Hilfe für Osteuropa Todtnau-Seelscheid e.V.
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 HILFSGÜTERTRANSPORT nach RUMÄNIEN und MOLDAVIEN im MAI 1998

Aufzeichnungen von Ursula Honeck

 

Heute, zwei Wochen nach unserer Rückkehr vom diesjährigen Hilfsgütertransport muß es sein, ich möchte meinen Bericht zu Papier bringen, ich komme nicht drum herum, obwohl draußen so schönes Wetter ist, und ich am liebsten Gartenarbeit machen würde. Schon das letzte Wochenende war ausgebucht für HFO. Nicht, daß es mir so geht wie im Januar. Nach meiner Rückkehr von der Vorbereitungsreise nach Moldavien rechnete ich nicht damit, daß durch allerlei Änderungen im Bereich Aufgabenverteilung soviel an Mehrarbeit auf mich zukommen würde. So war die Zeit für die Transportvorbereitung viel knapper und aufreibender als sonst, also gab es keine Möglichkeit einen Bericht zu schreiben. (Ganz am Rande bemerkt habe ich noch Familie, Praxis und einige Tiere zu versorgen).
Ich möchte nicht gleich mit dem Tag der Abfahrt beginnen. Lassen Sie mich etwas ausholen. Eigentlich habe ich die nervenaufreibenden und kräfteraubenden Dinge schon längst aus meinem Gedächtniss verbannt, aber wie sollte man von Außenstehenden Verständnis für Dinge erwarten, wenn niemand etwas darüber erfährt?
Es gibt so viele Probleme im Vorfeld, z. B. mit den LKW´s. Bis Dienstag vor dem Transport haben wir noch keine Nummern, am Mittwoch ist Zolltermin, ohne Nummern und Zollverschlußanerkenntnisse brauche ich gar nicht anzutanzen. Markus, unser diesjähriger Transportleiter nimmt sich extra einen Tag Urlaub, um bei drei Aufliegern in München die Zollverschlußanerkenntnisse zu bekommen. Im "Sekretariat" Honeck heißt es unendlich viele Papiere ausfüllen, Anträge stellen, Genehmigungen einholen u.s.w., und das alles wenige Tage und Stunden vor dem Transport. Was würde ich ohne meinen "Sekretär" Gunther (wie Hartmut immer so schön sagt) machen? Während ich unzählige Telefonate führe und Faxe erledige, beim Zoll mit 10 Carnets (zum Schrecken für die Zollbeamten) sitze, hält er die Stellung und bereitet liebevoll mit viel Überlegung den Transportordner und die Mappen mit allen Unterlagen für die Fahrer vor. Auch bewahrt er mich weitgehend vor unliebsamen Anrufen, die mir vor dem Transport nicht erspart bleiben , da er als Bruder mein hauchdünnes Nervenkostüm allzu gut kennt.
Dieses Jahr haben wir das Glück mit dem Feiertag 1. Mai, den wir als Ladetag ausnutzen. In Todtnau werden 6 und in Seelscheid 4 LKW von den jeweiligen Fahrern und inzwischen erfahrenen Mitarbeitern geladen. Daher klappt auch alles bestens, trotz der ungünstigen Wetterverhältnisse. Am Samstag müssen nur noch die Fahrzeuge mit persönlichen Dingen bestückt , die Funkgeräte eingebaut, die Auflieger verplombt, und die Tanks gefüllt werden. Für mich ist die Zeit sowieso schon viel zu knapp, und dennoch beuge ich mich dem "Muß" noch eine Fahrstunde mit dem vollbeladenen LKW das Wiesental hinauf und hinunter mit meinem "Fahrlehrer" Erich Nann zu absolvieren, was mir sehr gut tut, bin ich doch auch als Fahrer eingesetzt. Am Nachmittag, meine Tasche ist noch nicht fertig gepackt, kommt hoher Besuch. Bischof Joan Vulpe, seine Begleiter und Freunde kommen pünktlich in Todtnau an und finden alles wunderschön, obwohl es regnet und die Berge verhangen sind. Pater Joan, wie wir ihn alle nennen, hat im Januar den Wunsch geäußert dieses Jahr bei dem Abschiedsgottedienst dabei zu sein und den Konvoi zu begleiten. Ich habe ihn und seine Begleiter eingeladen, sie haben das Visum bekommen und nun sind sie, zur Freude aller, hier. Abends findet ein Treffen mit allen Helfern und Mitstreitern im Rathaus in Aftersteg statt. Unsere eifrigen HFO-Frauen haben alles organisiert und ein wunderbares Essen zubereitet. Etwas später stößt die Seelscheider Mannschaft zu uns, und Beppo sowie Wolfgang können nun ihre Koje mit persönlichen Dingen bestücken.
Sonntagmorgen, ich bin furchtbar nervös und fühle mich total entkräftet. Auch der Himmel zeigt sich, was das Wetter anbelangt, nicht von seiner besten Seite. Doch der nun folgende Abschiedsgottesdienst, zelebriert von drei Geistlichen verschiedener Konfessionen, bringt so viel Wärme und Sonnenschein in alle Herzen, daß Kraftlosigkeit, Angst und düstere Stimmung weichen. Die gewaltige Stimme von Pater Joan ist unvergeßlich und hinterläßt bis zum heutigen Tag tiefe Eindrücke. Seine eindrucksvolle Erhabenheit verbunden mit einer fast kindlichen Fähigkeit sich zu freuen und diese Freude auch weiterzugeben, ist uns schon seit langem bekannt. Irgendwie sind diese Menschen alle noch wie Kinder. Dies äußert sich auch in ihren unrealistischen Wunschäußerungen, die wir oft als eine Zumutung empfinden. Diese Erfahrung mußten wir schon oft machen. Da wird um ein Auto gebeten, das nicht älter als acht Jahre sein, aber auch nicht mehr als zweitausend DM kosten soll, dort um ein elektrisches Glockengeläut. Wir, die wir diese Menschen schon sooft erleben durften, wissen, daß die Äußerung solcher Wünsche einzig und allein die Fähigkeit dieser Menschen widerspiegelt, ihren Träumen noch ganz ungezwungen Ausdruck zu verleihen. Eben wie das Kind, das seinen Vater, dem ja alles möglich ist, bittet die Sterne vom Himmel zu holen. Für diese Menschen leben wir in einer Gesellschaft der unbegrenzten Möglichkeiten. Wir haben jedoch noch nie erlebt, daß einer gekränkt oder gar böse war, wenn wir ihm erklärt haben, daß auch bei uns Grenzen gesetzt sind.
"Aufsitzen", mahnt unser Transportleiter um 10.30 Uhr. Als Letzte komme ich bei meinem LKW an und klettere ins Führerhaus, hatten sich doch viele gewünscht mich einmal "live" am Steuer zu sehen. Scheinbar locker winke ich allen zu und nehme Abschied.
Die erste Etappe ist geschafft, um 21.00 Uhr kommen wir in Haag / Österreich an. Ein Teil der Mannschaft schläft im LKW, die anderen dürfen noch einmal ein Bett und sanitäre Anlagen mit westlichem Niveau genießen.
Pünktlich, so wie es unser Transportleiter möchte, brechen wir um 7.30 Uhr in Richtung Ungarn auf und erreichen die Grenze um 11.15 Uhr. Alles ist neu gemacht, die Abfertigung geht zügig voran, die Beamten sind freundlich, und so können wir um 12.00 Uhr unsere Fahrt fortsetzen. Das hat es noch nie gegeben (ein Stück mehr vereintes Europa?)
Leider begleitet uns auch weiterhin naßkaltes Wetter und erschwert die Fahrt (zumindest mir, die ich jetzt am Steuer sitze). Bei einer kurzen "PP" ( Pinkelpause ) erklärt der Transportleiter, daß wir heute soweit wie möglich bis zur rumänischen Grenze durchziehen werden, da am nächsten morgen mit einem größeren LKW-Stau zu rechnen ist. Im Großen und Ganzen zeigt man sich einverstanden. Auf dem Parkplatz eines Zollhofes finden wir Platz für 10 LKW und stellen zu später Stunde noch Bänke und Tische auf um gemeinsam bei Kälte und leichtem Nieselregen zu essen und ein Bierchen zu trinken. Alle, die dabei sind, finden dieses kleine " Picknick" dennoch sehr schön, so etwas schweißt die Mannschaft zusammen.
Eine kleine Pension am Rande des nächsten Dorfes bietet allen Mitfahrern, die auf ein Bett außerhalb eines LKW angewiesen sind, eine angenehme Übernachtungsmöglichkeit.
Auch ich muß nicht auf meine Dusche verzichten, diese kommt vom Himmel, und habe ein richtiges WC (Wasserklosett) als ich nachts aus dem LKW steige und bis zu den Waden im Wasser stehe. Morgens ist es mir wirklich zu naß, um für eine Tasse Kaffee anzustehen. Ich trinke Cola und esse Kekse.
Um 9.30 Uhr erreichen wir die ungarisch/rumänische Grenze. Unser Transportleiter hat, wie jedesmal, die richtige Entscheidung getroffen, es ist noch relativ wenig Verkehr. Für das garstige Wetter kann er nichts, aber mich trifft es am meisten, da ich mehrfach zwischen Ungarn und Rumänien zehn LKW abzulaufen habe, um Papiere einzusammeln. "Ulla, Dr. Liebhart ist nicht da, wir brauchen das Sammelvisum..." so höre ich Friedbert aufgeregt durch den Funk. Alles läßt sich klären. Um ein Transitvisum für die Moldavienfahrzeuge kommen wir nicht herum, aber mit ein paar Zigaretten und Kaffe läßt sich der Betrag etwas reduzieren. Dr. Liebhart begrüßt uns alle freudig und versucht für uns alles zu regeln. Er macht einen müden Eindruck, oder gar depressiv? Es ist mir fast peinlich, daß er 300 km gefahren ist, um uns abzuholen, da er persönlich doch kaum Vorteile von unserem Hilfstransport hat, eher Nachteile durch Neider und nicht wenig Arbeit. So sehen es wenigstens einige von uns. Die lästige Waage bleibt uns nicht erspart. Doch wir sind zuversichtlich, da wir diesmal sicher keine Achse überladen haben, ungeschoren davon zu kommen. Schon der finster dreinblickende Mann an der Waage läßt uns Böses erahnen. Keiner weiß warum, und alle Anstrengungen, sich dagegen zu wehren, wären umsonst! Wir müssen für jeden LKW 51,00 DM Straßengebühr bezahlen, trotz Ein- und Durchfahrtsgenehmigung. Dank dieser Genehmigungen sollten wir als Hilfstransport von Gebühren, die für den Ausbau der rumänischen Straßen erhoben werden, befreit sein (laut Auskunft vom 28.April 98 der Landesregierung Bayern). Aber jeden Tag gibt es neue Gesetze, und keiner weiß was wirklich Sache ist. Was mein Blut in Wallung bringt ist die Tatsache, daß ein LKW nach dem anderen vor uns abgefertigt wird, aber nur deshalb, weil in den Papieren einige Dollarscheine liegen oder einige Flaschen Krimsekt den Besitzer wechseln. Die penetrant geschminkten Damen rauchen genüßlich ihre Zigaretten und lassen bewußt unsere Papiere liegen. Mit Recht kann ich sagen, mir kommt die Galle hoch, weil ich noch eine habe, aber Dr. Liebhart ist es sichtlich peinlich, als er ausflippt und von hirnlosen Arschlöchern spricht. Irgendwann werden auch unsere Papiere erledigt und die Straßen sind, zumindest bis einige Kilometer nach der Grenze, saniert. Allerdings begegnet man nur noch sehr wenigen rumänischen PKW. Das Benzin ist einfach zu teuer und für die meisten nicht mehr bezahlbar. Umsomehr trifft man unbeleuchtete Pferde- und Ochsenkarren. Nach langer Fahrt kommen wir dann um 21.30 Uhr auf dem Klinikgelände in Tirgu-Mures an ...."Nein, wir brauchen nichts mehr zu essen, wir haben alles dabei und verpflegen uns heute abend selbst. Wir benötigen nur noch Schlafmöglichkeiten für einige Leute..." antworte ich Herrn Dr. Liebhart auf seine Frage nach dem Programm. Das sollte mir eine Rüge einhandeln, da ich nicht jeden einzelnen darüber informiert habe, daß es erst nach unserer Rückkehr von Moldavien zu einem gemeinsamen Abendessen kommen soll. Wenn man aber das müde Gesicht von Herrn Dr. Liebhart und die derzeitige Situation in Rumänien vor Augen hat, sollte es selbstverständlich sein auf seine reichlich mitgebrachten Reserven zurückzugreifen, was wir nun auch alle tun (es geht aber hauptsächlich um meine versäumte Mitteilung, man möge mir verzeihen...) Die Unterkunft ist auch nicht nach Jedermanns Geschmack, aber wir hatten vor Jahren nach einer billigeren Lösung gefragt und zwischen dem Hotel Zentral mit 150 $ pro Person und Nacht und dieser Unterkunft gibt es eben nichts. Wer geht schon mit auf einen Hilfstransport und stellt sich nicht auf kaltes Wasser und eine schlechte Matratze ein? Was aber wohl die meisten stört ist die mangelnde Sauberkeit, um es gelinde auszudrücken. Jeder übersteht die Nacht irgendwie, und um 9.00 Uhr treffen wir uns nach dem Frühstück zum Entladen auf dem Klinikgelände. Dr. Liebhart beteuert mehrmals wie peinlich es ihm ist, daß die Unterkunft so schlecht war. Der Zollbeamte zeigt sich nach anfänglichen Schwierigkeiten kompromißbereit, und so können wir mit dem Entladen beginnen. Das Forum und Dr. Nicolescu aus Bukarest sind pünktlich, und alle können laut Ladeliste ihre Hilfsgüter entgegennehmen. Günther, Gunther, Friedbert und ich machen, wie immer, einen Abstecher nach Medias, um dort Pakete für Patenfamilien abzugeben. Die Freude bei meiner Patenfamilie ist groß, leider geht es allen auch immer schlechter, was man selbst leicht feststellen kann. Zumindest für einige Zeit können wir wieder ein bißchen Glück und Liebe auf den bedrückten Seelen zurücklassen, die Gewißheit nicht alleine zu sein, Hoffnung haben zu dürfen in dieser schweren Zeit. Glaube...Hoffnung...Liebe..., das eine ergibt das andere.
Als wir in Bistritz ankommen, ist man gerade mit dem Entladen der LKW fertig und auf allen Gesichtern sieht man volle Zufriedenheit. Die Mannschaft ist teilweise wieder in der Schwesternschule untergebracht. Thomas und ich schlafen bei Dana Suteu (wir haben, wie die anderen, auch kein warmes Wasser). Jeder, der mich wirklich kennt muß wissen, daß ich mich nie absondere und keine Ansprüche stelle. Deshalb muß man einfach respektieren, daß ich schon seit Jahren bei der Tochter von Herrn Dr. Suteu übernachte, der sehr gekränkt wäre, wenn dem nicht so wäre. Weiterer Kommentar denke ich, ist überflüssig.
Nach wunderschöner Fahrt über die Karpaten und Halt beim Schloß Dracula , wo sich Markus bei der Mannschaft für ihr bisheriges vorbildliches Verhalten bedankt, und ich mich für meine versäumte Information bei allen entschuldige, erreichen wir pünktlich um 17.30 Uhr den Parkplatz vor Piatra-Neamts, wo wir von Gusti, Herrn Munteanu und einigen Leitern des Chemiewerkes Fibrex / Savinesti freudig begrüßt werden.
Die Unterkunft in der Chemieschule ist für die meisten nichts neues, ob man warmes Wasser beim Duschen hat oder nicht, gleicht einem Glücksspiel. Ich habe auf jeden Fall nie den Joker.
Trotz Wachmänner klaut man uns 19 Begrenzungsleuchten von unseren Aufliegern. (wenn die statt zu wachen bei den Mädchen sitzen, kann das leicht passieren und uns kostet das nicht wenig Geld).
Gegen 10.00 Uhr am nächsten Morgen beginnen wir in der katholischen Pfarrei mit dem Abladen. In Anbetracht der Menge und der vielen Stationen, klappt das sehr gut. Angst habe ich vor den rebellierenden Frauen, die unbedingt gleich etwas von den LKW haben wollen und nicht locker lassen.
Wie jedesmal wird auch parallel bei Fibrex / Savinesti abgeladen. Sehr spät kommen wir zum Essen, einige fahren mit in das Dorf von Nicoletta. Gunther und ich gehen noch zu unserer lieben Rosa , die das ganze Jahr auf uns wartet. Es bleibt keine Zeit mehr für das Kinderheim, aber Josif, die große Liebe meiner Tochter Andrea wurde vor einer Woche nach Amerika adoptiert, Gottlob habe ich die Adresse.
Jetzt noch schnell Haarewaschen bei Gusti (wie gesagt hatte ich am morgen keinen Joker ), dann die neue rote Jacke, die mir Rosa gestrickt hat anziehen, und ab geht es auf den Berg, wo wir ein gemeinsames Abendessen mit dem Bürgermeister und einigen Direktoren von Fibrex haben.
Ich bin sehr beruhigt, daß wir die LKW, die nicht mit nach Moldavien fahren, in der Spedition von Herrn Mihail unterbringen können. Herr Mihail hat uns im letzten Jahr sehr geholfen, als wir Probleme mit Erichs Zugmaschine hatten.
Um 6.45 Uhr, nach Waschen mit eiskaltem Wasser, geht die Reise ab nach Moldavien.
Was wird uns an der Grenze erwarten, denke ich so beim Fahren, hatte man uns doch sehr große Schwierigkeiten prophezeit. Andererseits haben uns unsere Freunde immer wieder beruhigt und versichert, daß sie alle Hebel in Bewegung setzen werden, um uns zu helfen. "schauen wir mal"....
Schönes Wetter , die Vögel pfeifen und Gusti strahlt, als wir an der Grenze ankommen. "Ulla , stell dir vor, ich habe keinen Paß dabei, aber psst, nichts sagen." Über die rumänische Grenze kann sie sich ja noch durchmogeln, aber bei den Moldaviern passiert es dann. Das heißt zurück nach Rumänien. Was machen wir bloß ohne Gusti? Alle unsere lieben Freunde sind da, um uns abzuholen. Anatol Josan fährt sofort an die rumänische Grenze, um Gusti zu helfen, ohne Erfolg. Pater Joan, der sich nach der rumänischen Grenze von uns getrennt hat, um alles für unser Kommen vorzubereiten, ist da und fährt sofort an die rumänische Grenze. Keine Stunde ist ihm zu schade, er fährt mit Gusti nach Piatra-Neamts zurück, holt den Paß und ist gegen Mitternacht wieder bei uns.
Es ist 16.20 Uhr, als wir mit den Grenzformalitäten endlich fertig sind und erleichtert unsere Fahrt fortsetzen, doch es kommen mir immer mehr Zweifel, ob wir in Moldavien oder in der Ukraine gelandet sind. Nach wenigen hundert Metern kommen sogenannte Polizeistopps, die alle Angaben über Ziel und Zweck der Reise aufnehmen "müssen". Das kostet viel Zeit und Nerven. Dennoch erreichen wir die Klinik Chisinau um 18.30 Uhr. Dank der guten Straßen kann man wirklich nicht sagen, aber vielleicht Dank des vorausfahrenden Rettungswagen, den wir vor zwei Jahren gebracht haben und der einen sehr gepflegten Eindruck macht.
In unserem altbekannten "Nobelhotel", in dem doch immerhin zwei neue Toilettenschüsseln eingebaut wurden, finden alle ein Plätzchen zum Schlafen und sogar warmes Wasser zum Waschen. Auch dort gibt es Grund zur Aufregung wegen mangelnder Sauberkeit im Sanitärbereich, aber ich biete allen die Benutzung "unserer" Apartmenteigenen Toilette und Badewanne an, was auch dankbar angenommen wird. Spätestens hier wird jedem klar, warum ich als eines der wichtigsten Reiseutensilien Badeschuhe und Toilettenpapier empfohlen habe..
Am Sonntagmorgen um 9.00 Uhr ist der Zollbeamte pünktlich zur Stelle, und wir können mit dem Abladen beginnen. Der Transportleiter weist jedem seinen Platz und den entsprechenden Aufgabenbereich zu, da wegen des Umfangs der abzuladenden Güter und der knappen Zeit parallel an mehreren Stellen abgeladen werden soll. Die Freude ist groß, als die beiden bildhübschen Deutschstudentinnen, die ich im Januar kennengelernt und im Vorfeld gebeten hatte zu dolmetschen, erscheinen. So haben wir bei jeder Abladestelle eine Dolmetscherin. Unsere liebe Gusti bleibt bei uns und wird dazu "verdonnert" Gunther bei einem Rundgang durch die Klinik , wo er filmen soll, zu begleiten. Doch plötzlich ist sie verschwunden, sie muß nur schnell auf die Toilette. Die Aufregung ist groß, überall wird nach Gusti gesucht, nur nicht auf der Toilette, wo sie verzweifelt versucht die Tür zu öffnen. Sie ruft und klopft und keiner hört sie. Nach langer Zeit muß auch mal einer aufs "Örtchen", und so wird sie aus ihrer Notlage befreit.
Der Klinikhof wird ziemlich voll, als ein LKW von Caritas und ein LKW von Anatol Josan anrollen, um die für sie bestimmten Hilfsgüter aufzunehmen. Vladimir Nadkenitschny, Caritasdirektor und einer unserer zuverlässigster Partner in Moldavien, war sogleich damit einverstanden, als ich ihn vor Wochen fragte, ob er etwas von den für Caritas bestimmten Dingen für das Dorf von Anatol abgeben könnte. Margret und zwei Damen von Caritas teilen sämtliche Pakete korrekt und alles wird notiert. Daß es wegen eines fehlenden Stempels vom Dorfbürgermeister noch Riesenprobleme geben sollte, haben wir nicht erwartet.
Auch das Abladen in der Onkologie und Kinderklinik geht zügig voran. Mein Problem ist wie immer, daß ich mich nicht teilen kann. Überall soll ich sein, überall soll ich essen und trinken. An die vielen Familien, die ich auf Januar vertröstet habe, darf ich gar nicht denken. Ich habe jetzt schon zwei Tage mehr eingeplant um alles zu schaffen.
Beim Lager der Sozialisation von Dr. Seremet haben wir etwas Probleme. Der Opa, der den Schlüssel aufbewahrt, ist nirgends aufzufinden, und so laden wir alles vor dem verschlossenen Tor ab und können nur hoffen, daß es nicht anfängt zu regnen oder die Nacht einbricht. Nun noch schnell abladen beim Oberhirten der russisch-orthodoxen Kirche Metropolit Vladimir, der leider auch diesmal nicht anwesend ist. Aber im Januar waren wir zum Mittagessen eingeladen und führten angenehme Gespräche. Bei unsrer Ankunft in der Kinderklinik ist man bereits dabei die Hilfsgüter zu sortieren, und Nelia, die Kinderärztin, ist traurig, daß ich so spät komme. Wie jedesmal habe ich von zwei älteren Damen aus Todtnau Geld bekommen, um damit schwerkranken Kindern und deren Familien zu helfen. Ich habe den Betrag aufgeteilt, und so kann ich vier Müttern mit ihren Kindern, welche die Kinderärztin ausgesucht hat, eine Freude bereiten. Alle sind sprach-oder sogar fassungslos von fremden Menschen solch ein Geschenk zu bekommen. Auch ich kann mich nicht mehr zurückhalten, als eine Mutter sich weinend bedankt und sich mit aller Hoffnung auf weitere Hilfe für ihren schwerstkranken Säugling an mich klammert. Hier möchte ich erwähnen, daß ich spontan von zwei jungen Mitfahrern einen größeren Geldbetrag für diese Mutter erhalten und gleich an die Kinderärztin weitergegeben habe. Hut ab vor unserer "Jugend".
Nein, der Tag ist noch nicht zu Ende. Regina aus Moskau sollte noch kommen, um die Herzklappen, die wir wieder für 10.000 DM gekauft haben, zu übergeben. An diesem Abend ist die ganze Mannschaft bei Anatol Josan eingeladen. Anatol ist ein Mann, den ich im Januar kennengelernt habe. Er stammt aus einem Dorf, welches wir damals besichtigt haben und ist von uns und unserer Tätigkeit der Nächstenliebe überwältigt. Auch er möchte seinen Mitmenschen, besonders auf den Dörfern helfen und bat uns um Vermittlung von Kontakten zum Kauf von landwirtschaftlichen Geräten, Straßenbaumaschinen. und um etwas Kleidung für die Bewohner. Er ist zum richtigen Zeitpunkt vor vielen Jahren ins Ölgeschaft eingestiegen, hat inzwischen einige Firmen und gehört derzeit sicher zu den wohlhabendsten Leuten in Moldavien. Wir erfahren, daß er die meisten Kirchen, die inzwischen wieder aufgebaut wurden, finanziell unterstützt hat, auch sponsert er junge Talente, die in diesem Land nie eine Chance hätten. Er zeigt uns seine phantastische Ikonensammlung und so manchem von uns kommen beim Anblick dieser Werte Zweifel an der Seriosität dieses Mannes. Er erklärt uns, daß er alle Schätze wieder an ihren angestammten Platz bringen will, wenn die Zeit dafür gekommen sei. Man mag darüber denken wie man will, wenn er diese Kostbarkeiten nicht gesammelt hätte, dann wären sie vielleicht schon längst im Wohnzimmer eines Industriellen in Amerika, Westeuropa oder Japan. Gleichgültig, ob seine Beteuerungen nun ernst zu nehmen sind oder nicht, in jedem Falle scheint es mir gut, wenn solche Schätze im Land verbleiben, und Anatol kann uns durch seine Beziehungen sehr viel nutzen. Ich meine wir sollten dies auch akzeptieren, solange er an uns keine unseriösen Forderungen stellt und unsere Arbeit nicht stört. Auch wenn es vor dem Hintergrund der Armut in diesem Lande schwer fällt, muß man zugestehen, daß Reichsein an sich noch kein Beweis für Schlechtigkeit und Korruption ist. Wie vielen Menschen müßten wir dies ansonsten hier bei uns unterstellen? Schon am nächsten morgen sollten wir erfahren, daß Anatol jederzeit bereit ist uns uneigennützig zu helfen.
......... heute bleibt die Küche kalt....sollte es nicht um 7.00 Uhr Frühstück, organisiert von der Kinderklinik, geben ? Der Aufenthaltsraum ist leer, wir warten bis 7.30 Uhr. Hat uns die Kinderärztin wohl falsch verstanden? Wir mit unserer deutschen Pünktlichkeit können das nicht begreifen. Doch jäh wird der Gedanke an das Frühstück abgebrochen, ..."heute nacht hat man bei zwei LKW die Plane aufgeschnitten, was gestohlen wurde, kann man noch nicht sagen....". Nicht der leere Magen sondern diese Nachricht verursacht ein flaues Gefühl im Bauch. Der Schaden an Hartmuts LKW ist beträchtlich, auf der Seite und oben wurde die Plane aufgeschlitzt, bei Susis LKW ist ein Riß von ca einem Meter in der Plane. Die Wachmänner sind verschwunden und keiner der schlafenden Fahrer hatte etwas bemerkt. Es wurden lediglich zwei Kleiderpakete entwendet. Eines ist klar, so können wir nicht weiter fahren, die Planen müssen geflickt werden. Dr. Manolache versucht Anatol zu erreichen, während wir unsere Vorräte herausholen, da unser Magen langsam anfängt zu rebellieren. Sichtlich enttäuscht beim Anblick unseres "Frühstücksbüffets" erscheint Nelia, die Kinderärztin und entschuldigt sich hundertmal für ihre Verspätung. Sie hatte seit heute früh um sieben Uhr vergeblich versucht Brot zu bekommen. (für uns wieder einmal unvorstellbar, wo doch bei uns inzwischen jeder Bäcker sogar Sonntags geöffnet hat). Während die Mannschaft frühstückt, erledigen Markus und ich den leidigen, aber notwendigen Papierkram, und erfahren nebenbei, daß eine Firma im Anrollen ist, um die Planen zu reparieren, 90,00 DM pro Meter. Wir schlucken, aber es bleibt ja nichts anderes, Zuhause wäre es sicher nicht billiger. Den ganzen Morgen und den halben Nachmittag sind zwei Mann mit dem Reparieren der Planen beschäftigt Den Rest der Mannschaft schicken wir mit dem Fahrzeug, das in Orhei entladen werden soll, voraus, in der Hoffnung auch bald nachzukommen. Wir nutzen die Zeit und fahren zu der deutschen Botschaft, um mit Herrn Ahlbrecht, dem 1. Botschaftssekretär, Gespräche zu führen . Leider ist er nicht da, und wir fahren zurück zur Klinik. Vladimir Nadkenitschny ist die ganze Zeit bei uns, da wir Gusti mit nach Orhei geschickt haben. Inzwischen kommt die Gattin von Anatol und überreicht uns 100 $ zur Begleichung der Reparaturkosten. Nach einigen Stunden plagt uns wieder ein komisches Gefühl in der Magengegend. Diesmal ist es wirklich nur Hunger, und wir legen zwei Paletten aufeinander um einen schönen Mittagtisch decken zu können. Kaum haben wir den ersten Bissen geschluckt erscheinen einige Herren, die den Vorfall genaustens untersuchen möchten.(Wegen zwei Kleiderpaketen sollte sich eine Staatsaffaire entwickeln). Es handelt sich um einen Vertreter des Innenministeriums und einige Kriminalbeamte. Diese wurden vom Staatspräsidenten geschickt, um die Sache aufzuklären. Man nimmt von uns Videofilme zum Überspielen mit und quält uns mit stundenlangen Verhören und Protokolaufnahmen, natürlich alles handschriftlich. Ich habe das Gefühl, daß ich etwas fürchterliches verbrochen habe und gleich für mehrere Jahre hinter Gittern muß. Nach dem X-ten Protokoll weigern wir uns auch noch die Fahrer, die inzwischen in Orhei abladen, zum Verhör zu holen. Schlußendlich beendet man das Spektakel, und wir machen uns auf den Weg nach Orhei. Gleich am Rande der Stadt will die Polizei ein Weiterfahren verhindern und uns zum Umkehren zwingen, da auf der Straßengenehmigung für Moldavien lediglich Chisinau als Zielort eingetragen ist. Der Fahrer des begleitenden Krankenwagens regelt alles und wir können weiterfahren. Einmal mehr wird uns klar, daß ohne Begleitung und Dolmetscher ein Weiterkommen in diesen Ländern unmöglich wäre. Auch Beppo wollten sie mit 50 $ oder zwei Jahren Gefängnis wegen angeblicher Geschwindigkeitsüberschreitung bestrafen, wie wir später erfahren sollten.
Schnell laden wir in der Klinik ab, wo unsere Freunde aus der Ukraine , Elja und Olja schon seit Stunden auf uns warten. Sie haben extra den weiten Weg auf sich genommen um uns zu treffen, sind aber etwas enttäuscht, daß Wolfgang aus Seelscheid diesmal nicht dabei ist. Einige machen einen Rundgang durch die Klinik und stellen fest, daß sich inzwischen doch einiges getan hat, auch das Lager macht einen sehr guten Eindruck. Um 22.00 Uhr sind wir auch mit dem Abladen in der Pfarrei von Pater Joan fertig und begeben uns, vor dem Essen in seine Kirche, wo wir für die Daheimgebliebenen Kerzen anzünden und beten. Natürlich läßt Pater Joan seine prächtige Stimme erklingen, was diesem Augenblick einen sehr feierlichen Charakter verleiht. Die Tafel ist, wie jedesmal, fürstlich gedeckt, und ich habe wieder einmal das "Vergnügen" neben Pater Joan zu sitzen und von ihm gemästet zu werden, aber Markus trifft diesmal das gleiche Los, nur mit dem Unterschied, daß er im Gegensatz zu mir, noch ein paar Polster auf den Rippen und Hüften vertragen kann. Was opfert man nicht alles für den Verein....(natürlich esse ich auch leidenschaftlich gern).
Als Überraschung geben einige werdende Priester Kostproben ihrer Sangeskunst zum Besten, was uns alle sehr berührt, sollte es doch ein Geschenk für uns sein. Man bedankt sich ganz herzlich für unsere kontinuierliche Hilfe, die gerade die Priesterschule sehr deutlich zu spüren bekommt und überreicht mir (sogar mit einem Küßchen) eine rote Rose. Wenn ich Gusti, unsere Dolmetscherin richtig verstanden habe, hat man mich zur Schirmherrin der Priesterschule ernannt und wünscht sich zwei große Bilder, sowohl von mir als auch von der Mannschaft, die zukünftig den Eingangsraum der Schule zieren sollen. Es wird viel gesungen und kurz vor Mitternacht wird noch die Kuckucksuhr, die wir Pater Joan geschenkt haben zusammengebaut und an der Wand angebracht. Alle starren wie gebannt auf die Uhr und freuen sich, daß diese wirklich funktioniert. Wegen einigen, die wegen einem dringenden Bedürfnis (Zigarettchenrauchen auf dem Balkon) um 24.00 Uhr nicht zur Stelle sind, warten wir auf eine Wiederholung um 1.00 Uhr, leider ruft der Kuckuck nur noch einmal.
Es ist Zeit aufzubrechen, Pater Joan läßt es sich nicht nehmen uns bis nach Chisinau zu begleiten. Um 3.00 Uhr kommen wir trotz zweier Polizeistops, die wir ohne Pater Joan nicht so problemlos bewältigt hätten, bei unserem Quartier an. Ausgerechnet um diese Uhrzeit sind unheimlich viele Stechmücken, zumindest in unserem Nachbarzimmer unterwegs, so daß wir dank der "einschlägigen" Geräusche seitens der Mückenjäger nicht einschlafen können. Eine halbe Stunde später sind die Jäger müde, oder die Mücken haben sich verzogen.
Um 9.45 Uhr nach pünktlichem Frühstück, organisiert durch die Sozialstation von Herr Dr. Seremet brechen wir, nach herzlicher Abschiednahme von all unseren Freunden, auf in Richtung Heimat. Meine Gefühle bewegen sich zwischen Traurigkeit und froher Erwartung. Traurigkeit, daß ich von liebgewonnenen Menschen Abschied nehmen muß und frohe Erwartung, weil ich in wenigen Tagen wieder meine Kinder, die dazugehörigen Tiere und alle lieben Freunde wieder sehen werde. So ist nun mal das Leben in all seinen Phasen - Abschied nehmen - Traurigsein. Frohe Erwartung - Glücklichsein. An jedem Tag berührt uns dieser Rhythmus aufs Neue.
Vier Stunden kostet uns der Grenzübertritt nach Rumänien. Wir haben weder Ladung noch sonst irgendwas, aber man möchte uns natürlich wieder etwas Geld aus der Tasche ziehen und zwar Visumsgebühren für den Transit. Es ist nicht zu fassen, wir weigern uns, dürfen nach vier Stunden auch weiterfahren aber mit dem Vermerk, daß die Gebühren nicht bezahlt wurden. In Piatra-Neamts, wo wir noch einmal übernachten, setzen wir ein Protestschreiben nach Bukarest auf, das auch sofort per Fax weitergeleitet wird. Gusti sollte mit ihrer Bemerkung recht behalten, ..."was glaubst Du, das landet auf einem Riesenhaufen und wird nie gelesen,...".
Dennoch darf man nichts unversucht lassen.
Gottseidank treffen wir unsere in Rumänien verbliebenen Fahrzeuge unbeschadet wieder an. Nach einigen Verzögerungen, bedingt durch intensives Reinigen und Waschen der Fahrzeuge, können wir um 10.30 Uhr in Richtung Tulghes, unserer letzten Abladestation aufbrechen. Auch hier werden wir noch von unseren Freunden Gusti und Constantin Munteanu begleitet. Trotz der Verspätung bleibt noch genügend Zeit um einen Rundgang durch die Klinik zu machen. Der Eindruck hinterläßt bei den Neulingen natürlich tiefe Betroffenheit, bei denen, die nicht das erstemal dabei sind, eine relative Zufriedenheit, da sich in den vergangenen Jahren doch vieles zum positiven gewendet hat. Vor dem Abschiednehmen wird noch der Ford Transit und der dazugehörige Anhänger, die der Arbeit in der Anstalt dienen sollen, an die Anstaltsleitung übergeben. Margret und Hartmut Schulz nahmen im Herbst letzten Jahres ihre Silberhochzeit zum Anlaß und haben auf persönliche Geschenke verzichtet. Statt dessen baten sie darum Geld für dieses Fahrzeug zu spenden. So konnte Dank dieser Spende der Verein dieses Fahrzeug mit Hänger und Zubehör kaufen.
Leider kommen wir mit einiger Verspätung in Tirgu-Mures an, sind wir doch an diesem Abend vom Forum der Deutschen in Tirgu-Mures zum Essen eingeladen. Um intensive Gespräche zu führen ist die Musik, die übrigens sehr schön ist, einfach zu laut. Dennoch spürt man das Bemühen, uns aus Dankbarkeit etwas bieten zu wollen (natürlich ist mir, nicht nur mir, sogleich klar, wer das aus seiner eigenen Tasche bezahlen wird).
Am nächsten Morgen etwas Aufregung, weil die Unterkunft miserabel und der Frühstückstisch nicht gedeckt ist, wie es eigentlich abgemacht wurde. Die Panik ist umsonst, keiner muß verhungern. Nach einem persönlichen Gespräch zwischen Dr. Liebhart, Markus, Gunther und mir, verabschieden wir uns. Zumindest die, die noch die Möglichkeit haben, von unserem Freund Dr. Liebhart Abschied zu nehmen, steigen aus ihren startbereiten Fahrzeugen und sagen..."vielen Dank für Ihr Bemühen, bis zum nächsten Jahr"...
Mit vielen Gefühlen beladen laufe ich aus dem Klinikgelände und suche meinen LKW. Markus hat schon längst zur Abfahrt gepfiffen, aber ich kann ja schließlich nicht fliegen, wenn mich keiner mitnimmt. Ich finde mein "Plätzchen", und wie sooft auf dieser Fahrt lasse ich mich auf dem Beifahrersitz durch das meist sanfte Geräusch des LKW in den Schlaf wiegen. Ja ich habe den Schlaf, der so viele Wogen glättet, bitter nötig, und so schlafe ich sehr viel neben Thomas, der das Fahrzeug souverän über die Straßen führt. ...kurz vor Klausenburg reißt mich Beppo jäh aus meinem Nickerchen, als er schreit... " vorsicht, nicht ausscheren, da kommt einer wie die Wildsau..." und schon dreht sich dieser um die eigene Achse und knallt gegen einen PKW auf der anderen Seite. Nach Sekunden, in denen wir wie gelähmt sind sehen wir, daß keiner ernstlich verletzt ist und haben nur noch den Gedanken, nichts wie weg, haben wir doch schon sooft von Unfällen gehört, wo Unschuldige ins Gefängnis gesteckt wurden, nur weil sie Deutsche waren und man große Summen als Lösegeld verlangte. Eigentlich wollen wir für das Städtlifest einkaufen, aber keiner ist so recht bei der Sache , und so fahren wir zügig weiter bis zur Grenze. Kurz vor der Grenze halten wir noch beim Steinbruch und verteilen die restlichen Familien- und Pflegepakete.
Kurz vor der Grenze formiert sich der Konvoi zu einem "gestandenen" Bild, jeder Fahrer postiert sich vor seinem Fahrzeug, und Friedbert fährt zur Grenze um abzuklären, ob wir als Hilfsgütertransport, und dazu noch leer, vorziehen können (die LKW-Schlange ist wieder erheblich lang). Es klappt, und so bewegen wir uns kontinuierlich auf die Grenze zu. Gegen 19.30 Uhr haben wir alle Hindernisse geschafft und befinden uns wenig später auf ungarischem Boden. Jeder sehnt sich nach einem Ziel, und so versuchen wir Szolnok so schnell wie möglich zu erreichen, ohne Erfolg. Die verdammt geraden Straßen machen einen müde, und so frag ich, über Funk, ob wir nicht vor Szolnok nach einem Quartier Ausschau halten könnten. Zum erstenmal spüre ich die "verlängerte Hand" unseres Transportleiters. Er gibt mir, nach Ankunft in Szolnok einen leichten Hieb mit der Antenne seines Funkgerätes auf den Hinterkopf und sagt,..."hab ich nicht gesagt, wir ziehen bis Szolnok durch"...Das finde ich echt toll, nicht einmal dem Wunsch von Frau "Präsi" gibt er nach, sondern denkt an den gesamten Ablauf.
5.00 Uhr Abfahrt. Eigentlich kann ich mich immer auf meinen inneren Wecker verlassen, daß er aber an diesem Morgen so knapp klingeln sollte (4.55 Uhr), habe ich nicht erwartet. Nein, er hat sich auf mein zunehmendes Alter, wo man immer etwas länger braucht, noch nicht eingestellt. Dennoch sind wir relativ pünktlich beim LKW. Wir sind nicht die letzten, auch Ossi sucht noch verzweifelt nach seinem Geldbeutel. Lediglich mit 10-minütiger Verspätung, können wir abfahren.
Auch der Grenzübertritt von Ungarn nach Österreich gestaltet sich unproblematisch, wir finden sogar noch Zeit um auf dem Rasthof St. Pölten gemeinsam Abendzuessen, bevor wir von unserer Seelscheider Mannschaft Abschied nehmen.
Ab hier fährt nur noch jeder einem Ziel entgegen. Der gemeinsame Gedanke, der uns seit vielen Jahren zusammengeschweißt hat zählt nun nicht mehr. Nach Hause kommen, LKW waschen, Familie, Freunde, die auf uns warten, nur das ist noch wichtig. Noch eine Übernachtung, dann am nächsten Morgen Ausräumen und Reinigen der LKW. Gottlob hat Ralf, der uns in München abholt, einen Anhänger dabei. Es ist unglaublich, was in so einem Führerhaus alles untergebracht ist, besonders in unserem.
So kommen wir spät abends erschöpft, aber die meisten von uns, glücklich Zuhause an.
Es ist nicht leicht einen zusammenfassenden Gedanken niederzuschreiben, ich möchte es dennoch versuchen. Leider muß ich sagen, daß sich, hauptsächlich in den Gesichtern der Rumänen, immer mehr Resignation, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit widerspiegelt. Nach acht Jahren stetigen Abstiegs kann man nicht mehr an eine bessere Zukunft glauben. Monatlich steigen die Preise, während die Löhne und Renten schon seit Jahren stagnieren. Den Versuch eine Krankenversicherung einzuführen, hat man nach einer Probezeit von zwei Jahren wieder eingestellt. Es bleibt beim Alten, wer arm ist hat kaum Chancen auf Genesung, da die Medikamente, auch in den Kliniken selbst bezahlt werden müssen (es sei denn, wir haben gerade ein dementsprechendes Medikament als Spende gebracht).
Ja, es war der bisher größte Transport. Für mich persönlich, was die Vorbereitung und Arbeit anbelangt, der umfangreichste, aber auch einer der effektivsten Transporte, was die Verteilung der Hilfsgüter betrifft. Was mich am allermeisten beeindruckt ist die Tatsache, daß so viele Menschen, egal in welchem Alter hinter mir, oder besser gesagt, hinter der Sache stehen.
Ich möchte es nicht versäumen nun alle meine Mitstreiter bei diesem Transport, die mir tatkräftig geholfen haben, namentlich zu nennen und allen für den tollen Mannschaftsgeist zu danken.
Wagen 1, Markus Albrecht und Dirk Behringer
Wagen 2, Edgar Mink und Friedbert Bayer
Wagen 3, Gunther Köllner und Günther Volkmann
Wagen 4, Peter Becker und Wolfgang Geis
Wagen 5, Bernd Oberhofer und Oswald Gutmann
Wagen 6, Susi Braunsberger und Norbert Wissler
Wagen 7, Josef Schneider und Wolfgang Allgeier
Wagen 8, Thomas Honeck und Ursula Honeck
Wagen 9, Erich Steck
Wagen 10, Peter Nienhaus und Friedel Schilling
Wagen 11, Hartmut Schulz und Rainer Hesselschwerdt
Wagen 12, Andreas Reimann und Margret Schulz
Hatte ich noch vor dem Transport auf Grund allerlei Veränderungen in der Vorstandschaft große Sorge, ob und inwieweit unsere Aktionen in Zukunft so weitergehen können wie bisher, bin ich nun doch ruhiger und zuversichtlicher geworden. Unsere Arbeit findet in der gesamten Mannschaft eine tiefe und ehrliche Zustimmung, und ich denke, daß auch für mich eines Tages, wenn ich müde werde, jemand da sein wird, um meine Aufgabe zu übernehmen. Das erträume ich mir, denn solange es Menschen gibt, die auf Hilfe anderer angewiesen sind, darf unser Bemühen nicht sterben.

 Ursula Honeck Anfang Juni 1998

 

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Letzte Änderung: 30/03/02 -- Autor: Dr.med. Thomas Honeck

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