Giddha und Bhangra sind Volkstänze aus dem Punjab, dem
"Fünf-Strom-Land", das teils im Norden Indiens und teils in Pakistan liegt. Es
ist ein sehr fruchtbares Gebiet, und die meisten Einwohner beziehen ihre Einkünfte aus
der Landwirtschaft. Die traditionellen Tänze sind im Punjab allgegenwärtig und sehr
lebendig. Bei Familienzusammenkünften und -feiern sind meist alle Generationen auf der
Tanzfläche vertreten und viele größere Schulen, Colleges und Universitäten haben
eigene Giddha- und Bhangra-Gruppen, die sich jährlich zu Wettbewerben treffen.
Bhangra ist eng mit Baisakhi verbunden, dem Erntefest der
Punjabi, und in erster Linie ein Tanz der Männer.1,2,3 Er wird rhythmisch begleitet von der Dhol, einer großen Trommel
mit zwei Fellen, die vor dem Bauch getragen und mit zwei Stöcken gespielt wird. Die
Bhangra-Rhythmen sind eingängig und mitreißend und finden sich auch häufig bei moderner
(anglo-)indischer Popmusik. Bhangra ist ein fröhlicher, temperamentvoller Tanz mit meist
erhobenen Armen, rhythmischen Schulterakzenten von oben nach unten, erdigen Schritten und
Sprüngen (Bild 1). Geübte Bhangra-Gruppen fügen noch Formations- und Akrobatikelemente
hinzu, bei denen zum Beispiel ein Tänzer auf die Schultern eines anderen klettert.
Giddha ist der Tanz der Frauen, der von Hochzeiten und
anderen Familienfeiern nicht wegzudenken ist. Die Teilnehmenden bilden einen Kreis (einen
Halbkreis bei Vorführungen) und eine von ihnen beginnt einen Sprechgesang, Boli genannt.
Die Texte dieser Bolia (pl.) sind meist von humorvoller oder spöttischer Natur und
können sich auf vielfältige Themen, wie das Familienleben, die Gesellschaft oder
politische Ereignisse beziehen.1,2,3 So ist es bei Hochzeiten sehr beliebt, die Beziehungen der jungen
Ehefrau zu ihrem Mann, ihren Schwiegereltern und ihren Schwagern und Schwägerinnen auf
die Schippe zu nehmen, die künftig ihr Leben bestimmen. Manchmal nimmt dieser Auftakt zum
Tanz auch die Form eines Sketches an, der von zwei oder mehr der teilnehmenden Frauen
dargestellt wird. Der letzte Vers des Gesanges oder die Pointe des Sketches werden
refrainartig wiederholt. Die anderen Frauen stimmen in den Gesang ein und begleiten ihn
durch rhythmisches Klatschen. Die Vortragende und eine oder zwei weitere Frauen aus der
Gruppe beginnen nun, in der Kreismitte zu tanzen. Die typische Tanzhaltung ist sehr weit
vorgebeugt mit einem tiefen Schwerpunkt, nach vorne ausgestreckten Armen und klatschenden
Händen. Beim charakteristischen Giddha-Tanzschritt stehen die Füße hintereinander - der
hintere ist flach und belastet, der vordere leicht angestellt. Das Gewicht wird nur kurz
verlagert, um den hinteren Fuß versetzen zu können und das erneute Entlasten des
vorderen Fußes wird von einer "wischenden" Bewegung desselben begleitet. Der
Schwung für diese Bewegung kommt aus der Hüfte. Die tanzenden Frauen umkreisen sich
gegenseitig mit diesem Schritt, bis sie wieder in den Kreis zurückkehren (Bilder 2, 3 und
4). Es gibt noch mehr Tanzschritte und -bewegungen, die auch eine dem Text der Bolia
entsprechende Bedeutung haben können, aber der beschriebene ist sehr häufig und bildet
die Basis. Da ein vollständiges Verständis dieses Tanzes das Verständnis der Bolia
voraussetzt, ist Giddha für den sprachunkundigen Nicht-Punjabi leider nur eingeschränkt
unterhaltsam.
Quellen und weitere Informationen:
1 Jasjeet
Singh Thind, "Dances of
Punjab", HTML-Dokument
2 Puneet
Dhillon, "Dances of Punjab",
HTML-Dokument
3 "Robust Revelry",
HTML-Dokument, dem Magazin India Perspectives entnommen
Durch Anklicken der Bilder ist eine
größere Version erhältlich.
Bild 1
Okt. '99 |
Bild 2
Okt. '99 |
Bild 3
Okt. '99 |
Bild 4
Okt. '99 |
Bild 5
Nov. '99 |