Comandantina-Kolumnen der Falter 1 bis 51/99
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Die Comandantina
Es ging ganz ohne
Falter 1,2/99
Damit wir uns richtig verstehen: Ich liebte Weihnachten. Ich liebte diese Spannung, die sich über den ganzen Advent aufgestaut, in den Tagen vor dem Fest langsam verdichtete. Ich liebte es, fluchenden Maronibratern kleine Kohlestückchen abzukaufen, redseligen Verkäufern sündteuren Tand aus leichtem Metall, und schwatzhaften Buchhändlern Baustoff aus bedrucktem Papier. Ich liebte den Saft aus Schneematsch und Kehricht, den Geruch von Busdiesel und Kaufhausluft und auch die Rempler der Ungeduldigen verachtete ich nicht. Aber ich konnte auch ohne. Ich habe ihn mir heuer verwirklicht. Den Traum von den Weihnachten ohne Weihnachten. Die Geschenkflut glich der Dünung in einem Wasserglas, der Festtagsbraten hatte auf einer Untertasse Platz und die Segenswünsche der Verwandten auf einem Sektor meines Anrufbeantworterbandes. Weihnachten ohne war lecker. Weihnachten ohne hatte Stil, Weihnachten ohne wird mir in Erinnerung bleiben. Als stimmungsvollstes, reibungsfreiestes, billigstes, ja als das netteste Fest seit Comandantinagedenken. Wie Ostern kam es mir vor. Wie Ostern im Dunkeln. Wo dieser süße eiermalende Nager kommt, dieser Osterhase und nicht Claus, die bimmelnde Schnapsnase. Wir freuen uns also bitte gleich jetzt schon auf Ostern. Auf Ostern mit.
Die lieben Postfüchslein
Falter 3/99
Als ich noch klein war, ging ich gern auf die Post. An der Hand meiner Mutter, einen Brief in den kleinen Fingern. "Tante Lalla, Hästholmsvägen 23, Stockholm, Schweden" stand in kleinen Buchstaben auf dem Kuvert. Es galt, den Transport für die Epistel zu organisieren und die Gebühr dafür zu entrichten. Briefmarke hieß das stachelige Ding und lustig war es, daran zu lecken. Daß Briefmarken auch auf Paketen, Post- und Ansichtskarten zu kleben waren, ohne deswegen Paket- oder Kartenmarte zu heißen, fiel mir schon damals als grobe postalische Inkongruenz auf. Auch mußten wir uns immer sputen, weil die Post entweder gerade aufsperrte oder sich anschickte, zu schließen. Daß drinnen alles so lange dauerte, leuchtete mir ein, sobald ich in die Gesichter der schwer ackernden Beamten sah. Schleierhaft aber blieb, warum die Post mit einem schlauen und schnellen Füchslein warb. Tranken Füchse Fusel? Schlau waren sie schon, das muß ich zugeben. Denn sie hatten für ganz eilige Depeschen eine eigenes Nachrichtenformat: Das Telegramm. Eine surrealistische Mischung aus Kilogramm und Telefon. Es kostete, als ob es schwer wäre wie Blei, wurde aber durchs Telefon übermittelt. Naja. Das ist Geschichte. Telegramme versendet nurmehr Hermes Phettberg, meine Tante lebt nicht mehr. Geblieben sind Gesichter und Öffnungszeiten.
Rechner
Falter 4/99
Als ich noch mittelklein war, also schon erwachsen, aber noch nicht schön, reich und berühmt, da träumte ich von der großen weiten Welt der Computer. Professor Bruckmann, ein schüchternes Genie bediente so einen Computer, im ORF-Rechenzentrum war das. Das Ding füllte eine ganze Halle und auf ihm wurden die Nationalratsstimmenauszählungen hochgerechnet. Ein zweiter Computer befand sich im Büro der Ufo-Behörde, ganz in weiß gehalten selbstverständlich. Ein dritter, etwas leistungsstärkerer diente natürlich an Bord der Enterprise. Den ersten Computer aber, der sich nicht mit Mandaten und der Lösung extraterrestrischer und pangalaktischer Probleme beschäftigte, war ein kleines Tischgerät, das ich im im Londoner Fanclub der Pop-Gruppe Queen sah. 1975 war das: Meine erste Begegnung mit einem Computer. Meine Lehrer nannten das Phänomen ja EDV, elektronische Datenverarbeitung, und das klang genauso Daneben wie MAZ, Magnetaufzeichnung. Oder LÜKM, Leibesübungen für Knaben oder Mädchen. EDV war Plem Plem, aber Computer im künstlerischen Bereich, noch dazu zur Adreßverwaltung einer so unwichtigen Population wie der Fans der Popgruppe Queen, das war cool. Cool hieß damals übrigens noch irgendwie anders. So ähnlich wie Roger und Super. Aber anders.
EDV
Falter 5/99
Als ich schon nicht mehr soooo klein war und in eine Mittelschule namens Wasagymnasium ging, hießen Computer zwar schon heimlich Komputer, beschäftigten sich aber ausschließlich mit "EDV". Damit wir uns ein Bild machen konnten, wie so eine "EDV" in etwa aussah, brachte unser Mathematikprofessor einen Streifen fahlgelben Plastiks mit, den er uns stolz als "Lochkarte" präsentierte. "Das ist EDV, meine Damen und Herren! Diese kleinen Löcher, da, das ist Information! Diese kleinen Löcher." Daß "ein" gestanztes Loch den Wert "Eins" repräsentierte, leuchtete mir noch halbwegs ein, aber daß "kein" gestanztes Loch den Wert "Null" darstellen sollte, blieb mir unerklärt. Wie konnte etwas dargestellt werden, indem es nicht dargestellt wurde? Rätselhaft, aber so war EDV. Der Streifen enthielt übrigens "unauslöschliche Daten! Diese Lochkarte werden wir noch in 50 Jahren lesen können. Sogar in 100, ja in 1000!" Ich bezweifelte die Prognosen des Matheprofs zwar schon damals, ließ mich aber offiziell zu der Haltung hinreißen, EDV verbessere sich zwar sprunghaft, aber Lochkarten als Trägermdium von Information werde es immer geben. "So eine Lochkarte ist billig und universell lesbar. So eine Lochkarte kann in Helsinki gelesen werden und in Singapur. Nur die Sowjetunion . . . . die überholt uns nie!"
Sobs Quantencomputer
Falter 6/99
Da drin, meine kleine Freundin, ist die Encyclopedia Brittanica gespeichert. In diesem Glas Wasser. Die ganze dicke Encyclopedia. Unglaublich, aber wahr. Dieses Glas Wasser, ist, sagen wir es einmal salopp, die Festplatte eines Quantencomputers." Wenn es darum geht, mich zu verblüffen, greift Sobik zu surrealistischen Vergleichen. War es schon bislang unmöglich, mir zu erklären, was Festplatten und Motherboards, Internal Memories und RAM-Speicher sind, geschweige denn, wie sie richtig adressiert, formatiert und was weiß ich wie auch immer bedient zu werden haben. Aber das hier leuchtete mir ein: Wenn Sob ein Glas Wasser verschwörerisch gegens Licht hielt und behaupete, die Encyclopedia wär da drin. Die ganze. Und wenn ich wollte noch die japanische Übersetzung dazu, und die arabische, und die hebräische und die sämtlicher Eskimodialekte zum Drüberstreuen auch noch. Und während Sobik genüßlich seine dampfende Melange mit den Bänden 2 bis 11 der aleutischen Übersetzung der Encyclopedia löschte, ersann ich seltene Analogien längst vergangener alexandrinischer Katastrophen: "Das Verschütten der Bibliothek von St. Pölten", Die Übersäuerung des Archivs der Agrarkommision der EU" oder "Das unglückliche Verdampfen von Teilen der Österreichischen Verfassung".
EDV, PC, PPC u. OS vs. 1.0.2
Falter 7/99
Die Welt, soviel steht branchenintern fest, wird in Einsen und Nullen, sowie Soft- und Hardware unterteilt, in Bits, Bytes und Mega-Hertz gemessen, in K, MB und Giga gedealt und im allgemeinen mit Hilfe neuester Programme und Applikationen zur Anwendung gebracht. Die Chips werden entwicklerseitig immer kleiner, und während sie so alle eineinhalb Jahre immer kleiner werden, in immer schneller getakteteren Prozessoren addressiert. Dieses Schnellerwerden ist leicht an dem höheren Speicheraufwand zu bemerken, der einzelnen Programmteilen zugeteilt werden muß. Hierbei kann es durch inkompatible Programmversionen und nicht installierte Hilfsprogramme und Zusatzmodule zu Bus-Fehlern und Zugriffsverzögerungen kommen. Durch richtiges Booten und eventuell auch Starten ohne virtuellen Speicher kann das Laden schadhafter Volumes verhindert werden. Klicken wir Neustart bei gedrückter Hochstelltaste sollten wir bedenken, daß dadurch das Laden von Systemwerweiterungen (mit Ausnahme der unbedingt benötigten Systembestandteile, wie zum Beispiel eines System-Enablers) verhindert wird. Apple-Alt legt die Desktopdatei neu an, was immer beim Mounten eines neuen Volumes funktioniert! Es ist schon eine fabelhafte Welt. Mounten wir sie uns doch endlich neu!
Leidvolle Teilgassen
Falter 8/99
Ich war für alle Eventualitäten vorbereitet: Im Internet hatte ich die Homepage der Wiener Linien aufgerufen, meinen reisetechnischen Nullpunkt und die gewünschten Zieldestination eingetippt und mir nicht weniger als fünf kommode Anreiserouten in die Zuckerkandlgasse ausdrucken lassen. Die Zuckerkandlgasse, brandneue Wirkungsstätte meiner Psychotherapeutin. Die Zuckerkandlgasse, an deren Ende sich eine Baustelle befände, darin ein Neubau und im Haus ohne Nummer 3 desselben die neue Praxis meiner Befindlichkeitsdiagnostikerin. Allein, am Ziel meiner Reise angekommen, ließ sich weder ein Neubau, noch eine Baustelle und auch kein Haus mit der Nummer drei finden. 45 Minuten irrte ich durch den 19. Bezirk. Auf der Suche nach der anderen Zuckerkandlgasse. Dort angekommen blieben genau neun teure Minuten, die ich dazu nutzte, meiner Seelenhygienikerin mitzuteilen, daß im Nichtfinden der richtigen Zuckerkandlgasse die Verdrängung der Erkenntnis läge, daß ich nicht mehr gewollt wäre, ihre Hilfe weiter in Anspruch zu nehmen. Wie jede gute Tyrannopeutin gab sie zu verstehen, daß sie meine Beweggründe schon aus Prinzip nicht verstünde, bot mir aber immerhin an, das Nichtfinden der Zuckerkandlgasse im Rahmen der Therapie zu erarbeiten. Auf Wiedersehen sagte ich und meinte ein anderes Wiedersehen
Woodina Allenova
Falter 9/99
Meine Lieblingszene im Œvre des Stadtneurotiker ist die, wo Mickey Sachs, der Exmann von Hannah (die mit den Schwestern) sich einbildet, mindestens an einem unheilbaren Tumor zu leiden. Im Zuge weiterer ärztlicher Konsultationen stellen sich zwar eine Vielzahl anderer lebensbegleitender Katastrophen heraus, aber wenigstens ist das Melanom nicht tödlich, weil es sich auf der Außenseite von Mickey Sachs’ Hemd befindet. Daran muß ich mich stets erinnern, wenn ich in einem Seelenklempner nahe komme. Stets ist Mickey Sachs mit seinem tiefschwarztödlichen Hemdmelanom zugegen. Und aus unanalysierten Gründen hat sich diese Szene so tief in meine Großhirnrinde eingeschnitzt, daß ich mit allen zu Verfügung stehen Mitteln gegen herzhaftes Lachen ankämpfen muß. Lachen in psychotherapeutischer Umgebung aber ist ärger, als Lulu zu machen in einer Kirche. Weinen, Schreien, Toben ja, aber nicht LACHEN. Vielleicht könnte man an diesem Problem arbeiten, vielleicht herausfinden, daß irgendeine verstorbener Wahltante von mir sich irgendeiner systemischen Familienverstrickung schuldig genmacht hat. Unbehandelt aber, und das macht meinen Zustand so prekär, reizt mich psychosanitäre Umgebung zum Lachen. Lachen in bedenklichen Situationen ist mein malignes Blusentumörchen.
Nachrichtendienstliches
Falter 10/99
Die Sprache der Spione ähnelt jener der Diplomaten zumindest in ihrer Intention, garstige Sachverhalte reizend zu umschreiben. Das haben sich die Spione von ihren großen Vorbildern, den Diplomaten abgeschaut. Weil Spione aus Sicherheitsgründen nie Spione heißen, heißt Spionage natürlich auch nie Spionage, sondern stets Nachrichtenbeschaffung. Außerdem besagt Mata Hari’s Law: Je wichtiger eine Nachricht, desto Agent. Spione heißen also, da sie Nachrichten vermitteln, Agenten. Oder Ejdschnts, wenn sie sich der Sprache Shakespeare’s bedienen. Und weil sich Ejdschents aus Standesgründen gerne unter Ihresgleichen aufhalten, hat sich eine Regel als brauchbar erwiesen, die besagt: Information für den Freund, Desinformation für den Feind. Der befreundete Dienst, von dem ich bislang versorgt wurde, nennt sich vertraulich Post. Der, mir nachrichtendienstlich zugeteilte Agent wiederum bedient sich des Tarnnamens Briefträger und als Übergabemodalität ist das Verbringen der Nachrichten in ein Blechfach in meinem Stiegenhaus vorgesehen. Sie trägt die Nummer 22 (1,55 Euro). Zu diesem Blechfach haben Agent Briefträger und ich identische Schlüssel. Seit aber dort wiederholt Depeschen der Agenten Michelfeit, Saturn und Kika einlangten, meine ich, daß es sich bei Post um einen feindlichen Dienst handeln muß.
Spion und Spion
Falter 11/99
In der Welt der Spionage spielen bisweilen kleine Unterschiede eine große Rolle. So kann es geradzu lebenswichtig sein, zu wissen, wer Freund ist und wer Feind. Freund und Feind unterscheiden sich in der Welt der Spionage oft nur durch Kleinigkeiten. In der Farbe der Kugelschreibermine etwa, im Gebrauch der Anrede Grüssie oder simpel in der Geschwindigkeit. Wie wir in der letzten Comandantina erörterten, handelt es sich bei der Bundesorganisation für Nachrichtenbeförderung – allgemein unter ihrem Tarnnamen Post bekannt – um einen nur scheinbar freundlichen Dienst. Immer öfter erweist sich die Paketaufbewahrungsanstalt und Verschleißstelle für Kleinkunstdrucke als feindliche Desinformationsagenur. So geschieht es täglich, daß Depeschen der feindlichen Dienste Wiener Gebietskrankenkasse, Landesgericht für Strafsachen und Finanzamt für den II. und XX. Bezirk so lange von Agenten der Post geprüft werden, bis die in ihnen angedrohten Fristen gnadenlos abgelaufen sind. Bis zu zehn Tage können nämlich verstreichen, bis ein, an die Comandantina addressierter Brief die Comandantina auch erreicht. Depeschen der postfreundlichen Dienste Bezirksjournal, Energie-Nachrichten und Nahverkehrsgazette trudeln dagegen nahezu stündlich ein.
Mächte der Finsternis
Falter 12/99
Da ich noch eine junge arme Kirchenmaus bin, kommt es öfter vor, daß mir aus Gründen, die Armut so mit sich bringt, der Strom abgesperrt wird. Stromabsperren ist als eine Art Bestrafung vorgesehen für Leute, die aus Gründen, die Armut so mit sich bringt, ihre Stromrechnung nicht einzahlen können. Der Sinn des Stromabsperrens ist der, armen Kirchenmäusen zu zeigen, daß die Energiebereitsteller auch anders können. Mit Stromabsperren zeigen sie mir, daß sie die Macht haben. Da aber so etwas wie die Wiener Stadtwerke strenggenommen gar nicht existieren, zumindest nicht in Personam, und der Herr Generaldirektor für Strom und Gasangelegenheiten sich nicht mit Lappalien, wie offenen Stromrechnungen persönlich beschäftigen darf, entsteht ein horrendes Machtvakuum. Horrende Vakua aber haben das dringende Bedürnis, angefüllt zu werden. In meinem Fall wird das horrende Vakuum gerne von einem atemlosen Neurotiker gefüllt, der sich darin gefällt, mich, besonders spätwinters, wo es oft bitterkalt ist, von der Möglichkeit, warm zu duschen und warm zu speisen auszuschließen. Ob das nicht unsozialistisch sei, fragte ich einmal frech. "Keineswegs" antwortete mir der städtische Beamte mit einer glitzernden Atemfahne, "in meiner Jugend warma auch arm, und haben nur kalten Kakau ‘trunken. Des war a net unsozialistisch!"
Spezialisten
Falter 13/99
Der Wiener Flohmarkt ist die Bannmeile für Auskenner und Einsichtler. Psychopharmazeuten, Wohnungsarchäologen, Plunderarchivare, Textilstratigraphen und Zangler alle Art hauchen Samstag für Samstag dem ansonsten unscheinbaren Parkplatz Leben ein. Wie es sich für Basare gehört, wird marktgeschrien, gefeilscht und wird durch simplen Tausch scheinbar Unbrauchbares zu Brauchbarem, Mist zu Geld. Auch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse scheuen sich nicht, am Wiener Flohmarkt Einzug zu halten. So wurde ich dieser Woche beim systematischen Durchfortsen einer Plattenkiste mit der Aufschrift Rock A-D Zeugin einer interessanten wehrtechnischen Erörterung zwischen Plattenkistenaufsteller-Sohn und Plattenkistenaufsteller-Vater."Die Ami fliangan jetzn mit Radkappenbomber", meinte der kaum rasierte Mitdreissiger zu seinem aeronautisch unbeleckten Erzeuger. "Mit die konnst heit schon in jedes Gebäude eineschaun. Die wissen hundertprozentig genau, wüfü Menschen daß in an Haus drin san." Ich konnte dem großen Spezialisten für westliche Militärtechnik keine größere Freude machen, als zwei Platten einer nordamerikanischen Lulucombo zu kaufen. "Tschicago, super, da san a Radkappenbomber stationiert. Schausnlos." Chancenlos, gewiß.
Geheime Pause
Falter 14/99
Daß das Spionagehandwerk Schwerstarbeit ist, wurde an dieser Stelle schon behauptet. So beschäftigt mein Liebling unter den feindlichen Diensten, jene Organisation, die sich gegenwärtig Post nennt, ein ganzes Heer von Agenten. Sie sehen aus wie Du und ich, sie sprechen wie Du und ich (wenn auch langsamer, damit die Abhörabteilung mitschreiben kann) und sie kleiden sich fast wie Du und ich. (Wiewohl sie sich seltener duschen dürften als wir). In einem aber unterscheiden sie sich die Agenten der Post gewaltig von Dir und mir: Sie machen alle zwischen 12 und 2 Uhr Mittagspause. Alle. Dieses Postamt ist zwischen 12 und 14 Uhr geschlossen steht denn auch auf großen Plaketten. Was zum Teufel macht aber eine ganze Belegschaft zwei Stunden lang? Blaue Briefe sortieren? Spendenerlagscheine stapeln? Gut abgelegene Telegramme endlich durchgeben? Thermofaxpapier nachlegen? Briefmarkenränder schneiden? Auf Tätigkeiten dieser Art weist nichts hin, denn in der fraglichen Zeit befindet sich niemand im Gebäude. Sämtliche Systeme stehen auf Null, sogar die tropfenden Wasserhähne in den Belegschaftsklos. Alles deutet auf konzertierte Geheimtätigkeit hin. Was die Beamten machen, lesen sie hier wöchentlich in der Serie: Geheimdienst Post.
Geheimdienst Post
Falter 15/99
Sie tun es alle. Sie machen alle zwischen 12 und 2 Uhr Mittagspause. Alle. Alle Mitarbeitern jenes, gegenwärtig unter dem Codenamen Post arbeitenden feindlichen Dienstes. Was sie tun, zwischen 12 und 2, jener Zeit in der ihre Arbeitsstätten, die Postämter niegelnagelzu, zappenduster und mucksmäuschenstill sind, war bisher ein wohlgehütetes Geheimnis. Zwar zirkulierten Spekulationen, zwar dampfte das eine oder andere Gerücht auf kleinzüngelnder Flamme – enträtselt werden konnte es aber nicht: Das große Mysterium des postalischen Zeitlochs. Was sie wirklich tun, zwischen 12 und 2 Uhr Mittags. Die Agenten des Geheimdienst Post. Sitzen sie bei Tisch, wie die Agenten des Geheimdienst Gebietskrankenkasse? Schlichten sie Zählerstandsablesungen wie die Kollegen des feindlichen Dienstes Wiener Stadtwerke? Legen sie gar ein Mützlein auf die Daune, wie ihre Beamtenbrüder im Stadtschulrat? Nichts von alledem. Die Geheimagenten des feindlichen Dienstes Post befinden sich alle im Zustand höchster Anstrengung. Hochkonzentriert gehen sie einer verantwortungsvollen Tätigkeit nach. Jeden Werktag zwischen 12 und 2, in jedem Postamt auf Bundesgebiet proben sie in unterirdischen Bunkern für den Ernstfall. Mehr darüber im 3. Teil der Serie GeDePost.
Erbsenzählen
Falter 16/99
Erbsenzählen. Das ist es was sie tun", raunte mein Informant. "Zwischen zwölf und zwei. Alle. Sie zählen Erbsen, da unten in ihren Bunkern. Die Postler, die Gfraster." Erbsenzählen? In geheimen Bunkern unter friedlichen Postämtern? Konnte das stimmen, war es wahr, was mein Zuträger mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit, in seinem kleinen Fiat, an einem unbeschrankten Bahnübergang, während des Vorbeirausches des Inter-City-Schnellzugs "Ivan Rebroff" mitteilte? War das Unfaßbare denkbar? War es möglich, daß Abertausende von ihnen, Abertausende von braven, unauffäligen Postbediensteten ihre wohlverdienten Mittagspausen dazu verwendeten, in hermetisch abgeschotteten, nervös beleuchteten und sparsam beheizten Räumen zu sitzen? Vierzehn Meter unter dem Straßenniveau? Jeden Werktag, von 12 bis zwei? Statt im Gasthaus zu rasten wie Otto Normalbediensteter, und ein Schnitzel zu schneiden, vom Kalb, wenn’s gut ging, mit Kartoffelsalat? Ein wohlverdientes Pils dazu? Nach harter Arbeit, nach Stunden des Streß? Nach einem langen, brutalen Vormittag im hektischenAmt? In Bunkern sollten sie sitzen und weitermachen? Weitermachen und arbeiten? Arbeiten, wo andere faulenzten? Und zählten sie Erbsen? War so etwas denkbar?
Zackenschneiden
Falter 17/99
Erbsenzählen? War es tatsächlich das, was sie taten, die Postler, zwischen zweiund zwölf? In jedem österreichischen Postamt? Jeden Tag um die Mittagszeit, wenn es zappenzu war, das Amt? Mein Herz pochte vor Spannung. Mein Informant nahm mir die Augenbinde ab und drückte mir eine Nagelschere in die Hand. Langsam öffnete er die schwere, mit dicken Schichten grauer Ölfarbe inkrustierten Eisentüre. Mein Informant schob mich, unauffällig murmelnd, an der fahlgrün getünchten Wand entlang in den, von mageren Leuchtstoffröhren sparsam erhellten Bunkerraum. Da saßen sie alle, die bekannten und weniger bekannten Gesichter meines Postamtes: Der fette Witzeerzähler mit dem ländlichen Geruch, das rothaarige Riesenbaby mit den abgekiefelten Fingerkuppen und die Dürre mit den eng stehenden Augen und den kurzen Stretchminis. Alle waren sie da, hatten Scherchen in den Fingern und schnippselten an winzigen bedruckten Papierschnitzel. Ich traute meinen Augen nicht: Die gesamte Belegschaft meines Postamtes saß da brav, wie in einer Handarbeitsstunde und schnitt Zacken in glattrandige Briefmarken! "Sie machen das freiwillig", raunte mein Informant, "und alle Viertelstunden beten sie zu einer Ikone, die sie Großer Papa Franz Jonas nennen!"
Grosser Papa Dr.h.c.
Falter 18/99
Sie machen das wirklich freiwillig", lispelte Joe, mein grusinischer Informant. Joe hatte so etwas nicht einmal in seiner Heimatstadt Tbilissi gesehen, nicht einmal unter Stalin, wie er mir staunend gestand: "Nicht einmal unter dem Schurken Dschugaschwili hätte irgendwer sowas getan! Schon gar nicht freiwillig" Joe und ich saßen in der hintersten Bank des unterirdischen Bunkers unter meinem Postamt in der Faulmanngasse und schnitten zitternd kleine Zacken in Siebenschillingfünfigmarken. "Paß auf," raunte Joe und sah auf seine Kosmonautenuhr, "gleich werden sie alle aufstehen und sich vor der Ikone da oben links verneigen! Großer Papa Franz Jonas nennen sie den!" Tatsächlich: zur angebrochenen 15ten Minute nach Mittag erhoben sich sämtliche Beamten meines Postamtes und senkten den Blick vor einem staubigen Portrait eines gütig dreinblickenden älteren Herrn. "Großer Papa Franz Jonas, wir grüßen Dich", skandierten sie im Chor, "denn wie Du immer sagtest, Ostria is än interneschionäl Plättfoam! Gesegnet sei Dein Name, denn Du wußtest noch, was Amt und Hacke bedeutet. Großer Papa Franz Jonas, wir grüßen Dich! Großer Papa Franz Jonas, wir lieben Dich!" Was an Spuk erwartete uns hier unten noch?
Bief von die Om
Falter 19/99
DieWetterredaktion bittet uns, aus aktuellen Gründen nachstehenden Brief unseres Wettergottes Om Dhom Khom einzurücken. (Die Com.).
Liebe Löte!
Die iste die Om mit ene gantse Bief! I hab die übe’aupt nikt gewusst, wie die iste in die Ki’kenes! Abe tsu estemal alle die ‘eihe nak: Mene Feundin Bettina die iste kank gewoden. Von die viele Wind in die Ki’kenes. Und die hate die mik die ange’ufen!Om die hate die gesagt in die Telefon, Om die musste kommen! Die gantse Wette hie in die Ki’kenes die iste kaput. Die iste imme ‘egen und die Wind! Und die kalt!Und die iste nu die Esbeg in die Mee! Und die Wettegott von die Ki’kenes die iste auk gants kalt. (Tho, die iste dot die Schef.) Nagut, iets gehte die son besse. I habte die gantse Wette wiede wam gemakt in die Ki’kenes! Die iste iets Palmen in die Stand (in Nowegen!), und Pelikane in die Wasse und Flamingo, Und die Löte die gehte imme swimmen iets! Wie in die Kuba. Mene Feundin Bettina die iste die supeglüklik iets. I makte waseinlik nok ene klene Semina fü die Ki’kenes-Löte dot. (Damit die weiss die wie die mit die nöje Tempe’atu die geht.) Nekste Woke I binte dann wiede gants in die Wien wiede da. Und da wie kannte dann die Supe-Supe-Supe-Mai-Wette maken!
Die wite die dann gants Spitse!
Om Dhom Khom
Geheime Botschaften
Falter 20/99
Ruckelnd setzte sich der beiwagenlose Triebwagenzug 5823 (423.17 Euro)der Wiener Verkehrsbetriebe in Bewegung. Die Signalapparatur hatte von drei waagrechten auf zwei senkrechte Lämpchen umgeschalten: Das geheime Signal für Agent wv67 (Tarnname: Gerald Wieser; 4.87 Euro)des Geheimdienstes Straßenbahn, seine Lenkwaffe in Fahrt zu bringen. "Die Agenten der Verwendungsstufe wv dürfen das auch ohne grünes Ampelsignal", raunte mein grusinischer Informant Joe Gamalvalnidze. Joe kannte Praktiken dieser Art aus seiner Heimatstadt Tbilissi. "Nichts kann sie halten, wenn sie ihre Geheimsignale bekommen." Ob unsere Mission wohl erfogreich sein würde, fragte ich mich still. Wir verfolgten gerade ein Mitglied des feindlichen Dienstes Post, das aus rätselhaften Gründen den Bunker unter seinem Postamt verlassen hatte, und jetzt schräg hinter dem Fahrer (Agent wv67; Tarnname: Gerald Wieser; 4.87 Euro) stand. Der Postagent trommelte mit seinen abgekiefelten Fingerkuppen eine geheime Melodie auf die Haltestange und verließ nach der dritten Strophe den Triebwagen. Doch was war das? Agent NB (Codename "der Nägelbeisser") hatte unauffällig ein kleines Stückchen Papier in den Sandbehälter hinter dem Fahrer fallen lassen!
Mehr darüber nächste Woche!
Geheime Behälter
Falter 21/99
Agent NB (Codename "der Nägelbeisser") hatte soeben ein kleines Stückchen Papier in den Sandbehälter hinter dem Fahrer unseres Triebwagenzuges fallen lassen und war ausgestiegen! Joe drängelte mich durch die schnatternden Mittelschüler zum vorderen Ausstieg. Er stellte sich zwischen mich und den Sandbehälter. Aus diesem Winkel konnte ihn Agent wv67 des Geheimdienstes Straßenbahn unmöglich sehen. Die überhöhte Geschwindigkeit tat ein übriges, den, mit einem flauschigen Fokuhila mäßig getarnten Spezialagenten voll auf das Steuern seiner Schienenrakete zu konzentrieren. Vor dem Anatomischen Institut war es dann so weit: Joe ließ sich geschickt in seinen Haltegriff fallen und langte mit seiner elongierten Linken in den staubigen Behälter. Zwischen Zigarettenstummeln und mit Bremssand panierten Kaugummiresten lag die Geheime Botschaft von NB, dem Nägelbeisser. Joe hatte den Wisch, jetzt hieß es Leine zu ziehen. Wir quetschten uns durch die Schulklasse wieder nach hinten und stiegen aus. "Laß uns den Code in der Aida knacken", meinte Joe, "ich liebe die fetten Schinkenstangerln dort." Keine 20 Sekunden später standen schon dampfende kleine Braune vor uns am Tresen. Es ging an die Entziferung der Geheimbotschaft.
Ganz viel darüber nächste Woche!
Wahrer Luxus
Falter 22/99
Joe und ich machten also Rast in der Aida Ecke Währinger-/ Nußdorferstraße. Vor Joe lag der Wisch von NB, dem Agent, den sie Nägelbeisser nannten. "Aktennotitz 22NB: Mein eines fenster klemt. Und 7,40 sind aus ", stand da in ungefilterter Amtsprosa. Agent NB des feindli chen Dienstes Post hatte allem Anschein nach Probleme mit der Belüftung seines Arbeitsplatzes. Und Siebenschillingvierzigmarken waren ihm offenbar auch ausgegangen. "Wozu brauchen die 7,40er-Marken?" fragte ich Joe. "Um 14,80-Porti kleben zu können, Lönchen, das liegt doch auf der Hand." Ich ließ mein Schinkenstangerl, das der Aida-Mikrowellenherd auf unhaltbare 6 Millionen Grad erhitzt hatte, mit einem Schreckensschrei auf die Untertasse fallen. " 14.80, das sind Eineuronullacht", las Joe von seinem Eurocalculator ab, "eineuronullacht. Bin gespannt, wie sie das dann picken wollen." Mein Schinkenstangerl hatte sich mittlerweile durch die verdampfte Untertasse und das glosende Brandloch in der Aidatheke eineinhalb Meter Richtung Erdmittelpunkt geschmolzen. "Sie könnten allerdings ein paar Zacken abschneiden", sinnierte Joe, "in Georgien machen sie das so… Zackenschneiden, das können deine Leute hier ja auch." Meine Leute! Ich war empört! Wie sehr: Nächste Woche.
Wahre Probleme
Falter 23/99
"Zackenschneiden, das können deine Leute hier." Joe Gamalvalnidze, mein grusinischer Freund wußte, wie er mich ärgern konnte! Mich mit den Agenten vom GehD Post in einen Topf zu werfen, das war die Höhe! Immerhin wußten wir jetzt, daß im Postamt ein Fenster klemmte. War das der Code für irgendwelche geheimen Übergabepraktiken? "Mein eines Fenster klemt", hatte Agent NB, der Nägelbeisser auf die Geheimbotschaft geschrieben. Was konnte das wirklich bedeuten? Hatten Sie Probleme im Zeitmanagement? Waren Sie im Verzug mit der Zustellung gelber Zettel? Waren ihnen die Licht-Ins-Dunkel-Erlagscheine ausgegangen? "Mein eines Fenster klemt", das konnte viel bedeuten. Besonders das Wörtchen klemt ließ mich nicht los. Die mußten doch wissen, daß uns sowas auffallen würde. Nicht einmal der größte Idiot würde heutzutage klemmen mit einem Solo-"m" schreiben. Der Geheimdienst Post wollte offenbar gezielt den Eindruck verbreiten, sie wären dümmer, als wir dachten. Irgendwas an meiner Argumentationskette stimmte nicht so recht. Joe schüttelte den Kopf: "Du siehst Geister. Die sind wirklich so trüb auf der Pfanne, Loni. Hast Du schon einmal beobachtet, wie sie schwitzend vor ausländischen Paketen sitzen und die Adressen transkribieren?"
Post braucht Papa
Falter 24/99
Joe und ich hatten uns darauf geeinigt, den "klemenden" Fenstern von Agent NB, dem Nägelbeisser keine größere Bedeutung zuzumessen, als die, daß der Bursche offenbar Probleme zwischen den großen Zehen hatte. Psychoanalytisch lag NB wie ein offenes Buch vor uns. Anstatt sich mit dem Transport von Poststücken zu beschäftigen, verbrachte NB ein gerüttelt Maß seiner Arbeitszeit damit, seine rosaroten Wurstfinger an den Spitzen abzukauen. Dort, wo bei normalen Männer die Fingernägel rauswuchsen, hatte NB millimeterdicke Hornkerben. "So will der eine Frau fürs Leben finden?" ätzte Joe. "Vielleicht sucht der andere Kicks im Leben", spottete ich zurück, "vielleicht sind spitze Fingernägel beim Chefbefriedigen undienlich!" Joe verdrehte die Augen. "Sex im Büro, okay, aber Sex in der Post?" Joe und ich ließen das makabre Szenario von reproduzierwilligen Postagenten wieder fallen. Soviel hatten unsere obskuren Observationen aber bisher ergeben: Die Agenten des Geheimdienst Post litten unter miserablem Zeitmanagement. Sie waren schlecht gekleidet, billig ernährt, schrieben klägliches Deutsch und sahen auf zu einer Ikone, die sie Großer Papa Franz Jonas nannten. Auch dem Fingerspitzengefühl schienen sie auf magische Weise zu huldigen.
Post braucht Stil
Falter 25/99
Es gibt", erläuterte mir Joe das Yin und Yang der Agenterei, "solche und solche. Die einen sind die Klingler. Die anderen sind die Klopfer. Klingler und Klopfer, das sind die zwei Typen. Die Agenten vom Geheimdienst Türschnalenwerbung (GehD TüSchnaWer) sind alle Klingler. Die klingeln für ihr Leben gern. Natürlich unten am Klingelboard. Dort wo’s den größten Spaß macht. Nie würden die klopfen. Wozu auch. Ihre Aufgabe ist die nachrichtendienstliche Zustellung von Geheimprospekten und Bezirksspionagepostillen. Und der Überraschungsangriff aus dem Halbdunkel. Wenn die klopfen würden", erläuterte Joe und nippte am Machiato, "würden sie ihre Tarnung verlieren. Anders die Agenten vom Geheimdienst Weltrettung: Die gehen auf im Klopfen. Die klopfen so lange, bis die Zielperson aufgibt und öffnet. Ihre Klopfkultur wird in speziellen Seminaren geübt. Wochenlang lernen diese Spezialagenten nichts anderes, als die vielfältigen Techniken des knöchelschonenden, aber tür- und trommelfellpenetrierenden Knocking. Wenn die Dich aufgeknockt haben, "explizierte Joe mit leuchtenden Augen, "bist Du praktisch schon tot. Logisch, daß auch Gerichtsvollzieher und Gasinkassanten alle Knocker sind. Klingeln: Njet. Töten durch Klingeln wäre unter ihrem Niveau!"
Emterseitig
Falter 26/99
Niemand", klagte mein georgischer Bürokratismusexperte Joe Gamalvalnidze, "interessiert sich für die Nöte und Plagen ämterseitig Verfolgter. Die Verfolger selbst sind ja arme Hunde. Schau Dir nur mal die an", grinste Joe und klopfte meiner Gerichtspsychiaterin auf den Scheitel. "Die schreibt jetzt 10.000mal Ich soll ämterseitig Verfolgte nicht mit üblen Amtsgutachten verfolgen und hat nach der 3.678ten Repetition sage und schreibe schon 864mal emterseitig geschrieben!" "Vielleicht sollte man ihr das sagen", warf ich ein. "Juristisch unklug" dozierte Joe, "ein Vergehen während des Verganges zu stören. Das brächte Unordnung in den Vorgang der Vergehenstätigung. Wer weiß, ob unsere kleine Gutachterin nicht eventuell im Begriffe steht, auch die restlichen 6322 ämterseitig falsch zu schreiben. Wir würden mit unserem Tadeleinwurf das Vergehen unterbrechen, Vergehensausmaß, Tatzeit, und damit auch die Tateinsicht verzerren. Der Strafmitteleinsatz wäre grob fahrlässig unterbrochen, wir ständen juristisch vor dem Abgrund. Linguistische Gutachten müßten feststellen, ob mit dem Schreiben des Wortes emterseitig die Intention der Beschuldigten, ämterseitig zu meinen, eindeutig erkennbar sei." "Und wenn wir sie einfach laufen ließen?" "Vor Zeugen? Mitten imVerfahren?"
Guti Guti, Badi Pitschi
Falter 27/99
Wie die Lemminge…" heißt es, wann immer sich Menschen dem Wahnsinn des eigenen Untergangs widmen. Dabei hinkt der Vergleich, denn die kleinen Nager stürzen sich keineswegs von hohen Meeresklippen. Blöd wären sie. Lemminge schwimmen höchstens durch Flüsse. Und auch das nur, wenn ihnen welche im Weg sind. Der Mythos von den selbstmörderischen Lemmingshorden ließe sich allerdings prima den Bewohnern der Bundeshauptstadt auf den hochsommerlich schwitzenden Leib schneidern. Denn nichts liebt der Wiener mehr, als den Ausbruch einer "Hitz". In unglaublicher Verkennung von Ursache und Wirkung halten Wiener und Wienerin dann das Dünsten im Mittelklassedaihatsu für freizeitwertsteigernd, das Braten unter sengender Sonne für kreislaufberuhigend, und das Garen auf der Campingpritsche für gesundheitsförderlich, um sich dann, eingekremt bis unter die triefenden Irxn und trotzdem hell gerötet vom bösen Ultraviolettstrahl im hüfttiefen Ufergewässer zu löschen. Ein Volk, das dem Wechsel der Unterwäsche im Regelfall nur wöchentlich Tribut zollt! An die Schwermetallbelastung durch falschgoldenen Fußketterln und die Überdüngung des kostbaren Nasses durch die Abbauprodukte von 35 Krügerl im Schatten möchte ich gar nicht denken.
Homo Hood
Falter 28/99
So da, jetzt steht es auch schon im Kurier: Robin Hood, Held der Armen, Beschützer von Waisen und Witwen war eine waldbekannte Tucke! Der Mann aus dem Sherwood Forest soll nicht nur mit Pfeilen immer ins Schwarze getroffen haben, nein auch um gleichgesinnte Schützlinge dürfte er keinen allzugroßen großen Bogen gemacht haben. Darf man genretypische Vermutungen anstellen, werden wohl auch die assoziierten Waldbrüder Schlag von Robins Schlag gewesen sein. Englands Heten sind entsetzt, Robin Hood, der gesetzlose Pfiffikus, ein Camou-Homo! Iiiiiii! Mit einem Quentchen Phantasie ließe sich jetzt andeuten, daß ein gewisser Richard Löwenherz, das mit Liebsein zu Blondl auch nicht ganz so eng gesehen hat. Zu allem geschichtlichen Überdruß wurde der englische König mit dem französischen Zungenschlag in einem Erdberger Szenetreff als Herzbube geoutet und ohne langes Fackeln dingfest gemacht. Ein übertrieben schmucker Ring soll ihn verraten haben. Etwas später verletzte eine gewisse Transgenderperson namens Jean D’Arc die heterosexuellen Benimmvorschriften beträchtlich und wurde noch vor dem Heiligwerden dem Feuer überantwortet. Fehlt nur, daß jemand den legendenumwobenen Wiener Sackpfeifer Augustin als liebestolle Nekrohetel outet!
Rotaxanosis prognostica
Falter 29/99
Dem Gesetz eines prognostischen Pfiffikus zufolge werden die Chippen in unseren Computern immer schneller und nicht nur das: Sie werden auch immer kleiner. Bald werden sie so fuzziklein sein – so daß Gesetz von Pfiffikus, daß wir auf herkömmliche Siliziumtechnologie husten werden, weil die nämlich an ihre Grenzen gestossen sein wird. In 5o Jahren wird es so weit sein. Ganz schön bald! Höchstes Zwölfeläuten also, daß sich andere Pfiffikusse flugs was zum Thema "immer kleiner und immer schneller" ausdenken. Und dieses andere ist jetzt da. Rotaxane heißen die kleinen Moleküle. Sie sehen aus wie Serviettenringe, die auf einem, an beiden Enden verknoteten Tau aufgefädelt sind. Ja wenn man sie vor lauter Kleinheit überhaupt sehen könnte! Da es aber gerade um diese Kleinheit geht, jubeln die Pfiffikusse, denn die Miniserviettenringe lassen sich hundert Milliardenmal schneller hin- und herschieben als die Informationen auf Siliziumchips. Pfow! Die ganze Nationalbibliothek auf einer Stempelmarke! Die Kongreßbibliothek in einer Kugelschreibermine! Mir würde es allerdings schon genügen, wenn mein Computer nur halb so oft abstürzen würde. Von der Aussicht auf hundert Milliarden mal weniger Systemabstürze kann ich ja weiter träumen.
TeleBeast
Falter 30/99
Von den den vielen Methoden, Zeit sinnlos zu verludern, ist Fernsehen wohl eine der gebräuchlichsten. Die Steigerung des Verluderns von Zeit durch Fernsehen ist Fernlesen. Fernlesen, das Blättern in Teletexten. Teletextblättern ist der Granatapfel unter den Früchten der Sinnlosigkeit Dabei ist Teletextlesen garnicht so einfach! Bei mir hat es immerhin knappe zwei Jahre gedauert, bis ich überzuckert habe, daß das kleine Fernbedienungsknöpfchen mit der Aufschrift TV/TXT meinen Bildschirm dazu veranlaßt, in den Teletextmodus zu wechseln. Weitere sieben Monate habe ich damit verbracht, in diesem Knopf auch die Möglichkeit zum Rückschalten in den Fernsehbildmodus zu entdecken und erst seit kurzem gelingt es mir, mit zwei weiteren Tasten den großen Jongleurakt zu vollbringen: Das Zappen im Teletextseitenwald! Von der ORF-Seite 107 (ShowBiz) sind es übrigens nur 559 kurzweilige Druckvorgänge bis zur Seite 666 (inoffiziell "TheBeast" genannt) auf der, wie für einen katholischen Sender nicht anders zu erwarten, ein schwarzer Bildschirm lauert! Teuflisches Teletextfernsehen! Der Ossi-Sender MDR hext auf Seite 666 übrigens mit dem dämonischen "Verbrauchertip: Alkohol für Kinder!". Auch Pro7 macht auf 666 klar, was für sie des Teufels ist: "Polnische Frauen live".
Zaster, aber flott!
Falter 31/99
Billieboy Gates hat jetzt verkünden lassen, er gedenke seinen Zaster in eine Stiftung einzubringen. Damit sei endlich Schluß mit den bösen Anfeindungen, die sein Sohn auf Grund seines Reichtums ausgesetzt sei, (kicher) verkündete Billies Daddy. Immer sei gestichelt worden, meinte William Gates sen., der Stiftungsgründungsverkündigungssprecher des Zwergenweichreiches. (Wie harmlos sich Microsoft-Imperium in dieser Übersetzung anhört!) Ich bin schon sehr gespannt, was in den Stiftungsstrategiepapieren der Billieboy Gates-Stiftung steht. Ich habe nämlich gestern eine Elektromaildepesche an die Strategiepapierabteilung der Billieboy Gates-Stiftung getippt, in der ich sinngemäß die Idee ventiliert habe, eine "Comandantina Dusilova-Förderungsabteilung" stünde der Foundation bestens zu Gesicht. Foundationen hätten doch stets mit quellen zu tun, formulierte ich hinterhältig, und Quellen strebten doch geradezu danach, sich in vorlaut hingehaltene Gefäße zu ergießen. Wenn da bloß Billiedad nicht Lunte riecht! Ich würde nämlich (hihi) den in meinen Förderbecher gequollenen Förderzaster sofort in eine neue Faundäschn gießen. und dann, ja erst dann würde ich vom süßen Nektar des Zwergenweichreichtums naschen. Irgendwo auf Kuba, wohin ich nämlich Billies Knete spendete.
Die rasende Nacht
Falter 32/99
Mittwoch dieser Woche wird es so weit gewesen sein: Es wird ordentlich eklipst haben. Und alldiejenigen, die Aufenthalts im exklusiven Streifen sonnenfinsterer Totalität gewesen sein werden, werden nicht ablassen, sich auf ewig, zumindest aber die nächsten 80 Jahre lang zu rühmen, dabeigewesen zu sein. Es wird einmal als ungeheuer schick gelten, mit lächerlichen Pappbrillen auf der Nase auf den Vorbeiflug des Mondschattens gewartet zu haben, so wie es ja auch nicht ganz von Pappe ist, wenn sich jemand rühmt, es sich in Woodstock ordentlich besorgt zu haben, oder zumindest irgendsowas in dieser Qualität. Wir werden die Generation der finsteren Sonne sein, so wie bestimmte Anteile der Population Alt68er sind oder Vormärzler oder Vietnamveteranen. Wir werden die Ekliptiker sein, die Kinder der rasenden Nacht, die Leute, die dabei waren, als das Schwanengeschnatter verstummte in Gmunden und der Mittag verrückt spielte über den Wetterhähnen von Kapfenberg. Was für ein Glück! Glück ist nämlich, dem Seltenen zu begegnen. Beziehungsweise, dem Seltenen nachzufahren. Etwa mit dem Rad dem Wiener Fiaker mit der Nummer F13. Der Fiaker F13 nämlich hat Scheibenbremsen hinten. Und sowas Seltenem nachzufahren ist noch viel seltener als eine dahergelaufene Eklipse.
Beschreibliches
Falter 33/99
Mittwoch letzter Woche war es also soweit: Comandantina saß in einem Doppeldeckerbus und ließ sich ins fashionableste Spa des Burgenlands entführen, in das, locker zwischen die Maisfelder Westungarns gestreute Bad Tatzmannsdorf. Lokalberichterstatterpäärchen, Mitglieder diverser Optikercircles und der unbezahlbar schrullige Himmelspfadfinder Professor Mucke erlebten dort das Unbeschreibliche, das tatsächlich so unwiederbringlich unglaublich war, daß an dieser Stelle sicher nicht einer der vielen unzufriedenstellende Versuche unternommen wird, es auch nur zu umschreiben. Nur soviel sei gesagt: Es war unbeschreiblich. Die Rückfahrt war beschreiblich, sie war voll stiller Momente des Zuhörens. Ich weiß jetzt, was die nicht alleinstehende Mutter eines schielenden Kindergartenbesuchers vom nicht alleinstehenden Vater eines, mit einer halben Dioptrie doch leicht an der Kaimauer zur Fehlsichtigkeit schrammenden Kindes über die Sehbehelfe ihrer Sprösslinge austauschten. Und von den Problemen der Chefredakteursstellvertreterin des Bipamagazins weiß ich jetzt nahezu unglaublich viel aus unmitelbarer Hörweite. Wie sich der Sommerhusten nichtalleinstehender Mütter anfühlt, weiß ich inzwischen auch, denn ich habe mir einen solchen eingefangen.
Ha Tschii e impossibile
Falter 34/99
Umberto Eco, der letzte Universalgelehrte dieses Planeten könnte sich getrost ein Scheibchen von mir abschneiden. Denn während sich der struppige Philosoph, bis zum Scheitel unbestritten und von metaphysischem Allwissen durchdrungen, denksatt aus dem Balkon seines mediävistischen Elfenbeintürmchens lehnt, um an Alltäglichem herumzumäkeln, muß Comandantina ihr täglich Brot mit dem Lösen wirklicher Problemen erwirken. Längst bersten die Regale von Predigten für und wider den Globalsimus, über dritte und vierte Wege, neoliberalistische Gefahrenhorizonte und anderem machiavellistischen Käse. Niemand jedoch, und schon gar nicht der arrivierte Sack aus dem Land der Zitronenblüte, nimmt sich das Quentchen Mühe, neue Nadeln im Heuhaufen zu verstecken. Oder besorgt die Steine, die unter den steten Tropfen zu liegen kommen. Alle Welt schreit sich die Kehlen nebelig nach neuen Erkenntnissen, aber keiner, schon gar nicht Umberto kümmern die vielen kleinen falschen Töne. Die Falschheit im Ha-tschii etwa, dem Lautbild spontanen Niessens. Hat sich schon jemand überlegt, daß es Ha-tschii gar nicht geben kann? Weil nämlich sowohl Ha als auch Tschii ausatmende Silben sind? Und dass deswegen alle Welt richtigerweise mit Ah-Tschii niesst?.
Über die Selbstbindys
Falter 35/99
Letzte Woche erreichte mich ein Billet meines treuen Weggefährten Hermes Phettberg in dem er mich ermahnte, wir wollten doch festhalten, daß ER der beste Selbstbinder sei. Da hat er natürlich recht, wenngleich ich ursprünglich anstand, völlig anderes zu behaupten. Sinngemäß etwa, Dorsi Knechts Fernsehzwitscherei wäre das eigenste an Krawattenschreiberei, geschlagen allein von den kolumnistischen Idiodyskrasien des Herbert Hufnagl. Wenn ich Hermes nun richtig verstehe, und darin fände sich nicht einmal der Keim eines Zweifels, dann legt uns Hermes nichts anderes zu wissen auf, als daß ER tatsächlich der Herr jeglicher Selbstbindung ist, der schriftgewordenen wie der fleischgewordenen. Hermes IST gekettet, Hermes IST gebunden, Hermes IST gefesselt. Hermes Phettberg, Imperator Augustus der Selbstunterjochung, Zeugnis der Unlüge: Bovum esse solus licet Jovi. In der kleinsten Zehe kauernd thront der König der Selbstbindys unangefochten über sämtliche Fernsehzwitschys und Alltagsbeschreibys. Über die Protagonisten der Durchschnitlichkeit, deren Speerspitze Umberto Eco uns stets aufs Neue mit saturiertem Gebrabbel ermüdet, ist Hermes erhaben wie die Farbe über das Grau, die Wahrheit über die Erfindung, die Stille über den Lärm.
Es gibt auch Rückbindys
Falter 36/99
Letzte Woche erreichte mich wieder eine Depesche des elendigsten aller Elenden, Hermes Phettberg, in welcher er mit mir darin übereinzukommen vorschlug, daß Religion Rückbindung sei. Eine Erkenntnis, die mir jedes Kruzifix aufs trefflichste illustriert. Über Jesu Angenageltheit Witze zu reissen, ist nun einerseits nicht mein Spezialthema und schlittert andererseits schon bedenklich auf dem dünnen Eise der Verunglimpfung von relgiösen Gefühlen. (By the way: Kann man eigentlich Gefühle auch verglimpfen?) Hiermit stehe ich probeweise nicht an, jegliches Gefühl der Rückgebundenheit zu verglimpfen: Schwestys und Brüdys, Elendige und Elende, laßt uns einig sein im Verglimpfen! Nun bezieht sich aber der religiöse Hermes schnürtechnisch auf die Deutung des Verbs religere, während meine etymologischen Forschungen sich mehr auf die Tätigkeit des relegere fokussieren, welches nach "den Alten", wie Stowasser weiß, die Wurzel der religio sei, dem, neben den bekannten und gebräuchlichen auch die occulte Bedeutung der abergläubischen Besorgnis innewohnt. Und hier sind wir eins mit dem hermetischen Ansatz, aus der kleinen Zehe ein ganzes Phettbergy zu regieren: Aus der abergläubischen Besorgnis, in den ganzen Phettberg hinaufzurutschen rückbindet sich Hermes ständig neu.
Wenn Zucker rieselt
Falter 37/99
Zucker, so heißt es doch gerne, Zucker macht das Leben süß. Der Zucker, der in meiner Vorratskammer lagert, ist zwar süß, aber er macht mir das Leben schwer. Denn dem Zucker, so wie ich ihn kaufe, mangelt es an Disziplin. Der Zucker von dem diese Kolumne handelt, ist "Wiener Zucker" der Sorte "Feinkristall". Und das muss so sein, weil es einfach prolo ist, "Normalkristall" in oberitalienische Zuckerstreuer einzufüllen. Einen Bugatti betankten wir ja auch nicht mit Diesel! Zum Nachteil gereicht meinem Wiener Feinkristallzucker allerdings, daß er seine Rieselfreudigkeit unter anderem dadurch unter Beweis zu stellen trachtet, daß er bei jeder (wirklich jeder) Gelegenheit aus dem Gebinde rieselt. (Die Papiersäcke, in dem Wiener Zucker verkauft wird, sind nämlich nach spartanischen Grundsätzen verleimt.) Nun gibt es für Neurotikerinnen wie mich nichts Schlimmeres, als der Geräusch, das rieselfreudige Feinkristalle beim Drübergehen machen. Nicht auszudenken, was Wiener Feinkristall auf Bugattigaspedalen anrichten könnte! Abgesehen von diesen Unbillen der Verpackung stellt sich mir manchmal die Frage, ob wir hier in der Provinz auch einmal anderen Zucker bekommen könnten! Vielleicht einmal Feinkristall aus Bologna! Oder aus Mailand! Oder gar aus Turin!
Horrorpüppchen
Falter 38/99
Die Pilgramgasse ist eine internationale Gegend. An der Ecke, die ihre Existenz dem Einmünden der Pilgramgasse in die Rechte Wienzeile verdankt, befindet sich eine Haltestelle der, weit über ihre Streckenverläufe bekannten Nahverkehrsverbindungen 12- und 13A. Eine geophysikalische Unregelmässigkeit hat diesen Ort schwerkraftmässig solcherart herausgefordert, daß an besagter Ecke eine Absenkung von Strasse und Gehsteigkante stattfand. Nicht ohne bitterste Ironie heisst der, hier in gefährlicher Schräglage landende Bus deshalb Margarethner Mörder. Friedlich an dieser Ecke stehende wannabe-passengers riskieren dort, von abstehenden Busrückspiegeln aufs Schwerste verletzt zu werden. Weil ein Unglück aber selten ohne ein zweites einhergehen mag, hat sich in allernächster Nähe dieses Gefahrenortes ein Eisgeschäft beheimatet, das sich, um für die Qualität seiner Eise zu werben, ein Einrad fahrendes Stoffpüppchen ausgedacht hat. Mit einer riesenhaften rosa Brille und einem Wagenrad grossen Strohhut strampelt dieser ekelhafte Kerl tagein, tagaus mit unergründlicher Koboldhaftigkeit auf der Stelle. Ein Zappelphillip des Grauens! Erfinder und Schausteller dieser kinetischen Horrorplastik mögen mit Baron Frankenstein in Madame Tussauds Kabinett eine Vitrine teilen!
Busfahrer i. s. G!
Falter 39/99
Gitarrenhändler, ihr seid Schweine!“ sang die norddeutsche Elektrocombo Tocotronic einst. Damit hatten sie verdammt recht, was jeder bestätigen wird, der je auf der Kundenseite eines Gitarrenhändlerverkaufstresen gestanden hat. Nicht einmal im kinderfeindlichsten Zuckerlgeschäft wird der Spruch, demnach der Kunde Königin sei, so rüde ins Gegenteil verkehrt, wie in Geschäften, die sich mit dem Verkauf von Gitarren beschäftigen. Gitarrenhändler sind die Schlimmsten. Die Schlimmsten? Halt. Eine Berufsgruppe schlägt die Gitarrenhändler an porkness, und das sind die Busfahrer. Ja die Busfahrer. Die schnurrbärtigen Kerle, die uns mit saftigem Grinsen vor der Nase davonfahren, nur weil die Ampel in der Busspur gerade auf hellgrün schaltet. Die rüden Spiegelbrillenmachos, die so gerne durch Innenstadtlacken pressen, weil es ganz schön was hermacht, Radfahrer, Kinderwagendriver und anderes unmotorisiertes Gesocks mit verdünnter Fiakerpferdescheisse zu bespritzen. Die Goldketterljimmys, die nur dann gerne bremsen, wenn Omi grad das Wechselgeld für den Fahrscheinautomaten aus dem Börsl fingert, und sich deswegen nicht anhalten kann. Busfahrer sind das Letzte. Busfahrer ich warne Euch! Bald schon könnte ein Song heissen: Busfahrer, ihr seid Gitarrenhändler!
Plattendebatte
Falter 40/99
Ich wohne in einem Plattenbau. Plattenbaue sind nämlich cool zum drinnen wohnen. Unglaublich, was da so alles mitschwingt, wenn du in einem Plattenbau wohnst! Der Ikea-Luster zum Beispiel, der pendelt ganz schön foucault’sch, wenn der Mieter über mir zu Hause sich an seiner Plattensammlung mit Technikmusik und Love-Parade-Bumbum tothört. In Plattenbauten, wie dem, den ich bewohne, schwingt aber auch Erinnerung mit. Etwa an den Plattensee 1989, als Urlaub dort noch etwas bedeutete in den Plattenbauen. Als Völker noch aus dem Inneren von Glaspalästen regiert wurde und nicht aus Bierzelten. Als die Völker unserer östlichen Nachbarländer noch nicht in der üblen Nachrede standen, die Umvolkung unserer lendenschwachen Bevölkerung voranzutreiben. Hach, und jetzt? Jetzt soll alles anders werden? Wo doch eh schon alles anders ist? Kein Stein soll auf dem anderen bleiben? Auch in meinem Plattenbau nicht? Die Klänge balinerischer Freizeitjestaltung sollen meinen Klappluster nicht mehr zum schwingen bringen? Die Klänge anatolischen Liebesgedudels aus der Plattensiedlung gegenüber nicht mehr an die Glasplatten meiner Einbaufenster kitzeln? Und Comandantina Dusilova? Wird sie Kassiber aus der Rückvolkungshaft schreiben müssen? Soll sich das Platt wirklich wenden?
Snail Mail
Falter 41/99
Snail mail, Schneckenpost nennen die Anglophonen das Übermitteln gegenständlicher Poststücke. Briefe, Postkarten und Pakete: Die kommen mit der Post (ausgesprochen: Bosd). Ganz selten werden auch andere Dinge mit der Bosd transportiert, urwichtige Dinge wie Wahlkarten nämlich. Zehn Tage liegt Österreich nun schon im Wahlergebniskoma, nur weil ausgefüllte Wahlkarten mit der Bosd verschickt werden. Nun mag es ja einleuchten, daß, sagen wir einmal, das Ergebnis des Wahlkartenausfüllvorgangs eines Auslandsösterreichers im fernen Kasachstan nicht so mirnixdirnix gleich am nächsten Moontag auf den Auszählungstischen der Wahlbehörde im Innenministerium einlangen kann. Die Bosd kann ja nicht hudeln! Überhaupt das Hudeln! Vom Hudeln kommen höchstens die Kinder, außer im Südburgenland, dort kommen die Kinder vom Uhudler. (Ein Seitengedanke: Mag es an diesen Zusammenhängen liegen, daß wir in der Bosd soviele alte Gesichter sehen? Außer vielleicht in Güssing, wo zumindest geuhudelt wird im Bohsdamd.) Aber weiter im ursprünglichen Text: Es ist beruhigend zu wissen, daß nicht nur kleine Mäuse wie ich bisweilen sehnsüchtig auf Post warten, sondern auch große, wie die Parteichefs von stimmenschwachen bürgerlichen Parteien.
Zahl, Hendi!
Falter 42/99
Jetzt ist es passiert. Das Unwahrscheinliche. Das Unglaubliche. Das. Unausweichliche. Ich habe ein Handy (man sagt: Hendi) gewonnen. Ich habe ein News (man sagt Niuhs) gekauft, aus beruflichen Gründen, und – nur so mal aus Spaß – an einem Glücks-Hunderter gerubbelt. (Dort, wo normalen Magazinen das Cover anfängt, fängt bei Njuhsen bekanntlich die Flappe an. Und dort wo bei normalen Njuhsen die Flappe anfängt, fing diesmal ein Glücks-Hunderter an. Und der Glückshunderter empfahl gierig: „Hier Rubbeln“. Und dort wo bei normalen Hundertern der Slogan Österreichische Nationalbank steht, war mein Njuhs-Hunderter silbern bedruckt! Hmm, dachte ich: Hier Rubbeln mit Rechtspfeil und da silbernes Feld! Also rubbelte ich das Silber weg und die „Zahl“ AD61292L erschien. Dann passierte lange nichts. Aber die „Zahl“ arbeitete in mir und mein subconsious mind ließ nicht locker, das ganze Njuhs zu lesen. Und so erfuhr ich, daß mir das Schicksal hold sei und mir ein „Handy C25“ zudächte. Obwohl ich gar kein Hendi C25 brauche! Mein lieber Freund Om hingegen war von meinem Glück hingerissen und weil Katmandesische Wettergötter für Blödsinn jeder Art jederzeit zu haben sind, hat Om sofort den Hendigewinnschein ausgefüllt und an Njuhs geschickt. Mal sehen.
Scheßoktobe
Falter 43/99
Om Dhom Khom, der schrullige Wettergott mit den seltsamen Bekannten und dem hysterischen Faible für Satsumas hat diese Woche schon wieder ein News-Handy gewonnen. Om, der unbesiegte Meister im Schwimmen gegen die reissenden Ströme des Zufalls hatte wieder gerubbelt. Und wieder gewonnen. Zwei Handys (man sagt Hendies) kann aber selbst eine hochrangige Glücksfigur vom Formate Oms nicht wirklich brauchen. Also gab der „primus inter pares wettermachenses“ – wie ihn der Rektor der Universität Paderborn in einer meteorologischen Jubelschrift jüngst etwas gespreizt titulierte – Anweisung, das Handy an Bedürftige zu „vesenken“. Ob das rechtens sei, wollte Om wissen, und wedelte dabei illustrativ mit dem Rubbelgewinhunderter mit der „Zahl“ BB14611N. (Ob man ein errubbeltes Handy jemand anderem unterjubeln könne, der es vielleicht noch weniger brauchen könne, als man selbst, war der Subtext der Frage). Klar könne man das, meinte ich spitzmündig, sowas geschehe oft. Die ganze Telekommunikationsbranche arbeute mit lauteren Tricks dieser Art. Om verstand sofort, wie ich das meinte. Sein meteorologisches Bureau kenne diese Technik seit Jahrzehnten, gab er zu: „Ene Hebst mit Kanten“ klänge doch besser als: „Scheßoktobe…“
Traumhafte Entwicklung
Falter 44/99
Träume sind etwas sehr sehr seltsames. Sie sind meist gespenstisch real, obwohl ihre Inhalte stets gespenstisch irreal sind. Ich vermute: Träume sind die wirklichere Wirklichkeit. Sie sind nicht das Seiende, sondern die Wirklichkeit. Das, was was wirkt, nicht das, was ist. Gestern träumte mir, alle Polizisten trügen neuerdings Armbinden mit draufgemalten Hakenkreuzen. Ich fuhr mit meinem Rad die Rotenturmstrasse hinunter und wurde an einer Strassensperre aufgehalten. (Etwa dort, wo die Rotenturmstrasse in das Immaginat Schwedenplatz mündet). Aber diese Polizisten waren keine Nazis. Sie waren bloss Polizisten, die sich Hakenkreuzschleifen umgebunden hatten. Selbergemachte, keine aus dem Uniformgeschäft. Verwirrt fragte ich den einen Polizisten, (den mit dem blonderen Schnurrbart), wieso er plötzlich eine schwarze Uniform mit Hakenkreuzbinde trage, wo doch sowas gar nicht erlaubt sei, weil… „Steings von inan Radl owa, sunst hob I eana“, drohte der Polizist und klopfte mit einem baseballschlägerdicken Rohrstaberl auf meine Stirn, „ und wos mochn sie eingtlich in mein Traum?“ „In ihrem Traum? “ gab ich verdattert zurück.“ „Net bled matschkern, zerscht mid an schas Radl daherkumman, und donn deppat mödn, mir san olle Natsi?“ Wessen Traum war das jetzt?
Kreative Christmasnacht
Falter 45/99
Werbefuzzis haben es nicht leicht. Einerseits müssen sie sich täglich mit den Randerscheinungen des Phänomens Kreativität auseinandersetzen, andererseits sollen sich diese, von geizigen Auftraggebern und teuren Designer geschundenen Kreaturen auch noch in die Streckbank des gesellschaftlichen Konsens legen. Eine dieser virtuellen Foltermaschinen ist die, mit dem Vormarsch angloamerikanischer Vorabendserien fast schon ewig gewordene Frage: „Weihnachtsmann oder Christkind?“ Weil in dieser Frage selbstverständlich nur Vermutungen kursieren – seriöse Meinungsforschung beschäftigt sich ja eher mit Fragen wie „würden sie Haider auch wählen, wenn er schwul wäre, und nicht nur Morgen Sonntag?“ – greifen Werbefuzzis immer öfter in die schmutzige Trickkiste der Insinnuierung. Nicht immer, aber immer öfter. Durch die Hintertüre des fait accompli kommen plötzlich Santa Clausens Rentiere in unsere gute Stube. Sowas rentiert sich. Schon aus semantischen Gründen. Onomasiologische Verwirrtheiten wie die Tatsache, dass Santa Claus (bei uns) unmöglich mit Renen daherkommen kann, weil er als Nikolo schon fix mit dem Krampus zusammen ist, werden dieses Jahr erstmals ignoriert. „Happy Advent!“, wie wir Kreativen sagen.
Serious Zeros
Falter 46/99
"Ja, nu måste jag berätta något", wie wir Schwedinnen sagen. In weisspelzigen Siebenmeilen-Moonboots schreitet dieses Jahrtausend ihrem wohlverdienten Ende entgegen. Auch wenn verbissene Tüftler mit dickem Historikerschaum vor dem Mund nicht müde werden, zu betonen, daß das Jahrtausend „genaugenommen“ erst am 31.12. 2000 zu Ende gehe: Leute! Schlagartig springen gleich drei Ziffern im Datum auf Zero! That’s all the fuzz about, nicht langweilige Diskussionen um das nichtexistieren eines Jahres „Null“ und anderer datumklauberischer Unsinn! 2000 ist 2000 und das ist gut so. Weniger struktive Gedanken wurden bislang gewälzt, wie wir denn die, zeitgeich neu mitanfangende Dekade nennen sollen. Ich erinnere daran, daß es common ubereinstimming darüber gibt, Dekaden mit zündenden Slogans zu markieren. Die goldenen Zwanzigerjahre! Wer kennt sie nicht? Oder die swinging sixties! Und erst die roaring seventies! Und nicht zuletzt unser gerade vergehendes Dekädche: Die MS-Nineties, dazed, confused und vergatesed. Grosse Panik besteht nun, wie wir die, mit Neujahr 2000 anbrechende Dekade nennen sollen. Die zauberhaften Zweitausender? Det luktar illa, wie wir Schwedinnenn sagen, The Zeros werden die heissen. Ganz einfach.
Weihtukäi
Falter 47/99
Alleine das Wort ist grauenhaft. Wort? Die Floskel, ach was, die Kürzel, die aussieht, als hätten die Kreuze des Union-Jack einen halbgefrorenen Aal verschluckt. Y2K, was so viel, beziehungsweise so wenig bedeutet wie Jahr 2 Kilo, entstammt bizarerweise einem Kuturkreis, der ebenso hartnäckig wie erfolgreich in Füssen, Unzen, Gallonen und Zoll rechnet, dass es auch schon vorkommen kann, dass eine Marssonde alleine deswegen ihr Ziel vergfehlt, weil die eine Ingenieurpartie im metrischen System rechnete und die andere in miles, inches und quarterpounds per fortnight. Mit Y2K, ausgesprochen Weihtukäi bezeichnen die Anglophonen alles, was auch nur im Entferntesten damit zusammenhängt, dass sparsame Programmierzeilen-Verfasser Programmierzeilen solcherart einsparten, daß sie Jahreszahlen um die ersten beiden Ziffern erleichterten. Wegen dieses, auch Millenium-Bug genannten Jahrtausendproblems soll ich jetzt Haltbarsalami bunkern, meinen Toaster, mein Bügeleisen und meinen Föhn zum Festplatten-Checkup bringen und Notfalloperationen in den Frühling verlegen? Von mir aus! Aber bitte verschont mich mit Josef „Computer-Experte“ Broukals Mahnefinger! Meine Zahlenprofetin ist kein Y2K-kranker Pehzeh! Sondern ein pumperlgesunder Mac.
Sörpita
Falter 48/99
Der Mann hat meine vollste Unterstützung. Erstens pocht in ihm ein ebenso grosses wie heimatloses russiches Herz, dann ist der Großmeister der Avunkulistik polydilettantisch genial und liebedient zudem dem Zelluloidepos. Peter Ustinov gehört mit dem Hannibal der Violinistik Yehudl Menuhin zu den wenigen, von QE2 aristokratisierten Briten, die ihr „Sir“ nicht mit zweifelhafter Operettenmusik oder geriatrischer Wirtschaftspolitik verdient haben. In nichts hingegen gleicht mir Sir Peter Ustinov. Ich bin wesentlich jünger und hübscher, bekomme mehr Geld für meine Kolumnen und habe noch nie ein Autogramm gegeben, geschweige denn eine Gala geworfen – aber eines eint uns so Diverse: Wir können Bücher nicht zu Ende lesen. Und wir geben das auch noch zu. „Ach, Sir Peter, wenn sie wüßten, wie sehr sie mir helfen, in dieser Welt der…„ schrieb ich unlängst in mein turquoises Tagebuch, „ dieser Welt der Bücherzuendeleser!“. Ein kleines Tröpfchen Meer tränte aus meinen Augenwinkeln und löschte die Buchstabenkombination zuendel im Wort Bücherzuendeleser. (Sir Peter gilt als grosser Feind der Zündler! Nero spielte er nur, um vor Brandstiftern zu warnen!) Sir Peter und die Comandantina werden demnächst Listen ihrer angelesenen Bücher austauschen.
Banana y Enzian
Falter 49/99
Ich bin eine große Freundin lebender Pflanzen. Nicht enden wollendes Glück durchströmt mich, wenn mein kleines Küchengärtlein mich schon beim Aufschließen der Eingangstüre mit einem würzigen „¡hola, comandantina, qué pasa!“ entgegenduftet. Salbian und Thymel, Oregany und Basilica: Wie auch immer sie sich nennen mögen, ich schätze meine Freunde aus dem Reich der herben Äther, Wenngleich ich Bananen nicht so gerne hab, wie das von Josephine Baker kolportiert wird, so liebe ich doch die Bananenstaude in einem Ausmaß, das dem Lateinamerikatouristen Friedrich Humboldt gewiß imponiert hätte. Bananenstauden haben nämlich was ungeheuer kraftvolles, sie haben mehr Saft in den Stengeln als Hermann Maier Schmalz in den Schenkeln. Ungleich zarter und blauer hingegen sind die Produkte, die meine zweite Lieblingspflanze, der almbodenständige Enzian hervorbringt. Aber oho! Tropen und Alpen sind doch ein ungleiches paar Bewässerungsschuhe! Wann immer es meinem Enzianbuschen „Mausi“ prächtig geht, läßt Bananenbaum „Herbert“ braune Flecken am Blätterkragen sehen. Und wenn Enzian „Mausi“ die ultramarinen Becher verkneift, schießt neuer Saft in „Herberts“ Stiele. Es ist eine komlizierte Welt!
Movimento Paul Auster
Falter 50/99
Zum Beispiel ist es sehr schwer, Paul Auster zu treffen“, schrieb die Musikjournalistin Doris Knecht einmal in der Einleitung zu einem Interview, in dem es im wesentlichen darum ging, wie einfach es im Grunde ist, Paul Auster zu treffen. Zum Beispiel ist es ungleich schwerer, andere Artikel zu finden, die mit „Zum Beispiel ist es sehr schwer, Paul Auster zu treffen“ beginnen. Diesem Übelstand soll nun abgeholfen werden! Diese Kolumne steht ganz im Dienste des „Movimento Paul Auster“, derAufgabe nämlich, dieser formidablen Intervieweinleitung jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdient. Kollegen im In- und Ausland solidarisieren sich mit der Bewegung „Beginne Dein Werk mit dem Zum-Beispiel-ist-es-sehr-schwer,-Paul-Auster-zu-treffen-Satz“. Zusagen von Susan Sontag, Art Buchwald, Amila Bettencourt, Max Goldt und Jan Morris, sich dem Movimento anzuschließen, liegen vor. Umberto Eco, Schriftsteller, Weltendeuter und der letzte Univeralgelehrte von altem Schrot und Korn feilt an einer L’Espresso-Kolumne, die sich ganz dem Thema widmen wird. Auch Paul Auster selbst hat eingeschwenkt und möchte seine Manhattan-Trilogie „Bagel, Burger, Babes“ unbedingt mit dem legendären Zitat beginnen.
Eine Bank für Hermes!
Falter 51/99
Politiker mögen zu Hermes stehen wie sie wollen, aber der Mann hat ein Anrecht auf gutes Sitzen. Jede kleine Volksbank in jedem noch so kleinen Kuhnest leistet sich den Luxus, an Luft- und Aussichtskurorten holzbeplankte Bankerl aufzustellen, und bei uns soll sowas nicht gehen? Bei uns soll möglich sein, das 20te Fin de Siècle als Klimtleer und Freudlos zu bejammern, wie sich das der Krone-Kolumnist Georg Markus in einem profil-Essay jüngst gestattete, nicht hingegen, dem Titanen der Befindlichkeit, dem großen Hermes Phettberg, zu Analyse- und Verweilezwecken ein einziges, ein kleines Grabenbankerl aufzustellen? Was für eine Weltstadt ist das, in der den Besten nicht einmal mehr das gute Sitzen erlaubt ist? Ich fordere sie hiermit auf, Herr Bürgermeister Häupl, eine Sitzbank für Herrn Hermes Phettberg aufstellen zu lassen! Von stabiler Konstruktion möge sie sein, wetterfest und mit Planken aus strammen Stämmen belegt. Eine Plakette mögen sie darauf anbringen lassen mit dem Spruch: „Hier sitzt stets Hermes Phettberg.“ Wenn Hermes schon Pech mit den Banken hat, so sei ihm doch zumindest auf den Bänken ein wenig Glück bereitet! Die Fernsehanstalten dises Landes fordere ich auf: Weg mit den kranken Brüdern! Eine Show für Hermes! Der ist krank genug!