Nein, dies ist nicht die Geschichte von einem einsamen Jugendlichen, der bar seiner Freunde durch die Stadt streifte. Zufällig hatte er eine Spraydose bei sich, und als er durch eine Straßenunterführung kam und gerade an seine große Liebe dachte... Ist ja gut, ich hör schon auf.
In Wirklichkeit waren es nämlich drei Werbefuzzis aus einer megahippen Agentur. Unterwegs zur wichtigsten Präsentation des Jahres, hatte der Kundenkontakter vor Aufregung ihren Dienst-BMW an die Seitenmauer der Unterführung gesetzt. Bei Spätgelb über die Ampel, Radfahrer von rechts, Steuer verrissen und klickeradoms.
Alles dahin: Der BMW, die Mappe für die Präsentation zerknittert; unmöglich, so vor dem Kunden aufzutreten. Der Kundenkontakter und der Art Director sahen ihre Karrieren den Isarkanal nebenan hinunterschwimmen. Nur dem Praktikanten, der nicht mal eine anständige Krawatte aufgetrieben hatte und eigentlich nur wieder nach Hause wollte, ging das alles von Herzen zwei Meter am Arsch vorbei.
An flexible Planung gewöhnt, entwickelte der Kundenkontakter sogleich eine alternative Strategie: Wenn die Präsentationsunterlagen nicht mehr zu gebrauchen waren, musste man eben das Anzeigenmotiv vor dem Kunden quasi live in concert extemporieren. Scribbles haben sowieso einen besseren, artifiziellen Charme. Da sieht der Kunde gleich, dass wir was können. Klar, knurrte der Art Director, genau deswegen hab ich ja die letzten drei Wochen Tag- und Nachtschichten geschoben. Hast du eine Ahnung, was das für ein Aufwand ist, in PhotoShop eine Nackte wie einen Flaschengeist aus einer Weinflasche steigen zu lassen?!
Bis der Abschleppdienst kam, hatten sie noch Zeit. Natürlich nichts zum Zeichnen dabei. Da sahen die beiden Chefs den Praktikanten gelangweilt mit einer Dose Sprühfarbe herumspielen, mit der er heute Abend noch mit seinem Kumpel einem VW-Bus einen schwarzen Rallye-Streifen verpassen wollte.
Gib mal her, sagte der Kundenkontakter und schnappte dem Praktikanten die Dose aus der Hand. He!, ereiferte sich der Praktikant. Aber die die Chefs vertieften sich schon darin, ihre Anzeige an der Mauer zu entwerfen. Und dann kam schon der Abschleppdienst.
Was glauben Sie, was Sie da machen?, rief der Arbeiter beim Aussteigen.