Jugendkriminalität
verkannt, produziert, reproduziert
Seminararbeit Martin Reck,
1991
*** ***
0. EINLEITUNG
0.1 Problembegriff «Jugend»
Allgemein werden dem Begriff «Jugend» Kinder ab
ca. 12 Jahren, die Jugendlichen und (junge) Erwachsene bis ca. 25 Jahren zugeordnet; der
Begriff ist also recht vage und wird je nach Situation verschieden angewendet.
Juristisch gelten in der Schweiz folgende
Begriffe, die zur Einteilung der Jugend bzw. zu deren Eingrenzung dienen:
Kind (bis 15 Jahre)
Jugendlicher (15 - 18 Jahre)
Junger Erwachsener (18 - 25 Jahre)
Erwachsener (ab 25 Jahren)
Unter «Jugendkriminalität» werden Straftaten
von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verstanden; sie deckt also das Alter
zwischen 7 und 25 Jahren ab. In der Schweiz wird die Mündigkeit mit 20 Jahren erreicht.
In der Praxis wird das Jugendstrafrecht in der Regel für Täter bis zu 22 Jahren
angewendet, nur in Ausnahmefällen für bis zu 25jährige (vgl. StGB, Art. 100 - 100ter).
Bei Straffälligkeit kommen Kinder und Jugendliche
vor das Jugendgericht, junge Erwachsene vor das für alle Erwachsenen zuständige Gericht.
Eine kleine im Mai und Juni 1991 durchgeführte
Untersuchung zeigt, wie uneinheitlich der Begriff «Jugendlicher» in ein und derselben
Zeitung alle Beispiele stammen aus dem «Tages-Anzeiger» gehandhabt wird:
«(...) Für Kinder ab 11 Jahren und Jugendliche
bis 20 Jahre vermittelt der (...)»
«(...) Im Bericht sticht das veränderte
Sexualleben der 17- bis 20jährigen Jugendlichen hervor. (...)»
«(...) handelte es sich bei den Festgenommenen
um 37 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren und 293 junge Erwachsene (...)»
«(...) Von den 15- bis 17jährigen Jugendlichen
rauchen bereits 14 Prozent der Mädchen und 18 Prozent der Burschen (...)»
«(...) Die Jugendlichen verlangten von ihm die
Zusicherung, dass zwei von ihnen bewohnte Häuser an der Bäckerstrasse nicht polizeilich
geräumt würden. (...)»
Interessant ist das letzte Beispiel: Unter den
«Jugendlichen» (Hausbesetzern) dürften Frauen und Männer zwischen 18 und 30 Jahren
gewesen sein.
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0.2 Traditionelle versus kritische
Kriminologie
Vor ca. 25 Jahren wurden, durch die Rezeption
US-amerikanischer Autoren, soziologische Ansätze in die Kriminologie eingebracht. Der
Konsens zwischen traditioneller Kriminologie und Strafjustizsystem, wonach Verbrechen ein
dem Verbrecher «eigenes» Verhalten sei, geriet ins Wanken, und soziologisch orientierte
Kriminologen forderten bald vehement notwendige Reformen der Praxis. Während für die
traditionelle Kriminologie die Entwicklung des Strafvollzugs ein historisch
kontinuierlicher Prozess der Humanisierung staatlichen Strafens war, stellten die
kritischen Kriminologen das dem zugrunde liegende Gesellschaftsbild selbst in Frage. Die
traditionellen Kriminologen folgten dem Abschreckungsgedanken und empfahlen, auf
Jugendkriminalität mit abschreckenden Sanktionen zu reagieren. Die Vertreter der
soziologisch geprägten Kriminologie hingegen wiesen empirisch nach, dass eine
abschreckende Wirkung gar nicht zu belegen war. Sie orientierten sich am Modell der
präventiven Intervention ins Sozialgefüge der Gesellschaft, die sozialwissenschaftliche
Befunde einsetzte. Delinquenz (von Jugendlichen) sollte durch Arbeiten an einer
Verbesserung der Lebensbedingungen prospektiver Delinquenten, an einer Verringerung
individuellen und sozialen Leids schon vor der «Hilfe» durch Institutionen beeinflusst
werden: Die kritischen Kriminologen propagierten die Priorität der Sozialpolitik vor der
Kriminalpolitik und sollten sich später als wegweisend herausstellen.
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1. KRIMINALISIERUNG
1.1 Unzulänglichkeit der
Kriminalstatistiken
Die Kriminologie hat bei der Ausdehnung ihres
Untersuchungsgebiets auf die Tätigkeit der sozialen Kontrollinstanzen wie Polizei,
Staatsanwaltschaft, Gericht und Gefängnis Belege dafür gefunden, dass der Zugriff jener
Kontrollinstanzen selektiv ist. So werden denn eher Unterschichtsangehörige und jüngere
Menschen erfasst, wird Bagatellkriminalität intensiver verfolgt als z.B. hochkomplizierte
Wirtschaftskriminalität.
Das Erstellen von Kriminalstatistiken ist ein
Kriminalisierungsprozess; die in solchen Statistiken registrierte Kriminalität ist das
Ergebnis des Kriminalisierungsprozesses. Kriminalstatistiken sind Tätigkeitsnachweise der
kriminalisierenden Instanzen und sind auf keinen Fall ein Abbild des realen abweichenden
Verhaltens innerhalb der Gesellschaft, worunter Kriminalität fällt.
Im folgenden ein Beispiel für die
Beinahe-Nutzlosigkeit von Kriminalstatistiken und eine mögliche entsprechende
Falschinterpretation, die zwar an Fakten gebunden und in der Objektivität verankert zu
sein scheint, wichtige Umstände wie z.B. (repressives) Vorgehen durch die Polizei jedoch
verschweigt:
Quelle: Krista 1990 (Kriminalstatistik des Kantons
Zürich) (1991) (S. 32), Hg.: Kantonspolizei Zürich
Kommentar dazu: «Die Zahl der erfassten
Straftäter (aufgrund der erfolgten Anzeigen, M.R.) ist gegenüber dem Vorjahr um 3,5 %
zurückgegangen. Während in der Altersgruppe 18 bis unter 20 Jahre eine Zunahme von 0,5 %
zu verzeichnen ist, kann bei den anderen Altersgruppen unter 25 Jahren eine leichte
Abnahme festgestellt werden.»
Bedeutet das nun, dass die 18- und 19jährigen im
Verlauf des untersuchten Jahrs «krimineller» wurden? (Denn diese Frage oder
vielmehr die Antwort darauf wird in diesem tatsachenbezogenen Kommentar implizit
aufgeworfen.) Wohl kaum, denn aufgrund der Statistik lässt sich nur sagen, dass die
Kriminalität (= Gesamt der angezeigten Straftaten) zugenommen hat. Ob die Delinquenz (=
Gesamt der kriminalisierbaren Handlungen) bei dieser Altersstufe auch zugenommen hat,
lässt sich nicht sagen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Polizei bzw. die
Anzeigeerstatter im Berichtsjahr effizienter gearbeitet haben d.h. dass sie die
Differenz zwischen Kriminalität und Delinquenz um 0,5% verringert haben und sich
diese gesteigerte Effizienz zufälligerweise bei der betreffenden Altersgruppe
niedergeschlagen hat. Eine Tendenz lässt sich daraus auf keinen Fall herauslesen.
Das Beispiel zeigt auch die grosse Dichte von
Straftätern in den Altersgruppen zwischen 18 und 25 bzw. zwischen 15 und 30 Jahren. Diese
ist folgendermassen zu erklären:
Fast 50 Prozent der von 18- bis 25jährigen
begangenen und angezeigten Straftaten sind Betäubungsmitteldelikte (Krista 1987, S. 36),
die vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen begangen werden. (Der Kanton Zürich
sieht sich mit einem grossen Drogenproblem konfrontiert.)
Mit dem Drogenkonsum hängt auch die
Beschaffungskriminalität zusammen (z.B. (Entreiss-)Diebstähle, Raub).
Wichtigster Punkt aber ist jener der Selektion
von Straftätern, der die beiden andern Punkte fast entkräftet. Fiele jegliche Art von
Selektion weg, würde sich die Dichte der Straftäter fast gleichmässig (nicht erwiesen,
da nicht nachweisbar) auf die im Diagramm enthaltenen Altersgruppen verteilen. Es steht
aber fest, dass die Differenz zwischen Kriminalität und Delinquenz bei den älteren
Altersgruppen viel grösser ist als bei den jüngeren. (siehe 2.2)
Die kriminalisierenden Instanzen reduzieren
komplexe lebensweltliche Zusammenhänge auf ein bürokratisch verarbeitbares Format. So
entstehen Verarbeitungsformen, die selektiv und vor allem schichtsspezifisch sind. Eine
Analyse sozialen Handelns ist aber nur sinnvoll, wenn das Konzept «Lebenswelt» um die
objektiven, sozialstrukturell unterschiedlichen Faktoren erweitert wird, die den
Handlungsradius einer Person begrenzen. In den Kriminalstatistiken hingegen findet ein
systematisches Ausblenden dieser unabdingbaren Zusammenhänge statt. Wer sich umfassende,
den sozialstrukturellen Zusammenhängen Rechnung tragende Analysen wünscht, dem können
Kriminalstatistiken nicht genügen.
Zudem entpuppt sich gerade bei der
Jugendkriminalität vieles, was sich hinter Kriminalstatistiken verbirgt, als
entwicklungsbedingtes Spiel- und Probierverhalten und hat seine Ursache in z.B.
Abenteuerlust oder pubertärer Aggressivität. So kann der Grossteil der in die
Jugendkriminalität fallenden Straftaten nicht generell als eine die Öffentlichkeit
bedrohende Kriminalität gebrandmarkt werden. Die grosse Mehrheit jugendlicher Straftäter
kommt nur in einmaligen Kontakt mit dem Gericht, und das Gros der von Jugendlichen
begangenen Straftaten fällt in die Rubrik «(einmalige) Bagatelldelinquenz» (z.B.
sonstige Diebstähle, Konsum von weichen Drogen).
Nur ein verschwindend geringer Teil junger
Menschen (1-3%) kommt jährlich mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht oder Gefängnis
in Kontakt, und der (steigende) Gesamttrend der registrierten Jugendkriminalität wird vor
allem bestimmt durch die grosse Zahl von geringfügigen, einmaligen Eigentumsdelikten.
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1.2 Delinquenz und Kriminalisierung
Delinquenz umfasst das Straffälligwerden, d.h.
die Tatsache, eine Straftat begangen zu haben, während mit Kriminalisierung die
Verfolgung von Delinquenten bezeichnet wird. Es ist daher sinnvoll, den Unterschied
zwischen jugendlichen Delinquenten und jugendlichen Kriminalisierten (Delinquenten, die
einer gerichtlichen Sanktion zugeführt wurden) zu machen.
Dr. Sigfried Lamnek, Soziologe, schreibt im
Anschluss an eine Studie über «mehrfach auffällige Jugendliche», dass soziale
Benachteiligung sowohl die Delinquenz als auch die Kriminalisierung determiniert, sich
«jedoch weitaus stärker und auf quantitativ höherem Niveau auf die Kriminalisierung» 8. (S. 36) auswirkt. «Kriminalisierte haben durchweg
reduzierte soziale Kontakte, wobei zunehmende Kriminalisierung diesen Effekt verstärkt.
Hand in Hand mit dieser Reduktion geht eine Intensivierung der Interaktionen mit ebenfalls
Kriminalisierten, womit letztlich die Hemmschwelle zur Begehung von weiteren Straftaten
insoweit herabgesetzt wird, als sich ein eigenständiges sozialkulturelles Milieu
herausbildet, das durch die erfolgte Kriminalisierung erst konstituiert wird.» (ebenda) Durch die sozialstrukturellen Benachteiligungen werden nicht nur
Delinquenz und Kriminalisierung produziert, sondern zugleich auch über besagte
Produktion Sozialstrukturen und Kriminalisierung reproduziert: ein Teufelskreis.
Nur über sozialstrukturelle Verbesserungen könnte eine Reduktion der Delinquenz und
insbesondere der Kriminalisierung erreicht werden, eine Tatsache, die schon lange bekannt
ist. Jedoch: «Die Verwendung soziologischen Problemwissens bemisst sich (...) an den
Massstäben politischer Opportunität und öffentlicher Sensibilität und Rezeptivität in
bezug auf bestimmte (...) Problemlagen.» 4. (S. 19)
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2. UNTERSCHIEDE IM UMGANG
MIT JUGENDKRIMINALITÄT
UND ERWACHSENENKRIMINALITÄT
2.1 Produktion von
Jugendkriminalität
Die Produktion von Jugendkriminalität geschieht
aufgrund von Kriminalisierungsprozessen. Jugendkriminalität höbe sich niemals so stark
von der Erwachsenenkriminalität ab, würde sie nicht unter Verwendung sozialer
Stereotypen gesellschaftlich produziert und unterschieden sich die Straftaten, die den
Löwenanteil ausmachen, nicht so stark von den meisten der Erwachsenenkriminalität. Nicht
jede Handlung, die einen Straftatbestand erfüllt, geht in die offiziell bekannte
Kriminalität ein, und dementsprechend ist nicht jeder Urheber solcher Handlungen unter
den registrierten Straftätern zu finden. Es gilt festzuhalten, dass die offiziell
bekannte Kriminalität und dementsprechend die registrierten und sanktionierten
Täter verzerrt ist und nicht einfach ein verkleinertes Abbild aller
kriminalisierbarer Handlungen (= Delinquenz) darstellt.
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2.2 Selektion von Straftätern
Die erste Komponente, die zu einer Selektion
führt, ist die Wahrnehmung der Straftat respektive deren Nicht-Bekanntwerden. Allein
diese einfache Tatsache macht es verständlich, weshalb von Jugendlichen begangene
Straftaten viel eher strafverfolgt werden als von Erwachsenen begangene: Sie werden bis
auf wenige Ausnahmen (Ausnahmen sind vor allem Verstösse gegen das
Betäubungsmittelgesetz) bemerkt, d.h. sie lassen ein Opfer zurück. Die Strafanzeigen
sind abhängig von den Opfern und Zeugen, was dazu führt, dass Strafverfolgung und Justiz
sich fast ausschliesslich um diejenigen
Delikte kümmern, die von den Opfern selbst
bemerkt werden und bemerkt werden können. Dies sind vor allem Gewaltdelikte sowie
unmittelbare Wegnahme des Eigentums anderer durch (Entreiss-) Diebstahl und Raub.
Diejenigen Straftaten hingegen, die von den Opfern nicht oder nur selten bemerkt werden,
werden auch von den Strafverfolgungsinstitutionen fast gänzlich vernachlässigt; z.B.
Steuer- und Wirtschaftsdelikte. Die Unmöglichkeit, solche Straftaten zu ahnden, darf
nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass die Kontrollinstanzen ihr Tätigkeitsfeld auf
diejenige Art von Kriminalität beschränken, welche die höchsten Erfolgsquoten
verspricht und die insbesondere (Unterschichts-)Jugendlichen offensteht, die keinen Zugang
zu Delikten haben, mit denen man sich auf relativ gefahrlose Weise bereichern kann. Die
«vernachlässigte Kriminalität» der Mittel- und Oberschicht steht zudem in der Regel
nur Erwachsenen offen.
Ausländische Jugendliche leben, da sie «mehr als
alle anderen Bevölkerungsgruppen unter dem Druck sozialer und psychischer Deprivation» 1. (S. 65) stehen, in extremer sozialer Randständigkeit. Darauf
reagieren die Kontrollinstanzen denn auch mit einem noch grösseren Ausmass von
Stigmatisierung, als sie es bei einheimischen Jugendlichen tun.
Es soll verdeutlicht werden, dass das selektive
Erfolgen der Strafverfolgung nicht zufällig ist. Strafverfolgung geschieht vor allem
dort, wo der Zugriff für die Kontrollorgane am einfachsten ist: bei minderschweren, auf
der Strasse begangenen Straftaten. Die zusätzliche kriminologische Konzentration auf die
Jugendkriminalität verdoppelt die Selektion der Kontrollinstanzen.
Anhand der sogenannten Dunkelfeldforschung wird
versucht, die Differenz zwischen Kriminalität (= angezeigte Straftaten) und Delinquenz (=
kriminalisierbare Handlungen) zu eruieren. Nur folgt eben auch diese Forschung den
üblichen Mechanismen, d.h. der falschen, allzu einfachen Schwerpunktsetzung, die ihr von
den Kontrollinstanzen vorgelebt wird. Dazu Kaiser (1977, S. 210): «Solange solche
Forschungen nicht auch die Kriminalität der Erwachsenen und andere Delikte als die
herkömmlicherweise berücksichtigten miteinbeziehen, können sie immer nur das
tautologische Resultat erbringen, dass die typische Unterschichtsdelinquenz von
Jugendlichen der Unterschicht begangen wird.»
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3. KRIMINALPOLITIK
3.1 Symbolische Kriminalpolitik
Die instrumentelle Seite (Polizei,
Staatsanwaltschaft, Gericht, Strafvollzug) der Kriminalpolitik erschöpft sich fast in der
Verfolgung und Sanktionierung von Straftätern, denen Rechtsfolgen auferlegt werden. Durch
die Politik werden überhaupt erst Probleme geortet, die Art sie zu erfassen festgelegt
und Lösungsvorschläge erbracht. Es gilt als zweifelhaft, ob die kriminalpolitisch
eingesetzten Mittel ihr Ziel, die Reduzierung von Kriminalität, wirklich erreichen. Die
Kriminalpolitik macht uns aber auch darauf aufmerksam, dass es überhaupt ein Problem
«Kriminalität» gibt, und versucht aufzuzeigen, welches seine Ursachen sind, von welchem
Personenkreis die Bedrohung ausgeht mittels Statistiken , wie gross diese
Bedrohung ist usw. Die Kriminalpolitik folgt immer noch weitgehend der traditionellen,
täterorientierten Kriminologie und hat auch die Aufgabe uns zu überzeugen, dass die von
ihr zur Bekämpfung der Kriminalität eingesetzten Mittel die einzig möglichen sind, auch
wenn diese nicht erfolgreich sind.
Diese der Gesellschaft verpflichteten,
symbolischen Aufgaben der Kriminalpolitik stützen sich fast ausschliesslich auf
«empirisch» festgestellte Tatsachen wie den Umfang der Kriminalität, der, vor allem
durch die Polizei, in Form der Kriminalstatistik bestimmt wird. Als Ursachen von
Kriminalität werden die Eigenschaften der Straftäter aufgefasst, wobei nicht beachtet
wird, dass es sich bei jenen bereits um die Endprodukte des Prozesses der Strafverfolgung
handelt und dadurch nur ein falsches Bild entstehen kann.
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3.2 Ansätze für eine andere
Kriminalpolitik
Die Tatsache, dass der repressive Umgang mit
Kriminalität nichts nützt und dass sich in absehbarer Zeit daran auch nichts ändern
wird, liess N. Christie, einen Kriminologen, schon 1977 einen Vorschlag für ein
individuelles «Straf-»Verfahren machen: Die Rechtsfolgen einer Straftat sollten in einer
Diskussion von Laien und möglichst wenig Rechtskundigen unter Einbeziehung der Situation
von Opfer und Täter festgelegt werden. Gerade im Zusammenhang mit Jugendkriminalität ist
es fraglich, ob die uns selbstverständlich gewordene Repression und der Strafvollzug
in welcher Form auch immer sinnvoll sind, denn sie stellen in jedem Fall
eine massive Behinderung oder gar die Zerstörung eines Lebens dar.
Das kriminalpolitische Interesse verlagert sich
immer mehr von der Resozialisierung von Anstaltsinsassen auf den Bereich möglicher
sozialer Auslösefaktoren für abweichendes Verhalten. Diese kriminalpolitische
Umorientierung wird gefördert durch die Erkenntnis, dass staatliche Institutionen das
vorgegebene Ziel späterer Straffreiheit durch Resozialisierung offensichtlich verfehlen.
Diese präventive Kriminalpolitik will abweichendes Verhalten verhüten, zum Teil weit im
Vorfeld der Eingriffskompetenzen von Instanzen sozialer Kontrolle. Dies führt zu einer
Vorverlagerung der Grenze professioneller Intervention, die meistens im Bereich der
Sozialarbeit bzw. Jugendarbeit einsetzt.
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4. JUGENDARBEIT
Die Jugendarbeit soll eine nicht-repressive
Delinquenzprophylaxe sein. Sie will insbesondere Jugendliche erreichen, die bereits
ausgegrenzt sind oder gerade in dieser Entwicklung stehen. Denn gerade sie sind verstärkt
Kriminalisierungsprozessen ausgesetzt, sind sie einmal delinquent. Die Jugendarbeit
versucht vor allem durch Schaffung und Betreiben von Freiräumen (Jugendtreffs etc.),
diesen Jugendlichen die Möglichkeit zu geben,
Konflikte nahezu unter Ausschluss von Sanktionen auszuagieren. In diesen Räumen, in denen
das Risiko von Disziplinierung und Sanktionen auf ein Mindestmass beschränkt ist, können
sie massivere Forderungen stellen an sich und die anderen und viel besser
ausprobieren, wie weit ihre Macht als einzelne und als Gruppe geht. Zudem sind sie hier
frei von fremden Erwartungen.
Nur sind diese Freiräume öffentliche
Einrichtungen und sind der kommunalen (Jugend-)Politik oder Trägerschaften unterworfen.
Diese Verpflichtung der die Jugendzentren betreibenden Sozialarbeiter gegenüber den
Geldgebern führt zu einer Massierung von Regelungen, welche aus solchen Freiräumen
durchorganisierte und -strukturierte Orte machen, vergleichbar mit Familie, Schule und
Arbeitsplatz. Es werden von aussen Massstäbe von Sauberkeit, Ordnung und Anständigkeit
an die Jugendlichen und die Betreuer herangetragen, die sich ihrerseits allzu stark
kontrolliert vorkommen. Die Folgen sind Frustration, Resignation und Ohnmacht auf
Betreuerseite, was oft in einem offenen Konflikt gipfelt: Nicht selten werden solche
Jugendeinrichtungen zu einem Politikum, das die Bevölkerung einer ganzen Gemeinde
spaltet. Schliessungen und Wiedereröffnungen wechseln sich ab, die Kontrolldichte wird
erhöht, Sanktionen verschärft, womit direkt oder indirekt zur Kriminalisierung der
Jugendlichen beigetragen wird. (Bsp. Jugendzentrum «Schlupf», Ittigen BE, im Jahr 1985)
Die Jugendlichen wenden sich angesichts derartiger
Konflikte von den für sie gedachten Zentren ab und sind vermehrt auf der Strasse
anzutreffen, ihrem neuen und einzig möglichen Freiraum, wo sie die Freizeit als
«Leerzeit» (= «Zeit des <Herumhängens>, die leer ist von fremdgesetzten
Ansprüchen und Erwartungen» 6. (S. 98)) verbringen
können. Es ist nicht die Jugendarbeit, die hier versagt, sondern die Jugendpolitik, die
sich als Politik gegen Jugendliche entlarvt. Die Jugendarbeit ihrerseits steckt im
Dilemma, von der Gemeinde eingesetzt zu werden und von ihr (finanziell) abhängig zu sein.
So sind denn Einrichtungen der Jugendarbeit häufig nach Gesichtspunkten konzipiert, die
gegenüber den realen Anforderungen überholt sind; die Jugendlichen werden ja in der
Regel bei der Konzipierung nicht nach ihren Bedürfnissen gefragt.
Jugendarbeit ist ein marginaler Bereich im System
einer Jugendpolitik, die versucht, auf die Produktion von sozialer Randständigkeit mit
der Schaffung von (kontrollierten) Freiräumen zu reagieren, durch falsches Vorgehen aber
ihrerseits oft erheblich zu jener Produktion beiträgt. Die Politik wird der Realität
nicht gerecht, vielmehr verfolgt sie der scheinbaren Einfachheit halber
deren Kaschierung, die den politischen und institutionellen Umgang mit den individuellen
Auswirkungen von gesellschaftlicher Marginalisierung und Deklassierung kennzeichnet.
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5. PRÄVENTION
5.1 Die frühe und repressive
Kontrolle zur Gewährleistung der Sicherheit
Dass «die Familie als wichtigste soziale
Institution und als bedeutsame Zelle des Staates allgemein in Gefahr ist» 10. (S. 17) wird von offizieller Seite oft als Ursache für
Kriminalität genannt. In dieses sehr vage bezeichnete Problem fällt u.a. auch der
Drogenkonsum und die damit zusammenhängende Beschaffungskriminalität. Als weitere
Ursachen werden Integrationsprobleme von Ausländern und Arbeitslosigkeit in der
Schweiz z.Z. (Juni 1991) bei 1,1% und damit nur von geringer Bedeutung angeführt.
Jugendkriminalität sei potentielle spätere Erwachsenenkriminalität, und deshalb sei
auch unter kriminalpräventiven Gesichtspunkten das Augenmerk schwerpunktartig auf
Jugendliche zu richten.
Die Bedrohung durch Kriminalität wird als gegeben
betrachtet. Nach Berckhauer 5. (S. 559) ist es «Aufgabe
der Kriminalpolitik (...), alle individuellen und sozialen Voraussetzungen und Bedingungen
abweichenden Verhaltens und seiner (öffentlichen wie privaten) sozialen Kontrolle zu
analysieren und in ein praktikables Programm umzusetzen (...) Ein so weit gefasster
Begriff beinhaltet auch Massnahmen im Vorfeld des Strafrechts.» Kriminalität wird hier
als eines der Probleme verstanden, die sich aus mangelhafter Durchrationalisierung des
gesellschaftlichen Gefüges ergeben, und entsprechend ist es Aufgabe der Kriminalpolitik,
diesem Zustand durch Einsatz aller verfügbaren Mittel abzuhelfen: Prävention durch
Sozialpolitik.
So lautet denn das Schlagwort in der
Kriminalpolitik mehr denn je «Vorbeugen statt strafen» und wird nicht zuletzt an die
Polizei adressiert (vorbeugen durch verstärkte Kontrolle und Präsenz): ein plausibler
Ansatz, der in jeglicher Hinsicht besser, d.h. effektiver, billiger und humaner, zu sein
scheint als jede andere Art repressiver Staatskontrolle. Es gälte aber, auf die
Auffassung vom Verhältnis zwischen Bürger und Staat zu achten. Doch jenes leidet in der
Tat unter der ausgedehnten und verstärkten Kontrolle. Die Kritiker dieser früh
einsetzenden Prävention sehen denn auch die Gefahr gesellschaftlicher Bevormundung durch
eine Ausweitung «weicher» Kontrollformen. Dazu Narr 9.
(S. 512): «Die Polizei präventiv auszurichten, (...) heisst nämlich, sie zu befähigen,
auch und gerade dort zugegen zu sein, wo nichts geschehen ist, kein Verdacht vorliegt.»
Er geht davon aus, dass die Integrität von Personen und Räumen aufgehoben werden muss,
sollen sowohl Räume als auch Personen frühzeitig ganz davor geschützt werden, dass
Verbrechen geschehen können, und sieht darin «das Ende aller Bürgerrechte zugunsten
einer garantierten Sicherheit, die freilich so durchaus nicht zu garantieren ist» (ebenda).
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5.2 Die US-amerikanischen
Diversionskonzepte
In den USA stützt sich die Sozialarbeit auf
sogenannte Diversionskonzepte, d.h. auf die Ableitung (Diversion) eines «Falles» aus dem
Kriminaljustizsystem bzw. die Vermeidung einer Überweisung dorthin. In der Praxis
bedeutet dies, dass die Sozialarbeiter versuchen, Konflikte, zu denen die Polizei gerufen
wird, von den Beteiligten selbst schlichten zu lassen. Die Sozialarbeiter in der
US-Polizei sind Vermittler und sind nicht verpflichtet, den registrierten Sachverhalt ins
Kriminaljustizsystem zu überweisen.
Neben dieser Konfliktschlichtung («Diversion to
nothing») gibt es auch die Möglichkeit von der direkten Überweisung an soziale
Hilfsdienste («Diversion with referral»). Dadurch wird nicht nur der chronisch
überlasteten US-Justiz Arbeit abgenommen, sondern in erster Linie die Vermeidung
stigmatisierender Kontakte mit dem Kriminaljustizsystem erreicht.
Diese Programme bergen aber die Gefahr einer
massiven Ausweitung «weicher» sozialer Kontrolle und auf der anderen Seite jene einer
Aushöhlung traditioneller Strafverfahrensgarantien: Durch die Überweisung des einzelnen
oder seiner ganzen Familie an eine «behandelnde» Sozialagentur wird in der Regel die
amtliche Auffälligkeit einer Person oder deren ganzer Familie eingeleitet. Die so
ausgelöste Psychologisierung der Probleme stellt für die Betroffenen nicht immer eine
Hilfe dar, sondern ist für sie oft eine andere Form sozialer Kontrolle. Einbussen
rechtsstaatlicher Strafverfahrensgarantien können dort ausgemacht werden, wo bei einer
Person das Sozialprogramm offensichtlich gescheitert ist und sie die Wiederaufnahme des
Verfahrens zu gewärtigen hat, die Projektmitarbeiter aber subjektiv eine positive
Beurteilung abfassen, gegen die nur schwerlich Einspruch eingelegt werden kann, da sie
wohl auf Kriterien wie «Änderung in Verhalten und Lebensweise» aufgebaut sein wird. Die
Kontrollinstanzen geben mit diesem Diversionskonzept die Kontrolle aus der Hand, denn
diese hört dort auf, wo sie sich auf «Experten» verlassen müssen.
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5.3 Zivile Arbeitsgruppe
«Vorbeugung» der Berliner Polizei (Revier: Bahnhof Zoo)
Im Mai 1990 wurde in Berlin die zivile
Arbeitsgruppe «Vorbeugung» gegründet, um der Zunahme der Gewalttätigkeiten unter
Jugendlichen entgegenzuwirken. Ihr Einsatzbereich ist überall dort, wo Jugendbanden und
rivalisierende Gruppen sich gegenseitig bedrohen. Sie ist Teil einer grossen
Arbeitsgruppe, der AG «Gruppengewalt», die als Stelle der Berliner Kriminalpolizei
Informationen sammelt und damit Berichte verfasst, die es ermöglichen sollen, auf der
Strasse konkrete Massnahmen zu ergreifen. Die AG «Gruppengewalt» informiert andere
Instanzen und Institutionen über die Lage, wie sie sich der Polizei präsentiert, damit
auch diese geeignete Massnahmen ergreifen können.
Die AG «Vorbeugung» ihrerseits versucht, die
Gesprächsbereitschaft der Jugendlichen die nach Polizei-Aussagen effektiv
vorhanden ist dazu zu benutzen, Kontakt zu schaffen nicht nur zwischen den
Polizisten und den Jugendlichen, sondern auch zwischen rivalisierenden Gruppen; sie
versucht also, bei Präventivmassnahmen mitzuwirken. Die Jugendlichen sollen Probleme
unter sich nicht durch Schlägereien aus dem Weg räumen. Vor allem das aggressive
Verhalten zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen nimmt zu.
Die fünf Polizisten dieser AG sind zwischen 20
und 30 Jahre alt, was für ihre Arbeit nur förderlich sein kann. Hingegen gibt es andere
Schwierigkeiten wie z.B. gewöhnliche Polizeieinsätze, die ihnen die Zeit für ihre
eigentliche Aufgabe nehmen: Der vertrauensbildende Kontakt zu Jugendlichen kann nur
aufgebaut werden, wenn genügend Zeit und Personal für diese Arbeit zur Verfügung
stehen. Der Dienst dieser zivilen Arbeitsgruppe wurde den Bedürfnissen angepasst: Er
beginnt am Nachmittag und endet um Mitternacht. Die AG bestimmt ihren Einsatzplan selbst
und geniesst eine grosse Selbständigkeit.
Nun ist die Aufgabe der AG «Vorbeugung»,
Vertrauen zu bilden aber auch Verhaftungen vorzunehmen, äusserst zwiespältig, was die
fünf Polizisten oft in schwierige und an der Substanz zehrende Situationen bringt. Ihre
Arbeit wird dafür aber durch den erfreulichen Umstand erleichtert, dass die Jugendlichen
es im allgemeinen wollen, dass die Polizei auf sie zugeht, und die Bereitschaft, mit ihren
jugendlichen Gegnern Gespräche zu führen, dementsprechend gross ist. Von solchen
direkten Gesprächen erhofft sich die Polizei eine Abnahme der Gewaltbereitschaft.
Auf die eigentliche Prävention angesprochen, gibt
einer der fünf Polizisten der AG zur Antwort, dass «die Polizei die Jugendlichen in
Gesprächen, die regelmässig geführt werden, über die Folgen von Straftaten aufklärt
und vorbeugend die Jugendlichen, die Tätergruppen schlechthin auf ihr Verhalten hinweist
und die Strafverfolgung im voraus ankündigt, d.h. die Konsequenzen ihrer Taten
klarmacht» 11. (Video-Kassette Nr. 19).
Es werden sowohl grossangelegte Treffen zwischen
verfeindeten Jugendbanden (z.B. Arabergang Skinheads) wie auch spontane Besuche der
einen Gruppe bei der anderen organisiert. Im Verlauf solcher Aussprachen erfahren die
Jugendlichen, dass die jeweils andere Gruppe so schlimm gar nicht ist, und sind meistens
mit weiteren Treffen z.T. im Beisein der AG «Vorbeugung» einverstanden.
Die AG will vor allem, dass die Jugendlichen «davon abkommen, die Pauschalisierung (der
gegnerischen Gruppen, M.R.) weiterzuführen». (ebenda)
Die Polizisten der AG «Vorbeugung» selbst sagen,
dass die Arbeit, die sie verrichten, eigentlich die Aufgabe der Sozialarbeiter wäre. Mit
dieser Aussage konfrontiert, gab die Diplom-Pädagogin B. Mühlen-Haas in der
Diskussions-Sendung «Nachgefragt» (3SAT, 17.6.91, 21.15 Uhr) zu, dass «Pädagogik und
Politik in Berlin verschlafen hatten, sodass die Polizei gezwungenermassen als erste diese
sinnvolle Art, mit den Jugendlichen präventiv zu arbeiten, praktizierte».
Die Arbeitsgruppe «Vorbeugung» ist ein Beispiel
dafür, wie sogar im Rahmen der polizeilichen Möglichkeiten Kriminalprävention zusammen
mit Jugendlichen erfolgreich betrieben werden kann. Das Dilemma, in das sich die
Polizisten dadurch bringen (s. oben), mag eine Aufforderung an die Kriminalpolitik und die
Sozialarbeit sein, ihre Verantwortung wenigstens innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs
voll und ganz wahrzunehmen.
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5.4 «Schulprojekt» der Stiftung
Contact, Bern
Nach der endgültigen und entmutigenden
Schliessung des «Fixerstüblis» im Jahr 1990 versucht die Stiftung Contact umso mehr und
verzweifelter, die Not der Drogensüchtigen in der Stadt Bern zu lindern, und setzt sich
u.a. für eine staatliche Heroinabgabe an Schwerstsüchtige ein. Damit soll vor allem die
Entkriminalisierung und eine Demarginalisierung dieser Suchtkranken erreicht werden. Aus
der Sicht der Heroinsüchtigen gibt es aber einen noch viel gewichtigeren Grund: «(...)
weil ich mehrmals eine Suchtperiode aus guten, das heisst gutversorgten Situationen heraus
beendete, (...) weil mir die gute Versorgung mit gutem Stoff ermöglichte, über meine
Situation nachzudenken will ich weiterfixen oder nicht.» 3.
(S. 148)
Die Tatsache, dass alles, was die Sozialarbeiter
an sinnvollen Massnahmen bei einem Tatverdächtigen einleiten, nach der derzeitigen
Rechtslage keinen unmittelbaren Einfluss auf die automatische Überweisung ins
Kriminaljustizsystem hat, war ausschlaggebend dafür, dass das Contact-Team verstärkt
präventiv tätig wurde und das bereits bestehende «Schulprojekt» ausbaute. Damit wurde
es den misslichen Umständen gerecht und kompensierte die durch die
Fixerstübli-Schliessung entstandene Frustration.
Zielgruppe des «Schulprojekts» sind das 10.
Schuljahr absolvierende Schüler sowie Gewerbeschüler, die Drogenprobleme und damit
zusammenhängenden Probleme oder auch andere Schwierigkeiten haben. Sie werden von den
Schulen selbst oder von Beratungsstellen, Psychiatern etc. an das Contact-Team verwiesen,
damit ein erstes Gespräch zur Problem-Erkennung und Bedürfnis-Abklärung stattfinden
kann. Die Zusammenarbeit im «Schulprojekt» ist jedoch freiwillig, d.h. alle
«Patienten», die daran teilnehmen, sind willens, sich aufzufangen und sich dabei helfen
zu lassen.
Gearbeitet wird in einem für die Öffentlichkeit
nicht zugänglichen Café. Die Arbeit umfasst Gespräche, allgemeine (Lebens-)Hilfe und
Unterstützung sowie für den «Wiedereinstieg» in den Schulalltag
gewöhnlichen Nachhilfeunterricht. «Patienten», die zur gemeinsamen Arbeit unter
Drogeneinfluss stehend erscheinen, werden wieder fortgeschickt, damit sie beim nächsten
Mal «clean» auftauchen. Standortbestimmungen, Abklärungen und Nachfragen bei den
Schulen gehören zu den Aufgaben der «Schulprojekt»-LeiterInnen. Ihre Arbeit ist dann zu
Ende, wenn die Hilfesuchenden sie nicht mehr wünschen (!) wobei solchen
Äusserungen immer nachgegangen wird oder wenn bei einer erneuten
Standortbestimmung der Prozess der Wiedereingliederung als abgeschlossen betrachtet wird.
Dieses Projekt für Jugendliche, die sich
aus was für Gründen auch immer plötzlich am gesellschaftlichen Rand
wiederfinden, sich aber nicht aufgeben und den Anschluss nicht verpassen wollen, ist in
dieser Form einmalig in der Schweiz. Diese Art Prävention ist erfolgreich und
vielversprechend, da sie sich nicht aufdrängt, ein klares Ziel die
Wiedereingliederung in den Schul- und sonstigen Alltag hat und mit den Jugendlichen
arbeitet, d.h. auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht. Es ist zu wünschen, dass
solche Projekte Schule machen und es bald möglichst viele Organisationen gibt, die auf
ähnlich breitem Gebiet präventiv, unterstützend und notlindernd tätig sind wie die
Stiftung Contact.
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6. BIBLIOGRAPHIE
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Ausländer vor den Kontrollinstanzen der Bundesrepublik, in: Schüler-Springorum, H. (Hg.)
(1983), Jugend und Kriminalität, Frankfurt am Main
- Balvig, F. (1990), Weiss wie Schnee.
Die verborgene Wirklichkeit der Kriminalität in der Schweiz, Bielefeld
- Bänziger, Chr. / Vogler, G. (1990),
Nur saubergekämmt sind wir frei. Drogen und Politik in Zürich, Zürich
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Modernisierung und die Stellung der Soziologie in der Praxis, in: Beck, U. (Hg.) (1982),
Soziologie und Praxis. Erfahrungen, Konflikte, Perspektiven. Soziale Welt, Göttingen
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Ressortübergreifende Verbrechensvorbeugung, in: Schwind, H.-D. (Hg.) (1980), Präventive
Kriminalpolitik, Heidelberg
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Kantonspolizei Zürich
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Situation der Zeit», Frankfurt am Main
- Schwind, H.-D. (1980), Zur
kriminalpolitischen Lage in der Bundesrepublik Deutschland, in: Schwind, H.-D. (Hg.)
(1980), Präventive Kriminalpolitik, Heidelberg
- ZDF-Reportage «Das Schlimmste verhindern...»
(1990), ausgestrahlt u.a. von 3SAT am 17.6.91 um 20.15 Uhr
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