir wird es keinen revolutionären 1.Mai geben").
Walpurgisnacht: Der Vorabend des
1.Mai in Prenzlauer Berg stand unter ähnlich schwierigen Vorzeichen
wie der 1.Mai 1988 in Kreuzberg: Wiederholung der Randale oder nicht?
Tausende Menschen kamen zum Kollwitzplatz, wo ein teil-kommerzielles Fest
organisiert worden war; dazu gab es die "Sicherheitspartnerschaft" der
Anwohner-Initiative mit der Polizei, 90 Zivilbullen auf dem Platz (zu
DDR-Zeiten hieß das dann "positive gesellschaftliche Kräfte"),
keine Uniformierten in der Nähe, 4 genehmigte Feuer. Ab 1 Uhr nachts
gab es auch ungenehmigtes Feuer, die Zivis zogen ab (waren auch viel angepöbelt
worden). Dann folgten kleine Scharmützel rund um den Platz, die Bullen
stürmten quer über den Platz hinweg, es gab 25 Festnahmen. Die
VeranstalterInnen waren von der Polizei "enttäuscht".
Demo: Im Februar begann die Demo-Vorbereitung.
Sie wurde stark von Menschen aus der AAB und anderen, die die Vorbereitungsphasen
und Konflikte Anfang der 90er nicht direkt miterlebt hatten, getragen.
Der Konflikt mit ML-orientierten Gruppen war aber dennoch sehr präsent
und nicht auflösbar. Auch um ihm aus dem Weg zu gehen, wurde schließlich
zu zwei getrennten Demos mobilisiert, die sich am Ende treffen sollten,
(13 Uhr Rosa-Luxemburg-Platz und Oranienplatz, zum Kollwitzplatz).
Bei der DGB-Demo am Vormittag waren linksradikale Gruppen sehr lautstark
präsent und pfiffen die Redner aus. Die Demo am Rosa-Luxemburg-Platz
ging mit rund 10.000 Menschen vor allem aus dem Antifa- und undogmatisch-autonomen
Spektrum weitgehend friedlich zum Kollwitzplatz. Dagegen gab es bei der
deutlich kleineren Demo (3000 Leute) ab Oranienplatz, die von deutschen
und türkisch-kurdischen kommunistischen Gruppen geprägt war,
Stress. Die beiden zutiefst verfeindeten Dev-Sol-Fraktionen lieferten
sich eine Schlägerei, und kurz vor Erreichen des Kollwitzplatzes
wurde die Rest-Demo von den Bullen eingekesselt, da es am Endplatz "unfriedlich"
sei. Dort flogen auch wirklich bereits die ersten Steine gegen Bullen.
Fest: Am Humannplatz (Prenzlauer Berg) fand
ein vor allem von linken Gruppen getragenes Fest statt.
Randale: Die Wut auf die Innenpolitik des
Scharfmachers Schönbohm und aktuell die Einkesselung der zweiten
Demo hatte die Stimmung angeheizt, so dass es im Kollwitzkiez im Anschluss
an die große Demo fast unmittelbar krachte. Die Auseinandersetzung
mit Barrikaden und Wasserwerfereinsatz dauerte ein paar Stunden, blieb
aber personell und örtlich relativ begrenzt.
Nazis: NPD- und JN-Nazis führten in
Marzahn mit 300 Leuten eine Demo durch, die von den Bullen geschützt
wurde vor der relativ bescheidenen Antifa-Mobilisierung.
Bilanz: 4500 Polizisten (auch BGS) im
Einsatz, davon 48 verletzt, eine Polizistin "schwer".
201 Festnahmen, davon 96 wegen Straftaten, 19 Haftbefehle, 6 Haftverschonungen(?),
13 Leute in U-Haft(?).
Skandale: Keine.
Nachher: Der Innensenator Schönbohm
sprach von "differenzierten Maßnahmen"; die "offensichtlich unvermeidbaren"
Gewalttätigkeiten durch "entschlossenes" Handeln schnell beendet
worden." Die CDU entdeckte wieder viele beteiligte Jugendliche und bescheinigte
ihnen "Lust an der Randale", "Werteverfall" und "fehlenden Respekt vor
fremdem Eigentum". In der undogmatischen radikalen Linken wurde die große
Demo als Erfolg, wenn auch relativ oberflächlich betrachtet. Die
AAB wurde - nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal - für ihre
phrasenhafte Politsprache kritisiert, hinter der wenig stecke. Kommunistische
Autonome unterstellten irrtümlich, die andere Demo sei
ihnen absichtlich nicht zur Hilfe gekommen bei der Einkesselung.
1.Mai
1997
Vorher: Wiederum heftige Konflikte um die
Demo-Route (Ost-West) und unverminderte Spaltung zwischen undogmatischem
und ML-Spektrum; Feindbild Innensenator Schönbohm und Hauptstadt...
Walpurgisnacht: Der Kollwitz-Kiez
wurde von der Polizei total besetzt, es gab 200 Platzverweise, 59 Festnahmen,
geschlossene Kneipen und ein paar Steinwürfe. In der Nacht zum 1.Mai
brannten im Rahmen der Wagensport-Liga 19 Nobelkarossen.
Demo: Das AAB-Spektrum bemühte sich,
eine gemeinsame Demo möglich zu machen. Die Gegensätze zwischen
undogmatischen Autonomen und ML-orientierten Gruppen waren aber unüberbrückbar,
die einen wollten nur ohne die anderen und umgekehrt. So gab es wieder
zwei Demos mit gleichem Beginn wie im Vorjahr, diesmal aber ohne gemeinsamen
Endplatz. Die Kritik linker Ostgruppen an der Route durch Prenzlauer Berg
wurde diesmal respektiert, die große Demo sollte zum Rosenthaler
Platz führen.
Bei der DGB-Demo am Vormittag mit ca. 5000 Menschen ging die Polizei
wieder gegen kurdische TeilnehmerInnen vor wegen Zeigens von PKK-Symbolen.
Nachmittags zogen 8000-10.000 Leute durch Mitte, begleitet von ständigen
Provokationen und Angriffen durch ein großes Polizeiaufgebot. Zuletzt
noch etwa 5000 Menschen erreichten den Endplatz.
An der Demo vom Oranienplatz nahmen ca. 2000 Menschen teil.
Fest: Erstmals gab es zwei große Feste,
nämlich wieder am Humannplatz (Prenzlauer Berg) und am Mariannenplatz
(Kreuzberg}, beide von einem breiten linken Spektrum bis hin zu PDS/Grünen
besucht. Das Fest am Mariannenplatz wurde abends kurz vor dem regulären
Ende von den Bullen mit Tränengaseinsatz geräumt.
Randale: Abends kurz vor 21 Uhr gab es
direkt neben dem Mariannenplatz-Fest, an der Ecke Muskauer Str., eine
kurze und heftige Aktion, bei der ein paar Autos und eine Telefonzelle
angezündet und anrückende Bullen mit Steinen eingedeckt wurden;
die Beteiligten flüchteten beim Anrücken der Verstärkung
auf das Fest, das daraufhin von den Bullen abgeräumt wurde. Es folgten
im Kiez (wie auch rund um den Humannplatz) einzelne Scharmützel mit
der Bullen-Armada.
Nazis: Die NPD wollte zentral in Leipzig
demonstrieren, was aber erfolgreich verboten wurde. 5000 Polizisten
in Leipzig setzten das Verbot durch. Diverse Ersatzveranstaltungen
in ganz Deutschland wurden überwiegend von Bullen und/oder Antifas
verhindert. In Hannoversch-Münden (Niedersachen) sammelten sich
ca. 300 Nazis und 50 Gegendemonstranten. Es gab 120 Festnahmen (meist
Nazis) und einen verletzten Polizisten. In Grimma (Sachsen) marschierten
rund 200 Nazis.
Bilanz: 5000 Polizisten im Einsatz (davon
1400 BGS), davon 7 verletzt.
325 Festnahmen (davon allein 59 Walpurgisnacht und 70 während der
Demo in Mitte), darunter 98 mutmaßliche Straftäter. 20 Haftbefehle.
5 Autos und eine Telefonzelle brannten, 19 Schaufensterscheiben gingen
zu Bruch, insgesamt gab es 34 Sachbeschädigungen.
Skandale: Die Eskalationspolitik der Polizei
führte zu einigem Wirbel. TV-Bilder zeigten einen vermummten Zivilbullen
bei der Demo, abends wurden in Kreuzberg (nachträglich) gar 50 vermummte
Zivis vermutet, aus dem Bullenfunk schien ein gezielter Polizeiangriff
am Humannplatz hervorzugehen, die Interim sichtete gar vermummte Zivilbullen
als Provokateure beim Steineschmeißen auf Wasserwerfer während
der Demo. Nur der erste dieser vier Vorwürfe ließ sich belegen,
wobei hier der klar als Zivilpolizist erkennbare Mann sich zum Schutz
vor fotografierenden DemonstrantInnen lediglich kurzfristig eine Hasskappe
übergezogen hatte, also nicht als agent provocateur in
Frage kam. Der Rest der Vermutungen lässt sich als Verschwörungsphantasie
abhaken, ungeachtet dessen, dass die Polizei tatsächlich die Eskalation
suchte.
Der Landesschatzmeister der Grünen, Werner Hirschmüller soll
nach eigenen Angaben von Polizisten geschlagen und stundenlang eingesperrt
worden sein. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück. Ein Neuseeländer
wurde am 2.Mai wegen eines angeblichen Flaschenwurfs festgenommen.
Rund 30 Vermummte griffen ein dreiköpfiges Fernsehteam an, ein Kameramann
musste wiederbelebt werden. Einer der Journalisten äußerte
den Verdacht, dass Zivilpolizisten daran beteiligt gewesen sein könnten,
was Schönbohm zurückwies.
Nachher: Innensenator Schönbohm und
Polizeipräsident Saberschinsky waren natürlich
zufrieden mit ihrem Konzept des "sofortigen und konsequenten Eingreifens"
und der "flächendeckenden Präsenz", wodurch die Eskalation "verhindert"
worden sei. Durch jahrelange Erfahrung mit den "Störern" sei die
Berliner Polizei inzwischen eine der besttrainierten Truppen Europas.
Innerhalb der Linken wieder mal die Kritik am Ritual- und Konsumverhalten.
Einmal mehr gab es die Forderung, zu den Zentren der Macht zu gehen. Es
wurde wie schon im Vorfeld deutlich, dass die Demo an sich
zum Politikum geworden ist, an dem sich verschiedene Konflikte (Ost-West,
Undogmatisch-ML, Linksradikale-Innensenator) entzünden.
1.Mai
1998
Vorher: Neben politischen Dauerbrennern
wie Innenpolitik und Nazis war ein wichtiges Thema die Jugoslawien-Krise
und der mögliche Krieg unter deutscher Beteiligung. Auch die Auflösungserklärung
der RAF fiel in diese Zeit.
Walpurgisnacht: Die Polizei war
im Kollwitzkiez stark präsent, sperrte aber nicht so massiv ab wie
im Vorjahr. Einige hundert Leute wollten trotzdem feiern und wurden gegen
2 Uhr morgens von der Polizei weggeprügelt, es gab Festnahmen.
Demo: Die Demo-Vorbereitung wurde wie im Vorjahr
von Leuten aus dem AAB-Spektrum dominiert, allerdings war die Vorbereitung
wenig transparent für Außenstehende. Die Route sollte wie 1996
vom Rosa-Luxemburg-Platz zum Kollwitzplatz führen; dies wurde von
der Polizei verboten und stattdessen als Endplatz der Senefelder Platz
auferlegt. Im Gegensatz zu den anderen Auflagen (wie etwa der Aufteilung
der Demo in Marschblöcke mit Zwischenräumen) wurde dies vom
Verwaltungsgericht bestätigt.
An der DGB-Demo am Vormittag nahmen ca. 7500 Menschen teil.
Mittags demonstrierten wie üblich die ML-Gruppen am Oranienplatz
mit 1500-2000 Leuten. Die Polizei bedrängte die Demo mit massivem
Spalier und Fahrzeugen und nahm 13 Leute fest.
Wegen der Antifa-Mobilisierung gegen die NPD-Demo in Leipzig wurde die
revolutionäre 1.Mai-Demo erstmals auf den Abend verlegt, um aus Leipzig
zurückkommenden Leuten die Möglichkeit der Teilnahme zu geben,
darum ging die Demo schließlich auch mit erheblicher Verspätung
los (einige Busse waren bei der Rückkehr aus Leipzig angehalten und
die 174 InsassInnen nach ASOG festgenommen worden). 10.000-12.000 Menschen
(die Bullen meldeten 6000) nahmen daran teil. Als Lautsprecherwagen wurde
erstmals ein Sattelschlepper mit großer Musikanlage eingesetzt.
Gleich zu Beginn der Demo wurde eine Bulleneinheit, die sich direkt an
der Demo postiert hatte, mit Steinen und Flaschen beworfen, die Lage beruhigte
sich aber wieder. An der Demo-Spitze kam es jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen
mit dem Bullen-Spalier, die schließlich an der Ecke Kastanienallee/Oderberger
Str. eskalierten. Ein Müllcontainer wurde angezündet, die Bullen
setzten Wasserwerfer und Tränengas ein und wurden heftig beschmissen,
woraufhin die Demo von den VeranstalterInnen für aufgelöst erklärt
wurde.
Fest: Wie im Vorjahr gab es ein Fest am Humannplatz
(Prenzlauer Berg) und eines am Mariannenplatz (Kreuzberg), die beide friedlich
zu Ende gingen.
Randale: Die Auseinandersetzung ab ca.
21 Uhr im Bereich Kastanienallee eskalierte rasch zu einem mittleren Krawall,
die Bullen wurden kurzzeitig zurückgeschlagen (oder zogen sich zurück),
ein Computerladen wurde geplündert. Bis gegen Mitternacht knallte
es heftig im umliegenden Kiez. Polizeiführer war hier Buchholz, der
bereits in der Walpurgisnacht 1996 unrühmlich in Erscheinung getreten
war.
Nazis: Die NPD mobilisierte bundesweit nach
Leipzig und brachte 3000 Nazis auf die Straße (statt wie angekündigt
bis zu 15.000). 6000 Bullen beschützten ihre Kundgebung, umgeben
von Tausenden Antifas, die relativ erfolgreich und offensiv die Straße
behaupten konnten. Es kam zu Auseinandersetzungen mit den Bullen, auch
etliche Nazis kriegten etwas ab.
Bilanz: 5000 Polizisten im Einsatz, 17 davon
verletzt (nach Angaben des GdP-Chefs aber 100).
407 Festnahmen, 31 Haftbefehle und 2 Unterbringungen.
Mindestens 32 Verletzte.
46 beschädigte Autos, 4 demolierte Polizeifahrzeuge, Glasbruch bei
Geschäften und einer Bank, mindestens ein geplünderter Laden.
Skandale: Der SFB berichtete, Konkurrenz
zwischen zwei Abteilungen der Bereitschaftspolizei habe zum Chaos am Abend
geführt, bei dem die Bullen sich kurzfristig zurückzogen. Polizeipräsident
Saberschinsky versuchte, das als "sportliche Konkurrenz" zu verniedlichen.
Nachher: Innensenator Schönbohm meldete wie immer Erfolg. Der 1.Mai
sei friedlicher verlaufen als in den letzten Jahren, es habe "friedliche
und fröhliche" Feste gegeben und der Polizeieinsatz sei im Rahmen
der "Verhältnismäßigkeit" verlaufen. Gleichzeitig kündigte
er eine schärfere Gangart gegen die Demo an; sie solle verboten oder
nur an abgesperrten Plätzen zugelassen werden. "Es gibt doch kein
Grundrecht auf Krawall und Zerstörung" (dieses Zitat plapperte Innensenator
Werthebach gerne nach in den Folgejahren).
In den liberalen Medien war dagegen die Rede von den schwersten Krawallen
seit Jahren und dem Scheitern des "militärischen" (Nowakowski in
der "taz") Eskalations-Konzeptes Schönbohms.
In der radikalen Linken wurde erneut die AAB kritisiert, einige warfen
ihr vor, erst große Sprüche zu machen und dann Leute zu verheizen.
Die Heftigkeit des Krawalls hatte viele (auch positiv) überrascht.
1.Mai
1999
Vorher: Wichtigstes großes Thema war
der NATO-Krieg in Kosovo bzw. Jugoslawien mit deutscher Beteiligung. Daneben
ging es um die Verschleppung von Öcalan in die Türkei und die
Folgen, z.B. die Verfolgung von KurdInnen in Deutschland und die Ermordung
von 4 KurdInnen am israelischen Generalkonsulat in Berlin Anfang des Jahres.
Daneben natürlich, wie jedes Jahr, innere Sicherheit und Hauptstadt
und Antifa.
Walpurgisnacht: Am Vorabend des
1.Mai rief "reclaim the streets" zum Alexanderplatz, später zogen
von dort einige hundert Menschen nach Prenzlauer Berg. In der Eberswalder
Str. wurden ca. 350 Leute stundenlang polizeilich eingekesselt.
Am nahegelegenen Mauerpark, der wegen der (erneuten) polizeilichen Besetzung
des Kollwitzkiezes zum Ausweichort für Walpurgisnacht-Feiern geworden
war, kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit den Bullen.
Demo: Die AAB verständigte sich erstmals
mit kommunistisch-autonomen Gruppen auf eine gemeinsame Demo, abends (wegen
Antifa-Mobilisierung nach Bremen) vom Oranienplatz zum Kottbusser Damm.
Das Bündnis der ML-orientierten Gruppen löste sich damit auf,
denn die "RIM" mobilisierte weiter zu ihrer üblichen 13-Uhr-Demo
mit den üblichen 1500 Leuten.
Am Oranienplatz wurde zwei Stunden lang auf den Beginn der Demo gewartet,
untermalt von lauter Musik vom nun bereits "traditionellen" Tieflader.
Alec Empire mit "Atari Teenage Riot" spielte zum Demo-Tanz auf und verlieh
dem Demozug, der gegen 20 Uhr losging, einen Hauch von Love- oder Hate-Parade.
Etwa 15.000 Menschen nahmen an der Demo teil, in deren Verlauf die Bullen
sich verglichen mit den Vorjahren eher zurückhielten. Am Kottbusser
Damm kurz vor Ende der Demo kam es zu Auseinandersetzungen mit einer kleinen
Bullen-Einheit, die Tränengas einsetzte, ein paar Schaufensterscheiben
gingen zu Bruch. Daraufhin prügelte eine Einheit der Bereitschaftspolizei
sich rund zweihundert Meter durch die Demo, Tausende flohen panisch, rund
um den Kottbusser Damm begann die Randale.
Fest: Wie im Vorjahr gab es ein Fest am Humannplatz
(Prenzlauer Berg) und eines am Mariannenplatz (Kreuzberg), die beide friedlich
zu Ende gingen.
Randale: Nach der Auflösung der Demo
knallte es in den Kiezen rechts und links des Kottbusser Damms, später
verlagerten sich die Auseinandersetzungen in den Bereich Skalitzer Str./Reichenberger
Str.; längere Zeit war die Kottbusser Brücke schwer umkämpft.
Nazis: Die zentrale Demo der NPD-Nazis in
Bremen war kurz vorher endgültig verboten worden, eine erfolgreiche
Ausweichdemo gab es nicht. Dafür gab es in Bremen eine von den Bullen
trotz Verbots geduldete antifaschistische Demo.
Bilanz: 5000 Polizisten im Einsatz(?), davon
159 verletzt. 21 Beamte wurden wegen Körperverletzung im Amt angezeigt.
Es gab 133 Festnahmen, 28 Haftbefehle, 17 Haftverschonungen, 11
Leute in U-Haft. Die "taz" schreibt, dass die Zahl der verletzten Demonstranten
"in die Hunderte" gehen dürfte.
35 kaputte Schaufenster, 13 umgeworfene Bauwagen, 12 beschädigte
Polizeifahrzeuge, 41 Mal Schäden an PKW.
Skandale: Ein Polizist zerschlug seinen
Holz-Schlagstock auf dem Kopf einer Frau. Obwohl das nicht zum ersten
Mal geschah (kam in den 80er-Jahren bereits vor), reagierte der Innensenat
diesmal und rüstete in relativ kurzer Zeit die Polizei mit Plastik-Schlagstöcken
aus. Von dem Polizisten konnte nur die Einheit festgestellt werden.
Die 23.Hundertschaft der Bereitschaftspolizei blieb ihrem Ruf als Prügeltruppe
treu und schlug so wild um sich, dass selbst die Polizeiführung sie
nicht stoppen konnte. Medienberichte kolportierten später, in der
Einsatzzentrale der Polizei sei es darüber zu heftigem Streit bis
kurz vor körperlichen Auseinandersetzungen gekommen; ein Polizeiführer
sei persönlich losgefahren, um die Truppe vor Ort zu stoppen, und
dafür als "Warmduscher" beschimpft worden.
Nachher: Innensenator Werthebach und Polizeipräsident
Saberschinsky vermeldeten wie immer den Erfolg des Einsatzkonzeptes, weniger
Gewalt als im Vorjahr und so weiter.
Die Medien beklagten wie immer das Ritual "1.Mai".
In der Interim wurde ebenfalls wieder mal Ritual und Sinnentleerung beklagt,
dazu Alkoholismus (auch eine Demo-Kritik, die seit mindestens 20 Jahren
aktuell ist). Der Demo-Leitung wurde vorgeworfen, insbesondere am Ende
versagt zu haben, als sie die Demo zu schnell für aufgelöst
erklärte und keine konstruktiven Durchsagen machte; stattdessen spielte
die Musikgruppe weiter, während die Bullen die Demo aufmischten.
1.Mai
2000
Vorher: Schon eine Weile vor dem 1.Mai heizten
Innensenator Werthebach und die Polizeiführung die Stimmung an. Es
hieß, die autonome Szene habe noch "nie zuvor so militant" mobilisiert.
Schlimmste Gewalt, selbst Tote seien zu befürchten. Das richtete
sich nicht nur gegen die revolutionäre 1.Mai-Demo, sondern auch gegen
die Antifa-Mobilisierung nach Hellersdorf, wo die NPD zur bundesweiten
Nazi-Demo rief, um ihre Erfolge des Jahres 2000 (zwei in Berlin durchgesetzte
Demos im Frühjahr) fortzusetzen. Das politische Ziel des Innensenator
dabei war schon seit längerem, in der Innenstadt und besonders im
Regierungsviertel einen Freibrief zum Verbot aller ungenehmen Demonstrationen
zu bekommen. Zum ersten Mal fand der revolutionäre 1.Mai in Berlin
unter den Augen der Bundespolitik statt. Die politischen Themen waren
ansonsten "die üblichen": Hauptstadt- und Großmachtswahn in
Deutschland, Nazis und Rassismus, Anti-AKW-Widerstand...
Walpurgisnacht: Die Walpurgisnacht
in Prenzlauer Berg verlief friedlich. Es gab am Kollwitzplatz und im Mauerpark
kommerziell organisierte Peste, die mit der Polizei abgesprochen waren.
Tausende waren da, alles blieb weitgehend friedlich, die Bullen hielten
sich zurück und waren kaum wahrnehmbar.
Demo: Wie im Vorjahr wurde die Demo hauptsächlich
von AAB- und kommunistisch-autonomen Gruppen vorbereitet und sollte abends
am Oranienplatz beginnen. Als Reaktion auf die immer unpolitischer
werdende Demo organisierten 15 vor allem antifaschistische, anarchistische
und kommunistische Gruppen einen Unabhängigen Block, der mit einem
eigenen Lautsprecherwagen teilnehmen sollte.
Die geplante Route in die Friedrichstr. und das Regierungsviertel
ein seit Jahren oft vorgeschlagener Weg zum Machtzentrum wurde
polizeilich verboten, stattdessen eine Route durch Kreuzberg/Neukölln
zurück zum Oranienplatz vorgeschrieben. Diese Auflage sowie etliche
weitere (vorgeschriebene Stockstärken und Transparent-Maße,
Veranstalter muss Inhalt auf Strafbarkeit prüfen, keine Lautsprecherdurchsagen
wenn Polizei spricht, Lautsprecher nur nach vorne und hinten, max.85dB,
Route nach Mitte verboten...) wurden bis in die allerletzte Instanz gerichtlich
bestätigt, lediglich die Aufteilung in Marschblöcke konnte die
Polizei nicht durchsetzen. Damit hatte die Polizei mehr Schikanen als
je zuvor gegen die Demo erwirkt. Mittags lief wie immer die "RIM" mit
knapp 1000 Leuten durch den Kiez, was mehr als Folklore am Rande wahrgenommen
wurde.
Abends begann die Demo, zu der rund 15.000 Menschen gekommen waren (die
Bullen sprachen von 5000, die VeranstalterInnen von 20.000), mit guter
Stimmung und zurückhaltender Polizeitaktik. Vorher war der Lautsprecherwagen
des Unabhängigen Blocks von der Polizei wegen "Panzerung" und das
eigene Leittransparent beschlagnahmt worden. Der Schlagzeuger einer Band,
die spielen sollte, wurde wegen Besitz eines "Schlagwerkzeuges" verhaftet.
So mussten einige Organisatoren des Unabhängigen Blocks auf dem Sattelschlepper
mitfahren.
Es gab zweimal Auseinandersetzungen mit Bullen, bei denen die Demo sehr
geschlossen blieb und die Polizei sich zurückzog. Als die Demo den
Endplatz (Oranienplatz) erreicht hatte, kam es aus nichtigem Anlass zur
Eskalation, es flogen Steine, die Polizei rückte sofort mit mehreren
Wasserwerfern und hunderten Bullen gegen die Demo vor.
Fest: Wie im Vorjahr gab es ein Fest am Humannplatz
(Prenzlauer Berg) und eines am Mariannenplatz (Kreuzberg), die beide friedlich
zu Ende gingen. In der Bergmannstr. in Kreuzberg organisierte die Polizei
ein Fest, um Jugendliche vom Randalieren abzuhalten. Es verfehlte sein
Ziel völlig und wurde hauptsächlich von Kindern und deren Eltern
besucht.
Randale: Nach der Auflösung der Demo
erfasste die Randale bis gegen Mitternacht den Oranienstraßen-Kiez.
Die Bullen achteten sehr darauf, die Grenzen nach Mitte dichtzuhalten
(den ganzen Tag über hatten sie schon mit mindestens 500 BGSlern
den Bereich Friedrichstraße besetzt gehalten). Mehrere große
Zivilbullen-Trupps mit Tonfas zeichneten sich durch brutale Einsätze
aus, laut Polizei waren es insgesamt 100 Beamte.
Nazis: Die NPD konnte über 1000 Nazis
aus ganz Deutschland in Hellersdorf versammeln und wurden von 2300
Polizisten geschützt. Nur 300-500 Antifas kamen durch die massiven
Polizeikontrollen durch. Ca. 150 Linke wurden festgenommen (Berliner
Kurier spricht von 400), außerdem 10 Nazis. Eine AAB-Gegendemo
war wegen "Gewaltbereitschaft" verboten worden, lediglich ein vom Bezirksamt
unterstütztes Straßenfest in einiger Entfernung war genehmigt.
Ein erfolgreiches Stören der Nazis gelang kaum, seit Jahren hatten
diese nicht mehr so einen erfolgreichen 1.Mai.
Bilanz: 6500 Polizisten im Einsatz (davon
ca. 100 AHA-Kräfte und mindestens 100 Zivilpolizisten), 2200
aus anderen Bundesländern. 283 Polizisten verletzt, (25
stationär behandelt).
401 Festnahmen am ganzen Tag (157 aus Berlin, 59 von auswärts, 4
ausländisch), davon 91 wegen Straftaten; 29 Haftbefehle, 18 Haftverschonungen,
11 Leute in U-Haft.
Rund 200 Verletzte. 20 demolierte BVG-Häuschen.
Skandale: Ein Mann wurde von Zivilbullen
festgenommen, auf einen abgelegenen Parkplatz gefahren, wo sie sich vermummten
und ihn brutal zusammenschlugen. Er kam danach auch noch in U-Haft. Andere
Zivilbullen schlugen "grundlos" mit Tonfas auf zwei Menschen am Straßenrand
ein, woraufhin sie von zwei zivilen "Aufklärern" des MEK angezeigt
wurden. Ein Polizist aus Leipzig, der in seiner Freizeit in Berlin war,
wurde nach dem angeblichen Werfen einer Sektflasche auf einen Wasserwerfer
festgenommen.
Nachher: Innensenator Werthebach und die
Polizeiführung (neben Polizeipräsident Saberschinsky tat sich
der Leiter der Schutzpolizei Piestert besonders hervor) folgten weiter
ihrem Kalkül, im Vorfeld alles groß aufzubauschen, um dann
hinterher als bravouröse Retter dazustehen, wenn alles nicht so schlimm
gekommen war. Innensenator Werthebach kopierte Schönbohms Spruch,
es gebe "kein Grundrecht auf Krawall", sah aber nun den 1.Mai nicht mehr
als geeignet für das Thema "Demonstrationsrecht" an. Piestert behauptete,
der Krawall sei "funkgesteuert" angefangen worden, der Himmel sei "schwarz
von Steinen" gewesen, und ähnlichen Quatsch. Natürlich war das
Polizeikonzept ein Erfolg und die Schäden weniger schlimm als im
Vorjahr und so weiter. Die Bundespolitiker aus dem Bereich Innere Sicherheit
reihten sich nahtlos ein in das übliche Nach-1.Mai-Gelaber über
Demonstrationsrecht (CDU dagegen, SPD dafür), Polizeitaktik und erschreckend-viele-am-Krawall-beteiligte-Jugendliche.
Umstritten war der Beginn des Krawalls. Die "taz" veröffentlichte
Ausschnitte des Funkprotokolls, vermutlich falsch interpretiert, die eine
provokative Festnahme der Polizei am Ende der Demo belegen sollten.
... weiter,
weiter!
1.Mai
2001
Vorher: Das erste Mal seit Bestehen der
Revolutionären 1. Mai Demonstration hat Innensenater Werthebach diese
verboten, weil in den vorigen Jahren von dieser Demonstration Gewalt ausgegangen
sei. Die ebenfalls verbotene NPD-Demonstration wurde am 25.4.2001 vom
Verwaltungsgericht wieder erlaubt, aber nach Hohenschönhausen abgeschoben.
Die Linken ließen Strategien für dezentrale Aktionen verbreiten,
was die Polizei gerne aufgriff, um das Gefahrenpotential trotz Demoverbot
hoch zu halten. Motto der verbotenen Demo sollte "Preußen bleibt
Scheiße!" sein.
Das Verbot der linken mit der gleichzeitigen Erlaubnis der rechten Demo
ließ schon im Vorfeld Krawalle suggerieren, die zwangsläufig
stattfinden müssten. Auch wieder die Rede von Krawalltouristen und
dass endlich Schluss sei mit Randale in Kreuzberg (Werthebach).
Walpurgisnacht: Die Walpurgisnacht in Prenzlauer Berg
verlief friedlich. Es gab am Kollwitzplatz und im Mauerpark kommerziell
organisierte Peste, die mit der Polizei abgesprochen und organisiert waren.
Tausende waren da, alles blieb weitgehend friedlich. Eine "Reclaim the
Streets" Aktion, die am Kollwitzplatz starten sollten, verlief sich wegen
des dortigen Volksfestes. Im Vorfeld hatte die Polizei jedoch Probleme,
Veranstalter für das Fest im Mauerpark zu finden, weil das Image
der unkontrollierbaren Feste hängen blieb und Veranstalter mit linken
Drohbriefen bedacht wurden. Auch das nicht angemeldete Fest mit Lagerfeuern,
Feuerspuckern etc. im Volkspark Friedrichshain mit vielen hundert Leuten
verlief friedlich. Nur bei der ebenfalls nicht kommerziellen Feier am
Boxhagener Platz in Friedrichshain gab es Krawalle mit Barrikaden und
Kessel, nachdem die Polizei einen Betrunkenen festgenommen hat.
Demo: Die 13-Uhr-Demo verlief wie immer folgenlos
und friedlich. Später strahlten die RIM-Leute, dass ihre Demo (im
Gegensatz zur Revolutionären Demo) das 14. Mal in Folge am Ziel angekommen
sei. Angela Marquardt meldete ebenfalls für 13 Uhr eine "Demonstration
gegen das Verbot linker Kritik" an, die vom Lausitzer Platz startete.
Ca. 5000 Leute nahmen teil und alles verlief friedlich.
Fest: Wie jedes Jahr gab es ein Volksfest
am Mariannenplatz, was sehr gut besucht war. Fast genau 18 Uhr löste
sich das Fest in Panik auf, als die Polizei mit Wasserwerfern und Greiftruppen
auf den Platz kam, um Steinewerfer zu lokalisieren.
Randale: Nachdem es zu kleineren Scharmützeln um
den Oranienplatz kam, den die Polizei hermetisch abgeriegelt hatte, wurden
die Demonstranten aufgefordert, das Gebiet in Richtung Mariannenplatz
zu verlassen, wo das Volksfest noch in vollem Gange war. Die Polizei versuchte,
einige Menschen auf dem Weg dahin einzukesseln, woraufhin erst mal massiv
Flaschen und Steine flogen. Sehr schnell war die Polizei nun mit Wasserwerfern
und Polizeikräften präsent, die gleich anfingen, ohne Vorwarnung
auf den Mariannenplatz zu stürmen. Im Gegensatz zu den Vorjahren
fanden sich nun viel mehr Unbeteiligte, oft Familien mit Kindern, in
der Randale wieder. Bis tief in die Nacht halten die Krawalle an.
Nazis: Die NPD konnte nicht wie geplant am
Frankfurter Tor aufmarschieren, sondern musste sich mit dem Randbezirk
Hohenschönhausen begnügen. Einige hundert Nazis waren dem Aufruf
gefolgt. Die Polizei riegelte die Gegend weiträumig mit einem 25
Quadratkilometer großen Bannkreis ab, so dass GegendemonstrantInnen
nur vereinzelt überhaupt in die Nähe der Nazis kamen. Eine kleine
Mahnwache an der Strecke wurde faktisch so stark eingekesselt, dass die
Organisatoren sie freiwillig auflösten, um die Menschen aus dem Kessel
zu bekommen.
Bilanz: 9000 Polizisten im Einsatz, so viel wie noch
nie. 166 Polizisten verletzt. 52 Personen (Polizisten, Demonstranten)
wurden stationär behandelt. 40 davon im Kreuzberger Urban-Krankenhaus,
davon wiederum waren nur 4 Polizisten. 1112 Platzverweise oder Aufenthaltsverbote.
616 Festnahmen am ganzen Tag, davon 148 wegen mutmaßlicher Straftaten.
350 Menschen wurden allein auf dem Mariannenplatz festgenommen. 36 Haftbefehle.
Ca. 50000 Pflastersteine sollen geworfen worden sein. Kosten des Polizeieinsatzes
nach Schätzung der Polizeigewerkschaft: fast 10 Millionen Mark.
Skandale: Die Polizei war mit dem Einsatz
sichtbar überfordert, ein Einsatzleiter musste abgelöst werden.
Die Aufforderung an die Demonstranten, in Richtung Mariannenplatz zu gehen,
war ein schwerer Einsatzfehler.
Ca. 350 Menschen wurden ca. 20 Uhr auf dem Mariannenplatz eingekesselt,
darunter mindestens 180 rechtswidrig. Bis 2 Uhr nachts wurden sie teilweise
festgehalten, ohne Notdurft verrichten oder etwas essen zu können.
Ein Innenausschuss soll sich damit befassen.
Nachher: Innensenator Werthebach kündigte
gleich an, auch in den kommenden Jahren Demonstrationen am 1. Mai verbieten
zu wollen, während die Grünen seinen Rücktritt forderten.
Einen Erfolg wollte Werthebach nicht sehen, aber es sei ein Fortschritt
gewesen, die Krawalle auf den Mariannenplatz zu beschränken.
Das erste Mal wurden 16.000 Fahndungsplakate gedruckt, auf der 85 mutmaßliche
RandaliererInnen zu sehen und für deren Ergreifung eine Belohnung
von 1000 DM ausgesetzt sind. Mindestens drei Männer haben sich
danach der Polizei gestellt, ein Jugendlicher wurde von seinem Vater gemeldet.
Die Autonomen reagierten ihrerseits mit Fahndungsplakaten, auf denen mutmaßliche
Prügelpolizisten gesucht werden.
1.Mai
2002
Vorher: Innensenator Werthebach (CDU), der
die diesjährigen Demos am liebsten auch wieder verboten hätte,
war wegen des Berliner Bankenskandals gar nicht mehr im Amt. Nach dem
gescheiterten Eskalations-Konzept im letzten Jahr gab es von anderer Seite
einen neuen Versuch zur gewaltfreien Durchführung der 1.Mai-Rituale.
Das Personenbündnis "Denk Mai Neu", bestehend aus dem Demo-Beobachter
und Ex-FU-Professor Wolf-Dieter Narr, FU-Professor Peter Grottian, der
AAB und einigen anderen Personen, wollte Kreuzberg Straßenfeste
durchführen, während die Polizei sich aus dem Viertel hält.
Diese lehnte eine verbindliche Zusage ab. Nachdem Autonome noch das Auto
von Prof. Grottian anzündeten, versandete das Konzept des Personenbündnisses.
Inhalte? Hm...
Walpurgisnacht: Die AAB organisierte
ein Konzert auf dem Oranienplatz mit Das Department, Fettes Brot und Goldene
Zitronen, welches ca. 8000 Menschen besuchten. Im Anschluss wurde von
20 Leuten der anliegende Plus-Markt geplündert. Mit Wasserwerfer
brachten die Polizisten die Lage wieder schnell unter Kontrolle, ohne
großartig auszurasten.
Im Mauerpark feierten ca. 7.000 Menschen bis Mitternacht friedlich. Als
die Feuerwehr gehindert wurde, ein großes Feuer auf der Eberswalder
Straße zu löschen, räumte die Polizei mit Wasserwerfern
und Tränengas die Straße. Hier gab es erste Polizeiübergriffe
und Verletzte. Eine junge Frau wurde durch einen Flaschenwurf verletzt.
Der Bürgerverein Gleimviertel, welcher das Fest organisierte, sprach
später davon, dass sich unter den Krawallmachern auch "offenkundig
rechtsradikale Elemente" befanden.
Demo: Die 13-Uhr-Demo verlief wie immer friedlich
mit 1.000 Menschen. Die autonom-kommunistischen Gruppen und die AAB zerstritten
sich nach drei ruhigen Jahren wieder kurz vor dem 1. Mai wieder. Die 18-Uhr-Demo
(AAB) wurde vom Oranienplatz zum Rosa-Luxemburg-Platz verlegt, damit um
16 Uhr dort die anderen Gruppen demonstrieren konnten. Diese zogen mit
ca. 4.000 Menschen los, nachdem sie sich mit den Menschen der 13-Uhr-Demo
zusammengeschlossen hatten und endeten wieder am Oranienplatz. Die 18-Uhr-Demo
zog mit ca. 8.000 Teilnehmern (ohne Polizeispalier) zum Michaelkirchplatz,
wo sie von der Polizei am Weitergehen gehindert wurde: Am Mariannenplatz
brannten schon die Autos.
Fest: Auch dieses Jahr gab es ein Volksfest
am Mariannenplatz. Als das Fest um 19:30 Uhr beendet wird, beginnen Jugendliche
mit Steinwürfen und zünden Autos an. Durch die vielen Schaulustigen
kann die Polizei nicht sofort eingreifen.
Randale: Durch die Zersplitterung der Demonstrationen
kommt es auch zu einer Dezentralisierung der Krawalle. Nachdem am Mariannenplatz
die Randale beginnen, weiten sie sich in die Naunyn-, Waldemar- und Adalbertstraße
aus. Der Plus-Markt am Oranienplatz wird erneut geplündert. Auch
dort fliegen Steine. Die 18-Uhr-Demo nicht bis zum Oranienplatz durchgelassen,
sodass am Michaelskirchplatz ca. 21 Uhr ebenfalls Autos brennen und Steine
fliegen. Die Polizei kesselt tausende Demonstranten halbherzig ein und
beruhigt die Menge mit Wasserwerfern. Bis Mitternacht gibt es in Kreuzberg
kleinere Feuer und Auseinandersetzungen, um 1 Uhr ist die Aufregung vorbei.
Nazis: Die NPD konnte ihre ursprünglich
durch Mitte geplante Route wieder nicht durchsetzen, sondern wird wieder
nach Hohenschönhausen abgeschoben. Ca. 700 Nazis versammeln sich
und ziehen ruhig durch das Viertel. Möglich war das nur, weil die
Polizei ihr erfolgreiches Konzept vom letzten Jahr übernahm: großräumig
absperren. Die trotzdem durchgekommenen Gegendemonstranten werden verhältnismäßig
sanft neben der Strecke gehalten. Sind ja eh icht genug, um Ärger
zu machen. Die S-Bahn verweigert das erste Mal Sonderzüge, weil die
NPD sich weigerte, eine Rechnung der Dezember-Demo für Sonderzüge
zu bezahlen.
Bilanz: Diesmal nur 5000 Polizisten im Einsatz
und auch weniger verletzt: 101. 84 konnten ihren Dienst fortsetzen. 83
Polizisten wurden während der Walpurgisnacht meist leicht verletzt,
29 Menschen festgenommen. Am 1. Mai wurden 158 Menschen festgenommen.
Mindestens 2 Wagen wurden beschädigt. 88 Sachbeschädigungen
wurden gemeldet. Von den Fahndungsplakaten mit 53 Fotos wurden 22 Tatverdächtige
wiedererkannt, drei stellten sich selbst.
Skandale: Berliner Polizisten räumte
gegen 23 Uhr grundlos und aggressiv einen Imbiss am Kottbusser Tor. Sonst
wenig.
Nachher: Innensenator Körting (SPD)
wird für seine Deeskalationstaktik von der Opposition kritisiert,
obwohl selbst die Demo-Veranstalter den zurückhaltenden Einsatz der
Polizei lobten. Die Schäden der Ausschreitungen waren geringer.
Auffällig der konstruierte Zusammenhang in der Berichterstattung
zwischen den Krawallen am 1.Mai und eventuell zu erwartenden Ausschreitungen
bei den Protesten gegen US-Präsident Bush am 21.-23.Mai in Berlin.
Weil da alles friedlich blieb, fiel große Berichterstattung aus.
1.Mai
2003
Vorher: Durch den Irak-Krieg die Monate
vorher waren die aktiven Personen mit anderen Protesten beschäftigt.
Die Mobilisierung für den 1. Mai begann deshalb später. Hinzu
kommt, dass sich die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) - Hauptorganisator
der Demo - am 13.02.2003 wegen Differenzen in die Antifaschistische Linke
Berlin (ALB) und eine zweite Gruppe (nennt sich später "Kritik
und Praxis") spaltete. In den Medien wird im Vorfeld weniger über
den 1. Mai berichtet.
Walpurgisnacht: Der kleine Boxhagener
Platz, Startpunkt der Randale im vorletzten Jahr, wurde an jeder Ecke
mit zwei Polizeiwannen bewacht, die meisten Parkbesucher wurden kontrolliert,
selbst Teelichter durften nicht angezündet werden. Auch im Volkspark
Friedrichshain waren aus ähnlichen Gründen wenig Leute. Dafür
feierten wieder ca. 8000 Menschen im Mauerpark, wo auch Feuer erlaubt
waren. Pünktlich um Mitternacht begannen Jugendliche, Polizisten
am oberen Ende des Hangs mit Steinen zu bewerfen. Die Polizei räumte
den Mauerpark von der Nordseite her und setzte Wasserwerfer, Schlagstöcke
und Tränengas ein. Gegen die Beamten aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen
hatten die meisten Randalierer bessere Ortskenntnisse. Zwischen Schönhauser
Allee, Eberswalder und Oderberger Straße liefern sie und die Polizei
sich kleinere Scharmützel, die erst nach 3 Uhr morgens abflauten.
Am Mauerpark wurde ein Krankenwagen der Johanniter-Unfallhilfe gestohlen,
mit dem der Polizeifunk abgehört werden kann.
Demo: Die 13 Uhr-Demo fand diesmal nicht statt,
sondern wurde zu einer "revolutionären 1. Mai"-Demo ab
15 Uhr vom Oranienplatz bis zum Heinrichplatz in Kreuzberg. Veranstalter
waren neben den "revolutionären Kommunisten", die sonst
immer die 13 Uhr-Demo organisierten auch die ALB. Die Demo verlief friedlich,
schätzungsweise 10.000 Leute (die Zahlen schwanken zwischen 5000-15.000)
nahmen am dem Zug unter dem Motto "Nie wieder Frieden!" teil.
Die zweite "revolutionäre 1.Mai"-Demo begann um 18 Uhr
am Rosa-Luxemburg-Platz und endete am Lausitzer Platz in Kreuzberg. Diese
wurde unter anderem von der Gruppe "Kritik und Praxis" organisiert.
Geplant war eine Route durch Mitte, die von der Polizei untersagt wurde.
Ca. 3.500 Menschen, weniger als erwartet, beteiligten sich daran.
Fest: Ein friedliches Fest, nächster
Versuch: Anwohner aus Kreuzberg und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
organisierten das "MyFest". Finanzsenator Sarrazin stellte dafür
150.000 Euro zur Verfügung. Ab 17 Uhr sollten rund um den Oranienplatz
auf elf Bühnen Bands und Theatergruppen spielen. Ziel: So lange wie
möglich... Mehre Tausend Besucher feierten mit. Zudem fand auf dem
Mariannenplatz nachmittags wieder ein multikulturelles Fest statt.
Randale: Kurz vor 20 Uhr wurde in der Mariannenstraße
das erste Auto umgeworfen, es wurde aber nicht geschafft, es anzuzünden.
Nur wenig später brannten am Lausitzer und Heinrichplatz Autos. Um
21 Uhr wurde das "MyFest" für beendet erklärt, die
Veranstalter bauten schnell die Bühnen ab. Die meisten Randale fanden
zwischen dem Kottbuser Tor und dem Lausitzer Platz von 21 bis 23 Uhr statt.
Steine, brennende Müllcontainer, Tränengas, Wasserwerfer, Schlagstöcke,
Flaschenwürfe, das Übliche, oft konnte die Polizei sogar zurückgedrängt
werden, nur um mit Verstärkung wieder nachzurücken. Die Polizei
filmt offensiv und mit Zivilbeamten und nimmt mit schnellen Greiftrupps
ausgesuchte Steinewerfer fest. Verprügelt werden aber alle, die im
Weg stehen. Um 4 Uhr morgens ist alles wieder ruhig.
Nazis: Die NPD meldete eine Demonstration
vom S-Bahnhof Heerstraße zum Olympia-Stadion ab 11 Uhr an. Die ca.
1500 Nazis wurden von zahlreichen Polizeikräften hermetisch von den
Gegendemonstranten abgeschirmt. Trotzdem versuchten einige, die Strecke
zu blockieren, vereinzelt wurden Steine und Flaschen geworfen. Zwei Frauen,
die Farbbeutel auf die Nazis warfen, wurden festgenommen. Nach der Nazi-Demo
säuberten ca. 200 Menschen symbolisch die Demonstrationsstrecke vom
"braunen Gedankengut".
Bilanz: Ca. 7500 Polizisten wurden eingesetzt,
davon 2800 aus anderen Bundesländern. Dazu kamen 600 BGS-Beamte.
287 Mannschaftswagen und 42 Gefangenentransporter setzte die Polizei ein,
zusätzlich musste sie sich 35 Mannschaftswagen und 4 Transporter
aus anderen Bundesländern borgen. Die Zahl der leicht verletzten
Polizisten stieg mit 175 wieder an. 139 Personen wurden festgenommen,
davon waren fünf wegen rechtsextremistischer Straftaten der Polizei
bekannt.. Zahlen über verletzte Demonstranten gibt es nicht, mindestens
zwei wurden von Steinen getroffen und in ein Krankenhaus eingeliefert.
98 Sachbeschädigungen wurden gemeldet, ca. 18 Autos gingen in Flammen
auf. Die Anzahl der "Gewalttäter" wurde von Innensenator
Körting auf 1300 geschätzt. Bis zum 23.7.2003 wurden 418 Ermittlungsverfahren
gegen 242 Personen eingeleitet, 56 Haftbefehle wurden vollstreckt und
erste Verurteilungen vollzogen.
Skandale: Gab es keine großen, der
Besitzer eines Kreuzberger Autohauses klagte wegen unterlassener Hilfeleistung,
weil Polizisten nicht eingriffen als Autos von ihm angezündet wurden.
Nachher: Innensenator Körting lobte
seine "Strategie der ausgestreckten Hand", nach der die Polizei
zurückhaltende Präsenz zeigen sollte. Die Gewerkschaft der Polizei
tadelte diese Zurückhaltung, weil dadurch mehr Polizisten verletzt
worden seien. Die Opposition warf dem Regierenden Bürgermeister Wowereit
vor, dass er sich nicht in der Hauptstadt aufgehalten habe. 4000 Fahndungsplakate,
auf denen 29 Personen abgebildet sind, verteilte die Polizei. Die Auswertung
der Videofilme dauerte mit drei Monaten nur halb so lange, weil die Polizei
mehr Filmmaterial hatte. Autonome veröffentlichten wiederum eigene
Fahndungsplakate, auf denen Polizisten bei Körperverletzungen zu
sehen sind.
1.Mai
2004
Vorher: Die Mobilisierung und Thematisierung
des 1. Mai 2004 fing diesmal erst im April richtig an. Einer der Gründe
war die Mobilmachung für den europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau
im März 2004. Die Aktion Mai-Steine
sollte zu einer stärkeren Politisierung des 1. Mai im Vorfeld beitragen.
Dazu wurden im April fast täglich fantasievolle Aktionen durchgeführt
- gegen zu hohe BVG-Fahrpreise, für kostenlosen Eintritt in die MoMA-Ausstellung,
gegen die Armut in Wedding usw. Diesmal durfte die Revolutionäre
1. Mai-Demo sogar vom Potsdamer Platz (Leipziger Straße) starten,
nachdem ein Verbot angefochten wurde. Zwischen den Veranstaltern des "MyFest"
u.a. in der Oranienstraße und den Demo-Anmeldern gibt es Streit,
weil letztere auch durch die Oranienstraße demonstrieren wollen.
Walpurgisnacht: Im Mauerpark fand
ein kostenloses Konzert mit mehreren Bands (u.a. Atari Teenage Riot) statt,
das ca. 5000 Menschen besuchten. Ab 15 Uhr kontrollierte die Polizei alle
Zugänge zum Park und verbot den Zugang mit Glasflaschen und Dosen.
Die Getränke konnten in Plastikbecher umgefüllt werden. Kurz
nach Mitternacht kam es trotzdem zu vereinzelten Flaschen- und Steinwürfen.
Wasserwerfer wurden nicht eingesetzt, nur spezielle Greiftrupps nahmen
einzelne Personen - teilweise sehr brutal - fest.
Demo: Die 13-Uhr-Demo fand mit ca. 5000 Personen
ohne Zwischenfälle statt. Ca. 4000 Menschen nahmen an der Revolutionären
1. Mai-Demo teil, die 17 Uhr begann. 19:30 Uhr endet sie friedlich am
Kottbusser Tor. Im Vergleich zu den Vorjahren waren wenig Menschen dabei,
weil viele noch gegen die Nazis (siehe unten) demonstrierten.
Fest: Schon im Vorfeld gab es Streit zwischen
den OrganisatorInnen des "MyFestes" und den Demo-Anmeldern,
weil die Demo-Route durch das Fest führen sollte. Das wurde nicht
genehmigt. Trotzdem wurde das Fest ca. 21:30 Uhr abgebrochen, weil die
Randale am Heinrichplatz/Ecke Oranienstraße auch Anwohner und Verkaufstände
in Form von Steinen trafen. Es sollen ca. 8000 Menschen beim MyFest gewesen
sein.
Randale: 20:30 Uhr entrollten Vermummte
in der Adalbertstraße unangemeldet ein Transparent "Alle Macht
den Räten, brecht dem System die Gräten" und marschierten
Richtung Heinrichplatz. Hier begannen die Randale. Die Polizei griff gleich
hart durch, setzte Tränengas ein und nahm Personen fest. Die Lage
stabilisierte sich im Verglich zu den letzten Jahren schneller, nur kurz
flogen an einigen Kreuzungen weiter Steine.
Nazis: Einer der größten Nazi-Aufmärsche
in Berlin startete um 12 Uhr am Bahnhof Lichtenberg. Die NPD und Freie
Kameradschaften hatten ihre Differenzen vorübergehend außer
Acht gelassen und zusammen mobilisiert. Ca. 2300 Nazis folgten dem Aufruf
und marschieren Richtung Frankfurter Allee. Das Viertel wird überwiegend
von jungen Studierenden bewohnt und ist dadurch "linker orientiert"
als andere Stadtviertel. Ca. 2500 GegendemonstrantInnen wollten den Nazis
entgegengehen, wurden aber von der Polizei daran gehindert. Autonome brachen
trotzdem durch, sie räumten Sperrmüll auf die Frankfurter Allee,
zündeten Müllcontainer und ein Auto als Barrikaden an. Die Polizei
setzte Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um weitere Menschen daran
zu hindern, in Richtung Nazi-Aufmarsch zu kommen. Weil so lange in der
Sonne stehen auf das Gemüt schlägt, wollten einige Nazis weiter
marschieren. Die Polizei prügelte sie mit Schlagstöcken zurück.
Als es später doch vorwärts ging, musste der Zug wieder stopppen,
weil es einige
Linke schafften, auf die Brücke über der Frankfurter Allee zu
kommen und von dort Tomaten und Flaschen auf die Nazis warfen. In der
Möllendorfstraße entdeckte ein Polizeihubschrauber auf einem
Dach ein Steine-Depot und nahm einige Jugendliche fest. Eine Gruppe von
Linken in der Nähe der Nazi-Demo wurde von einem großen Polizeiaufgebot
ohne Rechtsgrundlage mehrere Stunden eingekesselt. 17 Uhr hatte die Polizei
die Situation immer noch nicht im Griff, Müllcontainer brannten immer
noch, die Linken hatten sich den Nazis bis auf einige hundert Meter nähern
können. Die Polizei brach daraufhin die Nazi-Demo ab, die während
sechs Stunden nur anderthalb Kilometer weit gekommen war. Geplant waren
12 Kilometer.
Bilanz: Ca. 8000 PolizistInnen wurden am
1. Mai in Berlin eingesetzt, davon ca. 3500 aus anderen Bundesländern.
Über 200 Polizisten waren nur mit dem Fotografieren und Filmen von
Personen beschäftigt, viele davon in Zivilkleidung. Nach Angaben
des Tagesspiegel wurden während der Walpurgisnacht 83 Personen festgenommen,
31 weitere kamen vorbeugend in Gewahrsam, 85 Platzverweise wurden erteilt.
Bei den Protesten gegen die Nazi-Demo gab es 72 Festnahmen, 18 Platzverweise
und 58 verletzte Polizisten. Insgesamt gab es nach beiden Tagen wieder
einen Anstieg der verletzten Polizisten mit 250 Verletzungen, es wurden
am 1. Mai insgesamt 186 Personen festgenommen, meldete die Berliner Zeitung.
Es gab 60 Sachschäden, 16 Feuer und offiziell nur ein abgebranntes
Auto. Inoffiziell gab es mehrere. 97 Haftbefehle wurden aufgestellt.
Skandale: Der Kessel an der Aral-Tankstelle
war rechtswidrig. Dem PDS-Abgeordneten Freke Over wurde beim Protest gegen
die NPD von Polizisten das Ohrläppchen eingerissen und das T-Shirt
zerfetzt. Der stellvertretende PDS-Kreisvorsitzende in Lichtenberg, Michael
Stadler erlitt einen Beinbruch, bei der Räumung durch Polizisten.
Nachher: Ausnahmsweise waren sich mal alle
großen Parteien einig und lobten den Polizeieinsatz. Generell gab
es eine starke Häufung von filmenden und fotografierenden Polizisten
zu erkennen. Viele waren davon in Zivilkleidung. Auch Zugriffskräfte
waren verstärkt in Zivilkleidung unterwegs, einige sogar in Kaputzenpullis
mit Hanfblatt, wie junge Steinewerfer irritiert feststellen mussten. Die
Taktik, das Foto/Film-Material sofort vor Ort auszuwerten und die Personen
festzunehmen, klappte wegen Technikproblemen und mangelnder Übung
noch nicht, soll aber in den nächsten Jahren verstärkt angewandt
werden.
Abkürzungen
AAB = Antifaschistische
Aktion Berlin
AL = Alternative Liste Berlin; Gegründet 1978, wurde 1990
formal Landesverband der Grünen-Bundespartei, Sitz in Kreuzberg
BGS = Bundesgrenzschutz
EbLT = Sondereinheit der Berliner Polizei für "einsatzbezogene
Lagen und Training", gegründet 1987 und ungefähr ein Jahr später
wieder aufgelöst
ASOG = Gefahrenabwehrsondergesetz (?)
MEK = Mobiles Einsatzkommando der Berliner Polizei
U-Haft = Untersuchungshaft
GdP = Gewerkschaft der Polizei
AHA = "Aufmerksamkeit, Hilfe, Appell" - wirkungsloses Deeskalationskonzept
der Berliner Polizei
Anmerkungen
Tonfa = eine Art kurzer
Schlagstock, der vor allem von Zivilpolizisten eingesetzt wird
Straftaten = im Zusammenhang mit Demonstrationen sind das meist
Landfriedensbruch, Brandstiftung, Sachbeschädigung, Körperverletzung
oder Widerstand gegen die Staatsgewalt
zum
Zahlenmaterial !
Alle Zahlen wurden ab 2001 komplett aus Berliner Tageszeitungen
übernommen (vor allem Tagesspiegel, die tageszeitung, Berliner Zeitung),
trotzdem schwanken viele Angaben auch innerhalb der Zeitungen selbst stark,
weil die Zeitungen diese oft nur von Nachrichtenagenturen oder dem Polizeisprecher
bekommen. Wir haben versucht, die häufigste Nennung zu nehmen, bei
Angaben über Teilnahmezahlen haben wir meist den Mittelwert gebildet.
Hinter jeder dieser Zahlen steckt aber eine politische Bedeutung (z.B.
je mehr Menschen auf einer Demo, desto gewichtiger ist sie, je mehr Sachschäden
oder Festnahmen, desto besser kann die Polizei mehr Geld fordern usw.).
Deshalb warnen wir davor, diese Zahlen hier unkritisch zu benutzen. Schlagt
am besten selbst in den Zeitungsarchiven nach und errechnet nach eigenen
Kriterien euren Mittelwert. Vergesst nicht, dass es alles offizielle Angaben
sind. Die Zahl der verletzten DemonstrantInnen liegt in der Regel höher,
die der Sachschäden auch, weil diese meist nicht gemeldet werden
(wollen).
Die Zahlen von 2001 haben wir komplett aus dem Interim-Text übernommen
(siehe Teil 1), aber wir gehen davon aus, dass auch dort Zeitungszahlen
benutzt wurden.
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