Die Geschichte von Wayne Rogers

 

Die Gedankenfreiheit ist ein Recht, das viele Menschen für selbstverständlich erachten. Es gibt viele Menschen, die glauben, sie besitzen Gedankenfreiheit, sie täuschen sich aber. Einer davon war ich. Mein Name ist Wayne Rogers. Ich wuchs in einer Religion auf, die unter dem Namen Zeugen Jehovas bekannt ist und von der Wachtturm-Gesellschaft regiert wird. Während ich mich niedersetze und meine Geschichte aufzuschreiben beginne, habe ich noch einige Passagen aus dem Wachtturm vom 22. Februar 1999 des Erwachet! im Ohr. Darin sind einige sehr kraftvolle Statements zugunsten der Freiheit des Denkens und ungehinderter Nachforschung zu finden. Beachte zum Beispiel die folgenden Zitate:

Francis Bacon, ein englischer Philosoph, Essayist, Jurist und Staatsmann des 17. Jahrhunderts, riet Wahrheitssuchern, „zu prüfen und nachzudenken“. Und Thomas Jefferson, einer der ersten US-Präsidenten sagte: „Vernunft und ungehindertes Forschen sind die einzigen wirksamen Mittel gegen den Irrtum .... Sie sind die natürlichen Feinde des Irrtums.“ Wer also ehrlich nach der Wahrheit sucht, sieht sich veranlasst, „zu prüfen und nachzudenken“, und ist um „Vernunft und ungehindertes Forschen“ bemüht.
Warum diese Vorgehensweise unerlässlich ist, erklärte der britische Wissenschaftler, Sir Hermann Bondi wie folgt: „Da allenfalls  e i n  Glaube wahr sein kann, muss man folgern, dass der Mensch auf dem Gebiet der geoffenbarten Religion sehr leicht geneigt ist, fest und aufrichtig an etwas Unwahres zu glauben. Man sollte meinen, diese offensichtliche Tatsache würde eine gewisse Demut erzeugen, die Überlegung, dass ein Irrtum denkbar ist, ungeachtet wie tief der eigene Glaube ist.“

Wayne RogersTraurigerweise sagt mir meine Erfahrung, dass diese noblen Ideale zwar ein Lippenbekenntnis darstellen, dass aber den Mitgliedern der Zeugen Jehovas ungehindertes Forschen versagt bleibt.

Seit 1966 bin ich als Sohn eines Ältesten als Zeuge Jehovas erzogen worden. Ich war mein ganzes Leben lang überzeugt, dass ich in Gottes Organisation war, in der es wahre Freiheit in Christus und brüderliche Liebe gab. Ich ließ mich 1983 während eines internationalen Kongresses im Kolosseum in Oakland taufen, heiratete 1987 eine Mitgläubige und strebte danach, mich in unserer Ehe von biblischen Grundsätzen leiten zu lassen. Ich diente als Dienstamtgehilfe in der Versammlung Highland Oaks/Pleasanton und führte zur Unterstützung des Predigtwerkes der Wachtturms gelegentlich den Hilfspionierdienst durch.

Durch die Jahre hindurch begann ich langsam eine von der offiziellen Lehre abweichende Einstellung zu Bluttransfusionen zu entwickeln. Viele Ergebnisse biblischer Nachforschungsarbeiten und persönliche Erlebnisse formten meinen Stanpunkt. Sudien bibelerklärender Schriften, wie dem Buch "der größte Mensch" hinterließen bei mir einen großen Eindruck über den Gegensatz zwischen der Liebe Jesu zu den Menschen und wie die religiösen Führer der damaligen Zeit die Menschen zur strikten Einhaltung ihrer Regeln nach den Buchstaben des Gesetzes zwangen. Mir fiel auf, wie Christus es sehr zum Missfallen der Pharisäer billigte, bestimmte Einschränkungen des mosaischen Gesetze außer acht zu lassen, wenn zu der Zeit Leben oder Leid eines Menschen auf dem Spiel stand. Ich bemerkte, dass selbst das von Gott eingeführte mosaische Gesetz bestimmte Ausnahmen zuließ, um nicht das Leben oder das Wohlergehen der Anhänger in Gefahr zu bringen. Zum Beispiel führt das Einsichten-Buch in Bezug auf das Gebot, sich des Blutes zu enthalten, folgendes an:

Gemäß 5. Mose 14:21 war es erlaubt, einem ansässigen Fremdling oder einem Ausländer ein Tier zu verkaufen, das von selbst gestorben oder von einem wilden Tier gerissen worden war. Es wurde also zwischen dem Blut solcher Tiere und dem Blut von Tieren, die zu Nahrungszwecken geschlachtet wurden, unterschieden.

Ich lernte, dass es die Heilige Schrift in Notfällen einem Juden erlaubte, unausgeblutetes Fleisch fast straffrei zu essen, er musste sich lediglich einer rituellen Waschung unterziehen. Während also einen Juden wahrscheinlich nicht gerade danach verlangte, sich von dem unausgebluteten Fleisch eines Tieres zu ernähren, war es aber erlaubt, falls es notwendig wurde. Die levitische Priesterklasse, die ihren Lebensmittelvorrat von den Bürgern erhielten, durfte solche unausgebluteten Tiere nicht essen.

Ich erinnere mich an einen Vorfall aus dem Jahre 1981, als einer meiner besten Freunde an Nierenversagen litt. Er könnte einer der ersten Zeugen Jehovas gewesen sein, der auf die Liste für Organverpflanzungen gesetzt wurde. (Seine Geschichte findet sich in dem Artikel der Ausgabe des Erwachet! vom 22. November 1996 mit dem Titel „Es ist ja nur vorübergehend“) Die Wachtturm-Gesellschaft (WTG) hatte GERADE ihre Entscheidung in dieser Sache revidiert, und mein Freund und seine Familie hatten entschieden, dass es ihr Gewissen nicht verletzen würde. Ich erinnere mich, dass ich keinen Gedanken daran verschwendete, dass er ein Kannibale war, der sein Leben aufrechterhielt, indem er sich von menschlichem Fleisch ernährte, obwohl die WTG dies bis dahin gelehrt hatte. Ich bin fest davon überzeugt, dass ZJ Organtransplantationen nicht als eine schwere Sünde eingestuft hätten, wenn die WTG das Verfahren nicht über so viele Jahre diffamiert hätte.

Aber als loyaler Zeuge, der das Richtige tun wollte, unterdrückte ich meine Gedanken zu den Bluttransfusionen und passte mich den WTG-Lehren an. Ich hoffe, dass es eines Tages genau wie bei den Organverpflanzungen dazu neues Licht geben würde. Als die Wachtturm-Gesellschaft die Vollmachts-Formulare einführte, war ich besorgt über die Auswirkungen, die es mit sich bringen würde, die Entscheidung in Gesundheitsfragen fremden Händen zu überlassen. Ich zögerte, das Formular zu unterschreiben, auch wenn meine Frau mich dazu drängte.

Gegen Ende des Jahres 1998 begann meine Frau hartnäckiger darauf zu bestehen, dass wir die Vollmacht unterschreiben sollten, und sie hatte auch begonnen, Dinge wie einen Schlüsselanhänger mit der Aufschrift "Kein Blut" zu bestellen. Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Ich hatte einen Zusammenbruch und sagte ihr, dass ich mit der Ansicht der WTG zu Blut nicht übereinstimmte. Ich brauche wohl kaum erwähnen, wie fassungslos meine Frau war! Sie brach dann die Unterhaltung ab und weigerte sich, die Gründe anzuhören, WARUM ich der Gesellschaft nicht zustimmte. Ich begann erneut mit meinen Bemühungen, Informationen zu suchen, die ich ihr unterbreiten könnte, um meine Haltung zu erklären. Ich ging zur Krankenhaus-Bibliothek vor Ort, um Informationen über Blutfraktionen zu erhalten. In der medizinischen Datenbank fand ich Hinweise auf die AJWRB (Associated Jehovah’s Witnesses for Reform on Blood; Vereinigung der Zeugen Jehovas für eine Reform in der Blutfrage). Fasziniert davon besuchte ich ihre Web-Site. Ich hatte zuvor immer versucht, Web-Sites, von denen ich dachte, sie stammten von Abtrünnigen, zu meiden, aber AJWRB konnte ich beim besten Willen nicht in diese Rubrik einstufen. Ich war davon überwältigt, dass es andere ZJ gab, die auf diesem Gebiet dasselbe fühlten. Erstaunt las ich das gesamte Material und fand, dass ich bereits zu vielen der Schlussfolgerungen selbst gekommen war. Ich sandte eine E-Mail an Liberal Elder, in der ihm meine Unterstützung bei seiner Arbeit versicherte, verbunden mit der Bitte, einige der Informationen an einen Kreisaufseher zu senden, den ich kannte. Meine Frau fand den Brief, den ich auf meinem Computer abgeschickt hatte, druckte ihn aus und gab den Ausdruck meinen Ältesten. Ich wurde erstmals in meinem Leben zu einer Anhörung vor einem Rechtskomitee einberufen.

Wenn ich zurückblicke, muss ich eingestehen, dass ich wahrscheinlich recht naiv war und dachte, dass die Ältesten mir helfen wollten. Es dämmerte mir sehr schnell, dass dem nicht so war. Die oberste Priorität bei der Anhörung war, sicherzustellen, dass ich keinen Recorder bei mir hatte. Ich dachte, dass dies merkwürdig wäre, denn, falls es darum ginge, MEINE Privatsphäre zu schützen, hätte ich keinen Grund, etwas aufzuzeichnen. Es wurde offensichtlich, dass diese Anhörungen mehr eine Untersuchung darstellten als eine Hilfe für das Individuum. Es lief schließlich alles auf die Frage hinaus, ob ich akzeptierte, dass alle gegenwärtige Lehren der WTG "Speise zur rechten Zeit" vom "treuen und verständigen Sklaven" wären. Ich vertrat die Meinung, dass ich diese Vorstellung so nicht unterschreiben könnte, wenn ich die veränderliche Natur der Lehren der WTG in Betracht zog. Wie konnte das Verbot von Organtransplantationen als von Gott stammende Wahrheit betrachtet werden, wenn sie nur wenig später fallen gelassen wurde? Ich sagte ihnen, dass es sich meiner Meinung nach um jemandes persönliche Meinung handelte, die in den Wachturm gelangte und daraufhin von Millionen von Lesern als "absolute Wahrheit" angesehen wurde. Unglaublicherweise sagte einer der Ältesten, dass Bluttransfusionen sowieso ein Frage des Gewissens wären!

Erstaunlicherweise blieb die Bibel bis nach der Entscheidung außen vor. Sie benutzten die Bibel, um zu versuchen, mich anzuklagen, ich wäre ein Mensch, der versuchen würde, Spaltungen hervorzurufen. Ich wandte ein, dass ich meine Ansichten in der Versammlung nicht verbreitet hätte, und in der Tat gaben die Ältesten zu, dass ich nicht einmal versucht hätte, IHNEN meinen Standpunkt aufzudrängen. Sie antworteten mir, dass ich nicht länger der Versammlung angehören könnte, wenn ich in meinem Sinn den AJWRB unterstützen würde. Sie lasen einige Zitatae aus dem "Ältesten"-Buch vor, dass jemand, der hartnäckig daran festhält, an Lehren zu glauben, die mit den gegenwärtigen Lehren der Organisation nicht übereinstimmen, abtrünnig geworden ist. Sie sagten mir, dass ich ein geistig toter Zweig war, der abgehackt werden müsse. Auf dem vorhergehenden Treffen mit ihnen, um das ich gebeten hatte, um zu sehen, was ich tun konnte, um Reue zu zeigen, hatten sie vorgeschlagen, dass ich meinen Internet-Anschluss kündigen solle, was ich auch sofort getan habe. Ich erinnerte sie nun daran, dass ich bereits „das, was mich zum Straucheln brachte, abgeschnitten hatte“, auf das hin man mir sagte, „gut, jetzt schneiden wir dich ab“. Das Strafmaß war der Gemeinschaftsentzug.

In dieser Nacht ging ich wie in einen Nebel eingehüllt heim, um meiner Frau das Ergebnis mitzuteilen. Wir hatten nicht erwartet, dass das Schlimmste geschehen würde. Man gab mir eine Woche, um gegen die Entscheidung Berufung einzulegen und ich entschied mich schließlich zu diesem Schritt. Meine Frau wurde wild und meinte, ein Einspruch wäre für die Ältesten wie ein Schlag ins Gesicht. Aber ich wusste, dass ich nicht einfach nur zuschauen konnte, ohne zu versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Der Kreisaufseher wählte dann drei weitere handverlesene Älteste aus anderen Städten aus.

Wiederum wurde ich bei der Berufungsverhandlung gefragt, ob ich irgendwelche Aufzeichnungsgeräte dabei habe, was nicht der Fall war. Wiederum versuchte ich nicht zu argumentieren, da ich instinktiv wusste, dass ich bei einer Diskussion darüber als reueloser Sünder betrachtet würde. Ich legte einiges über meinen Fall vor, dass andere Lehren sich in der Vergangenheit geändert hätten und dass wir der Bibel mehr als Menschen folgen sollten. Sie sagten mir, dass Zeugen die Bibel nicht für sich selbst auslegen könnten, wenn die Einheit gewahrt bleiben sollte. Ich fragte sie, ob sie glaubten, dass das Verbot von Organtransplantationen von Gott stammte oder von menschlichen Ansichten. Sie sagten, dass sie nicht dazu da wären, um meine Meinung zu ändern, und ich wäre nicht anwesend, um ihre zu ändern. Ich war entmutigt und es wurde mir bewusst, dass mein Schicksal bereits besiegelt war, bevor sie uns entließen, um ihre Entscheidung zu fällen. Ich wurde am 11. Januar 1999 aufgrund dessen, dass meine Glaubensansichten „mich von Jehova trennen würden“, für „ausgeschlossen“ erklärt.

Meine Frau distanzierte sich sofort von mir und behandelte mich mit großem Misstrauen und Argwohn. Sie weigerte sich, überhaupt meine Gründe für meine Haltung anzuhören. Sie sagte mir, dass sie nicht aufhören könnte, mich als Feind Gottes anzusehen. Sie traf sich ohne mich mit den Ältesten und wollte mir aus Angst, dass ich es nur gegen die Gesellschaft verwenden würde, nicht mitteilen, welchen Rat sie ihr gegeben hatten. Sie entschied sich dafür, mich zu verlassen und eine Trennung zu erwirken. Sie gestattete mir nicht, mich vernünftig mit ihr zu unterhalten. Sogar wenn ich die Bibel herauszog, rannte sie mit zugehaltenen Ohren aus dem Haus.

Im März überwältigte mich der Stress, und ich landete für eine Woche mit einer ernsten, schmerzlichen Meningitis und schwerem Schwindel im Krankenhaus. Meine Eltern kamen schließlich, um nach mir zu sehen. Meine Mutter begann sofort, mich zu verurteilen, dass ich „schlimmer als ein Ehebrecher“ und dämonisiert wäre, und „von Abtrünnigen einer Gehirnwäsche unterzogen“. Sie sagte, dass sie meinen Vater ebenfalls verlassen hätte, wenn er das gleiche wie ich getan hätte. Mein Vater gestand mir, dass er ebenfalls das "totalitäre" Element in der Organisation bemerkt hätte und dass er selbst Zweifel hätte, aber „man geht nicht einfach hin und erzählt das den Ältesten!“ Seit damals haben mich meine Familie und alle meine lebenslangen Freude, die glauben, sie hätten keine andere Wahl als mich zu schneiden, gemieden.

Ja, dieser Bericht porträtiert das traurige Resultat, das mir und zahllosen anderen, die es wagten "Vernunft und ungehindertes Forschen" innerhalb der Organisation einzufordern, widerfuhr. Und noch schlimmer als die Tausende zerstörter Ehen ist der sinnlose Tod Tausender vertrauensvoller Zeugen Jehovas, die loyal den irreführenden medizinischen Doktrinen der Wachtturm-Gesellschaft gefolgt sind.

Herzlichst,

Wayne M. Rogers

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letzte Aktualisierung: 12. 12. 1999
Web-Adresse: http://geocities.datacellar.net/athens/ithaca/6236/wayne.htm

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