DER ISLAM
„Zu diesem (Glauben) also rufe (sie) auf. Und bleibe aufrichtig, wie dir befohlen wurde, und folge ihren persoenlichen Neigungen nicht, sondern sprich: „Ich glaube an das Buch, was immer es sei, das Gott herabgesandt hat, ...“ (42:15)
Mit unserer Heirat war Mohamed herzlich
in meine Familie aufgenommen worden. Und auch Mohamed betrachtete meine
Familie nun als seine Familie. Entsprechend dem islamischen Grundsatz:
„Und Wir haben dem Menschen aufgetragen, guetig gegen seine Eltern zu sein....“
(29:8) fuehrte er einen Umgangston in unserer Familie ein, der an Hoeflichkeit
alles bisher Dagewesene uebertraf. Schon bald berief sich mein Vater mir
gegenueber auf Mohamed: “Hoer auf deinen Mann. Du musst deinen Vater respektieren.“
Und ebenso berief sich meine Oma auf Mohamed. Diesmal gegenueber meinem
Vater: “Hoer auf deinen Schwiegersohn und respektiere deine Mutter.“
Anfangs war Mohamed meinen Eltern fast
zu freundlich. „Er sagt nie, was er wirklich denkt“, beschwerte sich mein
Vater. Aber schon bald gehoerte Mohamed ganz zur Familie. Alle freuten
sich, wenn wir zu Besuch kamen. Dafuer nahmen sie sogar die Umstellungen
in Kauf, die unsere Religion erforderte. Wenn auch nicht gerade begeistert.
„Dass ihr es auch immer so genau nehmen muesst!“ Aber es wurde fuer uns
„islamisch“ gekocht. Da wir kein Fleisch essen, das nicht geschaechtet
wurde, also nach islamischem Ritus geschlachtet, gab es fuer uns Fisch
oder vegetarisches Essen. Die Speisen wurden ohne „Schuss“ zubereitet,
da wir ja auch keinen Alkohol zu uns nehmen. Meine Mutter schaffte Alu-Besteck
an, denn Muslime essen nicht mit Silberbestecken. Meine Oma jonglierte
auf Geburtstagsfeiern mit schweine-haltigen, und schweine-losen Sossen
und Gerichten und silber-haltigen und silber-losen Bestecken und Schoepfkellen.
„Das ist euer Platz mit euerm Besteck, und hier ist euer Essen. In dem
Salat ist Wurst, von allem anderen koennt ihr nehmen.“ Sie haben sich wirklich
viel Muehe gegeben. Sogar der Hund wurde angeleint, denn Hundespeichel
gilt im Islam als unrein.
Und selbst die Sache mit dem Kopftuch
haben sie geschluckt. Auch wenn sie es wohl alle etwas albern fanden, dass
ich vor „meiner“ Familie, das heisst Opa, Vater, Bruder, direkte Onkel,
ohne Kopftuch erscheine, aber vor den Ehemaennern meiner Kusinen fluechte,
um schnell meine Haare zu bedecken. Islamisch betrachtet gehoeren sie nicht
zu meiner direkten Familie. Die kleine Tochter meiner Kusine bat mich einmal:
“Zeig mir doch bitte deine Haare!“ So gingen wir in eines der Schlafzimmer,
und ich zog mein Kopftuch aus. Eine Weile lang betrachtete sie mich. Dann
sagte sie: “Die sind aber nicht schoen!“ Nun ja, wie sollen Haare wohl
schon aussehen, nachdem sie den ganzen Abend unter einem Tuch plattgedrueckt
worden sind. Aber zumindest hatte sie gesehen, dass ich noch Haare habe.
Was es leicht macht fuer mich ist das
Wissen, auf diese Art Gott zu dienen. Und ich bin dankbar dafuer, dass
meine Familie das so hinnimmt. Die Kunst des Zusammenlebens besteht wohl
darin, sich nicht zum Richter ueber andere aufzuspielen.
Einzig meine Oma sorgte sich weiterhin
um unser Seelenheil. Sie begann, das Uebel Islam, das ueber mich gekommen
war, an der Wurzel zu packen. Die Wurzel, das war fuer sie Mohamed, mein
Mann. „Mohamed, hoer mal! Wir Christen glauben ja, dass Jesus Christus
unser Erloeser ist. Wie ist das denn nun eigentlich im Islam?“ Denn schliesslich
hatte er mir doch beigebracht, was Islam ist. Und ich gab nur das wieder,
was ich von ihm gehoert hatte. „Ihr habt doch bei euch auch Christen. Hast
du denn schon einmal die Bibel gelesen?“ Sehr zu meinem Aerger war auch
sie davon ueberzeugt, dass meine Entscheidung fuer den Islam doch nicht
so ganz unabhaengig von meinem Interesse fuer Mohamed gewesen sei.
Mohamed hatte schon einmal die Bibel
gelesen. Und so begannen die beiden, Islam und Christentum zu diskutieren.
Bald stellte sich heraus, dass Mohamed ihre Ansichten ueber Moral und adaequates
Verhalten eher teilte, als der „unglaeubige“ Rest der Familie. „Ich lasse
doch kein unverheiratetes Paerchen unter unserem Dach in einem Zimmer uebernachten.
Und wenn sie zwanzigmal die Freunde von meinem Enkel sind und das zu Hause
auch duerfen. Wo sind wir denn!“ Glaube verbindet. Spaeter einmal sprach
sie mit Mohamed ueber den Tod und das Gottvertrauen, das es braucht, ihm
angstfrei entgegenzusehen. Und bis heute versichert sie uns immer wieder:
“Ich bete fuer Euch, Kinder.“ Ich finde das lieb.
Die Toleranz meiner Familie vermisste
ich dagegen in der Gesellschaft sehr. Der Islam und seine Anhaenger sind
nicht gerade beliebt in Deutschland. Mein Mann und ich beschlossen, etwas
gegen dieses Negativ-Image zu tun. Meine Mutter kommentierte: “Da haben
sich die Richtigen gefunden. Zwei Idealisten, die glauben, die Welt veraendern
zu koennen.“
Tatsaechlich glaubte ich damals noch,
wenn die Muslime nur offen genug auf die deutsche Gesellschaft zugingen,
wuerden sich die Deutschen schon irgendwann an sie gewoehnen. Schliesslich
haben sie sich doch auch an italienische Pizzas und tuerkisches Pidebrot
gewoehnt. Wenn sie nur erstmal verstehen wuerden, was der Islam eigentlich ist ...
Tatsaechlich interessieren sich - aehnlich wie meine Oma - vor allem
Kirchenleute fuer die islamischen „Kollegen“ bzw. die islamische „Konkurrenz“. Deren Praesenz ist besonders in Grossstaedten
ueberdeutlich spuerbar. Einige kirchliche Jugendtreffs werden zu fast 90%
von muslimischen Jugendlichen genutzt. Die Mitarbeiter sind damit voellig
ueberfordert. Und die Finanztraeger sehen nicht ein, die Freizeitgestaltung
fuer die Jugend der Moscheegemeinden zu zahlen. So wird der Kontakt zu den islamischen
Gemeinden gesucht. Kirchenleute besuchen Moscheen und bieten immer wieder
Seminare zu islamischen Themen an, zu denen auch Muslime eingeladen werden.
In erster Linie geht es darum, Beruehrungsaengste abzubauen, die andere
Seite besser kennenzulernen und Ansprechpartner zu finden, auf die man
im Bedarfsfall zurueckgreifen kann. Die evangelische Kirche hat sogar einen
Pastor als hauptamtlichen Islamreferenten eingestellt.
Mohamed und ich begannen, an kirchlichen
Dialogveranstaltungen teilzunehmen. Wenn wir nicht ueber unseren Glauben
sprechen, wer tut es dann? Wir erzaehlten von Gott, den Propheten
und dem Koran. Von der Schoepfung des Menschen aus Erde. Besteht nicht
der Mensch aus den gleichen chemischen Substanzen wie die Erde? Und zerfaellt
nicht deshalb unser Koerper einmal wieder zu Erde? Und spiegeln sich nicht
die Erdtoene in unseren Hautfarben wieder? Wir erzaehlten von unserem Glauben
an Engel, von Gott aus Licht erschaffene Geschoepfe, die ihm dienen. (Ob
sie wohl mit Lichtgeschwindigkeit reisen?) Und von unserem Glauben an den Juengsten
Tag, an dem wir alle Gott gegenueberstehen werden. Aber wir erzaehlten auch von unserem
Alltag, den taeglichen Gebeten, dem Fasten im Monat Ramadan und den Problemen
in der deutschen Gesellschaft.
Gegenseitiges Kennenlernen baut Vorurteile
ab und schafft Sympathien. Ein aelterer Herr sagte uns, nachdem Mohamed
und ich in seiner Baptistengemeinde einen Vortrag ueber den Islam gehalten
hatten: “Ich bete fuer Sie, dass Gott Sie auf den rechten Weg fuehren moege!“
Er meinte es gut. Ebenso gut wie Mohamed, der ihm freundlich antwortete:
“Und ich bete fuer Sie, dass Gott Sie auf den rechten Weg fuehren moege.“
Wir haben nie versucht, die Grenzen
zwischen den Religionen zu verwischen. Bei allen Gemeinsamkeiten wird es
doch immer Unterschiede geben. Schliesslich leiten sich unsere Religionen
aus Offenbarungstexten ab, die sich nicht wegdiskutieren lassen.
Das sollte einer Zusammenarbeit jedoch
nicht im Wege stehen, wenn es um gesellschaftliche Fragen geht. In diesem
Sinne werden immer haeufiger gemeinsame Friedensgebete oder aehnliche Veranstaltungen
organisiert.
Vor allem wird aber von beiden Seiten
immer wieder Aufklaerungsarbeit geleistet, um das Zusammenleben zu erleichtern.
So besuchen beispielsweise Schulklassen Moscheen oder laden islamische
Gaeste ein. Ich habe einmal an einem Projekt mitgearbeitet, wo Schulklassen
in 1 ½ Stunden die Grundlagen des Islam beigebracht wurden.
Kinder sind ein dankbares Publikum.
Sie sind noch wenig vorbelastet von den gaengigen Vorurteilen. So fragen
sie: “Wie bringen denn die Muslime die vielen Pilger in Mekka unter?“ oder
„Wenn man Fussball spielt, muss man sich danach erneut zum Gebet reinigen?“
Jugendliche fragen da schon anders:
“Was halten Sie von Khomeini?“ oder „Was sagen Sie zur Frage der Menschenrechte
im Islam?“ Tatsaechlich beschraenken sich die in den Diskussionen angesprochenen
Themen mit zunehmendem Alter der Teilnehmer auf gaengige Medienthemen.
Und was die Medien interessiert, wissen wir ja! Je sensationeller, je fremder,
je provokativer, desto besser fuer die Einschaltquote und den Sender. Da
werden Tatsachen verdreht, verzerrt oder weggelassen. Eine Gewerkschaftsdemonstration
in Algerien wird als Bildbeweis fuer die Begeisterung der Algerier fuer
Saddam Husseins Golfkrieg eingeblendet. Es kann ja keiner die arabischen
Transparente lesen. Ein muslimisches Ehepaar, das sich an einem parkenden
Auto vorbeizwaengt, wird mit den Worten kommentiert: “Die muslimische Frau
muss hinter dem Manne gehen.“ Im Schulfernsehen schwappt der „Bazillus“
Islam vom Sudan nach Aegypten ueber. Und der SPIEGEL (44, 1990) titelt einen Artikel
ueber Tuerkinnen in der BRD „Knueppel im Kreuz; Kind im Bauch.“
Es gibt jedoch auch loebliche Ausnahmen. Vor allem das Radio bemueht sich haeufig um objektive Berichterstattung und Orginalstimmen. Man laesst Muslime zu Wort kommen, wenn es um den Islam geht. Der WDR hat sogar einmal - in Zusammenarbeit mit Herrn Professor Falaturi - ein dreiteiliges Programm mit Koranlesungen gesendet.
Einmal wurde ich in die Talkshow bei
Ilona Christen eingeladen. Das Thema „Frauen und Islam“ war fuer das Team
selbst aufregend und interessant. Das war nicht zu uebersehen. Schon in
der Garderobe durchbrachen wir Muslime die taegliche Routine. Wie verkabelt
man Frauen mit Kopftuch? Kann ein Techniker ihnen die Kabel unter der Bluse
befestigen? Wohl kaum. So gab dann der Techniker nur die Anweisungen, waehrend
eine andere Mitarbeiterin die Arbeit erledigte. „Ein bisschen hoeher. Ein
bisschen nach rechts. Dann nimm halt mehr Klebeband, wenn es nicht haelt.“
Und wie knipst man ein Mikrofon am Kopftuch fest, ohne dass staendig der
Stoff darueber rauscht? Aber auch dieses Problem wurde nach etlichen Versuchen
geloest. Na, zumindest die Maske konnte sich nicht beklagen. Make up wurde
an diesem Tage gespart. Muslimische Frauen schminken sich nicht in der
Oeffentlichkeit.
Und dann konnte es losgehen. Frau Christen
war sehr freundlich. Wenn sie auch am Anfang etwas Schwierigkeiten hatte,
uns auseinander zu halten: “Sie sehen alle so gleich aus.“
Ausser mir waren noch vier weitere
Frauen eingeladen: eine syrische Frauenaerztin und drei Tuerkinnen: eine
Boutiquebesitzerin, eine Jurastudentin und eine Abiturientin, wobei die
beiden letzteren ohne Kopftuch auftraten.
Frau Christen und ihrer Redaktion ging
es hauptsaechlich darum, aufzuzeigen, dass auch glaeubige muslimische Frauen
selbstaendig sein koennen, wenn sie sich von kulturellem Ballast befreien.
So drehte sich das Gespraech mit der Aerztin und der Boutique-besitzerin
um berufliche Chancen fuer muslimische Frauen. Die Jura-Studentin dagegen
berichtete von ihren Erfahrungen in ihrem traditionellen Elternhaus. Sie
hatte die „muslimischen“ Traditionen in ihrer Familie als unterdrueckend
und frauenfeindlich empfunden. Frau Ilona Christen bemuehte sich redlich,
den Unterschied zwischen den persoenlichen Erlebnissen dieser Frau und
den islamischen Vorschriften herauszuarbeiten. Islamisch darf beispielsweise
eine Frau nicht gegen ihren Willen verheiratet werden. Die Eltern dieser
Studentin hatten es trotzdem versucht. Einmal hatten sie einen von ihnen
bevorzugten Heiratskandidaten eingeladen. Aber die angehende Juristin war
ihn gut wieder losgeworden: “Dann habe ich ihm Salz statt Zucker in den
Tee getan.“
Der vierte Gast, die Abiturientin, wurde dagegen sehr frei erzogen. Der
Islam spielte in ihrem Leben keine grosse Rolle.
Und ich wurde
gefragt: “Wie
kommt man als Deutsche zum Islam?“
Natuerlich reicht die Redezeit in diesen
Talkshows nichtmals ansatzweise aus, um ein Thema wie den Islam umfassend
zu eroertern. Was haengen bleibt ist mehr der Grundtenor der Diskussion.
Und der war - fuer mein Empfinden - recht positiv.
Ein anderes Mal drehte ein Journalistenteam
fuer das WDR-Fernsehen einen Bericht ueber Mohamed und mich, der spaeter
in der Sendereihe „Gott und die Welt“ ausgestrahlt wurde. Nachdem wir den
Medien immer kritisch gegenuebergestanden hatten, hatten wir nun ploetzlich
die Chance, es besser zu machen. Die Journalisten sahen das ebenso. Wir
verbrachten Stunden mit Diskussionen und Planungen.
Gezeigt werden sollte ausnahmsweise
mal der Alltag. So wurde in unserer Wohnung gefilmt. Mohamed und ich wurden
zu unseren persoenlichen Ansichten zum Islam und unserer Lebensgeschichte
interviewt. Im Bericht wurde dieser Teil mit einem Ausschnitt des Videobandes
unserer Hochzeitsfeier in Aegypten unterlegt. Wir stehen im ohrenbetaeubenden
Laerm der Trommeln auf der Strasse vor dem Hause meiner Schwiegereltern,
umringt von unseren Gaesten.
Dann wurde aufgenommen, wie wir Freunde
bewirteten. Sogar die Schuhe vor der Tuer wurden im Bild festgehalten.
Auch das Fernsehteam hatte die Schuhe abgelegt. Und allen hat es gut geschmeckt,
was Mohamed da so gekocht hatte. Er kocht tatsaechlich bis heute besser
als ich. Die Tatsche, dass er als Mann das Essen zubereitet hatte, wurde
sogar im Bericht erwaehnt. “Schon der Prophet Muhammad hat seinen Frauen
im Haushalt geholfen.”
Und dann wurde an der Uni gedreht.
Zuerst sollte mein taeglicher Weg filmisch dargestellt werden. Nun hatte
ich mich aber schon an der Uni mit dem Team getroffen. Was also tun? Das
Team baute die Kamera an der Strassenbahn-Haltestelle auf, wartete auf
die naechste einfahrende Bahn und erklaerte dem Fahrer, er moege doch bitte
die Tueren hinter mir schliessen und dann noch einmal oeffnen, so dass
ich beim Aussteigen gefilmt werden koenne. „Hier wird gedreht!“ Die Leute
blieben auf der Strasse stehen, um sich das anzusehen. Ich fuehlte mich
wie ein Filmstar.
Dieses Gefuehl verschwand jedoch gleich
wieder, als mich im Arabischkurs unser Lehrer vor laufender Kamera nach
den nagelneuen Vokabeln fragte, die ich natuerlich in all der Aufregung
noch nicht gelernt hatte.
In der Moschee schliesslich sagten
Sabine und ich noch ein paar Saetze zu unseren Erfahrungen in der deutschen
Gesellschaft.
Eigentlich war alles sehr gut gelaufen.
Aber als dann der Sendetermin kam, sassen Mohamed und ich doch recht angespannt
vor dem Fernseher. Wir wussten noch nicht, was von dem vielen aufgenommenen
Material fuer den Bericht verwendet worden war. Denn der sollte nur
gut fuenf Minuten lang werden. Und auf den Schnitt und die Bildkommentare
hat man ja leider keinen Einfluss mehr.
Und doch war es dank der guten Zusammenarbeit
mit den Journalisten ein schoener Beitrag geworden. Ruhiger, alltaeglicher
und ehrlicher als so mancher Sensationsbericht. Selbst Jahre nach der Ausstrahlung
wurde ich noch vereinzelt von Fremden angesprochen, die das Programm gesehen
hatten und mich wiedererkannten.
Auf jeden Fall war dieser Bericht eine
willkommene Abwechslung zu den ueblichen Programmen, die immer wieder bei
den gleichen Vorurteilen enden: Rueckstaendigkeit, Frauenfeindlichkeit,
Gewalt und Krieg. Und immer wieder fallen die gleichen Namen: Khomeini,
Saddam Hussein, der Sudan.
Glauben Sie nicht, ich sei naiv und
wuerde die Realitaeten der Welt nicht sehen. Muslim zu sein, bedeutet nicht,
seine Kritikfaehigkeit zu verlieren. Auch ich heisse nicht alles gut, was
im Namen des Islam auf der Welt geschieht.
Wir alle wissen, wieviel Korruption
und Terror es in den „islamischen“ Laendern gibt.
Aber wurden nicht auch im Namen des
Christentums jahrhundertelang Menschen verfolgt, gefoltert und hingerichtet?
Wurden nicht reiche Beutezuege unternommen, Menschen versklavt und unterdrueckt?
Denken Sie an die Kreuzzuege, an die Kollonisatoren, an die Inquisition.
Oder an die Kaempfe in Nordirland,
korrupte „christliche“ Politiker oder „christliche“ Kriegsherren.
Sind Sie Christ, lieber Leser? Wie
koennen Sie Sich noch Christ nennen und damit diese Verhaltensweisen unterstuetzen?
Eine dumme Frage. Sie haben recht.
Wir alle wissen, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Nicht
alles, was mit dem Etikett „christlich“ versehen wird, ist auch tatsaechlich
christlich motiviert, ganz zu schweigen von der Vereinbarkeit mit der christlichen
Lehre.
Warum aber werden tuerkische Kinder
an deutschen Schulen nach der tuerkischen Kurdenpolitik gefragt? Oder nach
Saddam Husseins Krieg? Was haben diese Kinder damit zu tun?
Was habe ich damit zu tun? Muss ich
die Akteure rechtfertigen, nur weil sie das gleiche Bekenntnis auf den
Lippen fuehren, wie ich?
Nicht alles, was mit dem Etikett „islamisch“
versehen wird, ist auch tatsaechlich islamisch motiviert. Ganz zu schweigen
von der Vereinbarkeit mit der islamischen Lehre.
Sehen Sie bitte genau hin. Es ist zwar
sehr schmeichelhaft fuer uns, dass Sie alle Muslime fuer selbstlose, fromme
Menschen halten, deren einziges Handlungsmotiv der Islam ist. Das entspricht
aber nicht der Realitaet. Auch Muslime sind Menschen. Und etliche von ihnen
betrachten den Islam als angeborene Eigenschaft, vergleichbar der Nationalitaet.
Fragen Sie tuerkische Teenager nach ihrer Religion. Viele werden Ihnen
antworten: “In meinem Pass steht Muslim.“ Darin schwingt schon mit, dass
die Religion ausser dem Eintrag im Pass kaum Spuren im Leben hinterlaesst.
Es gibt „muslimische“ Kommunisten,
Sozialisten, Nationalisten, Saekularisten. Ja, es gibt sogar „muslimische“
Atheisten. Zumindest steht auch in deren Pass „Muslim“.
Ein „islamischer“ Staat ist auch nichts
weiter, als ein Staat mit ueberwiegend muslimischer Bevoelkerung. Schieben
Sie die Ungerechtigkeiten, die in einigen dieser Staaten geschehen, nicht
dem Islam in die Schuhe. In der Regel geht es einzig und allein um politische
Machtinteressen. Unterdrueckt und im Keim erstickt wird dort jede Opposition,
die an den Privilegien der regierenden Schicht ruettelt. Das betrifft auch
muslimische Oppositionelle.
Natuerlich gibt es ueberall auch solche
Muslime, die sich wuenschen, ihr Staat wuerde „islamisch“ regiert, also
entsprechend dem Koran und der Sunna des Propheten Muhammad.
Die Logik, die hinter diesem Wunsch
steht, erklaert mein Mann folgendermassen: “Wenn Sie einen Mercedes haetten,
und der ginge kaputt, was wuerden Sie fuer die Reparatur zu Rate ziehen?
Das Handbuch fuer diesen Mercedes oder lieber ein Handbuch von Ford oder
Opel?
Natuerlich wuerden Sie das Handbuch
des Herstellers waehlen. Schliesslich kennt der sein Produkt am Besten.
Wenn man nun die Welt verbessern will,
so ziehe man ebenfalls das Handbuch des Herstellers zu Rate. Gott hat die
Welt erschaffen. Und er hat uns im Koran die Anleitung geliefert, wie wir
mit ihr umzugehen haben.“
Meine Mutter beklagt sich ueber diese
Weltsicht: “Dass die Muslime immer Religion und Politik vermischen muessen
....“
Wir vermischen Religion und Politik
nicht. Religion kommt von Gott, aber Politik wird von Menschen gemacht.
Islam ist Religion. Islam ist die Hingabe
an den einen Gott. Er hat uns erschaffen, und zu ihm kehren wir zurueck.
Ich glaube an alle Propheten, die Gott in seiner Barmherzigkeit gesandt
hat, um die Menschheit immer und immer wieder rechtzuleiten: Adam, Noah,
Abraham, Moses, Jesus und Muhammad, um nur einige zu nennen. Ich glaube
an die Schriften, die ihnen offenbart wurden.
Und ich glaube auch, dass sich Religion
im taeglichen Leben bemerkbar machen sollte. Wir leben, um Gott zu dienen
(51:56). Unter Gottesdienst versteht ein Muslim dabei nicht nur Beten,
Fasten, Spenden und Pilgern, sondern auch Lernen, Arbeiten, Freundlichsein.
“Die Taten sind entsprechend den Absichten, und jedem Menschen (gebuehrt),
was er beabsichtigt hat...“ (AL-NAWAWI: Nr.1) Wer Gutes tut, wird im Diesseits und
im Jenseits belohnt.
Ich glaube an die Verantwortung, die
jeder einzelne Mensch traegt, fuer sich selbst und in der Gesellschaft,
sei er nun Theologe, Bauer, Kaufmann oder auch Politiker. Religioes und
politisch engagiert zu sein, schliesst sich nicht aus. Ganz im Gegenteil.
Es ergaenzt sich. Denn ein Mensch, der sich seiner religioesen Verantwortung
vor Gott und den Menschen bewusst ist, kann sich auch seiner politischen
Verantwortung in der Gesellschaft nicht entziehen. Sei es nun als Waehler
oder als politisch Aktiver. Oder auch nur, indem er schweigt und anderen
die Entscheidungen ueberlaesst.
Wir vermischen nicht Religion und Politik.
Wir sind einfach nur realistisch.
Jeder Politiker und jeder Waehler hat
eine Grundhaltung, sei sie nun religioes oder auch nicht, die sich natuerlich
in seinen politischen Vorstellungen widerspiegelt und seine Handlungen
beeinflusst. Das ist auch im Westen kein Geheimnis. Denken Sie doch nur
an christlich motivierte politische Arbeit, etwa im Bereich des Asylrechts
oder in der Debatte ueber Schwangerschaftsabbrueche.
Ebenso moechten auch glaeubige Muslime
ihren Glauben in die Politik einbringen. Der Koran und die Sunna des Propheten
bieten - aehnlich dem Alten Testament - praezisere Richtlinien an, als
das im Neuen Testament der Fall ist. Und wo ein Muslim keine Richtlinien
findet, da sucht er nach Praezedenzfaellen, bildet Analogieschluesse und
gebraucht seinen Verstand. Diese Vorgehensweise geht auf folgendes Hadith
zurueck:
Ein Mann namens Mu’adh wurde als Gouverneur
in den Jemen entsandt. Der Prophet fragte ihn, wonach er seine Herrschaft
richten wolle. Er antwortete: „Nach dem Gesetz des Koran.“ „Und wenn du
dort keine Regeln findest?“ fragte der Prophet. „Dann urteile ich nach
der Sunna des Propheten.“ „Und wenn du auch in der Sunna nichts findest?“
„Dann werde ich mich um ein eigenes Urteil bemuehen“, antwortete Mu’adh.
Da erhob der Prophet seine Haende und
rief: „Preis sei Gott, der den Boten des Propheten erleuchtet.“
In diesem Sinne ist eine islamische
Politik durchaus denkbar. Und auch eine islamische Regierung ist denkbar.
Wo die Muslime in der Mehrheit sind, warum sollten sie nicht regieren?
Was dann aus den Minderheiten werden
soll unter einer regierenden islamischen Mehrheit?
Welche Minderheiten meinen Sie? Mit
Rassismus hat der Islam zum Glueck keine Probleme. Muhammad, der Prophet
Gottes, vertrat eine zur damaligen Zeit in der arabischen Gesellschaft
revolutionaere Ansicht: alle Menschen sind gleichwertig vor Gott. Im Koran
steht: „Oh ihr Menschen, wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und
euch zu Voelkern und Staemmen gemacht, auf dass ihr einander kennen lernen
moeget. Wahrlich, vor Gott ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfuerchtigste
ist. Wahrlich, Gott ist Allwissend, Allkundig.“ (49:13)
Nicht Rasse, Abstammung, Herkunft,
Vermoegen, Staerke oder das Geschlecht sind entscheidend. Der Beste vor
Gott ist der Froemmste.
So war es moeglich, einen Schwarzafrikaner
und ehemaligen Sklaven zum ersten Gebetsrufer zu machen oder eine Frau
zum Schiedsrichter auf dem Markt oder zum Lehrer der Religion.
Der Prophet Muhammad sagte: „Hoert
auf euern Befehlshaber und gehorcht ihm, auch wenn es ein abessinischer
Sklave sein sollte, der wie eine vertrocknete Weintraube aussieht!“ (SAHIH AL-BUHARI:473)
Was fuer ein Potential steckt in dieser
Haltung! Jeder, gleich wer er ist, bringt seine Faehigkeiten zum Wohle
aller ein.
Was ist aber nun mit den religioesen
Minderheiten? Mit den Nichtmuslimen?
Ein islamischer Staat ist ein Rechtsstaat.
Der Prophet Muhammad hat gesagt: „Einem Befehl darf nur Folge geleistet
werden, wenn er im Einklang mit Recht und Gesetz steht.“ (SAHIH AL-BUHARI:474)
Religioese Minderheiten sind als solche
geschuetzt. Der Koran garantiert ihnen respektvollen Umgang, eine beschraenkte
Rechtsautonomie und ansonsten Gleichheit vor dem Gesetz.
Was die Zahlung der islamischen Pflichtabgabe,
der Zakat betrifft, die jeder Muslim, ob Mann oder Frau, ab einem gewissen
Mindestvermoegen leisten muss, so sind nichtmuslimische Buerger eines islamischen
Staates natuerlich davon befreit. Ebenso wie sie auch vom Wehrdienst befreit
sind. Sie koennen der Armee beitreten, muessen jedoch nicht. Die hier zugrunde
liegende Ueberlegung ist sehr einfach. Die islamische Armee verteidigt
definitionsgemaess die Ideale des islamischen Staates. Von Andersglaeubigen
kann nicht erwartet werden, fuer diese Ideale mit ihrem Leben einzutreten.
Dagegen haben selbstverstaendlich alle
Buerger des islamischen Staates, auch die Nichtmuslime, ein Recht auf Schutz
durch eben diese Armee. Ebenso wie sie auch ein Recht auf andere staatliche
Leistungen haben, wie Infrastruktur, Bildungssystem und im Bedarfsfall
auch Sozialhilfe.
Als Ausgleich fuer diese Leistungen
zahlen maennliche wehrfaehige Maenner, die sich dafuer entscheiden, keinen
Wehrdienst zu leisten, eine Ersatzabgabe an den Staat, sofern sie dazu
finanziell in der Lage sind. Die Hoehe dieser Abgabe wird - wie die islamische
Pflichtabgabe - nach den Vermoegensverhaeltnissen des Einzelnen gestaffelt,
bleibt aber unter dem Zakat-Satz.
Beruflich haben Andersglaeubige die gleichen Chancen, wie Muslime auch. Christen bekleiden sogar Ministerposten in muslimischen Staaten. Nur Staatsoberhaupt koennen sie nicht werden. Was ja auch kein Wunder ist. Schliesslich repraesentiert das Staatsoberhaupt das Volk. Deshalb ist in Argentinien beispielsweise nur ein Angehoeriger der Katholischen Kirche als Praesident oder Vizepraesident waehlbar, und auch Koenige duerfen ihre Religion nicht frei waehlen. Der Koenig von Schweden hat evangelisch zu sein, der Koenig von Griechenland Mitglied der Oestlich Orthodoxen Kirche, und der Koenig von Thailand Buddhist, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das religioese Empfinden der Andersglaeubigen
ist grundsaetzlich zu achten. Im Koran heisst es: „Und schmaeht die nicht,
welche sie statt Gott anrufen, sonst wuerden sie aus Groll ohne Wissen
Gott schmaehen....“ (6:108)
Achtung und Wertschaetzung gegenueber
den „Schriftbesitzern“, das heisst den Anhaengern der goettlichen Offenbarungsreligionen,
entspricht ohnehin der Logik des Islam, in dem der Glaube an alle Propheten
Gottes und die ihnen offenbarten Buecher ebenso verbindlich ist, wie der
Glaube an Gott selbst.
“Wahrlich, diejenigen, die glauben
(an die Botschaft Muhammads) und die, die Juden sind, und die Christen
und die Sabaeer, wer (auch immer) an Gott und den Juengsten Tag glaubt
und Gutes tut, die haben ihren Lohn bei ihrem Herrn, und sie brauchen keine
Angst zu haben noch muessen sie traurig sein.“ (2:62) Das steht im Koran.
So gilt fuer alle Menschen der gleiche
Massstab: Glaubt und tut Gutes! Richter ist und bleibt Gott allein.
Freie Religionsausuebung wird selbstverstaendlich
gewaehrt. Heiratet ein Muslim eine juedische oder christliche Frau, so
ist auch ihr freie und uneingeschraenkte Religionsausuebung garantiert.
Ein muslimischer Mann muss seiner christlichen Ehefrau beispielsweise einen
sonntaeglichen Kirchgang ermoeglichen, und wenn er sie selbst zur Kirche
bringen muesste.
Eine Ehe zwischen einer muslimischen
Frau und einem nicht-muslimischen Mann dagegen ist nicht zulaessig. Der
nicht-muslimische Mann unterliegt natuerlich keinerlei islamischen Vorschriften
zur Achtung der Religion seiner Frau, sodass eine muslimische Frau in der
Ehe mit einem andersglaeubigen Manne staendig um ihre Religionsfreiheit
fuerchten muesste. In einer solchen Ehe gaebe es fuer sie keine Rechtssicherheit.
Die Ehefrau bliebe abhaengig vom Wohlwollen ihres Partners.
Andersglaeubige sind grundsaetzlich
nicht dazu verpflichtet, islamische Vorschriften einzuhalten, solange es
sich um private Angelegenheiten handelt. So ist christlichen Buergern im
islamischen Staate, im Gegensatz zu den muslimischen Buergern, Alkoholgenuss
erlaubt. Sie duerfen im Fastenmonat Ramadan waehrend des Tages essen, und
die Frauen koennen anziehen, was sie wollen. Nur bitte nicht in der Oeffentlichkeit.
Sie halten das fuer eine Einschraenkung
der persoenlichen Freiheit? Es ist das gute Recht eines jeden Staates,
die persoenliche Freiheit seiner Buerger dort einzuschraenken, wo das allgemeine
Volksempfinden fuer Recht und Ordnung betroffen wird.
Bekleidungsvorschriften? Versuchen
Sie einmal, ohne jegliche Kleidung in Ihre Hauptgeschaeftsstrasse einkaufen
zu gehen. Was denken Sie, was passieren wird? In Deutschland nennt sich
das „Erregung oeffentlichen Aergernisses“. Was nun genau das oeffentliche
Aergernis erregt, bestimmt die legitimierte Volksvertretung. Das ist in
einem islamischen Staat mit islamischer Mehrheitsregierung nicht anders.
Jedem Land steht es frei, die Grenzen zwischen erlaubt und unerlaubt entsprechend
dem Volksempfinden zu ziehen.
Alkoholverbot? In den USA hatte sich
Anfang dieses Jahrhunderts eine Mehrheit fuer die Prohibition gefunden.
Zur Zeit besteht dort ein Rauchverbot in oeffentlichen Gebaeuden und Einrichtungen.
Und sogenannte „harte Drogen“ sind praktisch ueberall auf der Welt verboten.
Aber auch da hat jeder Staat das Recht auf eigene Regelungen, wie man am
Beispiel des liberalen Hollands sehen kann.
Achtung des muslimischen Fastenmonats
in der Oeffentlichkeit? Wissen sie, dass auch der deutsche Staat seinen
Buergern, gleich welcher Religion, die Achtung der christlichen Feiertage
vorschreibt? An Sonn- und Feiertagen ist beispielsweise der Betrieb von
Videotheken und Autowaschanlagen verboten. An den „Stillen Feiertagen“
duerfen von 5-13 Uhr, bzw. von 5-18 Uhr keine Maerkte, gewerblichen Ausstellungen,
Sportveranstaltungen, Volksfeste, etc. abgehalten werden. Kleintierzuechter
muessen bei Zuchtschauen auf Unterhaltungsmusik verzichten. Und sogar Wohnungsumzuege
sind verboten.
Kirchen gelten in Deutschland als Wahrzeichen.
Wissen Sie, dass in ihrer unmittelbaren Naehe keine Baugenehmigung fuer
Gebaeude erteilt wird, die den Kirchturm ueberragen wuerden?
Und haben Sie schon einmal darueber
nachgedacht, warum Kirchenglocken in Deutschland weniger ruhestoerend sind
als beispielsweise ein islamischer Gebetsruf?
Jeder Staat hat das Recht, das religioese
Empfinden seiner Buerger zu schuetzen. So auch der islamische Staat.
Solange jedoch das oeffentliche Interesse
nicht beruehrt wird, gilt fuer Juden und Christen im islamischen Staat
der koranische Grundsatz, dass eine jede Gemeinschaft sich nach der ihnen
offenbarten Schrift zu richten habe (5:43ff). Daraus wird eine beschraenkte
Rechtsautonomie abgeleitet, die vor allem das Familien- und Erbrecht umfasst.
Christliche Maenner duerfen beispielsweise in islamischen Staaten keine
vier Frauen heiraten, sondern nur eine, wie es der kirchlichen Lehre entspricht.
Auch Deutschland gewaehrt religioesen
Gemeinschaften eine gewisse Autonomie. Artikel 137, Absatz 3, der Weimarer
Verfassung, Bestandteil des Deutschen Grundgesetzes, bestimmt: „Jede Religionsgesellschaft
ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstaendig innerhalb der Schranken
des fuer alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Aemter ohne Mitwirkung
des Staates oder der buergerlichen Gemeinde.“
Denken Sie an das Kirchenrecht. Christliche
Kirchen haben grundsaetzlich das Recht, ueber Mitgliederfragen, Anerkennung
von Eheschliessungen und -scheidungen oder ueber die Verwendung der - vom
Staat erhobenen - Kirchensteuer eigenstaendig zu entscheiden. Die Kirche
besetzt Aemter und vergibt Arbeitsstellen. Religionslehrer beispielsweise
werden zwar vom Staat bezahlt, aber von der Kirche eingestellt und auch
entlassen. So geschehen und vom Bundesarbeitsgericht bestaetigt im Falle
der Kuendigung einer katholischen Religionslehrerin, die gegen die katholische
Lehre verstiess, indem sie einen geschiedenen Mann heiratete.
Deutlicher wird das Prinzip der religioesen
Autonomie jedoch noch am Beispiel des juedischen Beth Din. Der Beth Din
ist ein religioeser Gerichtshof, der innerjuedische Angelegenheit unabhaengig
vom jeweiligen Landesrecht entscheidet, etwa Zugehoerigkeit zur juedischen
Gemeinschaft oder Gueltigkeit von Eheschliessungen und –scheidungen. Er
kann auch bei Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Juedischen
Gemeinde, z.B. im kaufmaennischen Bereich, angerufen werden. Dabei basieren
die Entscheidungen der Richter auf dem ueberlieferten juedischen Recht.
Gegenwaertig unterhalten die juedischen
Gemeinden in mehreren europaeischen Staaten Beth Din. In Deutschland gibt
es seit 1994 wieder einen juedischen Gerichtshof mit Sitz in Muenchen.
Bei Konflikten mit Nichtjuden gilt natuerlich weiterhin das Urteil der
staatlichen Rechtsprechung.
Tatsaechlich entspricht die Funktion
des Beth Din in Deutschland genau dem islamischen Ideal von religioeser
Autonomie. Innergemeinschaftliche Angelegenheiten werden innerhalb der
Gemeinschaft nach eigenem Recht geregelt. Wobei natuerlich weiterhin der
Rechtsweg offen steht, sollte sich jemand uebervorteilt fuehlen.
Ansonsten gilt gleiches Recht fuer
alle Buerger, gleich welcher Religion sie angehoeren.
Das System der islamischen Toleranz
gegenueber den religioesen Minderheiten hat sich geschichtlich bewaehrt.
Das Paradebeispiel dafuer ist Spanien, das im tiefsten europaeischen Mittelalter
unter muslimischer Herrschaft eine Bluete der Wissenschaft und Kunst erlebte,
die ganz Europa kulturell bereicherte. Erst das friedliche Zusammenleben
und -wirken der Juden, Christen und Muslime unter muslimischer Herrschaft
machte diese Entwicklung moeglich.
800 Jahre Islam in Spanien, von denen
die christliche Reconquista in kuerzester Zeit alle Spuren vernichtete.
Wo sind die muslimischen Menschen geblieben?
Christliche und juedische Minderheiten
dagegen haben im Orient 1500 Jahre Islam ueberdauert. In Marokko leben
bis heute die Nachkommen jener Juden, die vor den ethnischen Saeuberungen
der spanischen Reconquista ins muslimische Nordafrika fluechteten. In Aegypten
residiert seit jeher der Patriarch der koptischen Kirche, in Jerusalem
der Patriarch der orthodoxen Kirche. Kirchengebaeude haben Jahrhunderte
von muslimischer Dominanz unbeschadet ueberstanden. Und Neubauten bezeugen
die Lebendigkeit der christlichen Gemeinden im Orient. Christen sind ein
fester Bestandteil der Gesellschaft. Muslimische Kinder druecken mit christlichen
Kindern die Schulbank, muslimische Muetter kaufen beim christlichen Laden
um die Ecke ihre Haushaltswaren ein, und muslimische Vaeter diskutieren
mit ihren christlichen Nachbarn die Lokalpolitik.
Trotz Reconquista, Kreuzzuegen und
Konflikten mit christlichen Kolonialmaechten leben Christen und Muslime
durchweg bis heute friedlich zusammen, wo Machtbestrebungen verschiedener
politischer Gruppierungen religioese Toleranz nicht verdraengt haben.
Sie denken, in einem islamischen Staat duerfe ja sowieso niemand den Mund aufmachen? Wie kommen Sie denn darauf? Natuerlich gibt es auch in einem islamischen Staat ein Grundrecht auf freie Meinungsaeusserung. Nur wer die Freiheit der Meinungsaeusserung, insbesondere die Pressefreiheit oder die Lehrfreiheit zum Kampfe gegen die Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Nachzulesen u.a. im deutschen Grundgesetz Artikel 18 (Verwirkung von Grundrechten) sowie Artikel 5 (Meinungsfreiheit), Absatz 3.
In einem islamischen Staat nimmt der
Koran einen Stellenwert ein, der etwa dem der Verfassung eines westlichen
Staates gleichkommt. So wie das deutsche Volk das Grundgesetz beschlossen
hat, so hat das Volk eines Staates, dessen Waehler in freien demokratischen
Wahlen mehrheitlich fuer eine islamische Regierung stimmen, sich fuer den
Koran und die Sunna des Propheten Muhammad als Staatsordnung entschieden.
Und darauf basiert auch das gesamte Rechtssystem. Denn die Gesetzgebung
ist an die verfassungsmaessige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die
Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Nachzulesen u.a. woertlich
im deutschen Grundgesetz Artikel 20 (Grundlagen staatlicher Ordnung), Absatz
3.
Das islamische Recht - Zivil-, Straf-,
Handels- und sonstiges Recht - bewegt sich im Rahmen der Vorgaben aus Koran
und Sunna, ist jedoch in der Anwendung anpassungsfaehig und flexibel. Ermessensspielraum!
Das muss es auch sein, wenn es in der Praxis anwendbar sein soll.
Dabei gilt es grundsaetzlich, die Rechte
des Einzelnen gegen die Rechte der Gesellschaft abzuwaegen. Wir Westler
tendieren dazu, die persoenliche Freiheit ueberzubewerten. Eine deutsche
Aerztin - keine Muslima - sagte mir einmal: „Freiheit ist immer relativ.
In Deutschland kann ich nichtmals alleine im Park spazieren gehen, nachdem
die Sonne untergegangen ist.“
Tatsaechlich ist Freiheit ohne eine
ordnende Kraft in der Gesellschaft nicht moeglich.
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung
seiner Persoenlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und
nicht gegen die verfassungsmaessige Ordnung oder das Sittengesetz verstoesst.
Nachzulesen u.a. woertlich im deutschen Grundgesetz, Artikel 2 (Handlungsfreiheit,
Freiheit der Person), Absatz 1.
Das Sittengesetz mag dabei in einem
islamischen Staat etwas umfassender sein als in Deutschland, wo kaum noch
etwas gegen die gute Sitte verstoesst. Das heisst jedoch nicht, dass die
Menschenrechte davon beruehrt werden.
Was ist eigentlich falsch an unseren
Menschenrechten? Dass sie nicht von Menschen definiert sind? Dass sie nicht
der jeweiligen Zeit angepasst werden koennen? So wie im Nazideutschland
oder unter dem suedafrikanischen Apardheitssystem? Unsere Menschenrechte
sind nicht mit 2/3 Mehrheit abzuschaffen.
Unser Asylrecht ist unveraenderlich
im Koran verankert: „Und wenn einer von den Goetzendienern dich um Schutz
bittet, dann gewaehre ihm Schutz, bis er das Wort Gottes vernommen hat.
Sodann geleite ihn zu einem Ort, wo er sicher ist....“ (9:6)
Und das gilt sogar im Kriegsfall fuer
den direkten Feind.
Ebenso fest verankert ist die Bekenntnisfreiheit:
„Es gibt keinen Zwang im Glauben.“ (2:256)
Die Gleichheit vor dem Gesetz: „O dir
ihr glaubt! Seid standhaft in Sachen der Gerechtigkeit und Zeugen Gottes,
auch wenn es gegen euch selbst oder eure Eltern oder nahe Verwandte sein
sollte. Ob es sich um reich oder arm handelt, Gott ist ihnen ein besserer
Beschuetzer. Und folgt nicht niederen Begierden, damit ihr gerecht handeln
koennt. Und wenn ihr (die Wahrheit) verdreht oder umgeht, dann ist Gott
wahrlich wohl vertraut mit dem, was ihr tut.“ (4:135)
Das Recht auf Leben: „...und nehmt
kein Leben, was Gott fuer verboten erklaert hat, es sei denn nach dem Recht...“
(6:151)
Das entsprechende Grundrecht liest
sich im deutschen Grundgesetz Artikel 2, Absatz 2 wie folgt: „Jeder hat
das Recht auf Leben und koerperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person
ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen
werden.“
Sie fragen, was denn mit dem Strafrecht
sei? Natuerlich gibt es in einem islamischen Staat ein Strafrecht. Wir
leben in der Realitaet. Und auch unter Muslimen gibt es Diebe, Betrueger
und Moerder.
Im Koran steht: „ ...Und wenn Gott
nicht die Menschen in Zaum halten wuerde, die einen durch die anderen,
dann waeren gewiss Kloester und Kirchen und Synagogen und Moscheen zerstoert
worden, in denen unablaessig der Name Gottes angerufen wird. ...“ (22:40)
Der Staat hat die Pflicht, seine Buerger
zu schuetzen und ihre Rechte zu wahren. Straftaeter werden vom Staat verfolgt
und haben Anspruch auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung.
Sie halten einige Strafen fuer ueberzogen
und antiquiert? Was denn zum Beispiel? Die Todesstrafe auf Ehebruch? Die
Todesstrafe gibt es in vielen Staaten, inklusive einiger Bundesstaaten
der USA, dem Vorreiter der westlichen Welt. Und auch laut deutschem Grundgesetz
duerfte theoretisch durch Gesetz in das Recht auf Leben eingegriffen werden.
Einen Menschen zu toeten ist jedoch keine leichte Sache. Im Koran steht
darueber: „ ... Wer einen Menschen toetet - es sei denn als Suehne fuer
einen Mord oder um Unheilstiften auf Erden zu verhindern -, dann ist es,
als ob er die gesamte Menschheit getoetet habe. Und wer einen Menschen
am Leben erhaelt, dann ist es, als ob er die gesamte Menschheit am Leben
erhalten haette. ...“ (5:32) Die Sunna definiert nur drei Tatbestaende,
bei denen das Gericht die Todesstrafe aussprechen kann. Es handelt sich
hierbei um Tatbestaende, die in einem islamischen Staat die Ordnung existentiell
bedrohen: 1. Leben gegen Leben. Mutwilliges Toeten bedroht nicht nur das
Recht auf Leben jedes einzelnen Buergers, sondern kann auch noch Blutfehden
ausloesen, die den Landesfrieden bedrohen. Auf vorsaetzlichen Mord steht
die Todesstrafe (2:178+179). 2. Das Verlassen des islamischen Glaubens.
Wenn in einem islamischen Staat der den Glauben Verlassende offen gegen
den Islam rebelliert, der dort ja die vom Volk gewaehlte Verfassung ist,
ist das je nach Sachlage zumindest verfassungsfeindlich, wenn nicht gar
Hochverrat. Und darauf kann, falls keinerlei Reue gezeigt wird, ebenso
wie in vielen anderen Staaten auch, die Todesstrafe stehen. Und 3. Ehebruch
begangen von Verheirateten. Ehebruch zerstoert Familien und bedroht damit
die Basis des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ehe und Familie stehen
unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Nachzulesen u.a.
woertlich im deutschen Grundgesetz, Artikel 6, Absatz 1.
In einem islamischen Staat wird Ehebruch
dann strafrechtlich verfolgt, wenn vier zuverlaessige Zeugen mit unzweifelhaftem
Ruf den Geschlechtsakt selbst eindeutig gesehen haben. Was wohl kaum moeglich
sein duerfte, es sei denn, er hat in aller Oeffentlichkeit stattgefunden
und somit auch noch offen gegen das Sittengesetz verstossen. Sollten sich
nur drei Zeugen fuer den Ehebruch finden, muessen sich diese wegen Verleumdung
verantworten. Und Verleumdungsstrafen sind hoch. Selbst der Ehepartner,
der in ein Schaeferstuendchen hineinplatzt, kann nur eine Scheidung erwirken,
aber keine strafrechtliche Verfolgung. Verurteilungen sind in der Praxis
wohl nur bei Selbstanzeige moeglich. Das kommt vor, weil ein Muslim glaubt,
dass ihm die Entgegennahme der Strafe im Diesseits die Strafe im Jenseits
erspart.
„Unzucht“ soll uebrigens auch im Bezirk
Gem County im US-Bundesstaat Idaho wieder strafbar werden. Laut SPIEGEL soll dort ein Staatsgesetz von 1921 zur Anwendung kommen, nach dem auf
jeglichen Geschlechtsverkehr zwischen Unverheirateten bis zu sechs Monate
Gefaengnis stehen.
Handabhacken bei Diebstahl? Die Logik dieser Strafe liegt natuerlich vor allem im Gedanken der Abschreckung. Angewendet wird die Handamputation selten. Sie betrifft nicht etwa jeden kleinen Ladendieb. Zur Verhaengung dieses Strafmasses sind schon hohe Werte an Diebesgut noetig, die sich ein Taeter ohne ersichtliche Zwangslage wiederholt aneignet. Der zweite Kalif Omar setzte seinerzeit die Diebstahlstrafe des Handabhackens zeitweilig ganz ausser Kraft, als im Lande eine Hungersnot herrschte. Diebstahl aus der Staatskasse ist uebrigens auch von diesem Strafmass ausgenommen. Staatseigentum ist Volkseigentum. Der Dieb gehoert zum Volk. Damit bestiehlt er sich im gewissen Sinne selbst. Zumindest hat er einen Anteil am Eigentumsrecht. Davon ist natuerlich die Pflicht zur Rueckzahlung des gestohlenen Betrages nicht betroffen. Sollte es aber doch einmal zum Vollzug der Strafe kommen, so ist diese Strafe ein brauchbarer Schutz vor Rueckfaelligkeit. Sie schuetzt nicht nur die Gesellschaft vor Verbrechen, sondern auch den Taeter selbst vor allzu leichtfertigem Umgang mit Recht und Gesetz. Und sie hat den Vorteil, dass man als Taeter nicht jahrelang isoliert und weggeschlossen wird, sondern im gewohnten - familiaeren - Umfeld bleibt und sofort ein neues Leben beginnen kann.
Und das Privatrecht? Maenner duerfen
ihre Frauen schlagen? Der betreffende viel zitierte Koranabschnitt lautet uebersetzt:
„Die Maenner sind die Verantwortlichen fuer die Frauen, weil Gott den einen
von ihnen mit mehr Vorzuegen ausgestattet hat, als die anderen und weil
sie von ihrem Vermoegen hingeben. Darum sind tugendhafte Frauen jene, die
demuetig (Gott) ergeben sind, die in Abwesenheit das bewahren, was Gott
ihnen zu bewahren aufgab. Und jene, von denen ihr Widerspenstigkeit befuerchtet,
ermahnt sie, haltet euch fern von ihren Liegestaetten und schlagt sie.
Und wenn sie euch (wieder) gehorchen, so trachtet nach keinem anderen Mittel
gegen sie. Wahrlich, Gott ist der Erhabene, der Allerhoechste. Und wenn
ihr Zwietracht zwischen den Eheleuten befuerchtet, dann setzt einen Schiedsrichter
aus (den Reihen) seiner Angehoerigen und einen Schiedsrichter aus (den
Reihen) ihrer Angehoerigen ein. Wenn sie eine Versoehnung wollen, dann
wird Gott einen Ausgleich zwischen ihnen herbeifuehren. Wahrlich, Gott
ist wissend, kundig.“ (4:34+35)
Tatsaechlich ist der ganze Abschnitt charakteristisch
fuer die Ehe im Islam. Der Mann traegt die Verantwortung fuer Frau und
Familie und gibt von seinem Vermoegen. Dafuer erwartet er von seiner Frau,
dass sie ihn nicht hintergeht und ihm nicht schadet. Das Ideal!
Was aber nun tun, wenn die Ehe vom
Ideal abweicht und es zum Konflikt zwischen den Ehepartnern kommt? Ein
Ehekrach kann in den besten Familien vorkommen. Leider enden Ehekraeche
ueberall auf der Welt zu oft mit einer weinenden Ehefrau und einem zerknirschten
Ehemann, der in einem Moment des Gefuehls der hilflosen Wut die Kontrolle
verloren, seinen Aggressionen Luft gemacht und zugeschlagen hat.
Moderne Psychologen versuchen, diesen
Maennern Wege aufzuzeigen, wie sie mit ihren Aggressionen umgehen koennen:
„Redet ueber eure Probleme.“ und „Gewinnt erstmal etwas Abstand voneinander.“
Genau das und nichts anderes tut der Koran hier, wenn er bestimmt: „ermahnt
sie“ und „haltet euch fern von ihren Liegestaetten“. Er lenkt die Aggressionen
in geregelte Bahnen. Zum Schlagen selbst sollte es erst gar nicht kommen.
Der Prophet Muhammad sagte: „Eine Anzahl
von Frauen sind an meine Familienmitglieder herangetreten mit Beschwerden
ueber die schlechte Behandlung durch ihre Ehemaenner. Jene (Maenner) gehoeren
nicht zu den Guten unter Euch.“
„... und diejenigen sind die besten
unter euch, die am besten zu ihren Frauen sind.“
Und: „Der Starke ist nicht der, der
den anderen zu Boden wirft, sondern der, der sich selbst in der Gewalt
hat, wenn er zornig ist.“ (SAHIH AL-BUHARI:438)
Sollte es den Eheleuten nicht moeglich
sein, ihre Meinungsverschiedenheiten beizulegen, werden von beiden Seiten
Vermittler hinzugezogen. Der Streit bleibt jedoch auch weiterhin in der
Familie, und wird nicht in die Oeffentlichkeit hinausgetragen. Wichtigstes
Ziel ist der Erhalt der Ehe und der Familie. Dazu dient auch eine dreimonatige
Frist, bis eine einmal ausgesprochene Scheidung volle Gueltigkeit erlangt.
Aber falls es denn gar nicht mehr geht,
befuerwortet der Koran einen sauberen Schlussstrich. „Wenn dann ihre Frist
abgelaufen ist, dann nehmt sie in Guete zurueck oder trennt euch in Guete
von ihnen und nehmt zwei rechtschaffene Leute von euch zu Zeugen, und legt
Zeugnis vor Gott ab. Damit soll der ermahnt sein, der an Gott und den Juengsten
Tag glaubt, und dem, der Gott fuerchtet, schafft er einen Ausweg.“ (65:2)
Muslime duerfen mit vier Frauen gleichzeitig
verheiratet sein? Auch das ist kein Gebot, sondern lediglich eine situationsbezogene
Erlaubnis. Im Koran steht: „Und wenn ihr befuerchtet, dass ihr die Waisen
nicht gerecht behandeln koennt, dann heiratet Frauen, so wie es euch gut
erscheint, zwei, drei oder vier. Doch wenn ihr befuerchtet, sie nicht (alle)
gleich behandeln zu koennen, dann (heiratet nur) eine, ...Dies kommt dem
am naechsten, dass ihr kein Unrecht begeht.“ (4:3) Von der Ehe mit mehr
als einer Frau raet der Koran also tatsaechlich sogar ab. Der Prophet Muhammad
selbst bat seinen Schwiegersohn Ali oeffentlich, keine zweite Frau neben
seiner Tochter Fatima zu heiraten.
Aber betrachten Sie doch einmal die
Realitaet. Wieviele Maenner haben denn real zwei Frauen, und wollen weder
auf die eine noch auf die andere verzichten. Und zumindest die „zweite“
Frau, die ohne Trauschein, weiss das sehr wohl und akzeptiert die Lage,
wie sie ist. Eine „zweite“ Frau ohne jegliche rechtlichen Ansprueche. Sehr
praktisch fuer den Mann. Nicht aber fuer die Frau.
Und denken sie einmal an die Kinder
einer solchen ausserehelichen Beziehung. Sicher, gesetzlich sind sie den
ehelichen Kindern gleichgestellt, aber was tun, wenn die Mutter den Namen
des Vaters partout nicht preisgeben will? Wie kann dann das Grundgesetz
in Artikel 6, Absatz 5 „die gleichen Bedingungen fuer ihre leibliche und
seelische Entwicklung“ garantieren?
In Deutschland wurde im Sommer 1996
vom Karlsruher Verfassungsgericht diskutiert, ob ein Kind das Recht darauf
hat, zu erfahren, wer sein leiblicher Vater ist oder nicht.
Geklagt wurde von den Muettern, die
einen Einbruch in ihre Intimsphaere fuerchten. Was ist mit den Rechten
des Kindes? Materiell und auch emotional? Und mit den Rechten des Vaters,
der vielleicht auch nichts davon weiss, dass er Vater ist?
Ich bitte Sie, ist es da nicht besser,
eine aussereheliche Beziehung legalisieren zu koennen?
Recht muss sich an der Realitaet
orientieren, um lebbar zu bleiben. Vorhandene Probleme verschwinden nicht
durch Verdraengung ihrer Existenz. Wir brauchen brauchbare Loesungsansaetze.
Und die bietet das islamische Recht.
Vielleicht haben Sie auch irgendwo gehoert,
dass der Islam die Sklaverei nicht verbietet. Wenn Sie von der Theorie
ausgehen, stimmt das sogar. Sklaverei war zur Zeit des Propheten Muhammad
in der arabischen Gesellschaft, wie auch sonst auf der Welt, selbstverstaendlich.
So gab es also Sklaven. Der Islam garantierte ihnen einen rechtlichen Status,
der die Sklaverei nominell zwar nicht abschaffte, de facto jedoch aufhob.
Sklave zu sein, war kein Makel. Sklaven waren beruehmte Paedagogen, Kuenstler
und stiegen sogar in Regierungspositionen auf. Sie hatten das Recht, sich
durch Arbeit „freizukaufen“. Dazu wurde die Freilassung von Sklaven als
gute Tat gepriesen und als Busse fuer Vergehen vorgeschrieben. Sogar Gelder
der Zakat werden koranisch zur Befreiung von Sklaven aufgewendet (9:60).
Da Neuversklavung freier Buerger dagegen untersagt ist, spielte die Sklaverei
im islamischen Herrschaftsbereich frueh keine Rolle mehr.
Anders als beispielsweise in den USA.
Dort hat man erst im letzten Jahrhundert versucht, den Status Quo der Sklaverei
von heute auf morgen aufzuheben. Dazu war ein blutiger Buergerkrieg noetig.
Die Folgen dieser Sklavenbefreiung sind heute noch in der amerikanischen
Gesellschaft spuerbar. Die ehemaligen Sklaven, die schwarze Bevoelkerung
der USA, bilden die soziale Unterschicht, gekennzeichnet durch mangelnde
Bildung und schlechtere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Von Chancengleichheit
kann keine Rede sein.
Sie haben auch gehoert, der Islam sei
eine kriegerische Religion? Der Islam unterstuetzt grundsaetzlich das Recht
auf Selbstverteidigung: „Erlaubt ist (der Kampf) denen, die bekaempft werden,
weil ihnen Unrecht getan worden ist. Und wahrlich, Gott hat die Macht,
ihnen zum Sieg zu verhelfen.“(22:39)
Jeder hat ein Recht darauf, seine Person,
seine Familie und seinen Besitz zu verteidigen. Geht es um die Existenz
des Islam schlechthin, wird aus diesem Recht eine Pflicht. Die totale Mobilmachung.
“Zu kaempfen ist euch vorgeschrieben und es ist euch widerwaertig. Doch
es mag sein, dass euch etwas widerwaertig ist, was gut ist fuer euch, und
es mag sein, dass euch etwas lieb ist, was schaedlich ist fuer euch. Und
Gott weiss (es), doch ihr wisst (es) nicht.“ (2:216) Auch im Westen haelt
kaum einer, wenn er auf die rechte Wange geschlagen wird, obendrein noch
die linke hin. Sonst waere wohl ein Ruestungsetat in der derzeitigen Hoehe
nicht erforderlich.
Das Recht auf Selbstverteidigung ist
jedoch kein Freibrief fuer Kriegsverbrechen. Der Koran ist da sehr klar:
„Und kaempft auf dem Pfad Gottes gegen diejenigen, die gegen euch kaempfen,
doch uebertretet nicht (das Mass). Wahrlich, Gott liebt nicht diejenigen,
die (das Mass) uebertreten.“ (2:190)
Das Ziel der Wiederherstellung von
Recht, Ordnung und Frieden darf nie aus den Augen verloren werden. Racheakte
oder Erbfeindschaften entsprechen nicht der islamischen Logik: „Wenn sie
aber aufhoeren, so ist Gott verzeihend, barmherzig. Und kaempft gegen
sie, bis es keine Verfolgung (mehr) gibt und die Religion (allein) Gottes
ist. Wenn sie aber aufhoeren, so soll es keine Gewalttaetigkeit geben ausser
gegen diejenigen, die unrecht tun.“ (2:192+193)
„Und wenn sie sich dem Frieden zuwenden,
so wende auch du dich ihm zu und setze dein Vertrauen auf Gott. Wahrlich,
Er ist der Allhoerende, der Allwissende.“ (8:61)
„Und wenn einer von den Goetzendienern
dich um Schutz bittet, dann gewaehre ihm Schutz, bis er das Wort Gottes
vernommen hat. Sodann geleite ihn zu einem Ort, wo er sicher ist. Dies
(gebietet dir Gott), weil es Leute sind, die nicht Bescheid wissen.“ (9:6)
Der viel zitierte „Gihad“ dagegen ist
das „Sich anstrengen“ auf dem Weg Gottes schlechthin. Er hat mehr mit Bekaempfung
der eigenen Traegheit zu tun, als mit militaerischen Auseinandersetzungen.
Der Islam kennt auch keine zwangsweise
Missionierung. „Es gibt keinen Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist nun
klar erkennbar geworden vom unrichtigen. Wer also nicht an falsche Goetter
glaubt, an Gott aber glaubt, der hat gewiss den sichersten Halt ergriffen,
bei dem es kein Zerreissen gibt. Und Gott ist hoerend, wissend.“ (2:256)
Natuerlich wuenschen wir unseren Mitmenschen
das Beste. Und das ist aus unserer Sicht der Islam. Aber Mission im Islam,
das ist „Dawa“, die Einladung zum Glauben. Wir erzaehlen Ihnen von Gott
und dem Islam. Denken koennen Sie allein. Wir halten nichts von Gehirnwaeschen.
Deshalb gibt es meines Wissens auch keine Selbsthilfegruppen fuer „Aussteiger“
und „Islamgeschaedigte“.
Niemand versucht, Ihnen etwas aufzudraengen,
was Sie nicht moechten. Auch eine islamische Mehrheitsregierung in Deutschland
steht mit drei Prozent Bevoelkerungsanteil der Muslime an der deutschen
Gesamtbevoelkerung wohl ausser Frage. Wir bitten Sie nur darum, benutzen
Sie den Verstand, der Ihnen gegeben wurde. Hueten Sie Sich vor vorschnellen
Verurteilungen. Denken Sie nach! Nehmen Sie die Herausforderung des Islam
an! Und informieren Sie Sich aus erster Hand, bevor Sie Sich eine Meinung
bilden.
Was man vor allem dem islamischen Recht
immer wieder vorwirft, ist sein Alter. Aber nicht alles, was aelter ist,
muss deshalb auch automatisch schlechter sein. Das Roemische Recht, das
Corpus Juris Civilis, auf dem unser westliches Recht basiert, stammt ebenfalls
aus dem 6. Jhd. nach Christi Geburt. Und die Zehn Gebote, die Moses dem
Volk Israel verkuendete, werden auf das 2. Jahrtausend vor Christi Geburt
datiert. Gleichwohl sind sie immer noch aktuell. Die Natur des Menschen
scheint sich in den letzten paar tausend Jahren nicht so sehr weiterentwickelt
zu haben, wie wir es gerne glauben machen. Bitte denken Sie auch einmal
darueber nach.