Leid als Preis der Personwerdung: Die Frage nach dem Leid nach der Theodizee des John Hick
Von Sirus Laia, Münster, Deutschland
- Einführung
- Teil I: Die Gegenwärtige Theodizee-Diskussion
- Teil II: Hicks irenäische Theodizee
- Vorbereitende Bemerkung
- Hicks Erkenntnistheorie (Phänomenologie des Glaubens)
- Die Irenäische Theodizee Hicks
- Problemstellung
- Begriff von Theodizee
- John Hick und die traditionelle Theodizee
- Aufgabe der Theodizee
- Voraussetzung einer neuen Theodizeediskussion
- Theodizee und die Sinnfrage
- Suche nach der Entsprechung zur modernen wissenschaftlichen Erkenntnis
- Kategorie und Dynamik des Sprechens über Leid: Liebe und personale Beziehung
- Soul-Making Theodicy: Der Mensch und sein Ringen um Gott
- Die Welt als Ort der Soul-Making
- Theodizee und die Frage nach der Erfüllung (Eschatologie)
- Teil III: Ausblick: Theodizee für heute
- Theodizee und die Sinnfrage
- Hicks Beitrag zur Theodizee für heute
- Voraussetzung einer Theodizee heute
- Schluss
- Ausgewählte Literatur
- Anmerkungen
Einführung
1. Thema
Irenäische Theodizee(1) hat sich in der anglo-amerikanischen Sprachraum geführten Theodizee-Diskussion als eine echte Alternative zu der augustinisch geprägten Theodizee-Traditionslinie und zu der späteren von John Cobb und David Griffin systematisch dargestellten Prozeß-Theodizee etabliert. (2) Das zeigen die zahlreichen Werke und Aufsätze, die sich intensiv mit dieser Theodizee auseinandersetzten. (3) Im Hinblick auf die anglo-amerikanische Theodizeeliteratur ist folgende Bemerkung R.D. Geivetts über das Buch Hicks über Theodizee nicht ganz verfehlt, "Perhaps no book on Christian theodicy is better known today than is his Evil and the God of Love." (4)
Hick nennt auch seine Theodizee "Seelenbildung-Theodizee" (Soul-Making Theodicy) und bringt damit zugleich die Kernthese dieser Theodizee zum Ausdruck. Er versteht das menschliche Dasein in der Welt als "Teil eines weitaus längeren Prozesses, durch den das personale spirituelle Leben nach und nach kraft seiner eigenen Freiheit zu einer Vollkommenheit geführt wird, die in der Rückschau alles Übel rechtfertigt, das sein langsames Werden begleitete." (5) Abgesehen von Kreiners Gott im Leid (1997) gibt es bisher in der deutschen Sprache keine Arbeit, die sich besonders intensiv mit dieser vielversprechenden Theodizee auseinandergesetzt hat. Vereinzelt wird sie genannt, (6) aber ihre dynamische Dimension kommt kaum zur Geltung. (7) Es ist das Hauptanliegen dieser Arbeit zu versuchen, die Theodizee Hicks zu rekonstruieren, um sie angemessen zu beurteilen. Ich werde aber noch einen Schritt weiter gehen und auch versuchen, ihre eher verbergende und bisher kaum erkannte Dynamik ans Licht zu bringen. Denn -- wie ich noch argumentiere-- ohne diese Dynamik macht sich die Theodizee Hicks unhaltbar und verliert damit ihre Aussagekraft. Nur durch die Anerkennung dieser Dynamik kann sie jede bisherige Kritik bestehen und eine Alternative in der Theodizee-Debatte anbieten.
Dies werde ich tun, indem ich den Theodizee-Gedanken Hicks durch seine eigene Epistemologie und Religionsphilosophie beleuchte. Ich werde auch argumentieren, daß eine Seelenbildung-Theodizee unter der Voraussetzung der genannten Epistemologie und Religionsphilosophie ihre Erklärungskraft, Plausibilität und Tragfähigkeit nur innerhalb bestimmter Tradition, aus der sie hervorgegangen ist, gewinnen kann. Im Falle einer christlichen Theodizee heißt das, sie kann sich nur im Kontext der uns tradierten Glaubenserfahrung der Menschen um und mit Jesus erklärbar und plausibel machen. Soweit diese Voraussetzung erfüllt wird, kann Hicksche Theodizee einen wertvollen Beitrag zu der Theodizee-Diskussion leisten.
Der besondere Verdient der Theodizee Hicks aber ist, daß er sich ausdrücklich der Herausforderung des Theodizee-Problems stellt, was bei den meisten der neueren Theodizee-Versuche im deutschsprachigen Raum offensichtlich nicht der Fall ist, und andererseits in sein System auch das Anliegen dieser neueren Theodizee sich integrieren läßt. Deshalb kann die Theodizee Hicks -- wie ich noch später ausführlicher darzustellen versuche -- eine reale Alternative zu dem scheinbaren Dilemma, für theorie- oder praxisorientierte Theodizee zu votieren.
2. Methode
Diese Arbeit wird in drei Teile aufgebaut. Im ersten Teil werden einige Tendenzen in der gegenwärtigen Theodizee-Diskussion vorgestellt. Die Darstellung beschränkt sich dabei aus praktischen Gründen auf die in Deutschland erschienene Theodizeeliteratur. Ich werde zeigen, daß trotz aller Lösungsvorschläge eine Theodizee notwendig ist, die eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Übel und Leid in der Welt anbieten kann. Befriedigend meine ich die Antwort, die sowohl den theoretischen als auch den praktischen Aspekt berücksichtigt. Im zweiten Teil werde ich mich mit der irenäischen Theodizee auseinandersetzen. Es wird zunächst die Epistemologie Hicks vorgestellt und ihre Relevanz für die Seelenbildung-Theodizee unterstrichen. Dann kommt eine ausführliche Darstellung der irenäischen Theodizee. Im dritten Teil stelle ich dann einige Punkte, die zur Theodizee-Diskussion heute beitragen könnten.
Teil I: Die Gegenwärtige Theodizee-Diskussion
3. Problembestände der Theodizee
Im Hinblick auf die Theodizeeliteratur, die in Deutschland Anfang der 90er Jahre erschienen war, konnte J. Brachtendorf das vor allem durch Autoren wie W. Oelmüller, O. Marquard, J.B. Metz, u.v.a. wachgehaltene Interesse an Theodizee beobachten. Er stellt aber mit Recht fest, daß es in der Diskussion "keineswegs um eine Restitution der Theodizee im klassischen Sinn, sondern um die Problembestände, die nach dem Ende dieser Theodizee verbleiben", geht. (8) Hier hat er wahrscheinlich diejenige Theodizee, die sich in der Diskussion gerne auf die Primat der Praxis beruft, vor Augen, und mit den Problembeständen der Theodizee könnte er wohl diese bleibende existentielle Frage, "ob und in welcher Weise sie [die Theodizee-Diskussion] noch in der heutigen Situation einen Beitrag zur Bewältigung des Leidens zu leisten vermag," (9) meinen.
Doch mit der Erscheinung des neuen Buches von A. Kreiner Gott im Leid, (10) das auch als eine Apologie für die klassische Theodizee oder allgemeiner gesagt für theorieorientierte Theodizee gesehen werden kann, könnte Brachtendorf sein Urteil möglicherweise vorsichtiger formulieren. Denn Praxis und Theorie sind keine zwei sich von einander abzugrenzenden Aspekte der Theodizee, sondern zwei mit unterschiedlichen Anforderungen sich ergänzende Komponente. (11)
Daher ist es nicht unumstritten, die Problembestände der Theodizee auf Leidbewältigung durch Leidabschaffung oder -verminderungspraxis zu reduzieren. Das Theodizee-Problem bleibt nach wie vor virulent, und wird nicht einfach dadurch gelöst, indem man auf Praxis beruft oder das Problem als typisches Problem der Neuzeit zu erklären versucht. (12) Theorieorientierte Theodizee hat auch heute eine nicht zu ersetzende Aufgabe, das Problem, das in der praxisorientierten Theodizee verdrängt wird, wahrzunehmen und sich seiner Herausforderung zu stellen. Die Gefahr der Resignation und "der Abdankung der Philosophie als Weltanschauung", von der C.-F. Geyer im Hinblick auf festgestellten Scheitern der klassischen Theodizee spricht, (13) ist vielleicht deshalb nicht so dramatisch wie es klingt.
4. Tendenzen in der Theodizeefrage
Im anglo-amerikanischen Bereich gibt es drei Hauptströmungen in der Theodizee: die traditionelle augustinische, die irenäische, und die Prozeß-Theodizee, (14) die unterschiedliche Strategien verfolgen aber alle drei in der sogenannten Free Will Defence Theodizee beheimaten. Im Gegensatz zu der augustinischen Theodizee-Tradition, die die Existenz des Übels als Folge des Sündenfalls zu erklären versucht, behauptet die irenäische Theodizee, daß die Existenz des Übels und des daraus entstandenen Leids mit dem evolutionären Prozeß der Menschwerdung zusammenhängt. Ganz ähnlich argumentiert auch die Prozeß-Theodizee. "To have good is necessarily to risk the chance of the bad," (15) so schreibt D. Griffin, einer der Hauptvertreter dieser Theodizee. Sie unterschiedet sich von der irenäischen Theodizee in der Annahme, daß Gott auch keine Macht hätte, eine andere Welt als unsrige zu erschaffen und das Übel aus der Welt abzuschaffen. (16) Es gibt aber Theodizee-Variante, die sich von diesen drei Theodizeen kompromißlos abgrenzt. Dazu gehören u.a. Kenneth Surin, (17) und Terrence W. Tilley, (18) die die Theodizee als die Rede vom und im Umgang mit dem Leiden verstehen und sich aus der scheinbaren Aporie des Theodizee-Problems zu befreien versuchen. Da hat ihre Theodizee viele Gemeinsamkeiten mit der jüngsten Theodizeeliteratur in Deutschland. Ich beschränke mich auf diese letzte bei der Ernennung der Haupttendenzen in der Theodizee-Frage.
1. Bemühungen, von philosophisch-klassischer Theodizee Abschied zu nehmen. Allen gemeinsam verlangen sie nach endgültigem Abschied von philosophisch-klassischer Theodizee. Gemeint ist nicht nur der Abschied vom Begriff der Theodizee, gegen den W. Oelmüller nach eigenen Angaben seit über zwanzig Jahren kämpft, denn bei ihm soll es heißen "statt Theodizee Philosophisches Orientierungswissen angesichts des Leidens," (19) sondern auch Abschied vom Theodizeeprozeß selbst vom Versuch des Verstehen-Wollens. Ammicht-Quinn spricht von "Verweigerung". (20) Gegen den Versuch, die Existenz des Übel zu verstehen, spricht auch Hans M. Baumgartner aus. In seinem Artikel "Um diesen Prozeß für immer zu endigen" (21) beschwört er, wie der Titel selbst schon zeigt, dem in der Philosophie latent gewordenen Theodizeeprozeß endgültig Abschied zu nehmen. Die Wiederherstellung der Vernunftwürde kann für ihn im Hinblick auf die Frage nach dem Leid nur noch möglich "in Anerkennung der endlichen Vernunft". Die Thematisierung der Theodizeefrage sieht er nur denkbar durch negative Weisheit, "nämlich die Einsicht der notwendigen Beschränkung unserer Anmaßungen in Ansehung dessen, was für uns zu hoch ist, für uns tatsächlich zu erreichen ist." (22) Andere Autoren drücken es mit dem Wort "Schweigen" oder mit der Haltung "die Frage offenzuhalten" aus. Die Theodizee ist gescheitert, daher muß Theodizee "zum Ende gebracht werden." (23) Für H. Lübbe ist sie sogar Häresie überhaupt. Denn, so konstatiert er, wenn es der Theodizee gelingen würde, "das Insgesamt der Welteinrichtung handlungsrational zu denken, so entfiele damit eo ipso die Bedingung der Nötigkeit der Religion". (24) Denn Religion verdankt ihre Existenz gerade der Kontingenz der Welt und des Daseins des Menschen. Ob aber diese Tendenz die richtige Lösung des Theodizee-Problems ist, bleibt fraglich. Denn trotz seiner Unlösbarkeit wollen doch nicht alle die Vernunft vor dem Problem kapitulieren, geschweige denn das das Denkverbot über sich ergehen lassen. (25)
2. Die Suche nach einem den heutigen Menschen annehmbaren Zugang zur Leidthematik. In der heutigen Theodizeediskussion geht es nicht darum, neue Systeme nach dem Vorbild der neuzeitlichen Theodizee zu entwerfen, sondern darum, den Leidenden ein Orientierungshilfe anzubieten oder Orientierungswissen angesichts des Leidens (Oelmüller). Also eine praxisbezogen und -orientierte Theodizee. Das manifestiert sich in zwei Optionen: Leidvermeidung oder -bekämpfung und Leidenmystik (Metz). In dieser Hinsicht sind zwei Elemente wichtig: Leid ist nun ein Zentralthema und nicht nur Randthema im System. Theologie ist Theodizee schlechthin (Metz). Der Leidende rückt nun in den Mittelpunkt und wird der Bezugspunkt der Reflexion. Hans-Gerd Janßen z.B. plädiert für einen Theorie-Praxis-Zirkel der Theodizee. Theodizee soll danach streben, dem Leidenden in seinem Fragen und Klagen zu begleiten. Vorschnelle Antwort und Trost sind hier unerwünscht, denn das Leid ist nicht zu verstehen, sondern zu bekämpfen. Die Frage selbst nach dem Übel und Bösen wird als anachronistisch gebrandmarkt. Statt Warum-Frage stellen sie eine praktische Frage nach der Möglichkeit menschlichen Handelns. (26) Besonders Ammicht-Quinn und Janßen halten fest an dieser Lösung. Diese Tendenz ist begrüßenswert. Allerdings bietet die absolute Abgrenzung der praxisorientierten Theodizee von der theorieorientierten keine befriedigende Lösung an. Denn beide Aspekte gehören zusammen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
3. Das Offenhalten der Frage nach dem Leid. Diese Position vertritt z.B. Odo Marquard, (27) der allen Antwortversuchen zurückhaltend und kritisch entgegensieht. Er hält das Theodizee-Problem zwar unlösbar, gleichzeitig sieht er die Aufgabe der Theodizee gerade darin, sich dieser Herausforderung zu stellen und nicht sie zu umgehen. Andere Autoren halten auch diese Haltung für unabdingbar angesichts des proklamierten Scheitern aller bisherigen Antwortversuche. (28)
4. Die Orientierung am israelistisch-biblischen Paradigma. Nach diesem Vorschlag ist Theodizee nicht mehr ein Problem des Wissens, sondern eine direkte Frage an Gott, dessen Antwort der Mensch fordern und darauf beharrlich warten müssen. Metz spricht von "einer Mystik des Leidens an Gott", die nicht nach Trost sucht, sondern Klagen und Anklagen mobilisiert. (29)
5. Es gibt aber Stimmen, die die Leiden differenziert in Betrachtung ziehen und deshalb auch von der Integrierung des Leids in die Lebensbalance zu sprechen wagen. Ein Beispiel dafür ist der Aufsatz des H. Waldenfels. (30) Nach ihm ist "das Leiden in all seinen Formen mit unserem Leben verquickt" (31) . Das Menschenleben läßt sich von der Leiderfahrung nicht lösen. Die Verletzlichkeit unseres Daseins ist "die Kehrseite unserer Empänglichkeit". (32) Deshalb konstatiert er, daß "die schlichte Verneinung oder Herabsetzung des Leidens eine ebenso schlichte Verneinung und Herabsetzung des Lebens zur Folge" hat (33) .
Abgesehen vom letzten Lösungsvorschlag sind sie allen gemeinsam: die Fixierung auf die Leidsproblematik und die Konzentration auf den Leidenden. Dies muß natürlich positiv bewertet werden, denn der Leidende mit seinem Leid und seiner Frage ist nun das Subjekt der Reflexion. Doch eine distanzlose distanzlose Distanz zu der Leiderfahrung läßt eben keinen Raum für theoretische Reflexion zu. Es fehlt zum einen die Perspektive, die uns ermöglicht das eigene und das fremde Leid im Horizont unseres ganzen Lebens zu betrachten, und zum anderen die Dynamik unserer Lebenswelterfahrung, die ja von Wechselbeziehung zwischen Guten und Bösen, Leid und Glück gekennzeichnet ist, ins Spiel zu bringen. Die Frage ist daher: In welchem Kontext sprechen wir vom Leid und Bösen? Unter welcher Perspektive wird die Frage gestellt und die Antwort gesucht? Dies hat nicht mit Relativierung oder sogar Verharmlosung des Leidens zu tun. Es ist vielmehr etwas praktisches. Denn ohne Kontext und ohne Perspektive können wir vom Leid und Bösen überhaupt nicht sprechen. Die Verminderung bzw. Bewältigung setzt immer eine Perspektive voraus, die diese erst sinnvoll macht.
5. Theodizeefrage als Sinnfrage
Und damit sind wir zu dem Punkt gelangt, der Theodizee- und Sinnfrage verbindet. P. Koslowski (34) hat auf die Zweideutigkeit des Begriffs Leiden hingewiesen. Zum einen bedeutet es das Leiden im passiven Sinn, das er das Erleiden nennt, und zum anderen das Leiden im emphatischen Sinn, den bloßen Schmerzen, die laute Erfahrung der Negativität. Für ihn ist der Unterschied zwischen dem passiven Leiden und dem emphatischen Leiden von Wichtigkeit, denn "entscheidende Probleme der philosophischen Gotteslehre folgen aus dem äquivoken Gebrauch des Begriffs Leiden." (35) Das Leiden im passiven Sinn stellt für ihn keine Herausforderung für die Theodizee dar, denn in diesem Kontext wird Leiden als sinnvolle Mittel der "Personwerdung." Denn "Selbstwerdung ist nur möglich durch die Vermittlung von Subjektivität und Objektivität, durch das Sich-Abarbeiten am anderen seines Selbst." (36) Die einzige Herausforderung stellt ihm zufolge das Leiden im empathischen Sinn, weil es hier "sinnlos im Sinne des Erleidens als Voraussetzung von Persönlichwerdeung" bleibt. (37) Das sinnlose Leiden, das ist das eigentliche Theodizee-Problem. Es scheint also, daß die Lösung des Theodizee-Problems mit der Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leidens abhängt. In dieser Hinsicht behauptet die Theodizee Hicks aber, daß beide Arten vom Leiden als Ganze gesehen die Voraussetzung für die Personwerdung betrachtet werden sollen. Auch die scheinbar sinnlose Negativitätserfahrung gehört zum Bestandteil des Prozesses unserer Menschwerdung. Wie läßt sich das begründen, das ist unser nächstes Thema.
Teil II: Hicks Irenäische Theodizee
6. Vorbereitende Bemerkung
John Hick ist 1922 in Yorkshire England geboren. Nachdem er 1948 das Philosophiestudium an der Universität von Edinburgh abgeschlossen hat, zog er zum Weiterstudium nach Oxford, wo er mit der Arbeit über das Verhältnis zwischen Glauben und Vertrauen Doktor in Philosophie erwarb. Danach studierte er Theologie und Pastoraltheologie in Cambridge und arbeitete drei Jahre als Pastor einer Gemeinde in Northumberland.
Er ist dann dem Ruf von Princeton Theological Seminary und Cornell University in den USA gefolgt. Da veröffentlichte er 1957 sein erstes Hauptwerk Faith and Knowledge, an dessen Arbeit er schon in der Gemeindetätigkeit in Northumberland angefangen hat, und 1963 das zweite Philosophy of Religion. Seitdem gilt sein Hauptinteresse, den Dialog der Religionen durch eine pluralistische Religionstheologie zu fördern, und dem Glauben als interpretatives Element innerhalb der religiösen Erfahrung Geltung zu verschaffen. 1964 kehrte er nach England zurück und lehrte 3 Jahre Religionsphilosophie an der University of Cambridge, wo er 1966 seinen Theodizee-Entwurf im Buch Evil and the God of Love niedergeschrieben hat, und weiter 13 Jahre Theologie in Birmingham. 1980 zog er wieder in die USA. In seinem bisher letzten und wichtigsten Meisterwerk An Interpretation of Religion, das aus den Gifford-Vorlesungen im Jahre 1986 und 1987 an der Edinburgh University hervorgegangen ist, stellt er sein theologische Philosophie systematisch vor. Er gilt als Hauptvertreter der pluralistischen Religionstheologie. Auch nach seiner Emeritierung engagiert sich Hick weiter in der Religionsphilosophie und lebt heute in Birmingham.
Hicks Werk An Interpretation of Religion gilt als komprimierte Form seiner bisherigen Forschungen. Schon seit Anfang seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gilt sein Interesse der Phänomenologie der Religion, die ihren Umriß in Faith and Knowledge aber noch deutlicher in Philosophy of Religion hinterlassen hat. Sein Hauptanliegen ist es, das Phänomen der religiösen Erfahrung ernst zu nehmen, und es als den richtigen Zugang jedes sachgemäßigen Urteils über da Wesen der Religion zu machen. Der Kern dieser Glaubenserfahrung, wie er ausführlich in An Interpretation of Religion darstellt, ist die Soteriologie, die den Prozeß der Verwandlung des Menschen von seiner Selbstzentriertheit zur Gottzentriertheit zum Inhalt hat. Und dies gilt nach Hick nicht nur den theistischen Traditionen der Religionen, sondern liegt allen Religionsformen zugrunde.
Aus dieser Sicht ist die Theodizee Hicks eine theistische Theodizee, deren Geltung von der These abhängt, daß der Mensch ihrem Wesen nach zum Prozeß der Selbst-Verwandlung oder in der theodizeespezifischen Rede zum Prozeß der Seelenbildung bestimmt ist.
7. Hicks Erkenntnistheorie (Phänomenologie des Glaubens)
7.1 Die Problemstellung
Daß der Mensch ihrem Wesen nach religiös oder transzendenzfähig ist, zeigt uns die religionsphänomenologische Forschung. Diese Fähigkeit verdanken alle Religionen ihren Ursprung. Die Frage ist nun, gibt es auch in der Wirklichkeit das Objekt, worauf sich diese Fähigkeit bezieht? Es gibt Hypothesen, die das Phänomen der Religion entweder als Illusion oder als Projektion oder Verkörperung des menschlichen Ideals erklären. (38) Nach Hick stellen alle diese Hypothesen keine befriedigende Erklärung des Phänomens der Religion, wie es in der religiösen Erfahrung erlebt wird. Dagegen behauptet er, daß Glaubenserfahrung an der Schnittstelle zwischen dem menschlichen Geist, der die Gegenwart des Transzendenzs wahrnimmt, und dem Transzendenz selbst, dessen Existenz vorausgesetzt ist, stattfindet. (39) Dazu entwickelt er eigene Epistemologie der religiösen Erfahrung oder in der Terminologie seines frühen Werks Faith and Knowlegde die Epistemologie des Glaubens. Wenden wir uns den epistemologischen Überlegungen Hicks zu.
7.2 Hicks Weg der Epistemologie der Religion
Hicks epistemologische Überlegungen bilden die Grundlage für seine weiteren Denken wie z.B. die Rolle der epistemischen Distanz in der Theodizee, die Hinordnung des Menschen auf Gottzentrietheit, die religiöse Mehrdeutigkeit der Welt, usw. Als erstes versucht Hick, den Glauben als ein Modus unserer Wahrnehmung sicherzustellen, der kein Zusatz zu den anderen Elementen der Wahrnehmung darstellt, sondern eine Kontinuität mit ihnen bildet. Diese Strategie setzt er in Gang, indem er die Feststellung zur Geltung bringt, daß die bewußte Erfahrung immer eine Interpretation der Welt ist.
Dazu führt er den Begriff "Bedeutung" (meaning oder significance) ein. (40) Mit Bedeutung meint er die Funktion des Bewußtseins, die die Welt für uns in bestimmter Weise konstituiert, so daß wir die Welt überhaupt erfahren können. Unsere Erfahrung, wie Hick sagt, "is not just an unpredictable kaleidoscope of which we are bewildered spectators," (41) sondern vom Bewußtsein immer schon filtert und strukturiert. Unsere Umwelt ist deshalb für uns immer eine strukturierte Umgebung, in der wir lernen, wie wir in ihr entsprechend handeln und auf sie angemessen reagieren. In der Tat ist natürlich die Aktivität dieses Bewußtseins viel komplexer und wird stets durch relationalen Charakter gekennzeichnet. Hick definiert deshalb den Begriff Bedeutung als "das allgemeinste Merkmal der bewußten Erfahrung an sich." (42) Das heißt aber noch nicht, daß diese Bedeutung unbedingt wahr sein muß. Die Bedeutung kann wahr oder falsch sein. Und weil wir die Wirklichkeit an sich nie erkennen können, sondern sie nur erfahren und zwar in der Weise, wie wir sie erfahren, bleibt die Wirklichkeit in unserem Bewußtsein mehrdeutig. (43) Hick nennt aber eine andere Funktion des Bewußtseins, die die wahrgenommene Information ordnet und beurteilt, nämlich die Interpretation. Wenn in der Bedeutungsebene die Wahrnehmungskraft ins Spiel ist, kommt in der Interpretationsebene die Urteilskraft in Einsatz. Es ist aber gleich anzumerken, daß Bedeutung und Interpretation keine zwei von einander getrennten Komponente sind. Sie stehen vielmehr in Wechselbeziehung zu einander und oft in einander verwickelt. Das ist vielleicht der Grund, warum Hick in An Interpretation of Religion nicht mehr von deren Unterscheidung spricht.
Um die Grundlage für den Interpretationscharakter des Bewußtseins zu sichern, macht Hick die Unterscheidung Kants zwischen dem Ding an sich (noumenon) und seine Erscheinungsform in unserem Bewußtsein (phänomenon) dienstbar und bedient sich in Analogie zu Wittgensteins Begriff Sehen-als den Begriff Erfahren-als. Demnach können wir die Wirklichkeit an sich nur im modus unserer Erkenntnis erkennen und zwar in der Weise, wie wir sie als etwas erfahren. Das berühmte Beispiel von Hick, das die verschiedenen Bedeutungsebenen verdeutlicht, ist das eines Buches. (44) Bei dem ersten Blick sehen wir vielleicht ein rotes Objekt. Beim näheren Schauen stellen wir dann fest, daß das ein Buch mit rotem Umschlag ist. In diesem kleinen Schritt geschieht aber schon eine erhebliche Veränderung in unserer Interpretation, die nur durch eine Fülle von kulturgebundenen Begriffen möglich ist. Ein Steinzeitmensch könnte das Objekt zwar als rotes Objekt erkennen, aber wahrscheinlich nicht als ein Buch. Doch unsere Interpretation geht noch darüber hinaus. Jemand, der die in diesem Buch gebrauchte Schrift nicht lesen kann, könnte vielleicht das Objekt als ein Buch und in welcher Sprache es geschrieben wurde festellen, aber mehr über das Buch kann er nicht sagen. Erst derjenige, der dieser Schrift und Sprache mächtig ist, kann uns auch sagen, was für ein Buch es ist. Die Interpretation kann fortgesetzt werden, wenn z.B. das Buch philosophisches Buch und der Mann ein Philosoph ist. Was aus diesem Beispiel deutlich wird, ist, daß die Interpretation sich erweitern läßt, und eine erweiterte Interpretation die andere wenigeren einschließt ohne daß die eine die andere widerlegt. Alle Interpretationen sind mit einander kompatibel. Wir interpretieren etwas immer als etwas, das in unserer Kultur vorhanden ist. Diese Art von kompatiblen Interpretationen wendet Hick auf die Glaubenserfahrung an. Die religiöse Interpretation schließt die naturalistische nicht aus, sondern erweitert sie. Zwischen beiden Interpretationen besteht eine Kontinuität. Das macht er in einer Kritik an J. Heaney: "Ich würde nicht von einer »räumlichen Überlagerung von Glaube und Wahrnehmung« sprechen wie James Heaney (1980) sondern von einer Kontinuität zwischen Glauben als dem interpretativen Element innerhalb der religiösen Erfahrung und dem interpretativen Element innerhalb anderer Formen von Erfahrung. (45) Und genau dies macht Hick für die Rechtfertigung der Glaubenserfahrung fruchtbar.
Nachdem Hick diese Grundlage unseres Erkennens gesichert hat, sichtet er nun die Bedeutung, innerhalb deren wiederum die Interpretation stattfindet, auf drei Ebenen: physische, menschliche, und göttliche. Auf der physischen Ebene nehmen wir wahr, wie die Gegenstände: Bäume, Häuser, Bücher, Tiere, usw. zu uns stehen und wir müssen lernen, wie wir mit ihnen umgehen. Daß dies durch eine Fülle komplexer Prozessen stattfindet, ist selbstverständlich. Was aber diese Wahrnehmungsebene charakterisiert, ist, daß wir im Verhalten zu der physischen Welt fast kaum Raum für Freiheit haben. Mit ihnen müssen wir uns entsprechend verhalten, wie wir sie wahrnehmen. Andernfalls können wir in der Welt nicht überleben. "Die Natur vernichtet jeden, der nicht in der Weise wahrnimmt, wie es für ihn vorgeschrieben ist." (46)
Anders verhält es sich auf der zweiten Ebene, nämlich der zwischenmenschlichen Beziehung. Hier haben wir mehr Freiheit im Bezug auf das, was uns unser Bewußtsein wahrnimmt. Hick nennt diese Bedeutungsebene auch moralische oder sozio-ethische Ebene. Wir müssen zwar lernen, wie wir uns mit den anderen Menschen verhalten sollen, aber wir haben immer Freiheit uns so oder so zu verhalten. Die Moral hat in der interpersonalen Beziehung ihre Wurzel und wir haben genug Freiheit bei ihrer Ausübung. Hier gibt es keine rigorosen Sanktionen, die uns im Verhältnis zu der physischen Welt begegnen. Menschen haben zwar die Moral zum Teil in den Gesetzen gesichert, aber ob ich ihnen Folge leiste, hängt stark mit Ausübung meiner kognitiven Freiheit ab. Daß diese Bedeutungsebene die erstere überlagert, kann man durch folgendes Beispiel (47) verdeutlichen. Jemand ist überfahren worden und liegt auf der Straße. Jeder, der vorbei geht, kann auf der physischen Ebene nur den mit Blut überströmten Körper wahrnehmen. Auf der moralischen Ebene kann man aber noch hinzu eine andere Dimension wahrnehmen, die nach nötiger Hilfe verlangt.
Doch während z.B. der Passant dem Opfer Hilfe leistet, kann er das tun im Bewußtsein, daß er und der Opfer der Familie der Menschheit angehören, die von Gott geschaffen und zu gegenseitiger Liebe aufgefordert wird. Diese Interpretation schließt wiederum die die obigen Interpretationen, aber bewegt sich nun im Bereich der religiösen Bedeutungsebene.
Aber wie oben bereits gesagt wird, zielt die Strategie Hicks darauf, die gleichrangige Stellung des Glaubens als ein variables Element unseres interpretierenden Bewußtseins. Zunächst fragen wir, was Hick unter dem Begriff Glaube versteht. Im ersten Teil seines Buches Faith und Knowledge hat Kritik an traditionelle und moderne Glaubensbegriffe geübt. Dazu gehören z.B. der thomistische und moderne voluntaristische Glaubensbegriff sowie der kantische Glaubensbegriff und von personalem Akt der Zustimmung Newmanns. (48) Demgegenüber stellt Hick seinen eigenen Glaubensbegriff als ein interpretatives Element innerhalb der religiösen Erfahrung. Wie auf der physischen und sozio-ethischen Bedeutungsebene ist das Bewußtsein aktiv, die Welt religiös zu interpretieren. (49) Dieses variable Element der Interpretation nennt Hick Glaube.
Das nächste Ziel Hicks ist es, die Rationalität des Glaubens zu sichern. Mit der Rationalität meint Hick nicht die des Geglaubten, sondern die Rationalität des Glaubensaktes. Nach Hick kann das, was man glaubt, wahr oder falsch sein. Rational ist es dann, wenn man das glaubt, was man für wahr hält. (50) Im Bezug auf die Glaubenserfahrung heißt das, es ist rational an das anzuhängen, was man in der Glaubenserfahrung -- in diesem Fall die Erfahrung der Gegenwart Gottes -- als wahr erfahren hat. Das Gegenteil wäre irrational. Der Hintergrund für diese merkwürdig scheinende Argumentation ist die Überzeugung Hicks, daß die Existenz Gottes sich nicht beweisen läßt. Was man höchstens von ihm sagen kann, ist die Erfahrung seiner Gegenwart. Hick hat die traditionellen wie modernen Gottesbeweise und ihre Gegenbeweise mehrmals diskutiert. (51) Und das Fazit lautet: "Daß die Welt heute sowohl theistisch als auch naturalistisch oder atheistisch erfahren wird, ist eine offensichtliche Tatsache, die kaum jemand bestreiten dürfte." (52) Jedes Argument für oder gegen Theismus zwingt nicht, das einzig richtige zu beanspruchen. In allen Fällen behält die Welt ihre Mehrdeutigkeit, die sowohl für naturalistische als auch religiöse Interpretation offen ist. Deshalb spielt der Glaube nach Hick eine entscheidende Rolle. Hick schreibt, "Beide Auffassungen [naturalistische und religiöse] können im Prinzip in sich vollständig sein, so daß kein Befund unberücksichtigt bleibt, und ob man sich für die eine oder die andere entscheidet, beruht auf einer einfachen kognitiven Entscheidung oder einem Akt des Glaubens." (53) Hick sagt aber auch, daß der Glaube "eine bezwingende religiöse Erfahrung" voraussetzt. Nur "eine solche Erfahrung ist prima facie ein guter Grund für eine religiöse Überzeugung." (54) So gesehen hat die Glaubenserfahrung einen besonderen Stellenwert im ganzen Argumentationssystem Hick. Alle Aussagen über Gott und über unser Verhältnis zu ihm können sich nur innerhalb der eigenen Glaubenserfahrung plausibel machen.
Wenn das Argument Hicks über die Rationalität des Glaubens haltbar ist, steht seiner Religionsphilosophie nichts mehr im Wege. Er kann nun die Grundthese vom Prozeß der Verwandlung des Menschen von der Selbstzentriertheit zu der Gottzentriertheit entwickeln. Dieselbe These bildet auch den Kern seiner Theodizee: den Prozeß der Seelenbildung.
7.3 Die Relevanz für Theodizee
Die irenäische Theodizee beansprucht, eine christliche Theodizee zu sein. Deshalb wird sie nur auf dem Hintergrund des Glaubens an einen personalen Gott plausibel. So gesehen ist die Glaubenserfahrung locus theologicus für diese Theodizee. Ohne Glauben haben wir keinen Zugang zu dem Verständnis, daß Gott uns zu seiner Ähnlichkeit verwandelt. Wenn Hick seinen nicht proportionalen Glaubensbegriff geltend machen will, kann der Prozeß der Seelenbildung seine Berechtigung nur in der Erfahrung dessen finden, was in diesem Konzept gemeint ist. So bildet die Epistemologie Hick auch den Plausibilitätsgrund seiner Theodizee.
Aus der Rationalität des Glaubens ergibt sich, daß unsere christliche Interpretation vom Willen Gottes in unserer Welt läßt sich nur aus der christlichen Glaubenserfahrung heraus behaupten. An erster Stelle gilt die Erfahrung religiöser Persönlichkeiten, deren Zeugnisse uns in der Schrift und Tradition vorlegen. Aber im Prinzip gilt es, jeder Behauptung liegt die eigene Erfahrung zugrunde, auf die wir uns verlassen können. Für die Theodizee heißt das, die Antwort auf unsere Frage nach dem Leid und Bösem ist nicht außerhalb der Zeugnisse der jeweiligen Tradition, sondern nur innerhalb deren zu suchen. Im Fall der irenäischen Theodizee heißt das, ihre Erklärungskraft kann sie nur aus der christlichen Tradition stützen und diese ihre Dynamik verdanken. Der Horizont ist also vorgegeben: die Heilsgeschichte, die die Lebensgeschichte des Volkes Israel und der Kirche und jedes einzelnen Christen heißt, Geschichte ihres Ringens um Gott und umgekehrt.
8. Die Irenäische Theodizee Hicks
8.1 Problemstellung
Einen Blick in die Epistemologie Hicks haben wir bereits unternommen. Und die besagt, daß eine echte Rede über Gott und seine Beziehung zu uns innerhalb jeweiliger Tradition ausgelegt werden soll. Das gilt auch wie gesagt bei der Suche nach einer Theodizee. Diese Suche ist dringlicher geworden als zuvor, weil die traditionelle Theodizee nicht dazu fähig ist, die Diskrepanz zwischen dem Bekenntnis zu einem allmächtigen und allgütigen Gott und der bedrückenden Tatsache, daß der Mensch in seinem Leiden diese Macht und Güte Gottes nicht erfährt, zu erklären oder aufzuheben. Im Gegensatz zu dem von Plantinga und Swinburne beschrittenen Weg, bei der Suche nach der Antwort auf das Theodizee-Problem sich auf die mühsame Verbesserung der logischen Argumentation zur Verteidigung der Willensfreiheit zu beschränken, (55) geht Hick einen Schritt weiter und versucht auszudenken, was der Grund sein könnte, daß Gott das Böse in der Welt zuläßt. Er ist dabei auf das Theodizeemotiv in den Schriften des griechischen Kirchenvater Irenäus gestoßen, wonach Gott den Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat, der aber durch allmählichen Prozeß des geistigen Wachstums sich zu der Gottähnlichkeit zu entwickeln hat. Der Mensch mit seinen Erfahrungen von Gut und Böse, Freude und Leid, befindet sich in der Spannung zwischen Anfang und Ende dieses Prozesses. Genau da aber liegt die oben genannte dynamische Dimension dieser Theodizee.
8.2 Begriff von Theodizee
Seine Theodizee nennt Hick irenäische Theodizee und sie gilt für ihn als die Alternative zu der augustinischen Theodizee. Von einer irenäischen Tradition ist aber nicht die Rede. Es ist vielmehr ein Typus von Theodizee, (56) der schon bei Irenäus (202) aufhörte, und vereinzelt bei nur einigen griechischen Kirchenvätern wie Clemens von Alexandria (nach 215), Methodius von Olympus (311) und Gregorius von Nazianz (329-389) auftauchte. Ähnliches Motiv kann Hick erst im 19. Jh. in der Theologie des Schleiermachers (1768-1834) feststellen, ohne daß von Irenäus-Rezeption bei Schleiermacher gesprochen werden kann. (57)
Hicks irenäische Theodizee ist aber vielfach bekannt als Soul-Making Theodicy, Theodizee der Seelenbildung, Personbildung, oder Charakterbildung. A. Kreiner(58) und R. Ammicht-Quinn (59) gestehen die Schwierigkeit bei der passenden deutschen Übertragung. Es wird aber in folgender Darstellung klar sein, was Hick mit dieser Bezeichnung meint.
8.3 John Hick und die traditionelle Theodizee
Hick versteht seine Theodizee als eine Alternative zu der klassischen Theodizee. Er versucht, der Frage nach "warum" nachzugehen, obwohl er sich bewußt ist, daß "jede Antwort auf das Problem des Bösen schlechter ist als das Problem selbst". (60) Aber, wie er sagt, er riskiert "zu viel zu sagen" als sich mit dem "Schutz des inoffensiven aber nicht helfende Agnostizismus" (61) zufrieden geben. Ihm geht es um die Wiederaufnahme der klasisschen Theodizeefrage: Ist das Faktum des Übels mit der Existenz eines guten und allmächtigen Gott vereinbar? Sein Versuch ist nicht die Entlastung Gottes von der Verantwortung für das Übel und Leid in der Welt. Er tritt sogar gegen die Entlastung Gottes. "For monotheistic faith there is no one else to share that final responsibility". (62) Die einzige Möglichkeit ist, den Grund für die Zulassung Gottes für das Übel. (63) In dieser Hinsicht bleibt Hick in der Vorgabe der klassischen Theodizee.
8.4 Aufgabe der Theodizee
Nach Hick hat die Theodizee zweierlei Aufgabe: erstens, eine Antwort auf die Frage 'warum Gott das Übel zuläßt' zu geben, dann zweitens versuchen, "die sinnvollen Wege des Menschen zu Gott zu rechtfertigen". (64) Die erste Aufgabe betrifft den theoretischen Aspekt der Theodizee und versucht zu zeigen, daß die Existenz des Übels und Leids in der Welt nicht im Widerspruch zu den Attributen Gottes steht, geschweige denn zu seiner Existenz. Die zweite Aufgabe berücksichtigt den praktischen Aspekt, der die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Bösen und dem Leid in Welt plausibel macht.
8.5 Voraussetzung einer neuen Theodizeediskussion
8.5.1 Theodizee und die Sinnfrage
Die augustinische Theodizee versucht, die Existenz des Übels auf den Sündenfall zurückzuführen. Aber mit diesem Verweis gerät sie selbst in die Aporie. Damit läßt sich höchstens die Existenz des moralischen Übels erklären. Aber spätestens bei dem Versuch, die Existenz des natürlichen Übels zu erklären, fällt sie durch. Wie läßt Gott alle Menschen bestrafen wegen Sünde des ersten Menschenpaares? Warum und wozu ist das Leiden? In dieser Theodizee läßt sich keine befriedigende Antwort darauf finden. Die irenäische Theodizee behauptet aber, daß das Ganze sich in einem Prozeß befindet und daß in diesem Prozeß das Leid und unser Kampf dagegen nicht sinnlos ist. (65)
8.5.2 Suche nach der Entsprechung zur modernen wissenschaftlichen Erkenntnis
Wie bereits gesagt, betrifft eine der Kritik Hicks an die augustinische Theodizee deren Grundannahme vom Sündenfall und die daraus abgeleitete Erklärung über das Übel. Sie läßt sich in naturwissenschaftliches Verständnis nicht passen. Nach Hick kann die These vom Sündenfall nur dann rechterhalten bleiben, wenn der Sündenfall mythologisch ausgelegt wird, andernfalls wird er antiquierte Geschichte. Die irenäische Theodizee dagegen kann mit dem evolutionstheoretischen Verständnis vereinbart werden. Nach diesem Verständnis unterläuft alles dem Evolutionsprozeß, der als Prozeß der Seelenbildung zu verstehen ist und die Vollkommenheit in Gott zum Ziel hat. Unter dieser Perspektive lebt der Mensch in der Welt. Sein Erdenleben gleicht einem Pilgerweg zu Gott. Hick schreibt, "Im religiösen Verständnis ist unser Leben eine Reise zu einer endgültigen Erfüllung in der Zeit oder jenseits der Zeit, die dem schwerem Pilgerweg des samsarischen Daseins Wert und Sinn verleiht." (66)
8.5.3 Kategorie und Dynamik des Sprechens über Leid: Liebe und personale Beziehung
Andere Kritik Hicks an die augustinische Theodizee gilt der Kategorie des Redens dieser Theodizee über Gott, Menschen, Welt, die Gott-Mensch-Beziehung und das Schöpfungsverständnis. (67) Nach Hick wird in dieser Tradition Gottes Beziehung zu seiner Schöpfung in einer impersonalen Kategorie begriffen. Gott bekommt den Charakter eines neo-platonistischen Gottes in seiner überflutenden Existenz. (68) Dementsprechend ist das Motiv des Schöpfungsakts Gottes emanationistisch geprägt, also als Vervielfältigung Gottes. (69) Der Mensch wurde ad maiorem gloria dei geschaffen, und nicht, daß er in seiner freien Entscheidung in eine personale Beziehung zu Gott treten wird. (70) Nach Hick muß der Mensch als Person gesehen werden und die entsprechende Rede darüber ist die personale. Solche Rede hat ihre Wurzel in der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus. "Weil Gott sich selbst zu uns in und durch ein menschliches Leben offebart hat, müssen wir über ihn und seine Einstellung zu uns in personalen Ausdruck" denken (71) . Für Hick ist diese personale Kategorie des Redens zum einen wichtig, weil sie unser Verständnis von Gott, Menschen, Welt und ihre Beziehung zu einander bestimmt; zum anderen, weil sie unseren Zugang zur der Theodizeefrage radikal einhellt. Hick schreibt, "Eine christliche Theodizee muß zentriert werden auf moralische personalität statt auf die Natur als ganze, und ihr führender Prinzip muß die Ethik sein statt Ästhetik". (72)
8.6 Soul-Making Theodicy: Der Mensch und sein Ringen um Gott
Betrachten wir nun den Theodizee-Entwurf Hicks näher. Hick entwickelt seine Theodizee auf der Grundlage des irenäischen Menschen- bzw. Weltverständnises. Seine Grundannahme ist: Gott hat den Menschen geschaffen, so daß er in eine Wechselbeziehung zu seinem Schöpfer steht. Bei Irenäus heißt es, "Der Mensch mußte zuerst werden, dann wachsen, dann erstarken, dann sich vervielfältigen, dann genesen, dann verherrlicht werden und schließlich seinen Gott schauen". (73) Daraus liest Hick einen evolutionistischen Prozeß in der Entwicklung nicht nur des einzelnen Menschen, sondern auch der ganzen Menschheit. Der Weg des Menschen zu Gott ist ein langer und stufenweiser Prozeß. Zwei Momente zeichnen diesen Prozeß aus: Ebenbildlichkeit Gottes und Ähnlichkeit Gottes. Als Ebenbild Gottes wurde der Mensch geschaffen, doch die Ähnlichkeit muß und soll erst durch langen Prozeß der Freiheit verwirklicht werden. Gott hat den Menschen mit der Fähigkeit ausgestattet, personal relationship zu Gott aufzubauen. Er ist so angelegt, daß er nach Vollkommenheit Gottes strebt, zur Ähnlichkeit Gottes gelangen wird. Irenäus drückt es so aus, Nur wenn der Geist "sich vermengt mit der Seele und mit dem Körper vereint, dann entsteht der geistige und vollkommene Mensch, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen wurde. Fehlt aber der Seele der Geist, dann ist ein solcher Mensch nur psychisch, und da er fleischlich geblieben ist, wird er unvollkommen sein; er trägt zwar das Bild Gottes in seinem Körper, aber die Ähnlichkeit mit Gott nimmt er nicht an durch den Geist". (74) Diesen Gedanken greift Hick auf und macht ihn zusammen mit der Idee des allmählichen Prozeß der Vollkommenheit zum Grundsatz seiner religionsphilosophischen Theologie. Daher lautet die Definition der Religion bei Hick umschreibend: "Die Umwandlung der menschlichen Existenz von der Selbst-Zentriertheit zur Realitäts-Zentriertheit". (75) Mit der Realität (the reality) bezeichnet hier Hick Gott. Die Qualität der personalen Existenz, die letztendlich die Wiederspiegelung des des Schöpferslebens ist, (76) wird in einem allmählichen Prozeß der Transformation durch Lernen und Erlernen erreicht. Deshalb bezeichnet Hick diesen Prozeß auch als soul-making, Seelenbildung, person-making, personale Reifung. Der Mensch entwickelt sich zur einer Person nur durch die Interaktion mit der Umwelt, durch die Herausforderung, die ihm begegnet. (77)
Es ist aber kein geradliniger Prozeß. Er kennt, schreibt Hick, "vielerlei Stufen und Graden in den unterschiedlichen Qualitäten des echten Menschseins, und häufig ist es in einigen Bereichen des Lebens mehr verwirklicht als in anderen, kennt Fortschritte und Rückschritte, Anstrengung und Versagen in all den Aspekten, in denen sich Menschen durch ihre Erfahrung im Laufe des Lebens entwickeln und verändern". (78) Unter diesem Gesichtspunkt kann Hick sagen, "daß Leiden der unabdingbare Preis der Menschwerdung sind." (79)
8.6.1 Leid und Freiheit des Menschen
Aber unter welchen Konditionsbedingungen kann dieses Ziel erreicht werden? Hick nennt zwei Bedingungen: eine reale epistemische Distanz des Menschen zu Gott und eine Welt mit realen Wirklichkeiten. Die erste garantiert die Entfaltung der menschlichen Freiheit, in eine personal relationship zu Gott zu treten, die letzte garantiert den Prozeß des Erlernens und Erlebens.
Es ist nach Hick unverzichtbar, daß der Mensch in einer gewissen Distanz von Gott steht, eine epistemische Distanz, um auch wirklich frei zu sein, die Wechselbeziehung zu Gott aufzubauen. (80) Unmittelbar also kommt hier das Thema Freiheit ins Spiel, das schon seit Augustinus disputiert wird. Wie argumentiert Hick? Im ersten Schritt unterscheidet sich das Argument Hicks nich viel von dem derjenigen, die die Willensfreiheit verteidigen. Gott hat den freien Menschen geschaffen. Und Freisein heißt frei zu wählen zwischen Gut und Böse. Die Wirklichkeit des Böses ist der Preis der Freiheit. (81) Doch wir kennen schon das Gegenargument, das lautet: Gott könnte ja einen Menschen erschaffen, der immer frei das Gute wählt oder eine Welt schaffen, in der es kein Leid und Böses gibt. Antwort Plantingas, eines der Vertreter dieser Argumentsart, ist eine logische. 1) Wenn der Mensch in der realen Welt seine Freiheit mißbrauchen kann, könnte er sie auch in der anderen Welt genauso mißbrauchen. Daher ist es möglich, daß Gott solche andere Welt nicht geschaffen hat; 2) Die Freiheit ist unpredictable, unvorsehbar. Wenn der Mensch immer das gute wählt, dann ist die Freiheit keine Freiheit mehr.
Genau da liegt aber nach Hick die Schwachstelle dieses Arguments, die er als philosophical mistake bezeichnet. Daher sucht Hick im zweiten Schritt nach einer anderen Antwort und sie gibt uns der irenäische Ansatz, der "moral evil as an inevitable result of God's creation of man as an immature creature, at the beginning of a long process of moral and spiritual development." (82) der Vorteil dieser Erklärung besteht darin, daß das moralische und natürliche Übel beantwortet werden kann. (83) Das Böse gilt als Folge of his creation at an epistemic distance from God in a non-paradisal environment. (84)
8.6.2 Leid und Sünde
Mit Entschiedenheit lehnt Hick das Konzept der Erbsünde als Erklärung für die Existenz des Übel in der Welt ab. Die Neigung des Menschen zur Sünde ist nach Hick kein Erbe, sondern gehört zu der Konstitution der Entwicklungsstufe des Menschen vom tierisches Leben zu einer moralischen Person. Sünde wird also als Verweigerung des Menschen verstanden, von der Selbstzentrietheit zu der Gottzentriertheit verwandelt zu werden.
8.6.3 Gottverständnis Hicks
Um das Gottesverständnis Hick herauszustellen, muß man zwei Aspekte berücksichtigen. Zum einen hat Gott der Seelenbildung ein düsteres Gesicht, das seine Schöpfung den Naturgesetzen aussetzt. Für mache ist natürlich der Prozeß der Seelenbildung ein Segen, für manche anderen dagegen ein Qual. Gott läßt den Menschen auf dem harten pädagogischen Weg allein, auch wenn er am Ende des Weges wartet. Folgende Pauschalisierung Sonntags ist deshalb verständlich: "God has arranged stages of creation through which we must go, Hick thinks, but dous our world look like a training gym, now equipped with universal machines in the twentieth century, designed to hone our bodies and spirits to perfection? Only a few beautiful bodies survive out of billions, and spirits are broken every day. If God designed this traning program, we need a new coach." (85) Der Vorfwurf Ammicht-Quinns, die Pädagogik Gottes der Seelenbildung sei "eine schwarze Pädagogik" (86) ist in dieser Hinsicht vielleicht nicht ganz verfehlt.
Zum anderen aber hat Gott ein personales Gesicht. Wie Hick meint, ist die personale Beziehung zu Gott nicht nur nach dem Erdenleben möglich, sondern schon in dieser Welt. Gott ist derjenige, dem man in der Glaubenserfahrung begegnet, der sich den Menschen manchmal direkt offenbart. (87)
8.7 Die Welt als Ort der Soul-Making
Die Welt ist der Ort, in dem der Mensch sich selbst verwirklicht. Er kann seine Freiheit, seine freie Antwort auf die Liebe Gottes verwirklichen, wenn es er tatsächlich in einer Welt leben, in der es "reale Fälle, reale Gefahren, reale Probleme und Aufgaben und reale Möglichkeiten von Mißerfolg und Tragödie so wie auch von Triumph und Erfolg" (88) gibt. An einer Stelle schreibt Hick, "Die Welt als Umgebung, in der solche unvollkommenen Geschöpfe die Gelegenheit haben, ihrer Vollendung zuzustreben, ist ein rauher und herausfordernder Ort, der Schauplatz von Problemen, die gelöst, und Herausforderungen, die bestanden werden wollen. Sie ist ein Ort, der Scheitern und Erfolg, Untergang und Triumph, Tragödie und Erfüllung für uns bereithält." (89) Die Welt ist wirklich a vale of soul-making, das Tal der Seelenbildung. Der Mensch muß lernen, wie er in der Welt leben und überleben kann. Lernen durch Erfahrung ist ein Bestandteil des menschlichen Alltags, des Menschseins überhaupt. Ohne die Lernfähigkeit kann der Mensch in seiner Umgebung nie zurechtkommen. Besonders die kontrasten Erfahrungen sind hier von Bedeutung. Denn ohne sie, tötet sich der Mensch heimlich als Menschen, schreibt Irenäus. (90)
Aus dieser Perspektive heraus spricht Hick vom Leid und Bösen. Natürlich erhebt sich sofort der Einwand: (91) Hick instrumentalisiert die Erfahrung des Negativen und rechtfertigt somit die Existenz des Übels. Dieses Lösungsmodell sei dazu nicht geeignet, das Leid in Ausmaß zu erklären. Edward H. Madden und Peter H. Hare haben solche Kritik geübt. Muß denn das Leid nötig sein, um die Personwerdung zu verwirklichen? Hicks Antwort: "The Irenean claim is not that each evil which occurs is specifically necessary to the attainment of the eventual end-state of perfected humanity in the divine Kingdom... What was necessary was a world which contains real contigencies, real dangers, real problems and tasks and real possibilities of failure and tragedy as well as of triumph and success, because only in a world having this general character could human animals begin their free development into 'children of God'. (92) Natürlich kann noch weiteren Enwand anbringen: der Preis dafür ist aber zu hoch. Hicks Antwort ist: Gott ist dafür letztendlich verantwortlich. Aber so meint er, es gehört auch zu dem christlichen Bewußtsein, daß "in His total awareness of the history of His creation, God bears with us the pains of the creative process." (93) Und Hick setzt fort, "we believe or disbelieve, ultimately, out of our own experience and must be faithful to the witness of that experience". (94) Hier wird nochmals deutlich, daß die Glaubenserfahrung die absolute Voraussetzung aller theologischen Behauptungen.
8.8 Theodizee und die Frage nach der Erfüllung (Eschatologie)
8.8.1 Die Eschatologie und Ihre Funktion im Verständnis Hicks
Die irenäische Theodizee behauptet, daß das Leben ein langer Prozeß Seelenbildung ist. Dieser zielgerichtete Prozeß postuliert also, das er irgendwann auch in Erfüllung kommt. So tritt das zweite wichtige Element in der Theodizee Hicks: Eschatologie. (95) Sie bildet nach Hick einen wichtigen Aspekt der irenäischen Theodizee, denn hier wird entschieden, ob der Glaube an die unbegrenzte Liebe Gottes, das Vertrauen auf seine Macht und Güte, keine Illusion war. So hat die Eschatologie gleichzeitig die Funktion der Verifikation. Diese letzte Funktion der Eschatologie hat T.R. Mathis scharf kritisiert. (96) Er behauptet, daß die eschatologische Verifikation im Hickschen System völlig überflüssig ist. Doch mag seine Kritik zum Teil berechtigt sein, trifft sie doch nicht ganz. Denn Hick braucht eine eschatologische Verifikation, um seine These von der Rationalität des Glaubens konsistent zu verteidigen. Wie ich oben schon vorgestellt habe, argumentiert Hick so, daß an das zu glauben, was man für wahr hält und erfährt, rational ist. Aber aufgrund der Mehrdeutigkeit der Welt können wir nie sicher sein, ob das, was wir glauben, auch tatsächlich wahr ist. Empirisches Objekt mit einer räumlichen Lage kann man direkt verifizieren. Aber es gibt auch Aussagen, die nicht durch Einzelbeobachtung zugänglich sind, sondern nur durch "kumulative Bestätigung" verifiziert werden. Hick nennt z.B. die Aussage über den moralischen Charakter eines Menschen, die Evolutionstheorie oder die Theorie des sich ausdehnenden Universums, usw. Hier verläuft die Bestätigung nach und nach bis alle Gründe für einen Zweifel ausgeschlossen sind. Die These vom Prozeß der Seelenbildung läßt Zweifel nie ausschließen, so lange wir in dieser Welt sind. Erst in der Ewigkeit wird sie sich als wahr oder falsch erweisen.
Ein anderes Element, das mit der Eschatologie eng verbunden ist, ist das felix-culpa-Element, das Hick vom Augustinus adoptiert. (97) Es ist eine Tatsache, daß viele in dieser Welt das Ziel des Seelenbildung-Prozesses nicht erreichen können. Ist das nicht ein entscheidender Einwand gegen die These der irenäischen Theodizee? Hick sagt, daß man trotzdem auf die Güte Gottes vertrauen. Es gilt: Gott will alles zum Guten führen. In seiner Allmacht und Güte kann Gott alles wiedergutmachen, was gescheitert ist und damit sind wir zu der Frage nach der Versöhnung gelangt.
8.8.2 Leid und Frage nach Versöhnung
Nach Hick kann nicht aus der Liebe Gottes ausgeschlossen werden. Deshalb wird Gott alles tun, so daß alle Menschen den Stand der Vollkommenheit erreichen. Mit Entschiedenheit lehnt er die Aussage über die Existenz der Hölle. (98) Solange es Hölle gibt, droht der Plan Gottes zum scheitern. Hick schreibt, "For if there are finally wasted lives and finally unredeemed sufferings, either God is not perfect in love or He is not sovereign in rule over His creation." (99) Natürlich ist dies nicht unumstritten. Denn wenn Gott unsere Freiheit so wertvoll schätzt, dann soll es m.E. auch in der Ewigkeit möglich sein, daß der Mensch sich weigert, in die Erfüllung zu gehen. Wichtig ist, daß Gott allen am Ende doch Heil anbietet, und Felix culpa zur Geltung bringt. Aber es bleibt immer nur Angebot! Ich teile die Ansicht Hick nicht, wonach es ein Widerspruch wäre, wenn nicht alle in der Ewigkeit gerettet werden, und wenn es Hölle gäbe.
Teil III: Ausblick: Theodizee Für Heute
9. Theodizee und die Sinnfrage
Wie bereits gesagt, die Sinnfrage gehört zu dem Postulat einer Theodizee. Nicht nur wegen ihres psychologisch-praktischen Aspekt, das sinnvolle Leid sei leicht ertragbar, und das sinnlose dagegen sei unertragbar, (100) sondern auch weil sonst das Bekenntnis zu Gott als dem allmächtigen und allgütigen logischerweise in Frage gestellt würde.
Nun stellt sich aber die Frage, wie hat Hick seine Position in dieser Frage präzisiert? Hick versteht seine Theodizee auch als einen Versuch, die sinnvollen Wege des Menschen zu Gott zu rechtfertigen. (101) Doch beim näheren Hinsehen muß gesagt werden, daß Hick nur die Frage nach dem Telos des Seelenbildung-Prozesses beantwortet, und nicht z.B. die Frage ob jedes Leid auch sinnvoll ist. Hick scheint daran festzuhalten, daß solche allgemeine Aussage über das Leid und Übel in der Welt nicht auf jedes einzelnes Leid angewandt werden dürfe, als hätte Gott jedes Leid geschickt. Was Gott erschaffen hat, ist eine Welt mit realen Fällen, realen Gefahren, realen Problemen und Aufgaben, realen Möglichkeiten von Mißerfolg und Tragödie sowie auch von Triumph und Erfolg. (102) Die Frage "hat das Leid einen Sinn" kann nur so verstanden werden, daß Leiden im Prozeß der Seelenbildung seinen Ort hat und deshalb sinnvoll ist. Es gibt also eine Beschränkung in der Behauptung, daß das Leid für Menschen sinnvoll ist. Die Welt mit ihren realen Herausforderungen -- und das Leid gehört auch dazu -- ist da um bestanden zu werden. Das heißt im Endeffekt, jede Auseinandersetzung mit dem Leid ist sinnvoll in dem Prozeß der Seelenbildung. Der Sinn des Leidens liegt nicht im Leiden selbst, sondern in den Auseinandersetzung mit ihm. Es klingt wie ein Paradox, aber trotzdem, "it does not follow from this paradox that we should not strive to overcome the evil in the world; on the contrary, this is what we are here for!" (103)
10. Hicks Beitrag zur Theodizee für heute
Die Theodizee ist in ihrer klassischen Form ein Versuch, Gott angesichts des Leids in der Welt zu rechtfertigen. Sie will die Diskrepanz zwischen dem Bekenntnis zu einem allmächtigen und allgütigen Gott einerseits und der Tatsache des Übel und des Bösen in der Welt andererseits zusammendenken. Hick hat versucht, sich der Herausforderung dieser Diskrepanz zu stellen, und behauptet, daß Gott das Übel und das Leid zugelassen hat als Mittel unserer Seelenbildung.
Es stellt sich zugleich die Frage, wie wichtig ist das Festhalten an das Bekenntnis zu einem allmächtigen und allgütigen Gott? Für die Prozeß-Theodizee spielt z.B. diese Prädikate Gottes überhaupt keine Rolle. Hier wird Gott "entmachtet": er selbst hat keine Macht mehr, Kontrolle über seine Schöpfung zu üben. Hick dagegen verteidigt die traditionelle Attribute Gottes, weil nur sie den Erfolg des Seelenbildung-Prozesses garantieren können. Wie können wir darauf vertrauen, daß Gott uns am Ende retten kann, wenn er dazu keine Macht hat? Wie können wir hoffen, daß er uns am Ende erlösen will, wenn er kein gütiger Gott ist? Das Festhalten an das Bekenntnis zu einem allmächtigen und allgütigen Gott ist absolute Voraussetzung unserer Hoffnung auf rettende Macht Gottes. Hick hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet.
Die irenäische Theodizee kann weiter dazu beitragen, daß sie eine Alternative zwischen dem scheinbaren Dillemma, entweder für theorie oder für praxisorientierte Theodizee zu votieren, anbietet. Hicksche Theodizee ist zunächst theorieorientiert, nimmt das Theodizee-Problem wahr, und versucht auszudenken, was der Grund sein könnte, daß Gott das Übel zuläßt. Aber im Grunde muß sie praxisorientiert sein, wenn sie ihrer Kernthese noch gelten machen will. Denn der Sinn des Übels und des Leidens liegt gerade darin, es zu überwinden. Leidbewältigungspraxis und unsere Auseinandersetzungen mit ihm gehören zu dem Prozeß der Seelenbildung. Theodizee Hicks bietet eine Alternative in dieser Frage, und zwar daß die beiden Optionen den Gesamtaspekt der Theodizee-Lösung ausmachen.
11. Voraussetzung einer Theodizee heute
Ich komme zurück zu dem Leitthema meiner Arbeit: Hat das Leid einen Sinn? Diese Frage muß nun beantwortet werden mit Ja. Meine These lautet: Der Sinn unserer Erfahrungen vom Leid und Bösen ist, daß sie den Stationen der Umwandlungsgeschichte des Menschen angehören, die die Geschichte ihrer Bewältigung ist. Anders ausgedruckt: das Leiden ist der Preis der Menschwerdung.
1. Die Erfahrung vom Leid und Bösen ist kein Bruch in unserer Lebensgeschichte, sondern deren Bestandteil. Wir suchen sie nicht, aber wenn sie kommt, gibt es keine andere Möglichkeit als wir uns mit ihr auseinandersetzen müssen. Dies ist Moment der Integration der Leiderfahrung in den Rhythmus unsers Lebens.
2. Die Erfahrung vom Leid und Bösen ist gerade da als Herausforderung. Daran liegt der Sinn und darin sehen die Philosophie und Theologie ihre Aufgabe. Dies ist die Perspektive der Bewältigungspraxis.
3. Die Erfahrung vom Leid und Bösen gehört zu dem Prozeß unserer Wandlungsgeschichte. Ihre Wirklichkeit und Bewältigung kann von Zeit zu Zeit und von Phasen des Lebens unterschiedlich wahrgenommen werden. Dies schließt die Erfahrung der Sinnlosigkeit, der Resignation, und des Scheiterns ein, aber auch die Erfahrung der Freude, des Sieges, der Vollkommenheit. Dies schließt aber auch noch unterschiedliche Wahrnehmungen von Übel und Leid: sowohl dessen Verneinung als auch dessen Integrierung ein. Zu jeder Phase des Lebens oder der Geschichte bleibt die Herausforderung, sich mit dem Übel und dem Leid auseinanderzusetzen. Das ist die Dynamik der irenäischen Theodizee.
12. Schluß
Die Antwort auf die theodizeefrage liegt in den Auseinandersetzungen mit dieser Frage. Auch wenn Auschwitz jede Erklärung verbieten würde, wie die Vertreter der praxisorientierten Theodizee gerne zu sagen pflegen, kommt man zu solchen Aussagen nur durch die Beschäftigung mit dem Auschwitz-Geschehen selbst, durch die immer neuen Versuche, diese Tatsache wahrzunehmen und mit ihm fertig werden. Jeder Position ist Ergebnis des Prozesses der Auseinandersetzung, wie verschiedentlich auch die daraus entstandenen Positionen sein mögen. Die Anerkennung dieses Aspekt ist zugleich die Bestätigung der Kernthese der Theodizee Hicks.
Ausgewählte Literatur
- John Hick, "Eine Philosophie des religiösen Pluralismus", in: Münchener theologische Zeitschrift 45 (1994) 304-316.
- ________, Evil and the God of Love, London: Macmillan, 21977.
- ________, Faith and Knowledge, London: Macmillan, 21967.
- ________, "The Problem of Evil", in: The Encyclopedia of Philosophy, Vol 3, 136-41.
- ________, Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod, München: Diederichs, 1996.
- J. Hick, Philosophy of Religion, Engelwood Cliffs, N.J.: Prentice Hall, 41990
- P. Schmidt-Leukel, Religiöse Vielfalt als theologisches Problem, 11-49, Herder, 1995.
- P. Schmidt-Leukel, Anmerkung zur Übersetzung des Artikel Hicks "Eine Philosophie des religiösen Pluralismus", Münchener theologische Zeitschrift 45 (1994) 301-304
- A. Kreiner, Gott im Leid. Zur Stichhaltigkeit der Theodizee-Argumente, QD 168, Herder, 1997.
- A. Kreiner, Gott und das Leid, Paderborn: Bonifatius, 1994.
- S.T. Davis, (Hrg.), Encountering Evil. Live options in Theodicy. Edinburgh: T&T Clark, 1994.
- A.C. Plantinga, God, Freedom, and Evil, Michigan: Wm. B. Eerdmanns Publishing, 1996.
- J.B. Brachtendorf, "Die Philosophie nach der Theodizee - Neuerscheinungen zur Theodizee-Debatte", in: Zeitschrift für philosophische Forschung 49 (1995), 472-479.
- R. Ammicht-Quin, Von Lissabon bis Auschwitz. Zum Paradigmawechsel in der Theodizeefrage, Freiburg i.Br.: Herder, 1992.
- O. Marquard, "Bemerkungen zur Theodizee", in: W. Oelmüller (Hrsg.), Leiden, Paderborn: Schönigh, 1986, 213-8.
- B. Waldenfels, "Das überbewältigte Leiden. Eine pathologische Betrachtung", in: W. Oelmüller (Hrsg.), Leiden, Paderborn: Schönigh, 1986, 129-140.
- W. Oelmüller (Hrsg.), Theodizee - Gott vor Gericht?, München: Fink, 1990.
- J.B. Metz, "Theologie als Theodizee?", in: W. Oelmüller (Hrsg.), Theodizee - Gott vor Gericht?, München: Fink, 1990, 103-118.
- W. Oelmüller, "Philosophische Antwortversuche angesichts des Leidens", in: W. Oelmüller (Hrsg.), Theodizee - Gott vor Gericht?, München: Fink, 1990, 67-86.
- H. M. Baumgartner, "'um diesen Prozeß für immer zu endigen'. Bemerkungen zum Problem der Theodizee", in: F. Hermanni und V. Steenblock (Hrsg.), Philosophische Orientierung, München: Fink, 1995, 241-247.
- C.F. Geyer, Leid und Böses in philosophischen Deutungen, Freiburg/München: Karl Alber, 1983.
- Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien, IV und V, Kempten & München: 1912.
- Janßen, Hans-Gerd, Gott - Freiheit - Leid. Das Theodizeeproblem in der Philosophie der Neuzeit, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1993
Anmerkungen
1. Die von ihm genannte irenäische Theodizee hat Hick zum ersten Mal in Philosophy of Religion (11963, 41990) entworfen. Aber erst in seinem Klassik gewordenen Buch Evil and the God of Love (11966, 21985) nahm sie ihre endgültige systematische Gestalt an. Seitdem hat Hick seine Position in einigen Büchern und zahlreichen Aufsätzen verdeutlicht.
2. Zu der Theodizee Hicks gibt es einige Bücher und mehrere Dissertationen, und ebenfalls zahlreiche Aufsätze. Abgesehen von den Arbeiten von A. Kreiner, Gott und das Leid (31995), Gott im Leid (1997), und Aufsätzen von P. Schmidt-Leukel wird sie aber in der deutschsprachigen Theodizeeliteratur selten erwähnt.
3. Barry C. Whitney hat mit Recht notiert, "Whether or not one accepts Hick's theodicy, all must acknowledge that, ... Hick's work is seminal and has revitalized and redefined the theodicy issue," Theodiy,155.
4. Geivett, R. Douglas, Evil and the Evidence for God. The Challenge of John Hick's Theodicy, ix.
5. Hick, Religion, 134. In seinen späteren Arbeiten nennt Hick diesen Prozeß auch Transformation, Verwandlung des Menschen von Selbstzentriertheit zur Wirklichkeitszentrietheit, oder einfach der Prozeß der Menschwerdung. Unter diesem Aspekt behauptet er, daß Leiden "der unabdingbare Preis der Menschwerdung" sind, Hick, J., Religion, 136.
6. Siehe z.B. das historisch-systematische Buch von C.F.-Geyer, Die Theodizee, in dem der Einfluß der Theodizee Hicks keine gebührende Erwähnung findet.
7. Uneingeschränkt bin ich mit Kreiner in seiner Kritik an R. Ammicht-Quinn einverstanden, ihr sei in ihrem Urteil, daß der Diskurs der Theodizee über Leid "jede Möglichkeit der aktiven Solidarität im Leid" verhindere (Ammicht-Quinn, R., Von Lissabon bis Auschwitz, 230) "die Pointe von Hicks Theodizee entgangen" (Kreiner, A., Gott im Leid, 202, Anm. 43) . Dieser Fehlschluß wird noch deutlicher in ihrer Feststellung, die in -Theodizee gemeinte Pädagogik Gottes sei 'schwarze Pädagogik' (Ammicht-Quinn, R., Von Lissabon bis Auschwitz, 231).
8. Brachtendorf, J., "Die Philosophie nach der Theodizee -- Neuerscheinungen zur Theodizee-Debatte", in: Zeischrift für philosophische Forschung 49 (1995), 472.
10. Kreiner, A., Gott im Leid, QD 168, Herder 1997.
11. Vgl. a.o.O. 395. Entgegen die kämpferische Aussage seitens der praxisorientierten Theodizee sagt Kreiner, daß sie keine Alternative zur traditionellen Theodizee darstelle, sondern eher deren Bankrotterklärung, Siehe S. 205.
12. Z.B. die Arbeit H.-G. Janßen, Gott - Freiheit - Leid. Das Theodizeeproblem in der Philosophie der Neuzeit, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1993.
13. Vgl. Geyer, C.-F., Leid und Böses in philosophischen Deutungen, 195.
14. Siehe Hick, J., Philosophy of Religion, 40. Die im deutschsprachigen Bereich entstandenen neueren Theodizeeliteratur grenzt sich allerdings von diesen ab. Sie versteht sich als die der modernen Zeit angemessenen und einzig gültige Theodizee im Gegensatz zu der zum Scheitern verurteilten traditionellen Theodizee.
15. Griffin, David R., "Creation otu of chaos and the problem of evil", in: Davis, Stephen T. (Hrg.), Encountering Evil,101-119, hier 107.
17. Surin, Kenneth, Theology and the Problem of Evil, Oxford: Blackwell, 1986.
18. Tilley, Terrence W., The Evils of Theodicy, Washington: Georgetown University Press, 1991.
19. W. Oelmüller, "Statt Theodizee: Philosophisches Orientierungswissen angesichts des Leidens", in: Teodicea oggi? hrsg. von M.M. Olivetti, Padova 1988, 635-645.
20. Ammicht-Quinn, R., Von Lissabon bis Auschwitz,278.
21. Baumgartner, Hans M., "Um diesen Prozeß für immer zu endigen", in: Philosophische Orientierung hrsg. von F. Hermanni und V. Steenblock, München: Fink, 1995, 241-247.
22. Baumgartner, Um diesen Prozeß, 244.
24. H. Lübbe, "Theodizee als Häresie", 171. "Die Theodizee, als vollendbar gedacht, läßt das religiöse Wirklichkeitsverhältnis, das heißt die Anerkennung der Kontigenz der Welt und des eigenen Daseins, in der den theoretischen Akt der Einsicht in die handlungsrationale Verfügheit der Welt verschwinden. Im Gelingen der Theodizee verschwände nicht nur die Nötigkeit der Religion; sogar Moralität würde überflüssig".
25. Jüngstes Beispiel ist der Versuch Kreiner im Buch Gott im Leid, der Herausforderung des Theodizee-Problems gerecht zu werden und dem Bekenntnis zu einem allmächtigen und allgütigen Gott trotz aller Übel in der Welt Rechnung zu tragen.
26. Ammicht-Quinn, R., Von Lissabon bis Auschwitz,278.
27. Siehe O. Marquard, "Bemerkungen zur Theodizee", in: W. Oelmüller (Hrsg.), Leiden, 213-8, hier 218.
28. Z.B. Regina Ammicht-Quinn, Von Lissabon bis Auschwitz, 262ff.
29. Metz, J.B., "Theologie als Theodizee?", in: W. Oelmüller (Hrsg.), Theodizee - Gott vor Gericht?, 114.
30. Siehe Waldenfels, B., "Das überbewältigte Leiden. Eine pathologische Betrachtung." in: W. Oelmüller (Hrsg.),Leiden, 129-140.
34. Koslowski, P., "Der leidende Gott", in: Oelmüller, W. (Hrg.), Leiden, 51-57.
38. Siehe die Auseinandersetzung Hick mit der Religionskritik des Freuds und Durkheims (Hick, J., Religion, 126ff.), und des Feuerbachs, Braithwaite, Randals , Phillips und Cupitts (208ff.).
40. Statt meaning entscheidet er sich in seinem Frühwerk Faith and Knowledge das Wort significance zu gebrauchen und macht einen Unterschied zwischen significance und interpretation. Mit dem letzteren verbindet er die aktive Urteilbildung unseres Geistes, während dem ersteren die Wahrnehmung schlechthin. Allerdings benutzt er nur noch das Wort meaning in seinem bisherigen letzten Werk Religion.
41. Hick, J., Faith and Knowledge, 98.
43. Hick hält die Welt für grundsätzlich mehrdeutig. Man kann sie naturalistisch oder auch religiös interpretieren. Ein Beispiel dafür nennt Hick das historische Ereignis, als die Stadt Jerusalem von Chaldäern belagert wurde. Einerseits nimmt der Prophet Jeremias dieses Geschehen als "Wirken einer mächtigen göttlichen Gegenwart und planvollen Aktivität" wahr (Religion, 172). Aber andererseits: "Die dem biblischen Bericht zugrundeliegenden Historie kann an jedem Punkt so dargestellt werden, daß Jahwe nichts weiter als die obsessive Idee einiger Menschen war" (173).
44. Siehe Hick, J. Faith, 103.
45. Hick, J., Religion, Kap. 10, Anm. 8.
47. Siehe Hick, J., Religion, 165.
48. Siehe Hick, J., Faith and Knowledge, 11-94.
49. Hierzu siehe die Ausführungen Hick im Faith and Knowledge, 95-150.
50. Siehe Hick, J., Religion, 233.
51. Siehe u.a. Hick, J. (Hrg.), The Existence of God, London 1964; Philosophy of Religion, Kapitel 2 und 3; Religion, Kapitel 5.
55. Dazu schreibt Plantinga, "A theodicist, then, attempts to tell us why God permits evil. Quite distinct from a Free Will Theodicy is what I shall call a Free Will Deferense. Here the aim is not to say what God's reason is, but at most what God's reason might possibly be." Plantinga, A., God, Freedom, and Evil, 28.
56. Hick, J., Evil and the God of Love, 219.
58. Kreiner, A., Gott und das Leid, 161.
59. Ammicht-Quinn, R., Von Lissabon bis Ausschwitz, 227.
60. Hick, J., Evil and the God of Love, ix.
63. Hick wehrt sich gegen eine strikte negative Rede vom Bösen. Denn "auch wenn wir nicht hoffen können, die Motive oder die Gründe des Bösen zu verstehen, müssen wir noch fragen warum Gott es zuläßt." A..a.O., 8-9.
65. Hick schreibt, "Wie sehr auch das Leben von Hunderten von Millionen von Leid erfüllt war und ist, und wie wenig sie auch ihre menschliches Potential verwirklichen konnten, so haben ihre Lebensläufe in der Sichtweise der nachaxialen Religionen trotzdem ihren Ort in einer soteriologisch strukturieren Welt. Ihre Evangelien verkünden, daß das Projekt des Menschseins nicht sinnlos und vergebens ist." Hick, J., Religion, 76.
67. Sonstige Kritik: Sündenfall, Erbsünde, Prädestinationslehre, Hölle.
68. Hick, J., Evil and the God of Love, 77.
71. "And the category that inevitably dominates a theology based upon God's selfdisclosure in Christ is the category of the personal. Because God has revealed Himself to us in and through a human life we must think of Him and of His attitude to ourselves in personal terms." A.a.O., 196.
73. Irenäus, Advesus Haereses, IV, 38,3.
75. Hick, J., Eine Philosophie des religiösen Pluralismus, 305.
76. Hick, J., Evil and the God of Love, 212.
77. Dazu schreibt Hick, "Paradoxerweise beruht die Fähigkeit des Lebens, den Menschen zur Selbstverwirklichung anzuhalten, weitgehend gerade auf dem Schmerz und Leid, das im Wesen der Natur liegt und zu Liebe und gegenseitigem Schutz aufruft, und in den Grenzen von Geburt und Tod, die dem Leben seine spezifische Form geben, so daß die Zeit kostbar ist und wir zum Handeln gedrängt sind." Hick, J., Religion, 136.
78. Hick, J., Eine Philosophie des religiösen Pluralismus, 307.
80. Hick, J., Evil and the God of Love, 373: "In order, then, to give them the freedom to come to Him, God creates them at a distance -- not a spatial but an epistemic distance."
81. Die Diskussion sieht a.a.O., 367.
82. Hick, J., Evil and the God of Love, 369.
83. Ebd. "For the harsh features of the world, which we call natural evil, are integral to its being an environment in which morally and spiritually immature creature can begin to grow towards his perfection."
84. A.a.O., 373-4. Die prozeßhafte Entwicklung von Anfang des lebendingen Wesen bis zu dem Menschen 1) animal, 2) ethical, 3) religious!
85. Sonntag, F., "Critique", in: S.T. Davis (Hrg.), Encountering Evil, 56.
86. Ammicht-Quinn, R., Von Lissabon bis Auschwitz, 231.
87. Vgl. hierzu die Ausführungen Hicks über die vermittelte und die mystische Glaubenserfahrung in Religion, Kap. 10.
88. Hick, J., Evil and the God of Love, 375.
90. Irenäus, Adversus Haereses, IV, 39, 1.
91. Ausführliche Auseinandersetzung Hicks findet sich in Evil and the God of Love, 365-386.
92. Hick, J., Evil and the God of Love, 375.
95. Hick hat das Thema Eschatologie ausführlich in seinem Buch Death and Eternal Life, London 31990.
96. Terry R. Mathis, Against John Hick: an examination of his philosophy of religion, University Press of America, 1985. "Eschatological verification is then an unnecessary doctrine if it can be shown that evil circumstances are compatible with Hick's conception of deity, that is, if it is plausible to predict the possibility of currently experiencing these evil circumstances in accord with Hick's description of a loving God," 78.
97. Hick, J., Evil and the God of Love, 239. "The 'O felix culpa' theme is common to both types of theodicy."
98. "I therefore believe that the needs of Christian theodicy compel us to repudiate the idea of eternal punishment." Hick, J., Evil and the God of Love, 342.
99. Hick, J., Evil and the God of Love, 340.
100. Vgl. dazu auch A. Kreiner, Gott im Leid, 396: "Kein Übel hat eine derartig niederschmetternde Wirkung wie das als völlig absurd und sinnlos empfundene Leid."
101. Hick, J., Evil and the God of Love, 6-7.
102. Siehe Hick, J., Evil and the God of Love, 375.
103. Hick, J., Evil and the God of Love, 376.
Bemerkung: Dieser Aufsatz wurde als ein Refarat bei einem Seminar an der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster, erstellt.