MOHAMED
„Und unter seinen Zeichen ist dies, dass er Ehepartner fuer euch aus euch selber erschuf, auf dass ihr Frieden bei ihnen faendet; und er hat Zuneigung und Barmherzigkeit zwischen euch gesetzt. ...“ (30:21)
An der Uni ging derweil der Alltag weiter.
Heide hatte mich noch an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal mit dem Kopftuch
zur Uni gegangen war, abends im Studentenwohnheim angerufen. Sie entschuldigte
sich, dass sie nicht gekommen war, und fragte gleich: „Und? Bist Du mit
Kopftuch gegangen? Erzaehl doch mal!“
Ich erzaehlte ihr, dass kaum etwas
gewesen sei. Sie war zufrieden. Und tatsaechlich kam sie noch in der gleichen
Woche selbst mit Kopftuch zum Arabischkurs. So waren wir schon zwei.
Schon nach kurzer Zeit wurde das Kopftuch
alltaeglich fuer mich. Das Studium rueckte wieder in den Vordergrund. Ich
lernte, lernte, lernte. Vor allem der Arabischkurs erwies sich als aeusserst
zeitaufwendig. Und leider war das Ergebnis eher enttaeuschend. Wenn wir
einmal gehofft hatten, bald Arabisch sprechen zu koennen, so mussten wir
einsehen, dass die akademische Ausbildung dazu viel zu theoretisch ist.
Interessanter waren die woechentlichen
Vorlesungen von Herrn Professor Falaturi, an denen ich weiterhin regelmaessig
teilnahm. Und mit der Zeit lernte ich nun doch noch die anderen muslimischen
Studenten kennen.
Den groessten Teil meiner Zeit verbrachte
ich jedoch nach wie vor mit Mohamed, meinem aegyptischen Nachbarn. In Mohamed
hatte ich jemanden gefunden, der regen Anteil an meinen Leben als Muslima
nahm. Wir verstanden uns ausgezeichnet. Tatsaechlich konnte ich mir schon
bald ein Leben ohne ihn kaum mehr vorstellen. Und ich wollte auch gar nicht
mehr ohne ihn sein. Ich hatte mich verliebt.
Das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit.
Denn irgendwann im Spaetsommer fragte mich Mohamed, ob ich ihn nicht heiraten
wolle.
Die Frage kam nicht ueberraschend fuer
mich. Es war abzusehen gewesen, dass unsere Freundschaft ueber kurz oder
lang auf eine Ehe hinauslaufen wuerde. Ein glaeubiger Muslim wird keine
Freundschaft, und sei sie auch noch so unschuldig, mit einer Frau
eingehen, ohne den Wunsch zu verspueren, diese Beziehung ueber kurz oder
lang vor Gott zu legalisieren. Auch ich bin Muslim. Und ich nahm den Antrag
an. Wir beschlossen, so bald wie moeglich zu heiraten.
Mohamed bestand allerdings darauf, vorher
bei meinem Vater offiziell um meine Hand anzuhalten. So fuhren wir gemeinsam
hinaus in die Kleinstadt. Es war ein gemuetlicher Nachmittag, aber irgendwie
ergab sich keine guenstige Gelegenheit, um das Thema Heirat anzuschneiden.
So assen wir Kuchen, plauderten ein bisschen und genossen die angenehme
Atmosphaere meines Elternhauses. Der eigentliche Grund dieses Besuchs kam
dann erst zur Sprache, als wir schon in der Hauseinfahrt standen, um uns
zu verabschieden. Dort bat Mohamed meinen Vater um seine Zustimmung zu
unserer Heirat: „Ich moechte Anja gerne heiraten. Ich bitte Sie um die
Hand Ihrer Tochter.“ Mein Vater war erstmal sprachlos. Dann meinte er:
“Da bist Du bei mir wohl an der falschen Adresse. Du musst Anja schon selbst
fragen.“
Langsam begriff er, dass diese Frage
weniger eine Frage war, als eine Tatsache. Eine Tatsache, die der ganzen
Geschichte eine fuer meine Familie recht ueberraschende Wendung gab. Meine
Eltern hatten von Mohamed gewusst und ihn auch einige Male vorher gesehen.
Eine Freundschaft mit einem Auslaender, nun gut. Meine Eltern sind tolerant.
Und Mohamed ist ein netter Kerl. Aber der Gedanke an Heirat veraenderte
die Sachlage gaenzlich. Eine Heirat ist etwas Verbindliches. Sie hat Konsequenzen.
Wahrscheinlich mehr, als viele jung Verliebte sich vorstellen koennen.
Meine Eltern hatten da dank ihrer eigenen gescheiterten Ehe Erfahrung.
Dass ich nun heiraten wollte, einen
Auslaender, einen Muslim, floesste meiner Familie Angst ein: „Ihr kennt
Euch doch noch kaum.“ - „Schliesslich seid ihr doch beide noch im Studium.“
- „Und Anja ist mit ihren einundzwanzig Jaahren auch noch recht jung.“ -
„Vielleicht solltet ihr vorerst einmal so zusammenziehen. Dazu muesst ihr
ja nicht direkt heiraten.“
Diese Reaktion meiner Familie wiederum
war fuer Mohamed recht erstaunlich. Er hatte die besten und serioesesten
Absichten, aber irgendwie war in Deutschland alles anders. Schon allein
die Vorstellung, mit mir zusammenzuziehen, ohne mit mir verheiratet zu
sein, verursachte ihm eine Gaensehaut. Vorehelicher Verkehr ist im Islam
absolut verboten. „Wie koennen deutsche Eltern ihre Toechter fuer so etwas
hergeben?“
Dass die deutschen Toechter nicht hergegeben
werden, sondern in der Regel alleine gehen, wollte ihm erst recht nicht
einleuchten.
Die Hauptsorge meiner Familie galt jedoch
den Kindern, die eventuell aus dieser Verbindung entstehen koennten: „Die
Kinder gehoeren doch nirgends richtig hin.“ - „Und wenn ihr Euch
einmal scheiden lasst, was wird dann aus den Kindern?“ Die Zeitungen sind
voll von Geschichten ueber unglueckliche Ehen und Vaeter, die ihre Kinder
mitnehmen ins Ausland.
Aber auch auf diesem Ohr waren wir
taub. Natuerlich wuenschten wir uns Kinder. Und es ist wohl zuviel verlangt
von einem verliebten Paar, darueber nachzudenken, was im Falle einer Scheidung
mit den zur Zeit noch gar nicht vorhandenen Kindern geschehen soll. Islamisch
hat die Mutter die Personensorge, mindestens bis zur Pubertaet der Kinder.
Der Vater zahlt. Besuchsrecht ist selbstverstaendlich. Das sagt der Islam.
Was gibt es dazu weiter zu sagen?
Auch Mohameds Familie in Aegypten reagierte
nicht gerade erfreut auf unsere Heiratsplaene. Dass der Sohn im Ausland
studiert, ist akzeptabel, aber muss er denn auch noch seine Frau aus Deutschland
mitbringen? Und wer garantiert, dass sie ueberhaupt jemals nach Aegypten
kommen wird? Wahrscheinlich wird sie mitsamt dem geliebten Sohn in Europa
bleiben wollen. Ueberhaupt haben Europaeerinnen in Aegypten nicht den besten
Ruf. Amerikanische und europaeische Filme und Serien praegen ein unvorteilhaftes
Bild. Die westliche Frau denkt nur an sich selbst. Sie liebt Geld und Abwechslung.
Ehebruch und Scheidung sind an der Tagesordnung. Zumindest flimmert es
so tagtaeglich ueber den Fernsehschirm.
Und auch Mohameds Eltern dachten an
die noch nicht vorhandenen Kinder: „Und wenn ihr Euch einmal scheiden lasst,
was wird dann aus den Kindern?“ Die Zeitungen sind voll von Geschichten
ueber unglueckliche Ehen und Muetter, die ihre Kinder mitnehmen ins Ausland.
Ein kleiner Trost: “Wenigstens hat
die Braut den Islam angenommen.“
Beide Familien fuegten sich jedoch in das Unvermeidliche. Und so begann die Hochzeitsplanung. Mohameds Eltern haetten die Feier gerne in Aegypten gehabt. Immerhin ist Mohamed nicht nur das aelteste von drei Kindern, sondern auch noch der einzige Sohn. Eine gemeinsame Aeyptenreise war jedoch erst fuer den naechsten Sommer geplant. Und so lange wollten Mohamed und ich nicht darauf warten, die Fruechte des Ehelebens zu kosten.
Nun ist es so, dass die Ehe im Islam
kein Sakrament ist, sondern ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen den Brautleuten,
der gemaess dem Koran und der Sunna, dem Vorbild des Propheten Muhammad,
vor zwei Zeugen geschlossen wird. Dieser Vertrag wird in Deutschland rechtlich
nicht anerkannt, was eine spaetere standesamtliche Heirat erforderlich
macht. Fuer uns war jedoch in erster Linie wichtig, vor Gott verheiratet
zu sein. Die offizielle Eheschliessung hatte noch Zeit.
Wir einigten uns darauf, in Deutschland
unsere Ehe vor Gott zu schliessen, aber offiziell erst im naechsten Sommer
in Aegypten zu heiraten. Und dort wollten wir auch richtig feiern.
Zuerst mal ging es nun also an die Vorbereitungen
fuer die islamische Eheschliessung. Um unserer Hochzeit einen feierlichen
Rahmen zu geben, beschlossen wir, uns in einer Moschee trauen zu lassen.
Das war aber erstmal nicht so wichtig. Wichtiger war, dass wir uns auf
einen Ehevertrag einigten.
Ich hatte keine Ahnung, was man da
so festlegt. So erkundigte ich mich bei muslimischen Bekannten und beim
Verein fuer Bikulturelle Partnerschaften, was denn so ueblich sei.
Ich fand heraus, dass das einzige Element,
das der Vertrag in jedem Falle enthalten muss, das Brautgeschenk ist. Das
ist ein Geschenk, das der Braeutigam der Braut anlaesslich der Hochzeit
macht. Das Geschenk verbleibt im privaten Besitz der Frau und dient vor
allem ihrer finanziellen Sicherheit. Dabei sollte sich der Wert des Brautgeschenkes
fairerweise nach den Vermoegensverhaeltnissen des Braeutigams richten.
Traditionell wird Gold geschenkt. Erstens
ist Gold wertbestaendig, und zweitens moegen die meisten Frauen Schmuck.
Aber auch jedes andere Geschenk ist zulaessig, so klein es auch sein mag,
sofern die Braut damit einverstanden ist.
Weiterhin wird gewoehnlich festgelegt,
was der Braut im Falle einer Scheidung zusteht. In der Regel handelt es
sich hierbei um eine Abfindungssumme bzw. um die Hoehe des Unterhalts.
Von der Festlegung einer hohen Abfindungssumme wurde mir beim Verein fuer
Bikulturelle Partnerschaften abgeraten. Es gaebe Faelle, wo sich die Ehepartner
trotz beiderseitigem Wunsch nicht scheiden lassen koennen, weil der Mann
die festgelegte Summe nicht aufbringen kann.
Das Recht der geschiedenen Frau auf
einen angemessenen Unterhalt ueberhaupt ist schon im Koran verankert (2:241).
Es muss also nicht explizit festgehalten werden. Ebenso ist die Guetertrennung
im islamischen Eherecht verankert. Der Mann ist verpflichtet, aus seinem
Vermoegen den ehelichen Haushalt zu bestreiten. Das gilt selbst dann, wenn
die Frau berufstaetig ist oder ueber erheblich mehr Vermoegen verfuegt
als der Mann. Die Frau allein bestimmt, wofuer sie ihr Geld ausgibt, und
sei es das zwanzigste Modellkleid.
Was bleibt also noch zu vereinbaren?
Das ist der Phantasie der Brautleute ueberlassen. Bekannte beispielsweise
legten fest, ob die Frau in der Ehe erwerbstaetig bleibt. Andere haben
notariell beglaubigen lassen, welche Art von Verhuetungsmitteln sie in
der Ehe benutzen wollen. Doch das ist eher selten.
Ich fand diese Dinge privat und sah
keinerlei Anlass fuer eine schriftliche Fixierung. Und ich fand auch, dass
wir, sollten wir spaeter nicht in der Lage sein, uns ueber solche Fragen
zu einigen, vielleicht besser gar nicht erst heiraten sollten.
Mohamed dachte wohl das gleiche.
Jedenfalls beschraenkten wir uns darauf,
das Brautgeschenk sowie eine Abfindungssumme fuer den - natuerlich aus
unserer Sicht unwahrscheinlichen - Fall der Scheidung zu vereinbaren.
Mohamed wollte nun von mir wissen,
was ich denn als Brautgeschenk haben wolle. Eigentlich wollte ich kein
grosses Geschenk haben. Wir waren beide damals Studenten. Und Mohamed wollte
natuerlich nach der Eheschliessung alleine die Kosten fuer unseren Haushalt
tragen. Ich fand, das reiche voll und ganz, denn auch er jobbte doch nur
in den Ferien, genau wie ich. Natuerlich verdiente er als maennlicher Student
bei seinen Jobs in deutschen Firmen etwas mehr als ich, aber so viel war
es nun auch wieder nicht.
So sagte ich: “Nichts, ich brauche
kein Geschenk.“
Das passte Mohamed nun ueberhaupt nicht.
Schliesslich sei das Brautgeschenk mein Recht und seine islamische Pflicht.
Und zu billig solle sich seine zukuenftige Frau nun auch wieder nicht machen.
So liess er nicht locker. Und irgendwann hatte ich genug von der Fragerei.
Ich sagte: “Dann schenk mir doch zehn Tafeln Kinderschokolade.“ Damit hatte
ich Ruhe.
Und schliesslich kam der Tag der Eheschliessung
heran. Die Trauung fand in einer arabischen Moschee statt. Das heisst,
eigentlich war es die Erdgeschosswohnung eines fuenfstoeckigen Hauses,
die von einem arabischen Verein als Moschee angemietet worden war. Diese
Wohnung hatte einen separaten Eingang, einen Vorraum, zwei weitere Raeume,
einen fuer die Maenner und einen fuer die Frauen, sowie zwei Baeder, wiederum
eins fuer die Maenner und eins fuer die Frauen. Die Raeume waren mit Teppichboden
ausgelegt. Ansonsten bestand die Einrichtung in einem gefuellten Buecherregal
im Maennerraum, einem Telefon im Vorraum sowie einigen Schultischen und
Stuehlen im Frauenraum, mit deren Hilfe die Raeume als Klassenzimmer umgeruestet
werden konnten. Am Wochenende bekamen hier die arabischen Kinder muttersprachlichen
Unterricht. Am Freitagmittag traf man sich zum woechentlichen Gebet, dem
Gumma-Gebet, und abends las man zusammen Koran. Die meiste Zeit war die
Moschee geschlossen. Fuer besondere Anlaesse jedoch, wie eine Hochzeit,
war der Imam gerne bereit, die Moschee aufzuschliessen. An diesem Dienstagnachmittag
war er extra unseretwegen gekommen.
Und wir liessen ihn warten. Wir kamen
tatsaechlich zu unserer eigenen Hochzeit zu spaet. Das lag daran, dass
wir mitten im Umzug waren. Zwei Tage vor der Trauung hatten uns muslimische
Bekannte eine kleine Kellerwohnung vermittelt. „Schliesslich wollt ihr
doch heiraten.“ Innerhalb dieser zwei Tage hatten wir Nachmieter fuer unsere
Wohnheimzimmer gefunden und unsere ganze Habe gepackt und in die Wohnung
am anderen Ende der Stadt gebracht. Bis mittags hatten wir noch Kartons
geschleppt.
Dann waren wir noch einkaufen gewesen.
Schliesslich soll eine islamische Hochzeit nach Moeglichkeit gefeiert werden.
Wenigstens ein bisschen. So hatten wir Obst, Suesswaren und Getraenke fuer
unsere Gaeste eingekauft.
Vor dem Termin hatten wir es dann gerade
noch geschafft, uns in unseren alten Wohnheimzimmern frisch zu machen und
umzuziehen. Mohamed erschien im Anzug, ich im langen Kleid, das Mohamed
mir von seiner letzten Aegyptenreise mitgebracht hatte. Natuerlich hochgeschlossen
und mit obligatorischem Kopftuch.
In der Moschee angekommen ging Mohamed
direkt durch zum Imam, um mit ihm die Einzelheiten der Trauzeremonie zu
besprechen. Ich ging in den Frauenraum, wo sich unsere weiblichen Gaeste
aufhielten. Tatsaechlich hatten wir kaum jemanden eingeladen. Alles war
etwas kurzfristig organisiert worden. Von meinen Bekannten waren nur vier
da: Heide natuerlich. Wir sahen uns in dieser Zeit haeufig, nicht zuletzt
auch wegen des gemeinsamen Studiums. Sie hatte an diesem Tage Hamida und
ihre Tochter Nina mitgebracht, an die ich mich noch von den Frauentreffen
erinnern konnte. Und Fatima-Elisabeth war da. Mit ihr hatte ich mich in
der Zwischenzeit angefreundet. Sie war gerade erst aus England zurueckgekehrt,
wo sie ihren Urlaub verbracht hatte. Mit Koffern und Taschen war sie direkt
vom Bahnhof aus in die Moschee gekommen.
Im Maennerraum hatten sich ausser dem
Imam und unseren zwei Zeugen - Freunde von Mohamed - noch ungefaehr zwanzig
arabische Studenten eingefunden, fast alle aus unserem Studentenwohnheim.
Ich kannte die meisten jedoch nichtmal mit Namen.
Und dann waren noch meine Mutter und
mein Bruder gekommen. Denn natuerlich hatte ich auch meiner Familie gesagt,
dass wir islamisch heiraten wuerden. Ich hatte erklaert, dass diese Heirat
keinerlei rechtliche Konsequenzen habe, also aus westlicher Sicht eher
einer Verlobung entspraeche. Mein Vater fand es deshalb nicht wichtig genug,
um eine gleichzeitig stattfindende Lehrerkonferenz abzusagen. Das hat er
mir spaeter sehr uebel genommen, als mein Bruder ihm erzaehlte, ich sei
ja jetzt verheiratet.
Als ich den Frauenraum betrat, fand
ich meine Mutter und Heide ins Gespraech vertieft. Es ging natuerlich um
das Kopftuch. Wie haette es auch anders sein koennen. Meine Mutter hatte
sich ein Kopftuch mitgebracht. Schliesslich befand sie sich zum ersten
Mal in ihrem Leben in einer Moschee. Heide fand es voellig ueberfluessig
fuer meine Mutter, ein Kopftuch umzubinden. Schliesslich sei sie ja keine
Muslima. Jeder wisse das, und eine Moschee sei ja nun tatsaechlich kein
heiliger oder geweihter Raum, sondern schlicht und einfach ein Versammlungsplatz.
Ich wurde freudig begruesst, und nun
warteten wir darauf, dass es endlich losging.
Auch der Imam war hocherfreut, dass
wir endlich da waren. Er wollte direkt beginnen. Maenner bitte in den Maennerraum,
Frauen in den Frauenraum.
Wie das denn geht, wenn die Braut doch
eine Frau ist? Sehr einfach: Sie bestimmt einen Vertreter, einen „Vormund“,
der in ihrem Namen an der Trauung partizipiert. Ausserdem gibt es ja in
der Moschee eine Lautsprecheranlage. So wuerden auch wir Frauen alles hoeren
koennen, was gesagt wird.
Heide-Khadidscha fand das Quatsch.
Sie meinte, wir koennten die Trauung genauso gut im Vorraum stattfinden
lassen. Sie hatte ihren Mann geheiratet, ohne einen Vertreter zu bestimmen.
Der Imam der Moschee war Aegypter.
Ein etwa vierzigjaehriger baertiger Mann, dem die Klassenkameraden seiner
Kinder den Spitznamen „Bud Spencer“ gegeben hatten. Er hatte Wirtschaftswissenschaften
studiert, aber aus seinem Hobby, der Theologie, einen Beruf gemacht. Wir
lernten ihn spaeter als engagierten, offen denkenden Menschen kennen. An
diesem Tage zeigte er sich jedoch ueberhaupt nicht einsichtig. Ein Vertreter
der Braut sei zwar im Islam nicht unbedingt erforderlich, aber in
Aegypten sei das so ueblich, und der Braeutigam sei doch schliesslich Aegypter.
Also haette das so schon seine Richtigkeit.
Ich war gelinde gesagt schockiert.
Sollte ich meine eigene Hochzeit nur ueber die Lautsprecheranlage mitbekommen?
Zu allem Ueberfluss war diese dann auch noch defekt. Im Frauenraum ertoente
nur ein lautes Rauschen.
Das erwies sich jedoch bald als Gluecksfall,
denn ausnahmsweise durften wir Frauen deshalb im Maennerraum an der Zeremonie
teilnehmen.
Auf den Vertreter wollte der Imam jedoch
trotzdem nicht verzichten. Mohamed gab irgendwann den Versuch auf, ihn
umzustimmen, und machte mir die Sachlage klar. Traditionellerweise werden
die Braeute bei der Hochzeitszeremonie von ihren Vaetern vertreten. Das
kam ja bei mir nun nicht in Frage. So bestimmte ich einen der arabischen
Studenten zu meinem Vertreter. Gamal war ebenso wie Mohamed Aegypter, ein
freundlicher, hilfsbereiter junger Mann. Wir hatten uns gegenseitig bei
unseren Pruefungsvorbereitungen geholfen, Arabisch und Deutsch. Gamal nahm
es als eine Ehre an, mich zu vertreten.
Die beiden, Mohamed und Gamal, nahmen
rechts und links vom Imam Platz. Wir Frauen sassen ganz hinten. Dann begann
der Imam seine Ansprache. Auf Arabisch! Keine von uns Frauen verstand auch
nur ansatzweise, worum es ueberhaupt ging. Er redete, und redete, und redete.
Spaeter erfuhr ich, dass er einfach die Chance genutzt hatte, eine Predigt
vor den Studenten zu halten. Das Thema war „gutes islamisches Benehmen“
und hatte mit der Hochzeit nicht das geringste zu tun.
Jedenfalls liess der arabische Redeschwall
meine Stimmung weiter sinken, die aufgrund der Hektik des Tages und der
Geschichte mit dem Vormund sowieso schon nicht mehr besonders gut war.
Als der Imam nach viel zu langer Zeit,
wie es mir erschien, endlich seine Ansprache beendet hatte, ging auf einmal
alles ganz schnell. Unsere Trauzeugen, ebenfalls zwei arabische Studenten,
wurden aufgerufen. Mohamed und Gamal fassten sich an den Haenden und der
Imam legte ein Tuch ueber ihre Haende. Dann sprach er - wiederum auf Arabisch
- die Trauformel: “Ich verheirate Euch gemmaess des Koran und der Sunna
des Propheten.“ Und das war es.
Ich nahm die Stimmen von Heide und
meiner Mutter hinter mir kaum noch war: “Das war alles?“ - „Wer hat denn
nun wen geheiratet?“
Ich selbst war zu fasziniert von dem
Bild, das sich mir bot. Alle Beteiligten und Gaeste waren aufgestanden,
um den Braeutigam zu beglueckwuenschen. Gamal als mein „Vertreter“ stand
Mohamed natuerlich am naechsten. So nahm er den Braeutigam in den Arm und
kuesste ihn herzlich - wie unter Muslimen ueblich - auf beide Wangen. Die
Assoziation mit der kirchlichen Heirat lag nahe: „Jetzt duerfen Sie die
Braut kuessen!“
In diesem Moment loeste sich die ganze
Anspannung der letzten Tage. Ich brach in lautes Gelaechter aus.
Was mir einige bitterboese Blicke einbrachte.
Die Braut hat in einem solchen Moment nicht zu lachen.
Bald war jedoch auch ich Mittelpunkt
der Gratulationen und Glueckwuensche. Die von uns mitgebrachten Knabbereien
und Getraenke wurden verteilt. Heide und Hamida ueberreichten uns einen
„Geschenkkorb“. Eigentlich war es eine Plastikwaschwanne. Heide erklaerte:
“Das ist doch viel praktischer fuer einen neuen Haushalt, als ein Korb.“
Aber der Inhalt konnte sich wirklich sehen lassen. Saefte vom Bauernhof,
Honig vom Imker, Obst aus dem Bioanbau und vieles mehr. Heides Faible fuer
Naturkost hatte allerdings auch fuer meine heissgeliebte Schokolade noch
Raum gelassen.
Und auch die Wanne erwies sich spaeter
als nuetzlich. Von Waesche ueber Unmengen gekochten Basmati-Reis fuer ein
Ramadan-Buffet bis hin zu Einzelteilen des Motors unseres Pkws haben wir
alles moegliche darin transportiert.
Elisabeth hatte mir als Hochzeitsgeschenk
aus England eine englische kommentierte Koranuebersetzung sowie ein Wandbild
mit einer islamischen Kalligraphie mitgebracht.
Einige der Studenten schenkten Geld.
Was wir auch dankbar annahmen.
Dann sassen wir noch eine Weile zusammen,
assen, tranken und erzaehlten. Unsere kleine Feier war kein rauschendes
Fest, aber sie erfuellte ihren Zweck. In der ruhigen freundlichen Atmosphaere
unterhielten sich selbst meine Mutter und mein Bruder, die anfaenglich
noch sehr still gewesen waren, ausgezeichnet mit unseren Freunden. Ein
guter Anfang fuer unsere Ehe.
Nun waren Mohamed und ich also ein
Ehepaar. Wir waren verheiratet gemaess des Koran und der Sunna des Propheten.
Als Brautgeschenk erhielt ich uebrigens eine goldene Halskette und zehn
Tafeln Kinderschokolade. Womit ich zufrieden war.
An diesem Tage bezogen wir unsere erste
gemeinsame Wohnung und begannen unser Eheleben.
Die standesamtliche Hochzeit folgte dann, wie geplant, im kommenden Sommer in Kairo. Diesmal hatte auch mein Vater es sich nicht nehmen lassen, an der Hochzeit teilzunehmen. Tatsaechlich waren meine Eltern, mein Bruder und die neue Partnerin meines Vaters zur Feier nach Aegypten gekommen.
Die Formalitaeten dagegen ueberliessen
sie Mohamed und mir. Und derer gab es viele. Damit eine aegyptische Eheschliessung
in Deutschland anerkannt wird, muessen diverse Bedingungen erfuellt werden.
Im Vorfeld muss der deutsche Partner sich vom Heimatstandesamt ein Ehefaehigkeitszeugnis
ausstellen lassen, das ihm bestaetigt, dass dieser Eheschliessung nichts
im Wege steht. Die aegyptische Heiratsurkunde muss dann von diversen aegyptischen
Ministerien sowie der deutschen Botschaft beglaubigt werden. Das hiess
Schlange stehen, quer durch Kairo fahren, um woanders wiederum Schlange
zu stehen in der bruetenden aegyptischen Sommerhitze. Fuer die notwendige
amtliche Uebersetzung stand dann nur ein einziger von der Botschaft anerkannter
Uebersetzer zur Verfuegung. Er uebersetzte „Physiker“ mit „Chemiker“ und
verschrieb sich beim Datum der Eheschliessung.
Zum Glueck sind Mohamed und ich in
diesem Jahr einen Monat in Aegypten geblieben. Die Buerokratie brauchte
tatsaechlich so lange.
Die Feier dagegen dauerte „nur“ etwa
eine Woche. 42 kg Mehl hatte meine Schwiegermutter mit Hilfe ihrer Schwestern
zu Hochzeitsplaetzchen verarbeitet. Da gab es weissgezuckerten „Kachk“
mit Honigfuellung, Urass, ein mit Dattelpaste gefuelltes Gebaeck, das in
Farbe und Form einer Art Miniatur-Sandduene gleicht, und Rurayibba, die
aegyptische Entsprechung der deutschen Heidesand-Weihnachtsplaetzchen.
Dazu gab es zwei Sorten Biskuit. Alles war schon vor unserer Ankunft fertig
und bereit zum Verzehr.
Tagtaeglich kamen nun Tanten und Kusinen,
sangen, tanzten und trommelten. 700 Einladungskarten hatte man drucken
lassen, die jetzt an 700 Familien verteilt wurden. Es war Juli. Hochsommer.
Cola und Limonade wurden kaestenweise herangeschleppt, gekuehlt und getrunken.
Mohamed und ich waren kaum jemals zu
Hause. Ausser den vielen Behoerdengaengen, nahmen uns auch Einkaeufe arg
in Anspruch. Aufregung verursachte vor allem mein Brautkleid. Da meine
Schwiegereltern auf einem weissen Kleid fuer die Feier bestanden hatten,
hatten wir meiner Schwiegermutter telefonisch meine Masse sowie eine Beschreibung
meines Wunschkleides mitgeteilt. Ein hochgeschlossenes bodenlanges Kleid
sollte es sein, nicht zu eng und nicht zu durchsichtig. Eben ganz islamisch.
Das ist in Aegypten nicht so selbstverstaendlich. Viele Braeute, auch Kopftuchtraegerinnen,
treten als Braut ganz im europaeischen Stil auf. Einmal ist keinmal. Und
schliesslich ist es doch ein ganz besonderer Tag. Die Braeute gehen zum
Friseur, legen Make-up auf und tragen schulterfreie Kleider.
Meine Schwiegermutter hatte jedoch
nach einigem Suchen ein fuer mich geeignetes Modell gefunden und es fuer
mich in Auftrag gegeben.
Leider war es bei meiner Ankunft in
Aegypten eine Woche vor dem Termin noch nicht fertig. Man vertroestete
uns im Geschaeft von einem Tag auf den anderen. Nun, zumindest Mohamed
wurde schon einmal eingekleidet: klassisch schwarzer Anzug mit bordeaux-roter
Fliege. Und seine Eltern bestellten fuer ihn einen Friseur ins Haus. Seine
schoenen Locken fielen zu Boden und wichen einem langweiligen, laut meinem
Schwiegervater ordentlicherem Kurzhaarschnitt. Am Dienstag dann, zwei Tage
vor der Hochzeit, als meine Schwiegermutter und ich wegen meines Kleides
schon kurz vor der Panik standen und drauf und dran waren, ein anderes
zu kaufen, war es endlich da. Ein Traum in weissem Satin, hochgeschlossen
und bodenlang, bestickt mit Perlen und Pailletten. Und es passte! Dazu
kreierte mir Mohameds Tante den passenden Kopfschmuck: ein weisses Kaeppchen
mit Tuellschleier, der von hinten elegant das weisse Kopftuch verdeckte,
dessen Zipfel im Ausschnitt des Kleides verschwanden.
Am Mittwochabend, dem Abend vor der
Hochzeit, fand jedoch erstmal der traditionelle Henna-Abend statt. Urspruenglich
wurden an diesem Vorabend der Hochzeit der Braut Haende und Fuesse mit
Henna-Zeichnungen geschmueckt, was beispielsweise in der Tuerkei oder in
Marokko vereinzelt heute noch gemacht wird. In Aegypten dagegen feiert
man eine Art Junggesellinnen-Party. Ein gesellschaftliches Ereignis nur
fuer Frauen!
Verwandte, Bekannte und Nachbarinnen
jeden Alters waren gekommen, um die Braut zu begutachten, zusammen zu singen
oder ihre Bauchtanzkuenste vorzufuehren. Mohameds Kusinen mit ihren Trommeln
und Tamburinnen waren an diesem Abend in Hoechstform. Und auch meine Mutter
und die Lebensgefaehrtin meines Vaters feierten mit, waehrend mein Vater
und Bruder derweil anderweitig unterhalten wurden.
Mitten im groessten Trubel hiess es
ploetzlich: Der Braeutigam kommt! Von einer Sekunde auf die andere herrschte
Totenstille im Raum. In Anwesenheit von Maennern schickt es sich nicht,
zu singen oder zu tanzen. Und dann kam Mohamed herein, um mir vor aller
Augen noch einmal offiziell meinen Brautschmuck anzulegen. Fotoapparate
blitzten, um dieses denkwuerdige Ereignis im Bild festzuhalten. Jeder wollte
einmal mit dem Brautpaar photographiert werden.
Mohamed war froh, als er endlich wieder
gehen konnte. Kaum war die Tuer hinter ihm zu, ging die Party weiter. Und
erst am spaeten Abend loeste sich die Gesellschaft langsam auf.
Der naechste Tag, der Donnerstag, war
dann der Hochzeitstag. Die meisten Hochzeiten in Aegypten finden donnerstags
statt. Denn der Freitag ist der islamische Feiertag, aehnlich unserem Sonntag.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten begannen
am Nachmittag mit einer Koranrezitation in der Moschee. Gratulanten aus
den knapp 700 eingeladenen Familien machten dort ihre Aufwartung. Der Braeutigam
schuettelte etwa eine Stunde lang Haende an der Tuer der Moschee. Mein
Vater uebrigens auch. Eine wahre Geduldsprobe an seinem zweiten Tag in Aegypten.
Ich war in dieser Zeit im Hause von
Mohameds verheirateter Schwester, um mich anzukleiden. Trotz Protestes
von seiten meiner Schwiegerfamilie verzichtete ich auf Make-up (unislamisch
in der Oeffentlichkeit), bestand aber darauf, meine Brille zu tragen. Schliesslich
wollte ich doch meine Hochzeitsfeier sehen!
Mohameds Tante bastelte noch eine Weile
an meinem Schleier herum und befestigte ihn schliesslich mit ein paar Stichen
am Huetchen. Als Mohamed kam, um die Braut zum Hause seiner Eltern zu fuehren,
war ich bereit. Wir fuhren in einem mit Geschenkbaendern geschmueckten
Mercedes, den ihm der Bruder seines Schwagers geliehen hatte, die kurze
Strecke bis zu seinem Elternhaus. Die Strasse vor dem Haus war in unserer
Abwesenheit zum Festplatz umfunktioniert worden. Man hatte bunte Stoffbahnen
aufgestellt, so dass sie einen offenen Raum bildeten. An der Stirnseite
standen zwei Stuehle auf hoelzernem Podest.
Davor erwartete uns ein Spalier von
30 Maennern, Trommler in traditioneller Tracht. Wie so oft bestand diese
folkloristische Gruppe aus Studenten, die sich so ihr Studium verdienen.
Nichtsdestotrotz boten sie uns eine grossartige Show. Folkloristische Taenze
und Gesaenge, traditionelle Hochzeitsriten mit viel geschwenktem Weihrauch
und einem Tuch, das ueber unsere Koepfe gelegt wurde. Dazu eine Stunde,
nein, zwei Stunden ohrenbetaeubender Laerm der Trommeln, deren Klang von
den Fronten der mehrstoeckigen Haeuser um ein vielfaches verstaerkt auf
die Strasse zurueckgeworfen wurde. Die Videokamera surrte. Bitte laecheln.
Und bitte zwei Schritte vor. Bitte die Blumenmaedchen ins Bild. Und bitte
nochmals laecheln. Kann nicht mal jemand die Nachbarskinder vor der Kamera
wegholen? Nun bitte drei Schritte vor. Und Menschen, Menschen, Menschen.
Meine Familie fluechtete, wie ich spaeter erfuhr, zwischenzeitlich aufs
Dach und erholte sich bei einem arabischen Mokka.
Und endlich erreichten wir das Podest
und nahmen auf den Stuehlen Platz. Die Gratulanten standen an, um uns zu
beglueckwuenschen. Spaeter erfuhr ich, dass praktisch der ganze Ort auf
Hochzeiten kurz vorbeischaut, um zu gratulieren. So kommt es zu der grossen
Zahl von Gratulanten. Und diesmal schuettelten wir beide Haende. Laechelnd.
Brautleute laecheln immer.
Und dann kam die Ueberraschung. Ploetzlich
draengte die Zeit. Die engsten Familienangehoerigen nahmen in drei Pkws
Platz. Und unter rhythmischem Hupen - tut-tut-tut - - tut-tut-tut - - tut-tut-tut
- ging es los in die Kairoer Innenstadt. DDort hielten wir dicht am Nil,
und vor uns lag die „Pharao des Nil“. Dieses zweistoeckige Schiff ist im
Stil der alt-aegyptischen Boote gebaut und beherbergt ein erstklassiges
Restaurant. Zusammen mit anderen Besuchern gingen wir an Bord. Dann legte
das Schiff ab, glitt in die Mitte des dunklen Stroms und begann, sich stromaufwaerts
durch das tintengleiche Wasser zu schieben. Langsam liessen wir die Lichter
des naechtlichen Kairos hinter uns. Am Ufer tauchten schemenhaft Palmen
auf. Das Zirpen der Insekten wurde nur dann und wann von einem Eselsschrei
unterbrochen. Das ganze Land schien zu schlafen, waehrend auf dem Schiff
die arabische Musik der Kapelle erklang.
Man bat uns als Brautpaar, das Buffet
zu eroeffnen. Was wir dann auch taten. Das Buffet war wirklich vom Feinsten.
Sehr zu meiner Freude fand sich zum Nachtisch sogar noch Mousse au Chocolat.
Dann betrat eine junge Dame in glitzerndem
Trikot das Deck und begann, ihre Hueften im Takt der arabischen Klaenge
zu wiegen. Die obligatorische Bauchtaenzerin. Welches arabische Restaurant
kommt schon ohne aus? Nach der orientalischen Tanzeinlage, waehrend der
der Braeutigam konsequent islamisch seine Blicke gen Fussboden wendete
- sehr zum Aerger der Taenzerin - wuurde die dreistoeckige Hochzeitstorte
hereingebracht. Und waehrend wir sie anschnitten, tauchten langsam an den
Ufern die Lichter Kairos wieder auf. Das Schiff hatte von uns unbemerkt
gewendet und die Fahrt ging ihrem Ende zu.
Kaum vom Schiff herunter, ging es per
PKW noch einmal quer durch Kairo. Tut-tut-tut - - tut-tut-tut - - tut-tut-tut.
Die vorbeifahrenden Wagen stimmen in das Hupkonzert ein. Jeder freut
sich fuer das Brautpaar. Diesmal fuhren wir hinauf auf die Klippe, den
Fels, der gegenueber der beruehmten Zitadelle des Mohamed Ali die Stadt
ueberragt. Zwei Uhr nachts lag uns die 15 Mio. Stadt zu Fuessen. Ein wahres
Lichtermeer.
Ausser uns hatten noch drei weitere
Brautpaare zu dieser Stunde den Weg heraus aus der laermenden Stadt gefunden
und sich auf diese majestaetische Hoehe gefluechtet. Ob auch sie hofften,
diese Nacht wuerde niemals zu Ende gehen?
Natuerlich ging unsere Nacht doch noch
irgendwann zu Ende. Die Wirklichkeit holte uns ein.
Am Freitag, dem islamischen Feiertag,
haben in Aegypten Behoerden, Banken und Fabriken geschlossen. So hatten
die Gratulanten reichlich Gelegenheit, nach einer fuer uns viel zu kurzen
Nachtruhe, sogleich ihre Aufwartung im Hause des neuen Paares zu machen.
Tatsaechlich kamen die ersten schon vormittags. Drei Tage lang hatten wir
praktisch staendig Gratulanten im Haus. Sie kamen, wuenschten uns alles
Gute, tranken Pepsi, assen von dem Gebaeck, das meine Schwiegermutter fuer
sie vorbereitet hatte, und gingen wieder. Jedoch nicht, ohne den obligatorischen
Umschlag zurueckzulassen. Hochzeitsgeschenke in bar, die direkt von meinen
Schwiegereltern in Empfang genommen wurden. Es wird genau Buch gefuehrt,
denn diese Zuwendungen muessen irgendwann zu aehnlichen Anlaessen „zurueckerstattet“
werden. Ein ausgekluegeltes System von Nehmen und Geben.
Drei Tage lang begruessten Mohamed
und ich Gaeste, laechelten freundlich und machten Konversation. Letzteres
fiel eher in Mohameds Ressort. Mein Arabisch liess noch keine groesseren
Unterhaltungen zu. So laechelte ich denn noch einmal drei Tage.
Dann hatten wir endlich Zeit fuer uns. Wir fuhren ein paar Tage ans Meer. Leider ging aber auch diese Reise viel zu schnell vorueber.
Wieder „zu Hause“ in Deutschland gaben
wir dem Draengen meiner Kusine nach und richteten zusammen mit meinen Eltern
auch fuer meine Familie noch einmal eine Feier aus. Doch schon die Planung
erwies sich als schwieriger, als ich erwartet hatte. Dass diese Feier in
der Hauptsache ein Abendessen sein sollte, war klar. So ist es in meiner
Familie ueblich. Doch Mohamed und ich hatten uns eigentlich gedacht, uns
zu Liebe koenne man einmal auf Alkohol verzichten. Schliesslich war es
ja unsere Hochzeit, die gefeiert werden sollte.
Diese Idee loeste Protest aus. Meine
Oma fand, eine Feier ohne ein Glaeschen Wein sei keine Feier. Auch mein
Vater war der Meinung, man muesse sich nach den Gaesten richten, und nicht
nach dem Brautpaar. „Womit sollen wir denn auf das Brautpaar anstossen?“
Wir liessen uns nicht umstimmen. Um einen Familieneklat zu vermeiden, machte
es uns mein Vater zur Auflage, das „alkoholfrei“ bitte schon auf die Einladungskarten
zu drucken. Was wir dann auch taten. Wir luden zur „alkoholfreien“ Nachfeier
unserer Hochzeit ein.
Das zweite Problem war der Ort, an
dem die Feier stattfinden sollte. Von der Menge der Gaeste her, etwa dreissig
Personen, kam eine Privatwohnung nicht mehr in Frage. Ein Festsaal in einem
Restaurant waere der Gelegenheit angemessen gewesen. Aber mit der Theke
direkt nebenan? Wieviel haetten unsere Gaeste wohl auf das „alkoholfrei“
gegeben?
Meine Mutter hatte die rettende Idee.
Wir mieteten den Saal der evangelischen Kirchengemeinde am Ort. Das Buffet
fuellten wir mit Hilfe meiner Mutter selbst mit westlichen und orientalischen
Spezialitaeten. An Getraenken gab es Saefte, Limonaden, Cola, Mineralwasser
und alkoholfreie Bowlen. Und natuerlich Tee und Kaffee zum Kuchen, den
es in meiner Familie traditionell noch einmal als Mitternachtsbuffet gibt.
Alles in allem hat es schliesslich
allen gut gefallen. Nur ein Onkel merkte an, die Feier sei doch etwas „trocken“
gewesen.
Nun waren wir also auch offiziell verheiratet.
Fuer uns hatte der Ehealltag jedoch schon mit unserer ersten Hochzeit in
der Moschee begonnen, als wir unsere Ehe vor Gott geschlossen haben. An
jenem Tag hatten wir unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen und spaeter
liessen wir dieses Datum, den 3. Oktober 1989, in unsere Eheringe eingravieren,
die wir nach guter alter europaeischer Tradition tragen.
Netterweise erklaerte die Bundesregierung
den 3. Oktober im folgenden Jahr zum Feiertag. Natuerlich hatte das eine
mit dem anderen nichts zu tun, aber es war trotzdem angenehm, am Hochzeitstag
frei zu haben.
Als Deutsche, die mit einem Muslim verheiratet
ist, rueckte ich an jenem Tage fuer meine Mitmenschen in eine voellig neue
Kategorie von Frau. Jeder meint zu wissen, dass das Leben einer muslimischen
Ehefrau bestimmt wird von ihrem Mann. Denn im Islam bestimmt der Mann.
Man wunderte sich nicht mehr ueber das Kopftuch, das ich trage, sondern
ueber die Tatsache, dass ich weiterhin studieren „durfte“, in den Ferien
jobbte und auch sonst recht wenig unterdrueckt „erschien“.
Ueberall schlug mir Mitleid entgegen.
„Da hat sie sich einfangen lassen von dem suedlaendischen Charme eines
Arabers. Und nun ist das dicke Ende nachgekommen.“
„Mussten Sie denn bei der Heirat die
Religion ihres Mannes annehmen?“ werde ich immer wieder mitfuehlend gefragt.
„Zwingt ihr Mann Sie jetzt dazu, ein Kopftuch zu tragen?“ Einmal fragte
mich sogar eine Verkaeuferin im Supermarkt: „Schlaegt ihr Mann Sie eigentlich?“
Und ich erzaehle immer wieder geduldig:
“Nein, mein Mann schlaegt mich nicht, und er zwingt mich auch nicht, ein
Kopftuch zu tragen. Ich war schon vor meiner Heirat Muslima.“
Tatsaechlich habe ich mit der Heirat
gar nichts von Mohamed uebernommen. Selbst meinen Namen habe ich behalten.
Wir tragen keinen gemeinsamen Familiennamen. Das, was es in Deutschland
auch seit einigen Jahren gibt, ist im Islam seit langem eine Selbstverstaendlichkeit.
Jeder Partner hat das Recht auf seinen eigenen Namen.
Und auch meine Staatsbuergerschaft
habe ich behalten. Ich besitze immer noch nur die deutsche Nationalitaet.
Selbst die dritte Welt verschenkt ihre Paesse nicht.
„Sie waren schon vor der Heirat Muslima?
Aber sicher kannten Sie ihren jetzigen Mann doch schon?“
Das ist richtig. Ich kannte Mohamed
nicht nur, ich mochte ihn auch. Und sicher habe ich vieles, was ich vom
Islam weiss, von ihm gelernt. Trotzdem war er nicht der Grund fuer meine
Entscheidung, Muslim zu werden. Glauben Sie mir, kein Mann ist es wert,
seinetwegen den Islam anzunehmen. Selbst Mohamed nicht. Dazu hat die Annahme
des Islam zu viele Konsequenzen. Und nicht nur fuer das eigene Leben. Denken
Sie nur an die Kinder. Meine Eltern denken unentwegt an meine Kinder und
fragen sich, wie deren Zukunft wohl aussehen wird.
Ich bin Muslima geworden, weil ich
von der Wahrheit der islamischen Lehre ueberzeugt bin. Und Mohamed habe
ich mir deshalb als Ehepartner ausgesucht, weil er diese Ueberzeugung mit
mir teilt. Falls irgend etwas in unserer Ehe schiefgehen sollte, wuerde
ich in jedem Fall wieder einen Muslim wollen.
Das, was Mohamed fuer mich attraktiv
macht, ist auch sein Glaube. Mohamed ohne den Islam waere nicht die gleiche
Person. Ein Muslim glaubt, dass Gott einen jeden Menschen fuer seine Taten
zur Rechenschaft ziehen wird. Dieses Bewusstsein formt in starkem Masse
die Persoenlichkeit. Es schult Verantwortungsbewusstsein, aber auch Geduld
und Nachsicht mit den Mitmenschen. Gott ist letztendlich der Richter, und
Barmherzigkeit, die wir erhoffen, sollten wir auch ueben.
So ist ein Muslim, der sich nach seiner
Religion richtet, fuer eine Frau in jeder Beziehung ein idealer Partner.
Von was traeumen Frauen denn? Von Sicherheit? Von einem Mann, der Verantwortung
uebernimmt, wo es noetig ist? Kein Trinker, kein Spieler, kein Frauenheld?
Von einem Mann, fuer den es wichtigere Dinge gibt im Leben als ihn selbst?
Ein Mann, der Gefuehle nicht nur hat, sondern sich auch nicht schaemt,
sie zu zeigen?
Lesen Sie Koran und Sunna !
Alkohol, Drogen und Gluecksspiel sind
fuer einen Muslim ohnehin tabu. Und dass er seine Blicke zu Boden werfen
und seine Keuschheit waren soll, wissen wir auch.
Gefuehle zu zeigen ist fuer einen muslimischen
Mann selbstverstaendlich. Muslime bitten Gott in einem viel gesprochenen
Gebet um ein weiches Herz, eine lobende Zunge und ein traenendes Auge.
Maenner weinen selbst in der Oeffentlichkeit. Sei es nun aus Trauer oder
aus Ruehrung. Es kommt auch vor, dass Vorbeter waehrend eines Gemeinschaftsgebetes
im Bewusstsein von Gottes Naehe in Traenen ausbrechen.
Und auch Zaertlichkeit ist ganz natuerlich.
Der Prophet Muhammad kuesste einmal seinen Enkelsohn Hassan im Beisein
von al-Aqra’ Ibn Habis at-Tamimi. „Al-Aqra’ sagte: ’Ich habe zehn Kinder,
aber niemals habe ich eines von ihnen gekuesst.’ Der Gesandte Gottes schaute
ihn an und sagte: ’Wer anderen gegenueber nicht liebevoll und wohlwollend
ist, dem wird auch keine Liebe und kein Wohlwollen entgegengebracht.“ (SAHIH AL-BUHARI:426)
Was Verantwortung betrifft, so traegt
der Mann vor Gott die Verantwortung fuer seine Frau und seine Familie.
“Die Maenner sind die Verantwortlichen fuer die Frauen, weil Gott den einen
von ihnen mit mehr Vorzuegen ausgestattet hat, als die anderen und weil
sie von ihrem Vermoegen hingeben.“ (4:34)
„...Und es obliegt dem, dem das
Kind geboren wurde, fuer ihre Nahrung und Kleidung auf angemessene Weise
Sorge zu tragen....“ (2:233)
„Der Mann beschuetzt seine Familie,
fuer sie tritt er ein.“ (SAHIH AL-BUHARI:350)
Das heisst aber nicht, dass die Frau
jeder Verantwortung enthoben ist. „Ein jeder traegt Sorge, ein jeder ist
verantwortlich! ... Die Frau passt auf das Haus ihres Gatten auf ....“ (SAHIH AL-BUHARI:350) Mit „Haus“ ist hier nicht das Gebaeude gemeint, sondern die haeuslichen
und familiaeren Angelegenheiten schlechthin.
Entscheidungen sollten von den Eheleuten
gemeinsam getroffen werden, nachdem sie sich - wie im Islam allgemein ueblich
- miteinander beraten haben. Als Beispiel nennt der Koran das Stillen der
gemeinsamen Kinder: „Und die Muetter sollen ihre Kinder zwei volle Jahre
stillen. (Das gilt) fuer die, die das Stillen vollenden wollen. ... Und
wenn sie beide in gegenseitigem Einvernehmen und nach Beratung (das Kind
vorzeitig) entwoehnen wollen, dann ist es kein Vergehen fuer sie. Und wenn
ihr eure Kinder stillen lassen wollt, so ist es kein Vergehen fuer euch,
sofern ihr das, was ihr (als Lohn fuer das Stillen) vereinbart habt, in
angemessener Weise bezahlt. Und fuerchtet Gott und wisset, dass Gott wohl
sieht, was ihr tut.“ (2:233)
Gott sieht, was wir tun. Gott sieht
auch, wie wir mit der Verantwortung umgehen, die er uns uebertragen hat.
So werden die Maenner vielfach ermahnt: „Wer an Gott und den Tag des Gerichts
glaubt, fuegt seinem Naechsten keinen Schaden zu. Und behandelt die Frauen
fuersorglich und liebevoll!“ (SAHIH AL-BUHARI:349)
„... und diejenigen sind die besten
unter euch, die am besten zu ihren Frauen sind.“
„... und lebt mit ihnen in guetlicher
ehelicher Gemeinschaft. Und wenn sie euch widerwaertig sind, so mag es
sein, dass euch etwas widerwaertig ist, in das Gott viel Gutes legt.“ (4:19)
Partnerschaft hat hier nichts mit Perfektion
des Partners zu tun, sondern mit Verantwortung, Achtung und Zuneigung.
Mann und Frau sind fuereinander wie ein „Gewand“ (2:187). Dieses Bild des
Koran deutet eine enge, ja koerperliche Beziehung an, aber auch das Bedecken
der Bloesse des Partners vor den Blicken der Oeffentlichkeit.
„Er ist es, der euch aus einem einzigen
Wesen erschaffen hat und aus ihm seinen Ehepartner machte, um bei ihm Geborgenheit
zu finden. ...“ (7:189)
Ich wuerde immer wieder einen Muslim
heiraten wollen. Und damit stehe ich nicht alleine da.
Natuerlich verlaeuft nicht jede Ehe
mit einem Muslim gluecklich. Glaubt man den Zeitungen, so sind eher schlechte
Erfahrungen der Regelfall. Andererseits, was gaebe es auch von guten Ehen
schon auflagesteigerndes zu berichten?
Aber auch in meinem Bekanntenkreis
gibt es schlechte Beispiele. Diese Ehen scheitern jedoch nicht am Islam,
sondern am Kulturkonflikt.
Sie halten Islam und Kultur fuer ein
und dasselbe? Ganz so einfach ist es nicht.
Denken Sie nur einmal an meine drei
Hochzeitsfeiern: In der kleinen Moschee der deutschen Grossstadt, im grossen
Stil in Aegypten, als Abendessen in den Raeumen einer evangelischen Kirchengemeinde.
Unterschiedlicher koennten sie kaum gewesen sein. Und doch waren alle drei
Feiern „islamisch“ im Sinne von in Uebereinstimmung mit den Ge- und
Verboten des Islam - sieht man mal von der Anwesenheit der Bauchtaenzerin
im schwimmenden Restaurant ab. Und da haben Sie es bereits. Das einzig
klassisch-orientalische Element ist klassisch-unislamisch.
Das Geruecht, Islam und Orient seien
untrennbar, ist schon geographisch nicht haltbar. Der Staat, in dem zahlenmaessig
die meisten Muslime wohnen, ist Indonesien. Dort bekennen sich fast 170
Millionen Menschen zum Islam. In Saudi Arabien dagegen sind es nur gut
14 Millionen. Auf der anderen Seite werden die Malediven als eines der
ganz wenigen Laender der Welt statistisch als rein muslimisches Land gefuehrt.
Oder denken Sie an Mauretanien, Tunesien,
Syrien, den Jemen, an die Tuerkei, Pakistan, den Iran, aber auch an Gambia,
Niger oder die Komoren. Alle diese Staaten haben einen muslimischen Bevoelkerungsanteil
von mehr als 90 %.
Glauben Sie wirklich, dass in all diesen
Staaten die gleiche Kultur gelebt wird? Glauben Sie, dass ein Muslim, der
in China aufgewachsen ist, den gleichen kulturellen Hintergrund hat, wie
ein Muslim aus Nigeria? Oder ein Muslim von den Fidschi-Inseln in der gleichen
Kultur gross-geworden ist, wie Ihre tuerkische Friseuse?
Islam ist nicht Kultur. Islam ist Religion!
Wir Deutschen neigen zur Genauigkeit. Also muessen wir auch hier genau
hinsehen.
Besonders im Verhaeltnis der Geschlechter
zueinander schlagen haeufig alte regionale Strukturen durch. Der Frau werden
die elementarsten Rechte abgesprochen. Und mit dem Islam hat das dann gar
nichts mehr zu tun.
Wenn Sie beispielsweise hoeren, Frauen
gehoerten ins Haus und haetten im Geschaeftsleben nichts zu suchen, so
ist das islamisch gesehen einfach falsch!
Die Frau verfuegt, wie wir bereits
wissen, ueber ihr privates Vermoegen und kann damit natuerlich geschaeftlich
taetig werden.
Khadija beispielsweise, die erste Frau
des Propheten Muhammad, war sehr wohlhabend. Der Prophet war urspruenglich
einer ihrer Angestellten, der sich um Ihre Handelskarawanen kuemmerte.
Eine andere Frau des Propheten Muhammad,
Zeinab Bint Dschahsch, verdiente Geld mit Handarbeiten, Gerberei, Spinnerei
und Weberei. Ihre Einnahmen teilte sie in drei Teile, einen Teil spendete
sie an Arme, einen Teil behielt sie fuers Haus, und den letzten Teil verwendete
sie, um Rohwolle und andere Arbeitsmaterialien zu kaufen.
In der Regierungszeit Omar Ibn Al-Khattabs
setzte er auf dem Markt von Medina eine Frau als Schiedsrichterin fuer
Handelsstreitereien ein.
Frauen waren immer schon in Forschung
und Lehre taetig und waren hierbei nie auf bestimmte wissenschaftliche
Bereiche beschraenkt. Aischa, ebenfalls eine Frau des Propheten, war unter
anderem fuer ihre Kenntnisse in der Astronomie bekannt. Aber auch in religionsrechtlichen
Fragen war sie noch lange nach dem Tode des Propheten eine Autoritaet.
Warum sollte eine islamische Gesellschaft
auf die Faehigkeiten der Frauen, und damit der Haelfte der Menschheit,
verzichten?
Ganz abgesehen davon tragen muslimische
Frauen koerperbedeckende Bekleidung, gerade um sich frei in der Gesellschaft
bewegen zu koennen, und nicht, um staendig im Hause zu bleiben.
Wer dann die Hausarbeit macht? Vom
Propheten Muhammad, der als Vorbild fuer alle Muslime gilt, wird berichtet,
dass er seinen Frauen bei der Hausarbeit half, wenn er die Zeit dazu hatte.
Auch die vielverbreitete Sitte, dass
ein Maedchen zu warten habe, bis ein Braeutigam kommt und um ihre Hand
anhaelt, ist islamisch nicht belegbar. Ganz im Gegenteil. Schon in der
Mosesgeschichte war seine zukuenftige Frau diejenige, welcher Moses zuerst
positiv aufgefallen war. Der Heiratsantrag wurde Moses von ihrem Vater
unterbreitet. Und auch Khadidscha, die erste Frau des Propheten Muhammad,
unterbreitete ihrem damaligen Angestellten den Vorschlag zur Ehe.
Eine Frau kann sich ihren Braeutigam
ausgucken und den Vorschlag zur Heirat
unterbreiten. Das wird in vielen Hadithen
bestaetigt.
Die kulturelle Tradition ist jedoch
im Bewusstsein der Muslime vielerorts staerker geworden, als das Vorbild
des Propheten. Man kuemmert sich weniger um die islamische Lehre als um
das Gerede der Nachbarn. Haeufig wird nichtmals mehr versucht, kultureles
Verhalten islamisch zu rechtfertigen.
Ein libanesischer Mann aus unserem
Bekanntenkreis beispielsweise befahl seiner westlichen Frau: ”Es reicht
nicht, dass Du Muslima bist. Du musst “Libanesin” werden.” Auf der anderen
Seite machen es manche Frauen solchen Maennern aber aucvh leicht. Sie bringen
ihre christliche Erziehung in Form der Naechstenliebe bis hin zur Selbstaufgabe
in ihre Ehe ein, und lassen sich bereitwillig von ihren Maennern ausnutzen,
finanziell ebenso wie emotional. Dabei vergessen sie ganz die Rechte, die
ihnen der Islam einraeumt.
Die Ehe unseres libanesischen Bekannten
dagegen wurde mittlerweile geschieden. Die Frau hat wieder geheiratet.
Ihr zweiter Mann ist ebenfalls Muslim. Aber diesmal bitte etwas religioeser!
Womit die meisten westlichen Frauen
nicht umgehen koennen, ist der maennliche Chauvinismus des Mittelmeerraumes,
aus dem viele der in Deutschland lebenden Muslime urspruenglich stammen.
Patriarchalisch autoritaere Familienstrukturen herrschen an allen Kuesten
des Mittelmeeres vor, auch auf der europaeischen Seite. Denken Sie beispielsweise
an Sizilien oder an Griechenland. Die Familie ist dort alles. Ihr wird
jede Persoenlichkeit untergeordnet. Dabei ist der Mann ganz klar der Herr
im Haus. Er ist daran gewoehnt, dass weibliche Familienmitglieder ihm Respekt
zollen, gehorchen und ihn im Hause gebuehrend bedienen. Abgesehen vielleicht
von der Mutter, die eine Sonderstellung innehat. Diese Strukturen schlagen
sich bei Maennern in Star-Allueren nieder, die fuer deutsche Frauen unertraeglich
sind.
Aber auch viele deutsche Frauen sind
von zu Hause aus verwoehnt. Jahrelang ist ihnen alles von der Mama abgenommen
worden. Die Selbstverwirklichung der Mutter ist an der Realitaet des Familienlebens
gescheitert. Diese bittere Erfahrung soll die geliebte Tochter nicht machen
muessen. Fuer deren Karriere ist die Mutter beispielsweise gerne bereit,
als kostenguenstiger Babysitter fuer die Enkelkinder einzuspringen. Wenn
denn Familie ueberhaupt noch Platz in der Lebensplanung der Tochter hat.
Haushalt ist nicht mehr „in“. Kinder kosten Zeit und Geld. Und mit Babys
kann man keine Fernreisen machen.
Seien wir mal ehrlich, die Kompromissbereitschaft
ist auf keiner Seite besonders gross. Hier prallen tatsaechlich zwei gegensaetzliche
Kulturen aufeinander, die in ihrer Unterschiedlichkeit kaum vereinbar sind.
Und daran aendert sich auch nichts,
wenn beide Ehepartner dem Islam angehoeren. Denn selbst der Islam bietet
nur einen Rahmen, innerhalb dessen man sich bewegt. Nicht jeder Bereich
des Zusammenlebens ist festgelegt. Zwischen erlaubt und verboten, zwischen
erwuenscht und unerwuenscht, gibt es eine grosse Kategorie von Dingen,
die in religioeser Hinsicht einfach egal sind. Ob die Frau den Haushalt
fuehrt oder berufstaetig ist. Ob die Familie in Deutschland lebt, oder
lieber im Heimatland des Mannes. Oder auch nur ob die Wohnungseinrichtung
in rustikaler Eiche gehalten wird, oder lieber in modernerem Edelstahl.
Keine Ehe ist ohne ein Mindestmass an Konsens und Kompromissbereitschaft
denkbar.
Ehe wird im Koran folgendermassen beschrieben:
„Und unter seinen Zeichen ist dies,
dass er Ehepartner fuer euch aus euch selber erschuf, auf dass ihr Frieden
bei ihnen faendet; und er hat Zuneigung und Barmherzigkeit zwischen euch
gesetzt ...“ (30:21)
Wo dieser Friede fehlt, wo die Zuneigung
und die Barmherzigkeit fehlen, da kann keine Ehe existieren. Und fuer solche
Faelle erlaubt der Islam - anders als die katholische Kirche - die Scheidung.
Entgegen anderslautender Aussagen ist
die Scheidung nicht nur auf Wunsch des Mannes, sondern auch auf Wunsch
der Frau moeglich. Viel zitiertes Beispiel dafuer ist die Geschichte von
Habiba bint Sahl, die sich zur Zeit des Propheten Muhammad von ihrem Mann
Thabit Ibn Qais scheiden liess. Sie sagte: „O Gesandter Gottes, ich kann
Thabit nichts hinsichtlich seines Charakters oder seines Glaubens vorwerfen,
aber ich fuerchte, gegen die Gesetze des Islam zu verstossen, wenn ich
weiterhin seine Frau bleibe.“ (SAHIH AL-BUHARI:369) Gegen Rueckgabe des Brautgeschenks,
das sie von Thabit erhalten hatte, wurde sie von ihm geschieden.
Eine Scheidung ist im Islam recht unkompliziert.
Und doch ist die Scheidung von allen erlaubten Dingen das, was Gott am
meisten hasst. So sollte keine Scheidung leichtfertig ausgesprochen werden,
ebenso wie auch keine Ehe leichtfertig eingegangen werden sollte.
Mohamed und ich sind unsere Ehe nicht
leichtfertig eingegangen. Wir sind uns der Schwierigkeiten einer bikulturellen
Ehe sehr wohl bewusst. Grundlage ist fuer uns beide der Islam, das heisst
der Koran und die Sunna des Propheten. Kultur dagegen steht zur Diskussion.
Das betrifft sowohl die aegyptische als auch die deutsche Kultur.
Wir verstehen unsere Ehe als eine Chance,
voneinander zu lernen. Wir versuchen, das Gute beider Kulturen miteinander
zu verbinden. Bikulturelle Ehen koennten auf lange Sicht eine Bruecke schlagen
zwischen den Kulturen und so den zerstoererischen Tendenzen des Rassismus
in der Gesellschaft entgegenwirken. Schon im Koran steht: „Oh ihr Menschen,
wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Voelkern und Staemmen
gemacht, auf dass ihr einander kennen lernen moeget. ...“ (49:13)
Trotz erlebter Hoehen und Tiefen. Wir
beide wuerden uns jederzeit wieder fuereinander entscheiden.