|
Vorbereitungsreise 9.1. bis 21.1.1999
Frohgelaunt und voller Erwartungen starteten wir am 9. Januar zu unserer diesjährigen Vorbereitungsreise nach Moldavien. Unser Ziel sollte wie
immer Chisinau sein. Da wir uns ein sehr umfangreiches Programm vorgenommen hatten, waren für den dortigen Aufenthalt elf ganze Tage vorgesehen. Mit 50 Minuten Verspätung flogen wir in Frankfurt ab und flogen und
flogen. Wir hörten fast nicht mehr auf zu fliegen. Einmal mußten wir dann doch landen, und siehe da, wir waren in Kiew in der Ukraine. Wegen Nebel war der Flughafen in Chisinau geschlossen. Die nächsten fünf Stunden
durften wir in einem großen, ungeheizten Transitraum verbringen. Kein Kiosk geöffnet, nichts zum Essen, nichts zum Trinken, und allmählich wurden auch die metallenen Sitzflächen der Stühle ( kein Plastik, kein
Kissen ) extrem kalt. Man hatte den Eindruck, daß zum ersten Mal seit Erfindung der Fliegerei ein Flugzeug nach Kiew umgeleitet worden ist. Nach stundenlangem Warten mit Vertröstungen auf die jeweils nächsten zwei
Stunden bekamen wir die Aussicht, den Rest der Nacht in einem Hotel verbringen zu dürfen, was dann auch geschah, aber ohne Abendessen und ohne Frühstück am anderen Morgen. Jedoch hatten wir , wie auch die anderen
Fluggäste, kein Visum für die Ukraine. Das waren für die dortigen Paß- und Zollbeamten ( und auch für uns) ungeahnte Schwierigkeiten. Und da kommt auf einmal der Gedanke "für was tust du das eigentlich, dir die
kalte Nacht um die Ohren schlagen, nichts zum Essen, nichts zum Trinken, daheim wäre es jetzt doch so schön bequem". Aber wenn man dann in den nächsten Tagen das Elend und die Not überall sieht, wird dieser
Gedanke wieder vergedrängt und man schämt sich fast, je einen solchen gehabt zu haben. Auf jeden Fall kam das gesamte Empfangskomitee ( alle unsre Freunde wollten uns am Samstag in Chisinau empfangen, selbst aus
Orhei waren sie über 70 Kilometer weit angereist ) leider umsonst zum Flugplatz. Dies wurde dann am Sonntag nachgeholt. Da ist auch Gusti, unsere Freundin und Dolmetscherin aus Rumänien, zu uns gestoßen. Wir hatten
im gleichen Gebäude wie im letzten Jahr zwei ordentliche Zimmer mit Küche und Bad zur Verfügung. Leider funktionierte die Heizung nicht und das Badewasser lief nur kalt aus dem Hahn. Wir besorgten uns am nächsten
Tag aus einem Krankenhaus zwei Heizlüfter und einen Kochtopf zum Erwärmen von Glühwein. Natürlich war unser Programm nicht mehr auf dem Laufenden, so daß wir den von Dr. Manolache mit dem Metropoliten von Chisinau
und Moldavien vereinbarten Termin nicht mehr wahrnehmen konnten. Es gab an diesem Spätnachmittag nur noch die Möglichkeit, mit dem Kanzler des Metropoliten bei einem Essen ein Gespräch in einer Wohnküche zu führen.
Wahrscheinlich war dies für Außenstehende uninteressant, denn die Köchin ist dabei eingeschlafen. Den Besuch bei Metropolit Vladimir haben wir dann am Montag nachgeholt. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm die Urkunde
über die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft bei HFO übergeben und gleichzeitig die Übernahme der
Schirmherrschaft für unsere Arbeit in Moldavien durch Metropolit Vladimir besiegelt. Am Vormittag waren wir Gäste in der Republikanischen Klinik bei deren Leiter Dr. Mosneaga, Dr.
Donet und Dr. Manolache. Wir führten vorbereitende Gespräche wegen des nächsten Transportes, sprachen aber auch über den zurückliegenden Transport und hielten Ausschau, ob die damals gebrachten Geräte in
unserem Sinne bzw. im Sinne der einzelnen Spender verwendet worden sind. Wir sparten auch nicht mit negativer Kritik, übrigens auch nicht bei anderen
Stellen, was uns aber auch nirgends während der ganzen Reise übel genommen wurde. Am späten Nachmittag fuhren wir mit Dr. Manolache, einem Herzchirurgen mit
internationaler Anerkennung, der auch schon in den USA gearbeitet hat, aufs Land zu seiner neuen umgebauten "Villa" ( bitte nicht mit unseren vergleichen ), die er uns voller
Stolz zeigte. Wenn auch das " Häuschen mit Herz " im Garten steht, das Wasser mit der Handpumpe gefördert werden muß, die Zimmer im Obergeschoß nicht geheizt sind, hat er
sich in langen Jahren etwas geschaffen, das er sich wirklich vom Mund hat absparen müssen. Die Schwiegermutter, die das Haus während der Abwesenheit der Familie
bewirtschaftet, hat uns etwas zum Nachtessen gerichtet und sich dann zum Fernsehen zurückgezogen. Plötzlich fiel der Strom aus. Das war jedoch kein Beinbruch, das ist
jeden Tag um diese Zeit ( 17.00 Uhr ) so, der Stromlieferant Ukraine stellt wegen immenser Schulden des Landes Moldavien regelmäßig für ein paar Stunden den Strom ab. Da wird
dann eine bereitliegende Taschenlampe angemacht und das Fernsehen fällt dann für einige Stunden aus. So einfach ist das. Von der Stromsperre ausgenommen wird lediglich die Landeshauptstadt Chisinau.
Weit im Vorfeld unseres Besuches hatten sich die einzelnen Gastgeber bemüht bei den
verschiedenen Ministerien, deren Sachgebiet unsere Transporte betreffen, Gesprächstermine zu vereinbaren. So waren wir am Mittwoch mit Herrn Vladimir
Nadkrentschny, dem Direktor der Caritas in Moldavien und Dr. Seremet, dem Chefarzt der Onkologie in Chisinau, bei dem Vorsitzenden einer der Regierung direkt unterstellten
"Kommission für humanitäre Hilfe" zu einem sehr informativen Gespräch zusammengetroffen. Dabei wurde uns zu verstehen gegeben, warum solche
einschneidenden Maßnahmen bei der Einfuhr von Hilfsgütern seitens der Republik Moldavien getroffen werden mußten. Allmählich hat sich nämlich das "Spenden" und
Verbringen von medizinischen, aber auch anderen Artikeln durch einige Hersteller, aber leider auch durch einige, man muß sagen gewissenlosen Hilfsorganisationen nach
Moldavien als verhältnismäßig billige Entsorgung von Problemstoffen entwickelt. So sollen zur Zeit in einem Lager 57 Tonnen überalterte Medikamente liegen, deren
Entsorgung sehr große Kosten, aber auch sonst Probleme bereitet, da gar keine Verbrennungsmöglichkeiten o.ä. vorhanden sind. Deswegen seien jetzt so rigorose
Restriktionen verhängt worden. Wir stellten in aller Deutlichkeit klar, daß man uns nicht in diesen erwähnten Kreis einreihen darf. Wir machten auch an Hand von Unterlagen ganz
deutlich, wie z.B. bei uns der Werdegang einer Hilfslieferung von Medikamenten verläuft (angefangen vom Mindesthaltbarkeitsdatum, einer Beschreibung des Medikamentes bis
zur Entscheidung, ob ein bestimmtes Krankenhaus eine genau definierte Arznei überhaupt in seinen Abteilungen gebrauchen kann, z.B. ein Medikament gegen
Prostata-Beschwerden dürfte in einem Kinderkrankenhaus wohl fehl am Platz sein, eine Bescheinigung dieser Klinik, daß sie die angebotenen Medikamente auch übernimmt,
weiter über die vorherigen Anmeldungen der Lieferung bei den verschiedenen Behörden Zoll, Innenministerium, Gesundheitsministerium, moldavische Botschaft in Bonn,
deutsche Botschaft in Chisinau usw). Wir haben mit unseren Argumenten bestimmt überzeugt und die Zusicherung erhalten, bei zukünftigen Transporten eine einfachere
Einfuhr überhaupt und die Ablieferung der Spenden direkt bei der von uns bestimmten Klinik vornehmen zu können.
Die dazu erforderliche Lizenz soll uns in Kürze erteilt werden. Bei einem Besuch des Büros der Caritas Moldavien wurde es dann ebenfalls wieder geschäftlich. Im Auftrag einer Todtnauer Bürgerin wurde deren
Spende in Höhe von 2 000.- DM an Pfarrer Soroka übergeben, der im abgetrennten Teil von Moldavien, in Transnistrien, in einem Dorf eine Suppenküche für etwa 130 Kinder unterhält. Auch wurde die jährliche
Abrechnung der Patenschaftsgelder, die von deutschen Familien über HFO und Caritas Moldavien an einige moldavische Familien gespendet werden, vorgenommen sowie das Geld für das nächste halbe Jahr übergeben.
Das ist immer viel Papierkrieg, denn Herr Nadkrenitschny ist in der Beziehung mehr als pingelig, aber das ist auch gut so für alle Beteiligten, hier wie dort. Nach dem wiederum
späten Mittagessen wurden wir in der deutschen Botschaft vom Botschaftskanzler, Herrn Ahlbrecht empfangen. Auch dort führten wir sehr intensive und aufschlußreiche
Gespräche und konnten auch einige uns aufgefallenen Unklarheiten beseitigen. Anschließend hatten wir noch mit einem leitenden Herrn des Innenministeriums (Polizei)
ein interessantes Gespräch, das leider durch dauernde Anrufe auf seinem Handy etwas gestört wurde. Am Abend wurde es dann wieder gemütlicher, wir waren zum Nachtessen
bei einem Nachbarn von Caritas eingeladen. Die Unterhaltung war sehr lustig, ging aber auch über Umwege, da zum Beispiel der kleine Junge des Nachbarn, etwa 4 Jahre alt, nur
russisch sprach und das über rumänisch auf deutsch übersetzt werden mußte und umgekehrt. Durch Vermittlung von Dr. Seremet war am nächsten Tag eine Sitzung im
Gesundheitsministerium angesetzt. Der Chef der Hauptdirektion für Medical-Assistenz, Technologie und Prüfungskommission sowie die Chefin der Pharmakologie-Kommission
erklärten uns ebenfalls die neuen allgemeinen Bestimmungen und gaben uns Hinweise über reguläre Einfuhrmöglichkeiten von Medikamenten, die zwar das vorgeschriebene
Mindesthaltbarkeitsdatum von einem Jahr nicht mehr erreichen, aber andererseits sehr dringend erforderlich seien. Weil wir inzwischen überall bekannt sind und immer
angenehm aufgefallen waren, erfüllten uns all diese Gespräche mit Stolz.
Wie schon im Reisebericht über den Transport im Mai 1998 kurz geschildert wurde waren
uns speziell für Moldavien große Schwierigkeiten vorausgesagt worden. Diese traten dann teilweise auch tatsächlich ein. Wie beschrieben, wurden über Nacht bei zwei LKW
die Planen aufgeschnitten und daraus einige wenige, fast wertlose Güter (Vorhänge und Kleidung) gestohlen. Wie im Bericht auch schon erwähnt, wurde daraus ein
Unternehmen mit stundenlangen Verhören und Protokollen, Beschlagnahme von Video-Bändern mit Aufnahmen, die wir am Tag zuvor beim Abladen gemacht hatten.
Diese Bänder wurden anschließend vor der Rückgabe an uns kopiert. Wir konnten an diesem Tag und auch noch längere Zeit danach nicht verstehen, wieso aus einem so
"normalen" Diebstahl solch eine kleine Staatsaffäre erwachsen konnte. Als "normalen" Diebstahl sahen wir es auch deswegen an, weil wir wie jedes Jahr zu Hause alles äußerst
korrekt vorbereitet hatten und sämtliche Ladelisten, Zollerklärungen, Bescheinigungen und was sonst noch alles gefordert wird bei den jeweiligen Empfängern, Zollbehörden
oder sonstigen Kommissionen vorlegen konnten und alles genau den Vorschriften entsprach. Einige Zeit später zu Hause erfuhren wir jedoch, daraus ist eine große
Staatsaffäre geworden. Wie schon angeführt, man konnte uns nichts Unerlaubtes nachweisen, alles war genau deklariert, sämtliche Medikamente waren innerhalb des
vorgeschriebenen Haltbarkeitsdatums, alles war zu 100 Prozent in Ordnung. Deswegen hielt "man" ( wer ??) sich an die Empfänger. Bei mehreren von unseren
Empfangsstationen wurden Einbrüche verübt, aber es wurde nicht irgend etwas gestohlen, nein, es wurden genau die Unterlagen entwendet, die unseren diesjährigen
und teilweise auch letztjährigen Transport betrafen. Bei einem Empfänger wurde durch eine Abteilung einer besonderen Polizei das Haus umstellt und eine Hausdurchsuchung
vorgenommen. Aber bei keinem der Betroffenen wurde auch nur die geringste Unregelmäßigkeit festgestellt, es war auch hier alles zu 100 Prozent in Ordnung ( wieso
auch nicht ). Wenn, wie wir es in einem Film und auch auf Bildern gesehen haben, die Direktoren von zwei voneinander unabhängigen Krankenhäusern ihr Personal dazu
"verdonnert" haben, jede gelieferte Schachtel eines Medikamentes (nicht Karton, sondern jede einzelne kleine Schachtel) zu notieren und in die Buchhaltung
aufzunehmen, dann kann man gar nichts anderes erwarten. Also mußte man auch hier zu der Erkenntnis gekommen sein, daß alles mit rechten Dingen zugegangen war und man
niemand etwas anhängen konnte, ja daß "man" ( wer ??) vielleicht einer falschen Anschuldigung aufgesessen war.
HFO ist trotz aller Bescheidenheit stolz darauf, in der vergangenen Zeit einige
weitreichende Beziehungen aufgebaut zu haben, die nunmehr zum Tragen kamen. Die Konsequenz war, daß, nachdem nunmehr auch einige Untersuchungsberichte
verschwunden waren und untersuchende Beamte angeblich nicht in der Lage waren anzugeben, wer ihnen den dienstlichen Auftrag zu den Überprüfungen gab, einige
Beamte aus ihren Ämtern entfernt und versetzt wurden. Am letzten Tag unseres Besuches, am Mittwoch 20.1., waren wir bei einem der damals Betroffenen eingeladen.
Während des Gespräches klingelte es und es traf uns fast der Schlag, als wir den eintretenden Gast erkannten. Es war einer der Untersuchungsbeamten , der bei unseren
Verhören dabei war und ebenfalls mit einer Versetzung bestraft worden war. Er entschuldigte sich für seine Person bei uns für das damalige Vorgehen, aber er handelte
ja auch nur auf Befehl. Nachdem wir auch dieses Jahr, wie schon erwähnt, bei einigen Ministerien erfolgversprechende Gespräche geführt haben, erwarten wir auch in diesem
Jahr, den Transport ganz nach unseren Vorstellungen durchführen zu können.
Einen Dämpfer erhielten wir dann anschließend beim Besuch des Krankenhauses mit der
einfachen Nummer vier. Was wir hier in diesem 170 Jahre altem Haus (es ist das älteste Krankenhaus der Stadt) sahen, war wiederum sehr deprimierend. Ein Teil ist vom
Erdbeben im Jahr 1991 immer noch zerstört und kann teilweise nur im Erdgeschoß benutzt werden. Von den Zimmern haben einige 14 Betten. Die Ausstattung ist sehr
einfach. Das rührt aber auch daher, daß dieses Krankenhaus mit 300 Betten mit einem Einzugsgebiet von ca. 150 000 Einwohnern das einzige ist, das von den Patienten noch keine
Aufenthalts- und Behandlungskosten verlangt. In den anderen Kliniken wird das schon ausprobiert mit der Konsequenz, daß weniger Patienten kommen und ihre dringend notwendige
Behandlung oder Operation hinausgezögert oder ganz unterlassen wird. Der Grund dafür ist ganz einfach: Von einer Monatsrente in Höhe von umgerechnet 19.-DM, die teilweise jedoch seit
letztem März nicht ausbezahlt worden ist, oder einem Chefarztgehalt mit Nacht- und Wochenendzulage in Höhe von 60.-DM (aber ebenfalls seit Monaten nicht ausbezahlt), kann man eben nicht noch eine
Krankenhausbehandlung bezahlen. Um eine Relation der Löhne zu uns zu erhalten: 1 Liter Benzin kostet ungefähr 60 Pfennig. 1 Flasche Mineralwasser (Plastik, 1,5 Liter) kostet auf dem
Markt 1.- DM. Man muß sagen, wir waren nach diesem Besuch und der Besichtigung der hygienischen Einrichtungen wieder froh, draußen an der frischen Luft zu sein, zumal wir beobachten konnten, wie die Patienten zur Mittagszeit ihre Mahlzeit aus Blecheimern in die mitgebrachten Näpfe ausgeteilt bekamen.
Auch von der Verwaltung dieser Klinik erhielten wir die Zusage, uns bei unseren Bemühungen, Hilfsgüter einzuführen, zu unterstützen. Bei leider sehr dichtem Nebel fuhren wir über Land zu einer Internatsschule,
die u.a. auch von der Organisation von Dr. Seremet unterstützt wird. Hier wohnen 580 Waisenkinder oder Kinder aus mittellosen Familien (leider gibt es Familien, die
regelmäßig jedes Jahr eines ihrer Kinder ab dem Alter 1 ½ Jahren abliefern, teilweise schon bis zu 10 Kinder). Insgesamt hat diese Internatsschule einen sehr guten Eindruck
gemacht, konnte im Wohn- und Schlafbereich aber auch nur mit Hilfe von amerikanischen Organisationen auf diesen Stand kommen. Dafür waren die
Toilettenanlagen um so schlimmer. Jedes Kind, das diese Schule besucht, erhält einmal im Jahr ein Schulheft. Am nächsten Tag hatten wir dann einen Termin bei dem Direktor
der Kinderklinik Dr. Rosu und der Kinderkardiologin Dr. Matragun. Wie bei allen unserer Empfangsstellen wurden auch hier die vergangenen Lieferungen besprochen sowie
Wünsche für zukünftige aufgenommen. Diese Klinik wurde von uns bisher sehr stark versorgt, was man auch allenthalben sieht. Die nach und nach gelieferten Betten wurden
überall in den Abteilungen verteilt und in Gebrauch genommen. Alte Betten und Betten mit sehr dünner oder gar keiner Matratze stehen natürlich auch heute noch herum und
machen den krassen Gegensatz deutlich. Am 25.12..98 machte der Staatspräsident eine Besichtigung und bemerkte die neuen Betten. Er erkundigte sich, woher diese stammten
und war sehr erstaunt und erfreut. Auch da ist man im Innern wieder stolz, wenn man so etwas hört. Wir konnten noch einen Blick in das Lager mit Verbandsmaterial werfen, wo
auch die "Pampers" lagern, die im Herbst letzten Jahres geliefert wurden und die äußerst strikt rationiert sind. Beim obligatorischen Rundgang kamen wir auch in verschiedene,
ebenfalls mit Hilfe amerikanischer Organisationen neu eingerichtete Operationsräume, die baulicherseits wohl keine Wünsche mehr offenlassen, aber beim Anblick der kleinen
und kleinsten Verbrennungsopfern, die da am laufenden Band operiert und intensiv betreut werden müssen, wird die Freude wieder zunichte gemacht. Leider können auch
die Entsendungen von schwerst herzkranken Kleinkindern, die in Chisinau nicht operiert werden können, nach Rumänien aus verschiedenen Gründen nicht mehr vorgenommen
werden. Bisher bestand in diesem Nachbarland die Möglichkeit diese komplizierten Operationen durchführen zu lassen. Frau Dr. Matragun versucht, dies in Zukunft in
Moskau möglich zu machen, aber das kostet sehr viel Geld. Zur Entspannung besuchten wir mit ihr am späten Nachmittag außerhalb von Chisinau eine Weinkellerei, die
kilometertief in den Berg eingegraben ist. Und wann kam wohl die obligatorische Stromsperre ? Natürlich mitten im Gewölbe. Den Samstagvormittag verbrachten wir mit
einem Besuch in der Onkologie bei Dr. Seremet. Ein ausführlicher Rundgang und eine Führung durch die sehr große chemotherapeutische Abteilung brachte viele
Begegnungen mit älteren, todgeweihten Patienten, Männern wie Frauen. Viele kommen aus dem Norden des Landes, wo Tschernobyl mit seiner Katastrophe verhältnismäßig
nah war, und sind an Krebs erkrankt. Da wie oben schon erwähnt eine rechtzeitige Behandlung zu teuer und unbezahlbar ist, warten die Leute eben bis es zu spät ist. Wie
überall liegen auch hier die hygienischen Zustände sehr im argen (z.B. eine Toilette für 60 Patienten). Am Nachmittag besuchten wir verschiedene körperbehinderte Mädchen, die
einen Rollstuhl von HFO erhalten hatten, von Caritas Moldau betreut und von Todtnauer Paten unterstützt werden. Im Büro der Caritas waren einige Empfänger anwesend, die
von einem Todtnauer Bürger regelmäßig mit Geldspenden bedacht werden und an die er für jeden persönlich einen Brief mitgegeben hatte. Am Abend dann waren wir bei einer
kranken Musikerin eingeladen, die dringend eine Operation in Deutschland erhalten sollte, wozu wir dann einen zusätzlichen Sponsor in Chisinau ausfindig machen
konnten. Wir können nur hoffen, daß mit dem Sponsoring und der Operation alles gut läuft. Jeden Tag war für 9.00 Uhr Programm angesagt. Ausgerechnet am Sonntag jedoch
für 8.00 Uhr. Wieso das? Wir bemerkten den Unterschied recht spät, aber dann zack – zack. Dr. Siman holte uns ab und wir fuhren 50 km nach Orhei zu Bischof Vulpe. Dieser empfing uns schon ganz nervös. Denn uns zu
Ehren war eine heilige Messe in der orthodoxen Kirche angesagt und die hatte schon längst begonnen und dauert ja über 3 Stunden. Wir wurden durch die übervolle Kirche nach vorne auf einen reservierten Platz geführt
und bekamen eine Kerze. Später durften wir an einem persönlichen Abendmahl teilnehmen und erhielten zum Abschluß ein geweihtes Brot mit einem Tuch. Wir verstanden zwar von der Predigt, die ein Priester
hielt und von der Liturgie von Bischof Vulpe nicht viel, aber öfters verstanden wir unseren persönlichen Namen sowie das Wort "Hilfe für Osteuropa". Die Messe war sehr
beeindruckend und nach einer persönlichen Ansprache von Ursula und entsprechender Übersetzung durch Gusti kamen zum Schluß wildfremde Menschen und drückten die
Hand und bedankten sich. Beim Mittagessen beim Bischof erschien ein Chor von 4 Priestern und 4 Frauen, die uns mit wunderbarem Gesang erfreuten. Am Montag war ein
sehr hoher (aber auch sehr kalter) Feiertag. Das aus dem Brunnen vor dem Pfarrhaus gezogene Wasser wurde mit einer großen Zeremonie geweiht. Im Krankenhaus von Orhei
führten wir wieder ausgiebige Gespräche mit dem Leiter Dr. Siman sowie einigen anderen Ärzten. Auch hier wie überall die gleichen Probleme und Schwierigkeiten, auch mit den
Löhnen. Eine 43-jährige Augenärztin, die wir schon seit Jahren kennen, erzählte uns, wie sie zu Hause 2 Kinder, 1 Mutter (Rentnerin), Hühner, den Garten und 1 Schwein zu
versorgen hat, und das bei einem Gehalt von theoretisch 55.-DM.Deshalb theoretisch, weil sie wie die anderen Ärzte auch schon seit 6 Monaten kein Gehalt mehr bekommen
hat. Auch hier erkundigten wir uns nach dem Verbleib und Verbrauch der von uns gebrachten Lieferung beim letzten Transport. Wir erfuhren(im übrigen zum wiederholten
Mal), daß der Chef, Dr. Siman, fest auf den Medikamenten sitzt und wacht und fast als geizig angesehen wird. Aber die Sachen müssen halt auch ein Jahr bis zum nächsten
Transport ausreichen. Und wer weiß, was dann überhaupt kommt. Nachmittags wollten wir bei Nebel und Glatteis mit Dr. Siman ein altes Kloster besichtigen, das über einem
Dorf in einen Felsen gehauen ist. Was ist auf dem Land um diese Zeit ?? Richtig, Stromsperre. Der Abstieg bei Kerzenlicht war eine eindrucksvolle und nicht ungefährliche Rutschpartie.Mit Dr. Makedon aus Chisinau fuhren wir am Dienstag weit über Land nach Japca, direkt an der Grenze zu Transnistrien. Wir hätten
über die Grenzbrücke fahren können, aber nur gegen Bezahlung von Visumgebühren und so wichtig war uns ein Aufenthalt dort auch wieder nicht. In das Krankenhaus von Japca wurde im Mai 1997 ein
vollständiges Röntgengerät gebracht, das wir von einer Praxis aus Darmstadt erhalten hatten. Leider geht der Einbau sehr langsam vonstatten. Ein Mann ist mit damit befaßt, wenn wieder mal
Geld vorhandenist. Das Gerät ist zwar schon "etwas" in Betrieb, aber unser TÜV würde das sofort beschlagnahmen, wenn er das sehen würde. Nach dem Mittagessen mit Rotweinprobe im
Schlafzimmer bei den Eltern von Dr.Makedon, in dem extra ein Tisch vor dem Kachelofen aufgestellt worden war, fuhren wir drei Stunden bei Nebel und Glatteis zurück nach
Chisinau. Dort überbrachte uns dann am Abend ein Kurier aus Moskau 13 Herzklappen mit den zugehörigen Medikamenten und Nahtmaterial. In der Küche, die auch als Büro
diente, fand später die Geldübergabe statt. Am anderen Morgen durften wir dann diese Dinge über Dr..Manolache an den Chefapotheker der republikanischen Klinik übergeben.
Dr. Manolache freute sich ungemein. Seit September konnte er keine Operationen mehr durchführen und aus Mangel an Medikamenten stand die Herzchirurgie vor der
Schließung. Die jetzt überbrachten Medikamente reichen immerhin für etwa 60 Operationen. Bei diesem Gespräch hier kamen dann wieder Probleme auf den Tisch, die
sich wohl in Zukunft ergeben werden bei der Überbringung der Herzklappen aus Moskau. Hier dürften wohl große Schwierigkeiten in zolltechnischer Hinsicht auftreten. Besonders
ergreifend war wiederum die Begegnung mit einigen meist jüngeren schwer erkrankten Patienten, die schon seit Monaten auf eine lebensrettende Herzklappe warteten. Gegen
Abend trafen sich alle Beteiligten der vergangenen Tage noch einmal zu einem Gespräch in der "Cafeteria" der Klinik. Natürlich wurde zu einem Essen und zu einem
Abschiedstrunk eingeladen. Das ging aber alles nicht auf Kosten der Klinik, sondern auf Kosten der anwesenden Ärzte. Man merkte das genau an der bunten Zusammenstellung
des Essens und der Getränke. Danach bekam Ursula anläßlich eines Besuches bei einem ehemaligen Studienkollegen von Gusti als Anerkennung für ihre Tätigkeit eine wertvolle
Ikone geschenkt, deren Ausfuhr jedoch erst noch geklärt werden muß, und die deshalb vorläufig in Moldavien bleiben mußte. Wegen dieses Besuches hat Gusti extra ihren
Abreiseplan auf den nächsten Tag verschoben (so konnte sie uns auch noch auf den Flugplatz begleiten). Leider war ihre Heimfahrt dann überschattet von den Wirren und
Unruhen, die in diesen Tagen in Rumänien herrschten, während wir einen besonders "exklusiven" Abschied von Chisinau nahmen. Ein einflußreicher Freund, der gewisse
Beziehungen hat, holte uns von unserer Wohnung ab und brachte uns zum Flugplatz. Dort geleitete er uns in den Raum für VIP – Passagiere, um uns die lästige Abfertigung für
"normale Leute" zu ersparen. Kurz darauf erschien Bischof Vulpe und ließ seine Beziehungen spielen. Wir durften aus dem VIP – Raum wieder raus und begaben uns in
die Lounge für Regierungsmitglieder und Diplomaten. Nach einigem Warten in der dortigen Bar wurden wir mit einem Kleinbus abgeholt und als erste zum wartenden
Flugzeug gebracht. Nach pünktlichem Abflug und fast pünktlicher Landung in Frankfurt begaben wir uns zum Zug. Und nach jeder Fahrt, die wir bis jetzt schon gemacht haben,
ist der Höhepunkt in Mainz in den Speisewagen zu gehen, um zwei Flaschen deutsches Bier zu trinken, das vermissen wir immer sehr in Rumänien und Moldavien. Zuhause angekommen in unserer Wohlstandsgesellschaft wollen uns die meist negativen Eindrücke nicht mehr aus dem Kopf gehen. Die Menschen dort
haben einfach keine Hoffnung mehr, man versucht nur noch irgendwie zu überleben. Auch uns belasten nicht nur die bedrückende Armut, nicht nur das zunehmende Mißtrauen untereinander, sondern auch
die strenger werdenden Auflagen, was Hilfsgütertransporte anbelangt, denn diese bringen uns eine unnötige Flut von Mehrarbeit.
Dennoch sind wir wie immer zuversichtlich, mit der Unterstützung von vielen das kleine Lichtlein der Hoffnung nicht ausgehen zu lassen.
Gunther Köllner im Februar 1999
|