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Hilfe kennt keine Grenzen ?????????
Bericht über den Hilfsgütertransport nach Rumänien und Moldavien im Mai 2000
Ich sitze vor dem Zeitplan des Transportes 2000 und versuche an Hand der Daten und Zeiten den genauen Ablauf in meiner Vorstellung "Revue
passieren" zu lassen. Es ist erfreulich, wenn bei der richtigen und positiven Lebenseinstellung, das Unterbewußtsein in der Lage ist, die unangenehmen Dinge sehr schnell in eine hintere Schublade des Gehirns zu
verfrachten, während es die schönen und angenehmen Ereignisse immer in greifbarer Nähe hält. Doch sicher ist es auch notwendig eben diese Schublade zu öffnen, damit man eine nachvollziehbare Dokumentation schreiben
kann, in der sowohl die eine als auch die andere Seite auftaucht. Auch mein Terminkalender hilft mir, mich an die teilweise chaotischen Wochen und Tage vor dem Transport zu erinnern. Wie hast du das nur alles
geschafft, frage ich mich. Ich muß aber zugeben, daß es Momente gab, in denen ich verzweifelt war und Angst hatte den Überblick und die Kraft zu verlieren. Doch meine großartige Mannschaft und Familie half mir zu
jeder Zeit und jeder Stunde, und viele teilten die Ängste und den Streß mit mir. Über die vielen Gebete, die mir geholfen haben, möchte ich nicht sprechen, es würden vielleicht nicht alle verstehen. Der
Transporttermin wird mit Rücksichtnahme auf persönliche Wünsche schon sehr früh festgelegt, da sich genügend Mitfahrer, die auch das ganze Jahr hindurch kräftig zupacken, melden. Natürlich läuft nicht alles so
glatt. Familiäre Schwierigkeiten und Familienfeste bringen uns etwas in Bedrängnis. So liegt auch das Osterfest sehr spät, es ist weißer Sonntag und dann gleich der 1. Mai. Nun ist nichts mehr zu ändern, wir müssen
sehen, wie wir mit der Zeitplanung zurecht kommen. Die Fahrzeuge der Firma Lehnert, Winterhalter, Klink und TCH sind gemietet, der Zolltermin ist ausgemacht, die Behörden und Empfänger in Rumänien und Moldavien sind
über die Zeitplanung informiert, und die Helfer zum Laden sind bestellt. Nicht nur mit unserer eigenen Sache habe ich Sorgen, sondern auch mit einer "frischgebackenen" Hilfsorganisation aus Karlsruhe, die
in Rumänien tätig sein will, und der wir Starthilfe zugesagt haben. Andrea , die Vorsitzende o.g. Organisation will uns auf unserem Transport begleiten. Ihre Hilfsgüter für Kinderheime in Piatra-Neamt und Moldavien
werden durch rumänische LKW der Spedition Lehnert transportiert. Durch irgendein Mißgeschick erfolgt die Bestellung der beiden LKW einen Tag früher als geplant. Die Spedition ist natürlich glücklich, denn die Fahrer
wollen am Wochenende Zuhause bei ihren Familien sein, es ist Ostern in Rumänien. Was tun, Andrea hat am Freitag noch keine Helfer und noch nicht alle Hilfsgüter, und ich bekomme bei der Spedition Lehnert für den
Ladetermin am Samstag in Karlsruhe keine anderen LKW. Auch unsere drei LKW kommen überpünktlich, nämlich schon am Donnerstag, in Todtnau an. Sehr schnell spüren wir, daß die Fahrer es sehr eilig haben wieder
"auf die Straße" zu kommen, natürlich auch wegen Ostern. Selbstverständlich habe ich für so etwas durchaus Verständnis, und unsere Ladung ist ja auch schon transportbereit, und die Papiere sind alle
fertig. Ich trommle die Mannschaft zusammen, und so können wir noch am Donnerstag bis spät in die Nacht die drei Vierzigtonner beladen und auf die Reise schicken, jedoch mit der Auflage am nächsten Mittwoch in
Tirgu-Mures zu sein. Es bleibt also genügend Zeit für das Osterfest mit der Familie. Strahlende Augen danken uns nicht nur für die gewonnene Zeit, sondern auch für die Kleinigkeiten, die wir gerne mitgeben.
Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich zu später Stunde an unsere Fahrer denke, die morgen sehr früh nach Dieburg fahren müssen, um die LKW abzuholen und heute viele Stunden gearbeitet haben. Aufatmen
am Freitagmorgen. Die Spedition Lehnert faxt mir die Zulassungsnummern von zwei LKW für Karlsruhe, die am Samstag beladen werden sollen. Wie kann es anders sein, sie sind auch schon am Freitag da, in der Hoffnung
früher beladen zu werden . Andrea hat aber keine Möglichkeit, diesem Wunsche nachzukommen, und ich kann auch nicht helfen. Meine liebe Schwägerin nimmt mir sehr viel Arbeit ab, sie kauft ein, sie kocht, sie kümmert
sich um meine "Vierbeiner". Ein paar Minuten zum Verschnaufen, doch schon wieder klingelt das Telefon, Spedition Lehnert am Apparat: " zwei LKW stehen an der ungarischen Grenze und werden nicht
durchgelassen, etwas mit den Papieren stimmt nicht." Vorbei mit der Ruhe. Alle nötigen Papiere wurden mitgegeben, die Durchfahrtsgenehmigung für Ungarn allerdings nur in Kopie, aber das Original benötige ich
selbst. Was tun? Den ganzen Nachmittag verbringe ich mit telefonieren, ich spreche mit dem ungarischen Botschafter in Berlin, mit der Sekretärin der Konsularabteilung, die sich zu später Stunde bereit erklärt eine
Durchfahrtsgenehmigung für jedes einzelne Fahrzeug an die ungarische Grenze zu faxen, die übrigens nach Erhalt zerrissen werden. Eigentlich will ich heute abend beim Beladen in Utzenfeld dabei sein, aber ich habe
keine Ruhe und schreibe lieber einen Brief an den Botschafter und versuche per Telefon noch einiges zu erreichen. Bis spät in die Nachtstunden spreche ich mit Frau Rotaru von der Spedition Lehnert, die auch alles
versucht, daß die Fahrer die Grenze passieren dürfen. Nun fällt mir "Medi" ein, die uns diesl als Dolmetscherin begleiten möchte, sie kann doch auch ungarisch, oder? Ein Glück, daß ich sie spät abends noch
erreiche. Sie ruft mehrfach in Hegyeshalom an der Grenze an und versucht die Sache zu regeln. Irgend etwas höre ich von einer Gebühr über 400,- DM und einer Genehmigung des Verkehrsministeriums in Budapest. Es ist
sehr spät, als sie mir sagen kann, die beiden LKW konnten weiterfahren, ohne Gebühr. Aber irgendeine höhere Stelle müsse noch an dieser Entscheidung beteiligt gewesen sein, so hatte sie den Eindruck. Mir ist immer
noch nicht klar, welches Papier fehlen oder gar falsch sein sollte. Erleichtert gehe ich zu Bett und versuche alles zu vergessen, nur ein paar Stunden schlafen und dankbar sein, daß diese Hürde genommen werden
konnte. Es ist Samstag, der eigentliche Ladetag. Doch durch das frühere Beladen der rumänischen LKW konnte etwas Zeit gewonnen werden. Kurz nach dem Frühstück ein Anruf aus Rumänien. Herr Steiner von der Spedition
Lehnert, der sich gerade in Rumänien aufhält, ruft mich an, daß nach seinen Bemühungen die beiden LKW weiterfahren durften, aber nun steht noch einer an der Grenze, der für Moldavien und darf nicht durch. Auch er
soll 400,- DM bezahlen, was für ihn unmöglich ist. Nun muß er eben warten bis wir kommen. Auf dem Weg zum Lager ein Anruf einer Spedition aus Rumänien auf meinem Handy. Ein LKW mit unseren Hilfsgütern steht an der
Grenze nach Rumänien und darf weder aus- noch einreisen. Nach einigem Hin und Her verstehe ich, daß er an einer ganz anderen Grenze steht, wie auf den Papieren angegeben, er wollte eben schnell nach Hause. Ich
telefoniere mit Dr. Liebhart, nicht nur einmal, aber er kann auch nichts machen. Unser letzter LKW ist beladen. In gelöster Stimmung löffeln wir im Lager auf dem Brand die leckere Gulaschsuppe und freuen uns auf
die Reise. Natürlich habe ich etwas vergessen – die traditionellen Rosen – für alle Mitfahrer. In so einem kleinen Ort, wo sich alle kennen, ist das kein Problem, kurz vor dem Abschiedsgottesdienst können wir sie
abholen. In der Kirche können wir uns, so habe ich das Empfinden, einfach loslassen, alles weitere in Gottes Hand legen. Alle Mitfahrer hören die sehr eindrucksvolle Predigt von unserem evangelischen Pfarrer
während der Meßfeier in der katholischen Kirche. Nicht nur ich empfinde ein Glücksgefühl bei dem Gedanken einer einheitlichen Kirche, die in Todtnau schon zu funktionieren scheint. Natürlich hat die anschließende
Verabschiedung und Segnung nicht den selben Effekt, wie an einem Sonntagmorgen, wenn wir gleich anschließend starten, aber es war diesmal einfach nicht anders möglich. Der weiße Sonntag sollte den Erstkommunikanten
vorbehalten sein, und so bleibt uns nur die Verabschiedung nach der Vorabendmesse am Samstag, an der wir alle teilnehmen wollen, was uns sehr wichtig ist. So können wir am 30. April endlich mal den Geburtstag von
meinem Sohn Martin feiern, auf den er so oft verzichten mußte. Auch die anderen Fahrer haben die Gelegenheit ausgiebig Abschied von der besseren Hälfte, der Lebensabschnittsgefährtin oder einfach nur von der Familie
zu nehmen. Ja, nun beginnt der Bericht über die Reise, bei der ich eigentlich selten die hintere Schublade zur Berichterstattung ziehen muß, und mir daher solch eine umfangreiche Einleitung erlauben konnte. Alle sind am Morgen des 1. Mai pünktlich bei den LKW,
Tränen fließen, gestartet wird dennoch 15 Minuten früher wie geplant. Die intensiven Umarmungen werden dann auf dem Feldbergpass, wo noch einmal angehalten wird, um die
mitfahrenden Kinder aussteigen zu lassen, fortgesetzt. Irgendwo unterwegs treffen wir Andrea und Jean aus Karlsruhe mit ihrem Kleinbus. Jeder fragt sich, wer will da
mitfahren, wer kommt da dazu? Andrea und Jean sind sehr unkompliziert und passen sich der Mannschaft sofort an, es gibt keine Probleme. Mit klopfendem Herzen setze ich mich hinter das Steuer des Vierzigtonners, allerdings ist es diesmal keine so schwere
Arbeit, da alles automatisch geht, nicht gesplittet werden muß und kein Kupplungspedal vorhanden ist. Ein - FRAUENAUTO – wie ich es mir wünsche. Es macht mir riesig Spaß wieder einmal LKW zu fahren, zumal sich mein
lieber Mann zu einem Nickerchen auf die Pritsche legt und mir nicht dauernd dazwischen redet. Allerdings hoffe ich auf den Leichtschlaf, falls eine brenzlige Situation kommen
sollte. An der Grenze Suben werden die beiden rumänischen LKW von Andrea erwartet, was auch in Ordnung geht, und wir können weiter
fahren zu unserem Quartier in Haag / Österreich. Nach dieser Nacht entschließt sich Jean, der an die 2 Meter mißt, nur noch in seinem Kleinbus zu übernachten. Nach einer
reibungslosen Fahrt kommen wir in Hegyeshalom / Ungarn an. Bei den Österreichern geht ja noch alles problemlos über die Bühne, aber bei den Ungarn. Nein, ich will mich sehr
bemühen korrekte Ausdrücke zu benutzen. Man nimmt eine Zigarette, schlägt die Beine übereinander, nimmt die Papiere in sehr abweisender Haltung entgegen, ja man will zeigen,
daß man Hilfsgütertransporte nach Rumänien außerordentlich verabscheut. Du fühlst dich wie der letzte Dreck. Medi bemüht sich mit all ihren Künsten und ihrem Charme. Zu unseren
Papieren kann man ja nichts sagen, nur den Unmut zeigen, aber zu den Papieren der Rumänen, die inzwischen eingetroffen sind, kann man nur noch jeweils 400,- DM Gebühren
hinzufügen, ohne wenn und aber. Selbst eine hinzugerufene Spedition weiß nichts über diese Gebühren. Angeblich wird das jetzt von allen rumänischen Fahrern, die Hilfsgüter
nach Rumänien bringen verlangt, mit der Begründung, daß sie ja an diesen Transporten verdienen. Es gibt aber ein Abkommen, indem geschrieben steht, daß Hilfsgütertransporte
grundsätzlich ohne Gebühren Transit fahren dürfen, dieses hat auch Ungarn unterschrieben, wie ich höre. Das Hin und Her kostet uns sehr viel Zeit. Andrea ist außer
sich. Auch ein Telefonat mit der Spedition Lehnert bringt keine Lösung. Letztendlich starten wir ungeachtet der rumänischen Fahrzeuge, für die dann eben leider Gebühren bezahlt
werden müssen, quer durch Ungarn in Richtung rumänische Grenze. Einen Verletzten haben wir schon zu beklagen. Ossi säbelt sich beim Apfelschneiden in einen seiner Finger
und muß ärztlich versorgt werden. Kein Problem, wir haben ja einen Arzt dabei. Es ist 7.20 Uhr am nächsten Morgen, als wir an der ungarisch / rumänischen Grenze ankommen.
Zunächst scheint es nicht so viel LKW- Stau zu geben, aber im Zollhof sieht es anders aus. Jeweils ein Fahrer, so auch ich, macht sich mit den Papieren auf den Weg zu dem
zuständigen Schalter. Gottlob ist unsre Medi dabei, sonst hätten wir noch mehr Schikane über uns ergehenlassen müssen. Es fehlt ein Stempel vom Tierarzt (für was eigentlich? wir
haben keine Kuh dabei zum Decken oder zum Schlachten ) na ja, wir haben Kleidung, die von Tieren stammt und dafür braucht man eben einen Stempel. Der Tierarzt läßt sehr lange
auf sich warten. Ziemlich entnervt trifft er mit viel Verspätung ein und klagt über die viele Arbeit, die er hier zu machen hat. Für uns genügt ein Stempel, das war es. Nun gut. Auf der
anderen Seite geht es genau so weiter. Wegen der Medikamentenlieferung muß ich zu einem Arzt. Ich bin sehr froh, daß mich unser langjähriger Freund Dr. Liebhart begleitet. Er
versteht es den müde wirkenden Mediziner von unserer Seriosität zu überzeugen (was auch seine Berechtigung hat) und in ein paar Minuten ist die Sache erledigt. Auch bei dem
Grenzübertritt genügen ein paar "inhaltsvolle" Händedrücke und alles geht seinen Lauf. Zu den Gebühren bei der Waage müssen wir allerdings auch noch ein paar Kugelschreiber
dazugeben. Es ist 14.30 Uhr und wir sind " on the road" und hoffen gegen 19.00 Uhr in rgu-Mures anzukommen. Natürlich wird es dank der miserablen Straßenverhältnisse später
als geplant. Um 22.00 Uhr können wir die LKW im Klinikgelände einparken. Freudig begrüßen wir einen der rumänischen LKW-Fahrer, der es geschafft hat mit 100,- DM
Schmiergeld über die ungarische Grenze zu kommen. Natürlich muß er das nicht aus eigener Tasche bezahlen, er sieht nicht gerade wohlhabend aus. Die anderen LKW seien
auch schon im Zollhof, berichtet uns Dr. Liebhart. Wie schon einmal vor Jahren, halten wir noch ein Nachtmal mit unserem Proviant im Vorlesungssaal und begeben uns dann zu
unseren Schlafstätten. In allen LKW schlafen, soweit wie möglich, Fahrer, was bezüglich unserer Transportkostenabrechnung sehr positiv zu Buche schlägt. Natürlich ist auch ein
wenig Abenteuer dabei. Sogar Andrea zieht es vor, im Bus statt in einem Hotelbett zu übernachten. In dieser Nacht schlafe ich nicht sehr gut, da ich den Übernachtungspreis
falsch verstanden habe ( 980,- statt 180,- für sieben Personen ). Das Hotel im Zentrum ist sehr renovierungsbedürftig, man traut sich kaum den Wasserhahn zu öffnen, weil man das
Gefühl hat, alles fällt auseinander. Der Kaffee am nächsten Morgen in einem riesigen Frühstücksraum weckt keine Toten auf und hat einen eigenartigen Geschmack. Es gibt
aber nur eine Tasse, für eine weitere muß man extra bezahlen. Wir verzichten darauf und hoffen auf ein Tässchen im LKW. Doch dazu bleibt keine Zeit. Wir müssen Papiere
erledigen, zum Zollhof fahren und dann in einem Lager, nicht wie bisher in der Klinik, abladen. Ich hatte in einem anderen Bericht bereits geschrieben, daß Dr. Liebhart nicht
mehr Direktor des Krankenhauses ist, so daß er nun auch nicht mehr über Räumlichkeiten in der Klinik verfügen kann. In die Apotheke will er die Medikamente nicht bringen, weil die
Patienten die Medikamente aus der Apotheke bezahlen müssen. Während wir zum Zollhof fahren, nutzt Thomas die Zeit um einen Rundgang durch die Klinik zu machen. Über die Situation im Gesundheitswesen und in den Kliniken hat
er einen gesonderten Bericht geschrieben, aus dem man alles Wissenswerte diesbezüglich entnehmen kann. Frau Marga vom Deutschen Forum hat alles beim Zoll vorbereitet, und wir können mit einer zügigen
Abfertigung rechnen. Auf dem Zollhof treffen wir die anderen rumänischen Fahrer wieder, die pünktlich, wie ausgemacht an Ort und Stelle sind. Das erfüllt mich immer mit besonderer Freude, da so viele Leute über die
Unzuverlässigkeit der Rumänen schimpfen. Gibt es bei uns nicht auch genügend unzuverlässige Menschen? Es ist ganz schön heiß, als wir bei dem vorher erwähnten
Lager abladen. Dr. Nicolescu aus Bukarest kommt pünktlich, um die für seine Ambulanz bestimmten Medikamente abzuholen. Leider warten wir vergeblich auf Frau Fonosch vom
katholischen Hilfsverein und Forum der Deutschen aus Bukarest, die sich offensichtlich verfahren hatte. Ich kann nicht mehr auf sie warten, da noch wichtige Dinge in der Klinik zu
erledigen sind. So kommt es zu Schwierigkeiten mit den Patenpaketen, die wir eigentlich nicht mit einem Hilfsgütertransport befördern dürfen. Auch Dr. Liebhart kann in Zukunft
keine Sachspenden mehr für soziale Einrichtungen annehmen, lediglich Medikamente und Klinikbedarf für diese und andere Kliniken. Als Klinikdirektor hatte er doch noch mehr
Möglichkeiten. Ganz kurz treffen wir noch Christian mit seiner Familie aus Medias auf dem Klinikgelände, der die Patenpakete für Medias und Copsa-Mica abholt. Alle sind sehr
traurig, die Oma ist vor einer Woche ganz elend an Krebs gestorben. Die Medikamente, die ich für sie dabei habe, kommen leider zu spät. Fast pünktlich geht es weiter nach Bistritz.
Zu unserer Freude sind die rumänischen Fahrzeuge, die voraus gefahren sind, schon entladen, so daß wir nach dem Parken der LKW noch gemütlich in der Klinikkantine mit
Herrn Dr. Suteu und Herrn Theiß vom Deutschen Forum zusammensitzen können. Zum Leidwesen von Dana, der Tochter von Herrn Dr. Suteu, wo Thomas und ich wieder
übernachten, soll es am nächsten Morgen sehr früh weitergehen. SOLL..., fast drei Stunden später wie geplant können r starten, nachdem Thomas seinen Rundgang durch die Klinik
beendet hat und alle Formalitäten erledigt sind. Wir sind schließlich in Rumänien und wissen, wie dehnbar der Begriff Zeit sein kann. Sogar unser Transportleiter Markus hat
inzwischen gelernt sich hiesigen Zeitbegriffen zu fügen. "Die Hauptsache ist, es regnet nicht", ein Spruch, den wir bei jeglicher Situation schon bei vorherigen Transporten öfters
auf den Lippen hatten, bekommen wir bei der verspäteten Abfahrt von Markus zu hören, also kann man doch zufrieden sein. In der Tat erleben wir eine wunderschöne Fahrt über
die Karpaten. Nur Winni, der das erstemal dabei ist, kann sich seiner Furcht nicht erwehren, hatten wir ihm doch prophezeit, daß er als Neuling todesmutig und freihändig über eine
sehr gefährliche Hängebrücke laufen muß. Als Feuertaufe wurde ihm alternativ von "Dr." Thomas ein "hoher Einlauf" empfohlen, aber das mit der Brücke war ihm dann doch lieber.
Während wir die wunderschöne Fahrt genießen, bei der wir aber auch unserer beschädigten LKW der letzten zwei Jahre auf dieser Strecke gedenken, ist unsere liebe
Gusti in großer Sorge, da sie schon seit vielen Stunden auf uns wartet, sie hat noch den alten Fahrplan. Kurz nach 17.00 Uhr ist es dann soweit, Gusti, Rosa und Herr Munteanu
empfangen uns herzlich am Eingang der Stadt. Die rumänischen LKW sind alle schon entladen, so daß wir uns in unser Quartier in der Chemieschule und anschließend zu einem
Essen, welches der katholische Pfarrer organisiert hat, begeben können. Nach dem Essen erleben wir noch ein paar gemütliche Stunden in unserem Quartier mit schönen Liedern
und "Tannenzäpfle". Die LKW sind sicher bei der Spedition Mihail geparkt, alle können beruhigt in der Chemieschule übernachten. Ich glaube schon im vergangenen Jahr hatte
ich berichtet, daß das Wasser sehr "faltenreduzierend", auf deutsch eiskalt war. So ist es auch heute. Positiv denken, es dient deiner Schönheit. Ob die Männer das auch so
empfinden? Egal, schaden tut es keinem, alle sind putzmunter bei der Abfahrt am Samstagmorgen in Richtung Moldavien. Gegen Mittag hatten wir unsre Ankunft an der
rumänischen Grenze geplant, was auch zutrifft. Doch, daß wir eine Plombe verlieren würden, daß der Zollbeamte erst mal Kaffeetrinken gehen wollte, damit war nicht zu
rechnen. Nur keine Eile, Gusti regelt die Geschichte mit der Plombe mit sehr viel Charme, Kaffee, Waschpulver etc., und irgendwann ist die Kaffeepause auch zu Ende. Endlich in
Moldavien! Wir begrüßen liebe Freunde, bekannte Gesichter und vergessen für einen Moment, daß wir auch hier nur Fremde sind, die eine Grenze übertreten möchten, was wir
knallhart zu spüren bekommen. Hilfe kennt keine Grenzen... unser Logo kommt mir in den Sinn. Wie widersinnig empfinde ich plötzlich diesen Spruch. Nur liebende Herzen können
Grenzen überwinden, aber der Mensch an sich ist unfähig Grenzen abzubauen und zu überwinden. Geduldig bleiben und abwarten. Ich bewundere Gustis Geduld, als nochmals,
aus unverständlichen Gründen, alle Personalien und LKW-Daten aufgenommen werden müssen und natürlich Gebühren dafür verlangt werden. Nicht einmal die Polizei, die uns
anschließend mit Blaulicht nach Chisinau begleitet, kann gegen diese Unsinnigkeit etwas tun. Positiv ist, außer , daß es nicht regnet, die Tatsache, daß am Samstagabend noch am
Straßenrand die LKW entplombt werden. Freundlich treten wir dem Zollbeamten, der uns doch etwas umständlich erscheint, gegenüber. Warum ist der Stempel von der
Ausgabestelle für die Carnet nicht rund sondern viereckig? Ich weiß es auch nicht, aber er schüttelt darüber noch lange den Kopf. Doch Gunther und Gusti, die mit ihm zum Zollamt
fahren, sollen noch so manches erleben. Wir sitzen inzwischen in der Klinikkantine und beginnen mit dem Abendessen. Es ist nach 23.00 Uhr als die drei endlich erscheinen. Alle
meine Vorstellungen über einen urdeutschen Justizbeamten treffen zu, es fehlen nur noch die Ärmelschoner. Der Appetit ist Gusti und Gunther gründlich vergangen, dem Zollbeamten
schmeckt es aber sichtlich. Alle Mitfahrer, außer den LKW-Fahrern, oder denen, die inen LKW und Begleitfahrzeugen auf einem bewachten Parkplatz übernachten, beziehen ein
sehr sauberes Quartier, welches wir schon vom Januar kennen. Es hat sich nichts geändert, es gibt auch jetzt kein warmes Wasser. Alle genießen die Nachtruhe und einen
Pulverkaffee am nächsten Morgen. Es mag sein, daß ich nun etwas verwechsle, auf jeden Fall wurden je einmal Willi und Günther in der Wohnung eingeschlossen. Beide wurden auf
jeden Fall durch lautes Klopfen an der Tür oder am Fenster bemerkt und befreit. Pünktlich sollen wir zur Messe in Orhei sein, alle Damen halten auch schon ihr Kopftuch bereit, und
die Herren sind mit langen Hosen bekleidet. Doch ein platter Reifen an unserem LKW, der noch an diesem Morgen von unseren "Vereinskameraden" gewechselt wird, und die
Notwendigkeit alle LKW zu betanken, hindert uns daran, trotz Polizeibegleitung, pünktlich in Orhei anzukommen. Bischoff Joan Vulpe nimmt uns das nicht übel und erwartet uns am
Eingang der Stadt mit Blumen, Kerze, Brot und Salz. Einen "kleinen" Imbiß im Wald müssen wir noch zu uns nehmen, bevor wir uns mit ihm in das Dorf seiner Familie begeben, wo
heute das Fest Allerseelen oder Ostern mit den Verstorbenen gefeiert wird. Ein herzlicher Empfang wird uns in der Kirche des Dorfes durch Pfarrer Rodeon, den wir schon lange kennen, beschert. Auf dem Friedhof begegnen wir unzähligen Menschen, wir bahnen uns mühselig einen Weg zum Grab der
Familie von Bischof Vulpe. Überall wird gebetet, mit den Verstorbenen gegessen und getrunken. Wir können uns kaum retten, alle wollen mit uns ein Glas auf die Verstorbenen trinken,
man will ja niemanden beleidigen. Doch Augen zu und durch, das ist das Beste, schließlich haben wir heute noch etwas vor. Aber es ist sehr beeindruckend. Nun werden die LKW entladen, und Thomas, Gunther, Medi,
Andrea, Jean und ich fahren in das Dorf von Anatol, für dessen Bevölkerung wir auch Hilfsgüter mitgebracht haben. Eigentlich wollen wir das Dorf besichtigen, aber Anatols
Schwester hatte den Tisch gedeckt, und wir können die Gastfreundschaft nicht zurückweisen. Zumindest ein paar Frühlingszwiebeln und Oliven nehme ich von der reichhaltigen Platte. Wir befinden uns am Ufer des Dnistr, einem sehr bedeutsamen Fluß. Ich sehe nur immer wieder die Fische, die aus diesem Fluß
gefischt werden und nun auf einer Platte liegen. Aber dieser Fluß spielt eine sehr wichtige politische Rolle. Ein Stück Natur, was zum Politikum wurde. Beim Rundgang durch das
Dorf kann man erahnen, wie die Straßen nach einem größeren Platzregen aussehen. Ohne Gummistiefel ist da kein Durchkommen. Wir besuchen eine sehr bedürftige Familie und besichtigen das Lager, wo die Pakete
aufbewahrt werden, danach werden wir von einem sehr rasanten Fahrer wieder nach Orhei gebracht. Inzwischen wurden die LKW für die Pfarrei
und die Klinik entladen. Thomas macht mit Dr. Siman noch einen Rundgang durch die Klinik, bevor wir uns zum Nachtessen begeben. Es wird viel gesprochen, viel gesungen
und viel gegessen, oh, ich habe das Trinken vergessen. Es ist ein sehr schöner Abend. Beinahe hätte ich vergessen zu erwähnen, daß uns am Abend noch der Priesterchor ein
kleines Konzert in der Kirche gegeben hat, was wir alle sehr genossen haben. Alle übernachten im Pfarrhaus, Pater Joan hat sogar sein Büro geräumt und Klappliegen
aufgestellt. Es ist für alle ein sehr positives Erlebnis. Mit vielen Geschenken beladen verlassen wir Orhei am nächsten Morgen, wieder viel zu spät, in Richtung Chisinau. Alle
erwarten uns schon bei der onkologischen Klinik , wo das Abladen beginnen soll. Ich weiß, daß ein anstrengender Tag auf mich wartet. Während bei der Onkologie abgeladen wird,
besichtigt Thomas , Andrea und Jean die Klinik. Dr. Manolache drängt zum Aufbruch, da einige Herzklappenempfänger schon seit früh morgens in der Klinik auf mich warten, um
sich bei mir für die Hilfe zu bedanken. Ich muß auf Thomas warten, da er einige Filmaufnahmen machen soll. So können wir nur noch einige Herzklappenempfänger treffen und deren Blumen entgegennehmen. Ein wunderschönes Erlebnis ist die Übergabe einer Herzklappe an eine
herzkranke und sehr arme Patientin, die von Willi Beckert gespendet wurde. Gottes Gegenwart empfinden, das sind diese Momente, die das Leben wieder lebenswert machen.
Diese Frau empfindet das genau in diesem Moment, wo sie vorher keine Hoffnung mehr hat. Es hilft ihr ein unbekannter Mensch. Da sind Momente, wo der Himmel ganz nahe ist.
Wir besichtigen noch die Intensivstation und machen einige Fotos von defekten Geräten, die wegen Geldmangel leider nicht repariert werden können,
aber dringend gebraucht werden. Vielleicht können wir helfen. Man erwartet uns schon in der Kinderklinik, ein paar Krankenschwestern haben in Eigeninitiative ein feines Essen
vorbereitet, und Nelia, die Kinderärztin, bittet zu Tisch. Nach dem Mittagessen laden wir die Hilfsgüter für die Klinik ab. Nicht nur hier spüren wir eine gewisse Enttäuschung über die
wenigen Medikamente, aber wir sind nicht schuld daran, sondern die Gesetzgeber, die bestimmt haben, daß nur Medikamente, die länger als ein Jahr noch haltbar sind, eingeführt
werden dürfen. Wir halten uns an die Vorschriften, obwohl unsrer Meinung nach bei einer richtigen und schnellen Verteilung ein sehr viel kürzeres Haltbarkeitsdatum vertretbar wäre.
Wir haben diesbezüglich im Januar lange mit dem Vizegesundheitsminister diskutiert. Wir warten noch auf Thomas, der mit Medi, Andrea, und Jean einen Rundgang durch die Klinik
macht und verteilen, wie jedes Mal, etwas Geld an ganz arme Mütter und fahren dann weiter zur nächsten Abladestelle bei Metropolit Vladimir. Das Programm ist sehr dicht gedrängt,
und deshalb bin ich sehr dankbar, als Caritasdirektor Vladimir Nadrenitschniy vorschlägt, daß wir uns beim Metropoliten treffen. Vor dem Haus
erwarten mich fast alle Patenfamilien und freuen sich über das Wiedersehen und die Briefe von Herrn Wunderle. Das Abladen ist schnell erledigt, und wir setzen uns zu einem kleinen Imbiss in die Küche.
Leider ist der Metropolit verreist, aber sein Sekretär, den wir auch schon seit Jahren kennen, bereitet uns einen sehr netten Empfang. Nun müssen wir uns aber beeilen, um 19.00 Uhr sind wir bei Anatol Josan zum
Abendessen eingeladen. Wer schon mehrere Berichte von mir gelesen hat, weiß um wen es sich bei Herrn Josan handelt. Ich denke, und habe es
schon oft in Moldavien gehört, daß er ein sehr wohlhabender aber auch sehr gutherziger und gläubiger Mensch ist. Wie schnell hat man das Wort "Mafia" auf den Lippen, wenn man
von reichen Menschen hört. In diesem Fall ist das sicher nicht berechtigt. Auf jeden Fall werden wir herzlich empfangen, nicht nur von Anatol sondern auch von Dr. Seremet, seiner
Frau und einigen uns bekannten Damen seiner Hilfsorganisation, die hier in der Küche tätig sind und uns nun mit Köstlichkeiten versorgen. Nach dem Essen wartet eine Dusche und
ein Saunabad auf unsere gestreßte Mannschaft. Inzwischen ist auch Thomas, nicht meiner sondern der von Albrechts, eingetroffen. Der Arme verbrachte den ganzen Tag in der Werkstatt, wo unser Reifen repariert wurde. Mein Arbeitstag ist
noch nicht zu Ende, ich muß um 22.00 Uhr in der Klinik sein, um die Herzklappen entgegenzunehmen, die von Moskau per Flugzeug gebracht werden. Nach unserer Rückkehr, Gusti,
Gunther, Thomas und Dr. Manolache hatten mich begleitet, haben fast alle schon recht kleine Äuglein, so daß wir sehr bald aufbrechen. Ob Peter und Winni diese Nacht wohl gut in
unserem LKW schlafen? überlege ich auf dem Heimweg. Ja, manchmal bin ich auch gerne ein "Kindskopf". Ich lege einen überreifen Stinkkäse unter
den Fahrersitz und stelle mir vor, wie einer von dem anderen denkt, meine Güte, was hat der für Schweißfüsse. Leider habe ich Peters chronisch verstopfte Nase nicht bedacht,
aber Winni wunderte sich doch etwas über den "strengen" Geruch in diesem Auto, er dachte aber eher an die Ausdünstungen der Fahrer im Laufe von zwei Wochen. Egal, auf
jeden Fall gibt es am nächsten Morgen etwas zum Lachen. Wir stehen pünktlich vor dem Studentenwohnheim zur Abfahrt bereit, doch einer fehlt noch, wo ist Günther? Jemand
hatte den armen Tropf eingeschlossen. So wie es Willi ergangen ist, sollte es i auch ergehen. Mit nur einer Stunde Verspätung können wir nach herzlicher Verabschiedung von
all unseren Freunden in Richtung Grenze fahren. Ganze vier Stunden dauert der Grenzübertritt mit leeren LKW, allerdings einem vergessenen Stempel auf dem Carnet. Wir
müssen aber selbstverständlich wieder durch die Waschanlage und für diese ist noch Geld zu wechseln. Natürlich besteht man bei der Einfahrt nach Rumänien auf ein erneutes
Transitvisum. Gusti zieht alle Register ihrer Überredungskünste und schafft es dann, unterstützt durch allerlei Kleinigkeiten in einem Plastikbeutel, daß wir nicht noch einmal
bezahlen müssen. Es ist 21.00 Uhr, als wir endlich am See zwischen Roman und Piatra-Neamt ankommen. Ana, die Leiterin des Kindergartens Nr.4, deren Mann Direktor
einer staatlichen Fischzucht ist, hatte uns eingeladen. Es ist wunderschön am See zu sitzen und frischen Fisch zu verspeisen. Auch unsre liebe Rosa und Anas Mutter sowie
Frau und Herr Munteanu sind dabei. Allzulange können wir die überaus herzliche Gastfreundschaft nicht genießen, wir müssen ja noch die LKW sicher zurück zur Spedition
Mihail bringen. Natürlich sitzen wir dann noch gemütlich in einem Sechsbettzimmer zusammen und stellen fest, daß wir durchaus in der Lage sind, einen "HFO-Chor" zu
gründen. Natürlich nur mit Dirigent Willi. Ein paar junge Leute in einem Nachbarzimmer beschweren sich wegen der Singerei zu später Stunde. Gusti erzählt ihnen, daß wir morgen
einen Auftritt hätten und nun noch proben müssen. Ob sie es glauben oder nicht, auf jeden Fall stehen sie fünf Minuten später vor unsrer Tür und wollen mitsingen oder besser gesagt
mitfeiern. Das kalte Wasser am nächsten Morgen macht alles wieder gut. Nur bei unserem lieben Günther scheint diese Therapie nicht zu wirken, noch Stunden danach hat er mit Unwohlsein zu kämpfen. In der psychiatrischen Klinik Tulghes, wo wir ein paar Stunden später ankommen, bleibt er
zunächst lieber im Auto. Die Tatsache, daß auch hier inzwischen schon von einem
rumänischen Fahrzeug abgeladen wurde, erspart uns viel Zeit und gibt Gelegenheit zu einem ausführlichen Rundgang und intensiven Gesprächen. Für diejenigen, die das erstemal
dabei sind, hinterläßt dies Eindrücke, die man nicht so schnell vergessen kann. Leider kommt auch der Augenblick des Abschieds von unserer lieben Gusti. Es sind jedesmal
sehr schwere Momente, wir trösten uns aber immer von einem Treffen zum andern und können somit die dazwischenliegende Zeit überbrücken, weil wir wissen, daß wir uns
wiedersehen. Noch eine Übernachtung in Tirgu-Mures, dann geht es weiter in Richtung Grenze. Wir kaufen unterwegs in einem kleinen Dorf noch Geschenke für die Familie und
Handarbeiten fürs Städtlifest. Da wir noch im Zeitplan sind, packen wir auf der Passhöhe kurz vor der Grenze, Tische, Bänke und den Rest unseres Proviantes aus und lassen uns
noch einmal von Medi, die stets sehr fürsorglich ist, verwöhnen. Doch auf das Schöne folgt meist ein Schlag auf den Kopf. Vor der Grenze stehen 91 LKW in der Warteschlange. Die
Ungarn machen Bummelstreik, nichts geht mehr. Es ist brütendheiß und außerhalb des LKW riecht es nach Verwestem und öffentlichen Toiletten. Wir entdecken auch sehr schnell
einen überfahrenen Hund im Straßengraben und Hinterlassenschaften von LKW-Fahrern, die schon 20 Stunden hier stehen. Eigentlich dürfen Hilfsgütertransporte vorziehen, man
traut sich aber nicht so recht beim Anblick der schon viele Stunden lange wartenden LKW-Fahrer, zumal man uns in der Ukraine vor Jahren bei einer solchen Situation mit dem
Messer und Steinen bedroht hat. Gunther, Günther, Winni und Medi ziehen vor , um die Sache zu klären. Andrea und Jean verabschieden sich von uns, weil es sinnlos ist mit uns
stundenlang in der Warteschlange zu stehen. Sie wollen den Rest der Reise alleine durchziehen. "Die LKW stehen quer, aber ihr könnt vorziehen", so ruft Gunther durch den
Funk. Ich schaue nicht nach rechts, damit ich keine bösen Blicke von den zermürbten LKW-Fahrern abbekomme, sondern nur geradeaus. Nicht nur Kaffee, Zigaretten, Zigarren
und Strümpfe haben dies vollbracht, sondern ah unsre Medi mit ihren Überredungskünsten. Wieder einmal wird uns klar, wie wichtig es ist jemanden dabei zu
haben, der nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit der Mentalität umgehen kann. Die rumänische Grenze hätten wir geschafft, jetzt kommt noch das Problem mit den Ungarn.
Der Bummelstreik scheint unterbrochen zu sein, wir gehen brav mit unseren Papieren zu den jeweiligen Schaltern. Ich glaube, außer Medi und mir gibt es in diesem Raum keine
einzige Frau, die mit den zu erledigenden Papieren dasteht. Der Raum ist übervoll mit LKW-Fahrern, die weiterfahren wollen und nun schon sehr lange Zeit, man berichtet von 20
Stunden, gewartet haben. Nase zu und ja keine Lücke lassen, sonst drängt sich einer vor, sage ich mir. Umfallen kann ich sowieso nicht, wir stehen viel zu dicht aufeinander. Medi
sitzt etwas müde auf einer Bank, ist jedoch stets bereit zu helfen, wenn es notwendig ist. Ossi ist kurz vor einer Krise, weil er das ganze nicht verstehen kann und sich furchtbar
aufregt, als plötzlich einer der zwei Schalter schließt, obwohl sehr viele Leute davor stehen. Irgendwann schaffen wir es unsere Stempel zu bekommen und können weiterfahren. Doch
zuvor wird jeder Tank der LKW abgestochen. Markus hat das Pech, daß er einiges an Diesel zuviel getankt hat. Dafür muß er Strafe bezahlen, was uns echt wurmt. Aber Gottlob
bohren sie ihm nicht den Tank an, wie wir es vor Jahren an der ukrainisch-ungarischen Grenze erlebt haben. Ganze Fontänen Diesel ergossen sich damals auf die Straße. Endlich
ist nach fast vier Stunden alles geschafft, wir können beruhigt unserem Übernachtungsziel entgegensteuern. Unterwegs melden sich Andrea und Jean per Handy, "wo übernachtet
ihr? Wann seid ihr da? Wir treffen uns ". An der Grenze gab es Schwierigkeiten, der Weg wurde verfehlt, es konnte kein Geld zum Tanken gewechselt werden, die Scheckkarten
waren unbrauchbar, usw. Nur noch zurück zur "Herde", das ist ihr einziger Wunsch. Da sind sie dann auch bei unsrer Ankunft im Autohof Lomo. Am nächsten Tag passieren wir
die ungarisch-österreichische Grenze ohne Probleme, man merkt, daß wir immer mehr in Richtung Europa fahren. Auch die Zollbeamten sind viel umgänglicher und freundlicher. Nun trennen sich unsere Wege. Andrea und Jean wollen es endlich alleine wagen den
Heimweg anzutreten, und auch unsere HFO-Bus-Mannschaft verspürt "Stalldrang". Wir trennen uns kurz vor Wien und hoffen auf ein gesundes Nachhausekommen. Kurz nach Wien darf ich für vier Stunden noch einmal das Steuer übernehmen. Ich habe das Pech, daß auf dieser
Strecke soviel Baustellen sind, wie auf der ganzen Reise nicht, und daß es regnet, wie aus Kübeln. Mein Beifahrer Thomas schläft, und die ermunternden Kommentare über Funk von dem
nachfolgenden LKW," Ulla, du machst das echt super", lassen mich diese Hürden mit sehr viel Selbstvertrauen nehmen. Wir beschließen noch einmal bei Ulm zu übernachten und sitzen gemütlich bei einem
Abschlußtrunk zusammen. Nein, der eigentliche Abschluß findet am nächsten Morgen mit Kaffee und Rühreier im Gasthaus Lawine in Todtnau-Fahl statt. Auf dem Gelände der Firma
Bernauer werden die LKW gereinigt, die Geschenke verteilt und langvermisste Zärtlichkeiten ausgetauscht. Jeder geht nach Hause und hat unendlich viel zu erzählen.
Ich weiß nicht, was der Einzelne erzählt, aber , wenn er die Wahrheit sagt, wird er von einem gelungenen Transport, von einer harmonischen Mannschaft, von einem sehr guten
Transportleiter, von tiefen Eindrücken, von der Notwendigkeit weiterzuhelfen, von einer überwältigenden Gastfreundschaft und von vielen lieben Menschen zu berichten wissen.
Ich selbst möchte mich bei allen meinen treuen Mitstreitern, die ich im Anschluß vorstelle, bedanken. Markus Albrecht, Transportleiter, der sich nicht zum ersten mal als sehr zuverlässig und mit großem
Durchsetzungsvermögen bewiesen hat. Peter Becker, zweiter Fahrer von Zug 1. Er kennt die Strecke, da er schon mehrmals dabei war. Edgar Mink und Jürgen Jeworutzki
, Fahrer von Zug 2. Für Edgar ist es auch nicht die erste Tour, Jürgen dagegen bewährt sich als Neuling und erfahrener LKW- Chauffeur.
Wölfchen-Mannschaft, Günther Volkmann , Gunther Köllner, Anna (Medi) Petrescu und Winfried Wissler (Winni), nicht auf einen hätten wir verzichten wollen. Alle haben Großartiges
geleistet, nicht nur während des Transportes, sondern auch vorher. Willi Beckert und Thomas Albrecht, beide chauffieren unseren 7,5-Tonner in bester Weise und
verstehen sich, trotz des Altersunterschieds, Raucher und Nichtraucher, sehr gut. Thomas Honeck, mein Ehemann und Fahrer von Zug 5. Normalerweise ist er ein schlimmer
"Mitfahrneurotiker", aber während ich fahre ist er erstaunlich ruhig. Wenn er nicht gerade Zigarren raucht, sieht man ihn hinter der Filmkamera. Norbert Wissler (Charly),
Fahrer von Zug 6, hat schon schlechte Erfahrung mit "Montezumas Rache" gemacht und ist diesmal besonders vorsichtig mit dem Essen und Trinken. Oswald Gutmann (Ossi),
ebenfalls Zug 6,nichtnur bei den Vorbereitungsarbeiten war er stets zur Stelle sondern auch während des Transportes packt er, trotz Verletzung, kräftig zu.
Zum Schluß erlaube ich mir, meine Wenigkeit als glückliche "IVECO-AUTOMATIC-Fahrerin" und Hauptverantwortliche für den ganzen Transport zu erwähnen.
Ganz schnell möchte ich die am Anfang angeführte hintere Schublade wieder schließen. Es war ein sehr schöner, ein gelungener und effektiver Transport. Alle Sorgen und Mühen sind
nach der erfolgreichen Mission vergessen. Von Herzen wünsche ich,daß mit der Zeit die von Menschen gemachten Grenzen abgebaut werden,daß sich der Haß in Freundschaft verwandelt, und Jeder an den Grenzen
menschenwürdig behandelt wird,daß wir auch weiterhin die Möglichkeit und die Kraft haben, die Armut etwas zu lindern,daß es uns gelingen möge den Funken der Hoffnung
dieser Leidgeprüften am Leben zu erhalten.daß diese armen Menschen im Osten eines Tages wieder auf eigenen Beinen stehend glücklich und zufrieden sein können.
Ursula Honeck Juni 2000
Bericht über die wirtschaftliche Situation in Rumänien und Moldavien
unter besonderer Berücksichtigung der Situation im Gesundheitswesen
zusammengestellt auf Grund von Daten und Fakten, die anläßlich des Hilfstransportes im Mai 2000 gesammelt wurden.
Dr. Thomas Honeck
Während des diesjährigen Transportes wurde versucht, möglichst umfassende Daten über
die wirtschaftliche Situation in Rumänien und Moldavien zu erhalten und speziell die Situation im Bereich des Gesundheitswesens zu durchleuchten.
Zu diesem Zwecke wurde unseren Kontaktpersonen ein Fragebogen ausgehändigt, den sie dem Autor ausgefüllt zurückgaben. Die folgenden Aussagen beruhen auf den Eindrücken
und Recherchen während der Rundgänge durch die Krankenhäuser und auf den erwähnten schriftlichen Äußerungen unserer Kontaktpersonen.
Die Situation soll zunächst für die einzelnen Länder getrennt und in der Zusammenfassung dann im Vergleich dargestellt werden. Bei der Einzeldarstellung soll versucht werden, einen
Vergleich mit den hiesigen Verhältnissen zu ermöglichen. Dies ist mit den absoluten Zahlen natürlich nicht möglich, sondern nur unter Berücksichtigung der Kaufkraft, d.h. der
Relation zwischen durchschnittlichen Verdienst und Kosten resp. Ausgaben. Rumänien hat ca. 22 Millionen Einwohner und ist von je her ein Agrarstaat mit relativ wenig
Industrie. Die größtenteils aus der kommunistischen Ära stammenden Industrieanlagen sind hoffnungslos veraltet und personell hoffnungslos überbelegt. Korruption und mafiöse
Verhaltensweisen der Funktionäre, das Nachlassen der ohnehin nicht sehr ausgeprägten Arbeitsmoral und völlig unsinnige politische Entscheidungen führten binnen weniger Jahre
zur Schließung von sehr vielen Anlagen und zum Daniederliegen der landwirtschaftlichen Produktion. So war es bis vor kurzem erklärte Politik Privatisierungen in der Industrie möglichst zu
blockieren und ausländische Investoren dadurch zu schrecken, daß man ihnen zwar erlaubte Produktionsstätten zu errichten, aber gleichzeitig den Erwerb von Grund und
Boden untersagte. Gleichzeitig wurden die landwirtschaftlichen Kooperativen unter den Bewohnern aufgeteilt, so daß jeder Einzelne zum Leben zu wenig hatte, während die
gemeinschaftlichen Anlagen verrotteten. Private Initiativen scheiterten an einer unsinnigen Zinspolitik mit Zinssätzen von bis zu 100% , an unternehmerfeindlichen Gesetzen und
schlußendlich auch an der Korruption der Behörden. Die tragende Säule jeder Marktwirtschaft ist bekanntlich ein gesunder Mittelstand. Einen
solchen hat der Kommunismus nicht gekannt, und die nachfolgenden Regierungen sahen wohl keine Veranlassung diesen zu fördern. Die Folge dieser unseligen Entwicklung ist eine Arbeitslosenquote von ca. 10,5 – 14 %.
In den Städten wie Bukarest weniger als in den Kleinstädten und auf dem Lande. Erst die jetzige Regierung hat die Probleme erkannt und geht aber nunmehr ins andere
Extrem, indem sie Industrieanlagen zu Schleuderpreisen an ausländische Investoren abgibt. Neben dem sicher notwendigen Personalabbau führte diese Politik zu weiteren
Schließungen von Anlagen, die von liquiden Investoren nur zu dem Zwecke erworben werden , um Konkurrenz klein zu halten oder auszuschalten.
Ein Mittelstand kann sich auch heute noch nicht etablieren, und so ist es nicht verwunderlich, daß es zwar immer mehr Reiche und sehr Reiche gibt, aber auch eine immer
mehr anwachsende Armut , was schon heute für die Mehrzahl der Bevölkerung ein Leben unter dem Existenzminimum bedeutet. Die volkswirtschaftliche Talfahrt ist ohne Ende. Gleichzeitig besteht eine für die
Bevölkerung höchst bedrohliche politische Intention, sich für Europa zu " qualifizieren". Stagnierende Löhne, die noch dazu über Monate nicht ausbezahlt werden, ständig
wachsende Preise, und eine galoppierende Inflation führen zu einer Art " Volksdepression", die jeden Aufschwung zu lähmen scheint.
Als wir vor 10 Jahren nach der Revolution zum ersten mal in Rumänien waren, konnten wir für eine DM auf dem Schwarzmarkt ca. 700 Lei bekommen. Heute liegt der offizielle
Wechselkurs bei 9200 Lei und erhöht sich täglich. Die Löhne erhöhen sich zwar entsprechend der Inflation mit oft erheblicher zeitlicher
Verzögerung, sind aber bezogen auf ihren Gegenwert in DM seit zehn Jahren gleich geblieben. Das durchschnittliche "pro Kopf Einkommen" beträgt zur Zeit ca. 1.000 000 Lei, d.h. ca.
110,- DM pro Monat. Unverändert ist seit der Revolution die vom Kommunismus gewollte Umkehr der Verdienstchancen zwischen Intelektuellen und Arbeitern. Ein Arbeiter verdient
zwischen 500 000 und 5 Mio. Lei ( 56 / 560 DM ), während ein Arzt pro Monat maximal 700.000 Lei ( 78 DM ) bekommt. Die Durchschnittslöhne und die vergleichbaren Löhne in Bukarest sind 2 bis 3 mal höher!
Erste Lichtblicke sehen wir in der Tatsache, daß die wenigen Handwerker, die den Sprung in die Selbständigkeit geschafft haben, bis zu 10 Mio. ( 1.100 DM ) Lei verdienen können.
Auch die Situation der Ärzte scheint sich seit Einführung der Krankenkassen s.u. zu verbessern. Die Renten betragen zwischen 30 und 70 % des Lohnes. Maximale Renten von 1 - 2 Mio Lei
( 110 DM ) und leider sehr viel häufiger 200.000 Lei ( 22 DM ) und weniger sind zu viel zum Sterben aber sicher auch zu wenig zum Leben. Zumal sich die Preise aus o.g. Gründen
( Anpassung an EU ) und durch den Wegfall der Subventionen für Grundnahrungsmittel und Mieten zunehmend Westniveau erreichen. Die steuerliche Belastung beläuft sich auf 30 – 40 %. Eine Dreizimmer-Wohnung kostet
zwischen 2 – 300 000 Lei ( 22 – 33 DM ) pro Monat, und die Nebenkosten für Heizung , Wasser und Strom noch einmal soviel. D.h. ca. 40 bis 60 % des Monatsverdienstes müssen
für Wohnen ausgegeben werden. ( Bezogen auf ein Durchschnittsverdienst von 2000 DM bei uns , wären dies ca. 1000 DM ! ) Geht man von der Tatsache aus, daß ein Bundesbürger pro Monat ca. 15 –18 mal mehr
verdient als ein Rumäne, dann muß man, um sich ein realistisches Bild der Situation zu machen auch alle Preise auf DM umrechnen und mit 15 –18 multiplizieren.
Ein kg Brot kostet 7 – 10 000 Lei ( 0,8 – 1 DM ) , dies entsprächen ca. 18 DM bei uns! Ein Liter Milch kostet 8500 bis 20.000 Lei ( ~ 1 –2 DM ) entsprächen 20 – 30 DM,ein halbes kg
Butter 30 – 40.000 Lei ( 3,3 – 4,4 DM ~ 60 DM bei uns!) Noch "beeindruckender" sind die Zahlen bei " Luxusgütern" wie Kleidung – 1Paar Schuhe
100.000 bis 2.500.000 Lei ( 11 bis 270 DM ~ 150 bis 4000 DM ! ) oder eine Hose 450.000 bis 1.500.000 Lei ( 50 bis 150 DM ~ 750 bis 2250 DM bei uns! ) Im Klartext, für ein Paar Schuhe
und eine Hose muß ein Rumäne mit durchschnittlichem Verdienst zwei Monatsgehälter ausgeben. Eine Seife kostet vergleichsweise wenig, "nur" 1 DM, bei 100 DM Verdienst aber
kaum erschwinglich ebenso wie eine Zahnpasta , die umgerechnet etwa 1,5 bis 2 DM kostet. Ein Kühlschrank - Kosten von 4 – 15 Mio Lei ( 450 bis 27000DM ) - oder gar ein Auto der
Mittelklasse mit Kosten um die 80 Mio Lei ( ca. 9000 DM , also ca 90 Monatsgehälter, was bei uns ca. 140 bis 180.000 DM entsprächen ), sind Anschaffungen fürs Leben und nur möglich,
wenn ganze Familienclans zusammenlegen. 500 Mio Lei also etwa 55000 DM für ein Einfamilienhaus scheint auf den ersten Blick recht wenig, bei den Verdienstmöglichkeiten
in diesem Land allerdings nur für Auserwählte erschwinglich. Soviel zur ökonomischen Situation in Rumänien. Die immer zahlreicheren Millionäre des
Landes und nicht zuletzt natürlich die ausländischen Investoren profitieren von den für unsere Verhältnisse immer noch niedrigen Lebenshaltungskosten in diesem Land. Die
Masse der Bevölkerung aber droht bei den im Vergleich zu den Verdienstmöglichkeiten immensen Kosten für das tägliche Leben und Überleben immer mehr in die absolute
Verarmung abzutriften. Leben und Überleben ist für diese Menschen schon längst nicht mehr möglich mit dem was sie verdienen und schon gar nicht mit einer Rente, die noch
nicht einmal ausreicht die Miete zu zahlen. Man, d.h. der Durchschnittsrumäne lebt und überlebt von den kleinen Geschäften nebenbei, vom Tausch und vom Handel mit dem, was
das vergangene Regime ihm noch gelassen hat und von dem, was er auf ein paar Quadratmeter bei den Verwandten auf dem Land erwirtschaftet oder aber auch, was er am
Straßenrand oder in den Mülltonnen der Reichen findet. Eine düstere Realität und nicht weniger düstere Aussichten für die Zukunft.
Ganz besonders trifft dieses ökonomische Desaster natürlich die Kranken. Bisher war die Versorgung der Kranken alleine die Aufgabe des Staates, doch mit der zunehmenden
Verarmung des Staates tendierte diese Versorgung vor und nach der Revolution immer mehr gegen Null. 1 % und weniger wurde für die Versorgung der Kranken aufgewendet, bis man sich dann
vor ca. drei Jahren dazu entschloß ein Krankenkassensystem nach westlichem Muster aufzubauen. Auch dieser Entschluß ließ viel zu lange auf sich warten. Nach Jahren ohne
jegliche Möglichkeiten mit den knappen Mitteln, die noch nicht einmal für die dringendsten Bedürfnisse ausreichten und Investitionen unmöglich machten, liegt das gesamte
Gesundheitswesen schwer danieder, und es dürfte trotz hoffnungsvoller Ansätze Jahrzehnte dauern, bis man die Fehler der Vergangenheit ausgemerzt hat.
Die Einführung von Krankenkassen und damit die Entstaatlichung des Gesundheitswesens, zunächst mit Versuchen auf dem Land und heute inzwischen für den
gesamten Bereich der außerklinischen ambulanten Medizin, ist für die meisten Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich sprach, ein Hoffnungsschimmer.
Das System wurde mehr oder weniger dem deutschen angepaßt. Neben der National VK für die breite Bevölkerung, gibt es inzwischen Kassen für das Militär, das Transportwesen, der
Polizei u.a.m., die alle durch Abgaben finanziert werden sollen, die lohnabhängig je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden. Wie bei uns betragen diese
Beiträge ca 14 % des Bruttolohnes ( 7 % AG und 7 % AN ) Zunächst ist die Versicherung nur für die außerklinische ambulante Versorgung zuständig. Alle bisher staatlichen
Ambulatorien wurden privatisiert, d.h. an die dort tätigen Ärzte verpachtet. Daneben besteht die Möglichkeit für Ärzte, eigene Praxen und Polikliniken zu eröffnen und mit den Kassen
abzurechnen. Der zunächst freie Zugang zu diesem System der ambulanten Versorgung hatte ähnlich wie bei uns einen wahren Niederlassungsboom zur Folge, der bereits erste
Beschränkungen erforderlich machte. Alleine in Tirgu-Mures sind seit der Einführung des Kassensystems neben den bisher bestehenden und privatisierten Ambulatorien 7 neue
private Polikliniken entstanden. Alle diese Anbieter wollen und sollen von einem System bezahlt werden, das in Anbetracht der beträchtlichen Altlasten schon von vornherein
hoffnungslos unterfinanziert ist. Hinzu kommt, daß die großen Betriebe, oft noch in staatlicher Hand, mangels Masse eine sehr ungenügende Zahlungsmoral an den Tag legen.
Viele behalten den Arbeitnehmeranteil für die Krankenkasse zwar ein, denken aber nicht daran , diesen auch weiter zu geben. So entstehen immer größerer Lücken in der ohnehin
sehr knapp bemessenen Finanzierung der Kasse. Hinzu kommt, daß die National VK, die , wie o.e. für die Masse der Bevölkerung und damit für die Geringverdiener, Rentner und
Arbeitslose verantwortlich ist, schon wegen dieser negativen Auslese der Mitglieder sehr geringe Einnahmen hat und ein Ausgleich mit den Kassen der besser situierten Bevölkerungschichten nicht stattfindet.
Ohne Beschränkungen und Ausgrenzungen, wie sie bei uns im Gesundheitswesen ja auch schon seit Jahren praktiziert werden, wird dieses System nicht funktionieren, geschweige denn sich weiter etablieren können.
Immerhin kann man schon einige zaghafte Erfolge sehen. Die Entlastung des Staates von der ambulanten Versorgung hat für die Investitionen in den Krankenhäusern ganz offensichtlich Mittel freigesetzt, die eine ganz erfreuliche Entwicklung anzeigen. Die technische
Ausrüstung der Häuser hat sich in den letzten zwei Jahren ganz erheblich gebessert. Ich sah zu meinem Erstaunen Labore ausgerüstet nach neuestem Standart und Röntgenabteilungen mit modernster Technik ( daß sie zur Zeit außer Betrieb war, weil man kein
Rotlicht für die Dunkelkammer auftreiben konnte, ist vermutlich kein Problem des Gesundheitswesens ). Die "niedergelassenen" Ärzte können mit dem System offenbar
leben. Die Bezahlung erfolgt nach einem etwas modifizierten westdeutschen System. Der Arzt erhält für die rein ärztliche Tätigkeit für jeden Patienten ein Honorar, das sich nach Punkten
berechnet, die wiederum abhängig sind von den Einnahmen der Kasse. Davon muß er auch die Miete für die noch staatseigene Praxis und sein Personal bezahlen. Daneben erhält er eine Summe
für Notfallmedikamente und Verbrauchsmaterial ( vergleichbar Praxisbedarf bei uns ) . Investitionen für Geräte sind ebenfalls vom Honorar zu bezahlen.
Immerhin kommt ein Arzt , der ca. 2000 Patienten betreut dabei auf ein Honorar von umgerechnet ca. 500 DM pro Monat. Dabei leistet er allerdings keinen Nachtdienst – dieser
wird immer noch von den Kliniken abgedeckt – und hat Arbeitszeiten, von denen ein Landarzt hierzulande nur träumen kann. Trotzdem verdient er für rumänische Verhältnisse
ein kleines Vermögen. Nach Abzug der Personal – und Praxiskosten reiht er sich dann aber, vielleicht zu Recht, dennoch wieder in die Masse der" Durchschnittsverdiener" ein.Es
bleiben ihm 100 bis 150 DM pro Monat. Die medikamentöse Versorgung der Patienten ist ebenfalls vom System her Sache der Krankenkasse. Der Patient bekommt wie bei uns ein Rezept und geht damit zu einer der
inzwischen ebenfalls privatisieren Apotheken. Auf Grund der offenbar sehr ungenügende Zahlungsmoral der Kasse ( vermutlich mangels Masse ) erhält er in der Regel dort die
Auskunft, daß das entsprechende Medikament zur Zeit nicht lieferbar ist. Ist der Patient bereit oder in der Lage, Barzahlung anzubieten, ist allerdings so gut wie alles zu haben.
"Kleine" Schönheitsfehler eines an sich guten Systems, bedingt durch Startprobleme und sicher auch durch die Skrupellosigkeit von Teilnehmern an diesem System, die nicht
begriffen haben, daß das Gesundheitswesen kein Selbstbedienungsladen sein kann und darf, und daß man mit Gesundheit kein Geschäft machen sollte.
Die Finanzierung der Krankenhäuser ist wie o.e. vorerst immer noch Sache des Staates. Trotz der Entlastung durch die Einführung der Kassen, bleibt die Finanzierung der Krankenhäuser sehr im Argen.
Exemplarisch sei hier die Situation des Klinikums in Tirgu-Mures geschildert, das wir seit zehn Jahren besuchen. Das Klinikum, mit dem Status einer Uni, hat 1200 Betten und versorgt mit seinen
Fachabteilungen, die das gesamte Spektrum der Medizin abdecken, ein Einzugsgebiet von mehr als 600.000 Einwohnern. Mit 280 Ärzten und 1800 Pflegekräften ist die Personalstärke
inzwischen auf westliches Niveau "gekürzt". Die Klinik versorgt jährlich zwischen 40.000 und 50.000 Patienten stationär und 80.000 bis 100.000 ambulant. Dafür bekommt sie ein Budget von ca. 200 Milliarden Lei ( ~ 20 Mio. DM ) . Bei dem
bestehenden Nachholbedarf aus den Zeiten des Kommunismus und den Zeiten der " Nullinvestition" danach und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß alle
Neuinvestitionen und auch die Verbrauchsmaterialien und Medikamente durchaus westliches Preisniveau haben, sicher eine lächerliche Summe. Zum Vergleich, ein Krankenhaus hier
mit 527 Betten und 1440 Mitarbeitern benötigt ein Budget von ca. 130 Mio. DM! ( Quelle Ärztezeitung 6.6.00 ) Daß trotzdem in den letzten Jahren gerade
hier deutliche und sehr erfreuliche Fortschritte zu erkennen sind, zeugt von einem hohen ethischen Niveau der dort tätigen Ärzte, die trotz aller Problem nicht aufhören für ihre Patienten das notwendige einzufordern.
Verglichen mit Moldavien herrschen in Rumänien inzwischen paradiesische Verhältnisse. Der kleine Agrarstaat zwischen den großen Nachbarn Rumänien , Ukraine und Rußland hat
fast keine eigene Industrie und ist in vielen Aspekten der Wirtschaft völlig auf seine Nachbarn angewiesen. Ca. 1 % der 4,3 Millionen Einwohner sind arbeitslos und der
durchschnittliche Verdienst derer, die Arbeit haben liegt bei 375 Moldova Lei pro Monat, was bei einem Kurs von 1:6 etwa 60 DM bedeutet. Die Renten sind entsprechend und
werden wie die Gehälter sehr häufig gar nicht ausbezahlt. ( Die Rente auf dem Land soll seit zwei Jahren nicht bezahlt worden sein ! Die Gehälter teilweise monatelang nicht ).
Auch hier sind die Gehälter der Intellektuellen denen der "arbeitenden" Bevölkerung nach alter kommunistischer Devise weitgehend angeglichen.
Ein Arzt verdient ebensoviel wie der ungelernte Arbeiter, ca. 180 Lei ( 30 DM ) pro Monat. Privatisierung und Selbständigkeit sind hier noch seltener, so daß auch ein Handwerker mit 30 DM pro Monat auskommen muß.
Das Preisniveau für die Dinge des täglichen Lebens ist zwar noch etwas niedriger, für eine realistische Einschätzung sollte man aber bedenken, daß die im Folgenden genannten
Preise entsprechend dem zur Verfügung stehenden Verdienst mit 30 multipliziert werden müssen! 3 Lei d.h. 50 Pfennig für ein Brot oder einen l Milch und 13 Lei d.h. 2 DM für ½ kg
Butter entsprächen dann eben unglaublichen 15 resp. 60 DM bei uns. Nicht viel besser sieht die Rechnung bei der Bekleidung aus. Für ein Paar Schuhe oder
eine Hose zahlt der Moldavier 500 Lei d.h. ca. 80 DM , bezogen auf unsren Durchschnittsverdienst also sage und schreibe je 2400 DM, also jeweils mehr als der
Verdienst eines ganzen Monats! Auch ein Stück Seife für umgerechnet 1,5 DM oder eine Zahnpasta für 2 DM werden da zu unbezahlbaren Kostbarkeiten.Einen Kühlschrank für
2400 Lei ( 300 DM ~ in Rel.9000! DM) oder einen PKW für 36.000 Lei ( 6000 DM ~ in Relation 180.000 DM) können sich verständlicherweise nur Privilegierte leisten, oder sie werden durch eine ganze Gemeinschaft besorgt.
Die Tatsache, daß eine Dreizimmer-Wohnung ohne Nebenkosten ca. 1000 Lei ( 170 DM ) pro Monat kostet, d.h. etwa das Dreifache eines durchschnittlichen Monatsverdienstes , besagt
nichts anderes, als daß der Durchschnitt sich eine solche Wohnung nicht leisten kann. Man wohnt dort wenn man Glück hat in einem Zimmer, oder man teilt sich die Wohnung mit der
Großfamilie. Selbst in ländlichen Gebieten wohnen, schlafen und kochen drei bis vier Personen in einem Raum, und sehr viele können sich nicht einmal diesen "Luxus" leisten.
Kaltes Wasser ist mit 1,3 Lei ( 0,2 DM ~ in Rel. 6 DM) pro m³ teuer, warmes Wasser mit 10 Lei ( 1,6 DM ~ in Rel. 50 DM ) pro m³ für die meisten unerschwinglich.
Die Steuerbelastung ist für die niedrigen Einkommen ( weniger als 900 Lei) mit 10 % vergleichsweise gering, steigt dann aber progressiv. ( Über 900 Lei ( 150 DM) 28% und über
1500 Lei (250 DM ) 36% , so daß der "Durchschnittsverdiener" eher gering belastet wird.Von den gesamten Steuereinnahmen werden ca. 1% für das Gesundheitswesen, das hier noch rein staatlich ist, ausgegeben.
Entsprechend desolat sind die Zustände in den Krankenhäusern und Ambulatorien. Wer in diesem Land mit einigem medizinischen Sachverstand durch die Krankenhäuser geht, den befällt das "kalte Grausen". Die hygienischen Verhältnisses sind unbeschreiblich. In den Op´s
stehen batteriebetriebene Notleuchten, weil es abends keinen Strom mehr gibt. Als Bauchdrainagen benutzt man in Desinfektionslösung eingelegte Blasenkatheter, und statt eines Infusionsbesteckes ebenfalls
schon mehrfach benutzte und notdürftig gereinigte Latexschläuche. Als Verbandsmaterial dienen Leinenfetzen, und Einmalspritzen werden fast
regelmäßig in "Desinfektionslösung" eingelegt und wieder verwendet. Ich habe mir erlaubt einen solchen "Desinfektionsbehälter" – ein Emailletopf - zu öffnen. Die trübe Brühe, in der die
Spritzen und Schläuche lagen, glich mehr einer Nährlösung als einer Desinfektionslösung. Die Geräte sind zu mehr als zwei Drittel hoffnungslos veraltet. Zum
Großteil gibt es keine Ersatzteile mehr, weil die meisten Geräte aus russischer Produktion stammen, und die Firmen heute nicht mehr existieren. Also nicht nur , daß es an allem
Erdenklichen fehlt, das Wenige, was noch oder wieder vorhanden ist, steht meist ungenutzt in irgendeiner Ecke, weil eine Kleinigkeit fehlt, die aus o.g. Gründen, oder aus Geldmangel nicht beschafft werden kann.
Die Onkologie hat 10 aseptische und 10 septische Operationssäle. Alle sind in einem baulich desolaten Zustand und teilen sich zwei funktionstüchtige
Narkosegeräte. Allein in den drei Kliniken, die ich besichtigt habe, sah ich neben vielen anderen ungenutzten, weil defekten Geräten drei neuwertige Narkosegeräte, die teilweise seit mehr als einem Jahr "eingemottet" waren, weil ein kleines Teil
nicht beschafft oder eine notwendige Reparatur nicht bezahlt werden konnte. Alle waren von einer namhaften deutschen Firma , die die Geräte auf Kreditbasis geliefert hat, sich aber nun um notwendige Reparaturen
nicht kümmert. Ich habe die "kundenfreundliche" Verhaltensweise dieser Firma auch schon im eigenen Land erlebt und sage mir
deshalb schon lange: niemals wieder ein Gerät von S......!! Man stellt diese Geräte aus reinen Marketing-überlegungen zur Verfügung, obwohl man sehr genau weiß, daß die Raten nie
bezahlt werden können, um im Falle einer Erholung des Staates im Geschäft zu sein. Ein humanitäres Verantwortungsgefühl sucht man hier vergeblich. Die Krebsklinik von Chisinau, in der eines dieser Geräte steht, versorgt mit ihren 1000
Betten ein Einzugsgebiet von 1.000.000 Menschen, mit einem Personalbestand von ca. 1200, darunter 238 Ärzten. Jährlich werden hier etwa 16.000 Patienten stationär und 75.000 Patienten ambulant
betreut, wofür der Klinik ein Budget von 16 Mio. Lei ( 2,7 Mio. DM ) zur Verfügung stehen. Da bleiben für Medikamente gerade mal drei DM pro Patient, für dessen Ernährung 1 DM pro Patient und Tag,
und für Reparaturen oder gar Ersatzbeschaffung eben nichts übrig. Bei dringend benötigten Geräten oder Reparaturen und Renovierungen sind die Häuser gänzlich auf Sponsoren – häufig Verwandte von
zufriedenen Patienten - oder Hilfe von außen angewiesen. Wenn man bedenkt wie lächerlich die erforderlichen Summen zur Reparatur für einen Weltkonzern wie die o.e. Fa. wären, fällt es einem
schon schwer hinter einer solchen Firmenstrategie auch nur den Hauch von Menschlichkeit zu entdecken. Der Staat bezahlt für einen stationären Aufenthalt eines Patienten ca.
100 Lei ( 15 DM ) Da hiervon alle Kosten bestritten werden müssen, werden Behandlungen nur durchführbar, wenn sich der Patient privat
beteiligt. Häufig noch müssen sie ihr Essen und ihre Bettwäsche selbst mitbringen, für chirurgische Behandlungen müssen sie Nahtmaterial, erforderliche Spritzen und
Medikamente besorgen und zur Verfügung stellen. Die ambulante Behandlung müssen die Patienten gänzlich aus eigener Tasche finanzieren. Ganze Abteilungen liegen brach, wenn
weder das Krankenhaus noch die Patienten das Geld haben, benötigte Utensilien zu besorgen. In der Kardiochirurgie werden jährlich 7000 Patienten aufgenommen, die einer Operation
bedürfen. Viele Patienten liegen monatelang auf der Station, weil sie zu krank sind, um nach Hause zu können und zu arm, um sich z.B. die benötigte Herzklappe, das Nahtmaterial und
die Medikamente für die Nachbehandlung zu kaufen. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis, in dem die ohnehin knappen Mittel durch völlig unsinnige Verlängerung der
stationären Aufenthalte aufgezehrt werden. Wir haben auch bei diesem Transport wieder Herzklappen für die Kardiochirurgie gekauft, mußten uns dann aber erklären lassen, daß
diese erst dann eingebaut werden können, wenn durch eine weitere Spende die benötigten Oxygenatoren beschafft werden können. Wann dies sein würde, wußte natürlich niemand.
Vor dem Hintergrund solcher Verhältnisse ist es nicht verwunderlich, daß Reformbestrebungen im Gesundheitswesen auch in Moldavien im Gange sind. Man will ein ähnliches Krankenkassen System einführen wie bei uns.
Die ersten zaghaften Versuche – z.B. Privatisierung der Apotheken – haben aber zunächst zur Folge, daß auch das bisherige , sicherlich ungenügende System, ganz in die Knie geht,
und so herrscht momentan ein heilloses Chaos. Bei der bestehenden Finanzsituation wird es wohl noch lange dauern, bis eine tragbare Lösung in Sicht ist. Man kann nur schwerlich
Kassenbeiträge von Löhnen erheben, die nicht ausbezahlt werden und selbst wenn dies gelänge, müßte der Staat noch Jahre die Kassen stützen – man rechnet mit 70% für 10
Jahre – bis diese in der Lage wären, die erforderlichen Aufgaben zu erfüllen. Inzwischen geht das Wenige, was vorhanden ist, noch vollends zu Grunde, und der Nachholbedarf steigt von Jahr zu Jahr.
Sowohl in Rumänien als auch in Moldavien sind bisher alle Bestrebungen, ein funktionierendes Gesundheitssystem zu schaffen viel zu halbherzig und zu zögerlich
gewesen. Vielleicht deshalb, weil jeder Verantwortliche weiß oder wissen muß, daß eine durchgreifende Reform nur machbar ist, wenn zuvor oder zeitgleich auch das gesamte
Wirtschaftssystem reformiert wird. Dem stehen aber noch die zahlreichen staatlichen Betriebe und die damit eng verbundenen politischen Gremien, in denen sich die
Entscheidungen immer noch an dem Parteibuch und nicht an volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten orientieren, entgegen. Hinzu kommt eine unglaubliche Korruption, die
sich durch alle Bereiche erstreckt und weitgehend als selbstverständlich hingenommen wird. Sicherlich steht es uns, nach den Ereignissen im eigenen Land, nicht an, hier den
Finger allzu hoch zu erheben. Vielleicht ist eine offen zu Tage tretende Korruption sogar besser als eine heimliche. Doch wenn Bestechlichkeit gesellschaftsfähig wird, dann wird es
schwierig bis unmöglich, notwendige Erneuerungsprozesse in geordnete Bahnen zu lenken.
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