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ABSCHIED

„... Und keine Seele weiss, was sie morgen erwerben wird, und keine Seele weiss, in welchem Land sie sterben wird. Wahrlich, Gott ist Allwissend, mit all dem wohl vertraut.“ (31:34)

Die Zeit ging dahin. Und auch an uns ging sie nicht spurlos vorueber. Irgendwann gehoerten wir im Studentenverein zu den „Alten“. Junge Leute, die zum Teil noch gar nicht an der Uni waren, als wir den Verein gruendeten, sassen jetzt im Vorstand. Eine weitere Lehre: jeder ist ersetzbar.
Doch wir freuten uns, dass die Gemeinschaft am Leben blieb, ja lebendiger war, als je zuvor.
Und es stimmte ja. Wir alle waren aelter geworden, hatten unser Studium beendet und Familie gegruendet. Jeder war seiner Wege gegangen. Wir sahen uns kaum noch.

Mittlerweile waren auch Mohamed und ich Eltern zweier Toechter geworden. Tasnim (sprich:Tasniem) und Yusra (sprich: Jusra) veraenderten unser Leben von Grund auf.

Als Tasnim nach laengerer Wartezeit und einer Fehlgeburt endlich zur Welt kam, empfanden Mohamed und ich Freude und Dankbarkeit. Noch im Kreisssaal fluesterte ihr Mohamed, der bei der Geburt dabei war, den Azzan, den muslimischen Gebetsruf ins Ohr: „Gott ist groesser. Ich bezeuge, es gibt keinen Gott ausser Gott. Ich bezeuge, Muhammad ist sein Prophet. Kommt zum Gebet. Kommt zum Heil. Gott ist groesser. Es gibt keinen Gott ausser Gott.“
Der Name Tasnim stammt aus dem Koran. Es ist der Name einer Quelle im Paradies, aus der die Glaeubigen trinken werden.

Bald danach wurde ich „schon wieder“ schwanger. Meine Familie war schockiert. Dabei betraegt der Altersunterschied zwischen meinen Kindern 1 ½ Jahre. Genau soviel wie zwischen mir und meinem Bruder. Aber die Zeiten haben sich offensichtlich geaendert.
Und wieder war es ein Maedchen, das Mohamed zaertlich mit dem Azzan begruesste. Wir nannten sie Yusra, was im Koran die „Erleichterung“ ist. Gott erleichtert uns unsere Probleme. 

Im Gegensatz zu Mohamed und mir, die wir uns sehr ueber unsere zwei kleinen Toechter freuten, war meine Mutter arg enttaeuscht darueber, dass es Maedchen waren. “Maedchen werden hier viel mehr Probleme bekommen als Jungen. Ihr wollt doch vermutlich, dass sie spaeter mal Kopftuch tragen.“
Tatsaechlich wurde ich mit der Geburt unserer Toechter wieder vermehrt zum Zielpunkt der Kritik. 
Als ich den Islam angenommen hatte, hatte man mir gesagt: „Das ist dein Leben. Mach damit, was du fuer richtig haeltst.“ Nun hiess es auf einmal: „Du wirst doch wohl nicht deinen Kindern das Leben schwer machen wollen?“

Natuerlich wollten weder ich noch Mohamed unseren Kindern das Leben schwer machen. Wir hatten kaum jemals darueber nachgedacht, was es ueberhaupt bedeutet, Kinder zu haben. Ich hatte nie vorgehabt, mein Universitaets-Abschlusszeugnis in der Schublade verstauben zu lassen und meine Zeit dem Haushalt zu widmen. Und nun trugen wir ploetzlich die Verantwortung fuer diese kleinen Maedchen. Und auch wir begannen, uns zu fragen, wie die Zukunft unserer Kinder aussehen wuerde.
Wuerden sie spaeter aus freien Stuecken und voller Ueberzeugung bekennen: „Es gibt keinen Gott ausser Gott und Muhammad ist sein Prophet“? Oder wuerden auch sie ausserhalb des Elternhauses „ganz deutsch“ sein?
Wuerden sie zu Kindern heranwachsen, die nirgendwo so richtig hingehoeren, wie es mir meine Eltern schon vor meiner Hochzeit prophezeit hatten? Zu Kindern, wie ich sie so viele in den Moscheen gesehen hatte?

Gott sei Dank hatte ich die Moeglichkeit, mich um meine Kinder zu kuemmern. So entschloss ich mich, sehr zum Aerger meines Vaters, erstmal zu Hause zu bleiben und fuer meine Toechter da zu sein. Mein Vater meint, ich liesse meine Faehigkeiten verkommen. Tatsaechlich werde ich von allen Seiten immer wieder gefragt, warum ich nicht arbeite. Hausfrau und Mutter zu sein entspricht nicht dem Niveau einer gebildeten jungen Europaeerin. Berufstaetigkeit wird von den Frauen als „Teil der eigenen Selbstentfaltung gefordert.“  (SEIBEL 1989:456) Eine Auswertung des Mikrozensus vom April 1994 ergab: dass in Deutschland „40,4 Prozent der verheirateten und 44,1 Prozent der alleinerziehenden Muetter, deren juengstes Kind juenger als drei Jahre war, ... einer Erwerbstaetigkeit nach(gingen).“  (FAZ 19.03.1996: 15) Der muetterliche Typ ist nicht mehr gefragt in einer Gesellschaft, in der eine Psychologin namens Ute Ehrhardt mit einem Ratgeber namens „Gute Maedchen kommen in den Himmel, boese ueberall hin“ monatelang auf den Bestsellerlisten steht und „Girls just wanna have fun!“ aus dem Radio schmettert. 
Die „Familie“ ist auf dem besten Wege, die Vorrangstellung als „normale Lebensform“ zu verlieren. Partnerschaften und Ehen dienen heute nicht mehr in erster Linie der Zeugung von Nachwuchs. In deutschen Partnerschaften werden „Liebe und Zuneigung“ hoeher bewertet, als „Familie“. Sollte die Partnerschaft wider Erwarten keine Harmonie bieten, sondern zusaetzlichen Stress verursachen, wird sie eben aufgeloest.  In den USA wird jetzt schon jede zweite Ehe geschieden. Etwa die Haelfte der US-Kinder wird minderjaehrig die Scheidung der Eltern erleben. Und dass diese Kinder sich in einer spaeteren Ehe scheiden lassen, ist wiederum statistisch wahrscheinlicher, als fuer Kinder, die in intakten Familien aufgewachsen sind.  Eine Schraube ohne Ende. Was soll’s? Wir sind flexibel geworden. Mancherorts wird schon die Aufhebung der buergerlichen Ehe ueberhaupt propagiert.
Alternative Lebensformen sind im Kommen. In Frankreich werden bereits 35% der Kinder unehelich geboren.  In den USA sind mehr als ein Drittel der Erwachsenen unverheiratet. Die Gruppe der Homosexuellen beispielsweise ist gross genug, um bei Werbestrategen als „hochwertige Zielgruppe“ zu gelten.  Man schaetzt, dass etwa 10% der US-Maenner und 6% der US-Frauen homosexuell leben.  Auch eine Art von Schicksalsglaeubigkeit. Aufgeklaerte Menschen glauben - ohne jeglichen wissen-schaftlichen Beleg - biologisch auf eine bestimmte sexuelle Vorliebe festgelegt zu sein. „Ich bin eben so. Was kann ich dazu?“ Sex ist dank der Medien oeffentlich geworden. Fetischisten, Travestiten, alle kommen sie zu Wort in unzaehligen Talkshows, in denen das Wie, Wann, Wo, Mit wem und Warum diskutiert wird. Alles muss man gesehen haben, alles muss man probiert haben, bevor man endgueltig den Loeffel abgibt. Je neuer, je exotischer desto besser.
Wir haben gelernt, nacktes menschliches Fleisch als etwas ganz Natuerliches anzusehen. So gehoert schon einiges mehr dazu, sexuelle Phantasien zu befluegeln. Und doch ist koerperliche Attraktivitaet alles in unserer Gesellschaft, in der die Akzeptanz fuer Menschen, die ihren Koerper zeigen, generell groesser ist, als fuer „zugeknoepfte“ Zeitgenossen.
Wie kann man in einer solchen Gesellschaft ein Kind islamisch erziehen?

Eine gute Frage. Die Frage, die mir jedoch immer wieder gestellt wird, ist etwas anders formuliert: „Wie kannst du nur in dieser Gesellschaft ein Kind islamisch erziehen wollen?“

Dabei zeigen sich doch gerade an den Kindern die Folgen des Zerfalls unserer gesellschaftlichen Strukturen bereits am deutlichsten. Deutsche Psychotherapeuten bewerteten „vaterlose“ Kinder als „Problem- und Riskogruppe“. Kinder aus Ein-Eltern-Familien neigen generell eher zu psychischen Stoerungen, Schulversagen und Drogensucht. Maedchen werden oefter missbraucht oder schon als Teenager schwanger. In den USA sind „fast zwei Drittel aller Vergewaltiger, drei Viertel der jugendlichen Moerder und ein aehnlich hoher Prozentsatz junger Gefaengnisinsassen .. ohne Vater gross geworden.“ (FOCUS 30.01.1995:137)

Ich denke an meine Kinder! Ich moechte nicht, dass meine Toechter spaeter einmal zu den zwanzig Prozent der Deutschen gehoeren, die sich einsam fuehlen in dieser Welt, in der es keine Stabilitaet mehr gibt und jeder auf sich selbst gestellt ist. Sie sollen sich angenommen fuehlen, so wie sie sind. Und das, ohne dass sie sich dafuer ausziehen muessen.
Die Ueberbetonung des Sexuellen in unserer Gesellschaft fuehrt dazu, dass sich gerade Frauen auf der Suche nach Liebe und Anerkennung immer wieder sexuell ausgenutzt fuehlen. Wichtiger als Attraktivitaet sollte die Entwicklung einer gesunden Persoenlichkeit sein.
Dazu gehoert natuerlich auch ein gesunder Umgang mit dem Koerperlichen. Darunter verstehe ich jedoch nicht den westlichen Exhibitionismus. 
Was wir brauchen, ist nicht unbegrenzter Sex, sondern Gemeinschaft mit anderen Menschen.
Koerperkontakt als Zeichen von Zuwendung fehlt in unserer Gesellschaft voellig. Kaum dass man ein Kind kuessen kann, ohne dass gleich alle Welt an Kindesmissbrauch denkt. Und nimmt ein Mann einen anderen in den Arm, wird gleich vermutet, er sei „schwul“.
In einer sozialwissenschaftlichen Studie wird ein gebuertiger Brite zitiert, der zum Islam konvertiert ist. Er beklagt die fehlenden menschlichen Beziehungen in der britischen Gesellschaft. Koerperkontakt sei nur mit der Freundin moeglich. Muslime dagegen saehen das ganze viel natuerlicher. Sie beteten Schulter an Schulter und Fuss an Fuss, und begruessten sich ganz selbstverstaendlich mit Handschlag und Umarmung - auch die Maenner.  

Ich wuensche mir auch, dass meine Toechter ein Selbstbewusstsein als Frau entwickeln, unabhaengig von den Idealen der westlichen Leistungsgesellschaft, dass sie zu verantwortungsbewussten Menschen heranwachsen, die mit wachen Augen ihre Umwelt wahrnehmen und sich fuer mehr interessieren, als nur den eigenen Vorteil.

Der Islam ist fuer mich in jedem Falle die bessere Alternative.

Natuerlich hat meine Mutter nicht so ganz unrecht, wenn sie mir prophezeit, dass eine islamische Erziehung in Deutschland uns und unseren Kindern Probleme bereiten wird. Tatsaechlich ist die Situation in Deutschland, ja in ganz Europa, fuer Muslime nicht gerade einfach.

Das faengt schon mit der Wahl des Namens fuer das Kind an. Laut Hadith ist es Aufgabe der Eltern, fuer ihre Kinder einen schoenen Namen zu waehlen. Leider teilen in den seltensten Faellen die deutschen Standesbeamten die Ansicht der Eltern ueber die Schoenheit eines Namens. Sowohl fuer den Namen Tasnim als auch fuer den Namen Yusra mussten wir eine Bescheinigung der aegyptischen Botschaft vorlegen, die besagt, dass es diesen Namen tatsaechlich gibt. Bei Yusra wurde mir empfohlen, auf einen solchen „exotischen“ Namen zu verzichten, oder doch zumindest als Zweitnamen einen deutschen Namen zu erteilen. Schliesslich scheiterten doch so viele Ehen mit Auslaendern. Und die armen Kinder muessten dann den auslaendischen Namen ein Leben lang tragen.
Immerhin beugte man sich unserer Wahl. Das ist nicht immer so. In unserem Bekanntenkreis sollte beispielsweise ein Junge Tarek heissen, nach dem historischen Feldherrn Tarek. Ein durchaus ueblicher arabischer Name, der jedoch von den Standesbeamten nicht akzeptiert wurde. Erst das Gericht gab den Eltern Recht. 
Ein kleines Maedchen dagegen durfte nur unter der Bedingung Manal heissen, dass ein zweiter Vorname gegeben wurde, der eindeutig das Geschlecht des Kindes erkennen laesst. 
Namen, die laut Amt diese Bedingung erfuellen, sind beispielsweise in der Liste gebraeuchlicher Vornamen enthalten, die in unserem Familienstammbuch abgedruckt ist. Da sind dann unter anderem die Namen Urte, Gesche, Fokke und Huschke aufgefuehrt. Gebraeuchlich und eindeutig! 

Dann kommt das Problem des Kindergartens und der Schule. Engagierte Lehrer versuchen dort nach Kraeften, den Kindern aus muslimischem Hause den Zugang zur westlichen Kultur zu erleichtern. Von Neutralitaet der Schule in Bezug auf die religioese Erziehung der Eltern kann im Hinblick auf den Islam nicht die Rede sein. Das westliche Denkmodell gilt als Erziehungsideal. Und muslimische Eltern muessen sich immer wieder aufs neue von deutschen Gerichten bestaetigen lassen, dass muslimische Jugendliche nicht zu gemischt-geschlechtlichem Schwimmunterricht gezwungen werden koennen und muslimische Maedchen auch waehrend des Unterrichts ein Kopftuch tragen duerfen. 

Nach der Schule geht es dann an die Berufswahl. Da sind die Zukunftsaussichten fuer muslimische Maedchen in Deutschland nun wirklich nicht gerade rosig.
Einem tuerkischen Maedchen wurde eine Ausbildungsstelle als Krankenschwester verweigert, da die Arbeit mit dem Kopftuch im Krankenhaus „unhygienisch“ sei. Viele Schwestern der Klinik sind Nonnen, die selbstverstaendlich in Tracht arbeiten. Und einer deutschen Muslima wurde sogar die Arbeitslosenhilfe gestrichen, weil sie mit Kopftuch „schwer vermittelbar“ sei. Sie musste erst gegen das Arbeitsamt prozessieren, bevor sie ihr Recht bekam. Ja selbst Verkaeuferinnen mit Kopftuch gelten als verkaufsschaedigend. 
Nun ja, eine Karriere als Putzfrau steht meinen Toechtern ja auch mit Universitaetsabschluss noch offen.

Aber meine Mutter hat unrecht, wenn sie denkt, diese Art der persoenlichen Diskriminierung betraefe ausschliesslich Frauen.
Ein deutscher Muslim, Student, wurde aufgrund seines Glaubens fristlos aus einer Nachtwaechtertaetigkeit entlassen. Sicherheitsrisiko.
Ein deutscher Akademiker, ebenfalls arbeitslos, galt als Muslim als „schwer vermittelbar“. Ihn fragte man beim Arbeitsamt, ob er keine Lust habe, seine Glaubensbrueder auszuspionieren.
Ein arabischer Naturwissenschaftler wurde als Doktorand abgelehnt. Der Professor sagte ihm: „Wenn Sie aus Tel Aviv oder Boston kaemen, waere das kein Problem. Aber so... Sie wissen schon. Dieser Forschungsbereich ist auch fuer Waffentechnologie zu verwenden.“

Dazu kommen natuerlich noch die ganz alltaeglichen Probleme eines Muslims in Deutschland wie beispielsweise das Problem mit dem Schaechten. Der Islam schreibt, ebenso wie das Judentum, vor, dass beim Schlachten der Name Gottes angerufen wird und das Ausbluten der Tiere gewaehrleistet ist. Waehrend jedoch die juedische Gemeinschaft in der Bundesrepublik selbstverstaendlich nach mosaischem Ritus schlachten darf, hat im Sommer 1996 das Verwaltungsgericht Muenchen eine vergleichbare Ausnahmegenehmigung fuer die Muslime abgelehnt. Der Vorsitzende Richter begruendete, „es sei nicht erforderlich, Tiere aus religioesen Motiven zu quaelen. Notfalls koennten Glaeubige ganz auf Fleisch verzichten.“ (SUEDDEUTSCHE ZEITUNG 24.05.1996:17) Das generelle Schaecht-Verbot ist erst im Januar 2002 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden. Rechtsverbindlich galt das Verbot natuerlich nur fuer die muslimischen Glaeubigen, nicht aber fuer die juedischen. Als ob es einen Unterschied fuer die Tiere macht, ob der Name Gottes auf Hebraeisch oder Arabisch angerufen wird. 
Aber islamische Moscheevereine haben halt in Deutschland nur den rechtlichen Status eines Kegelclubs, wie Ahmed es einmal ausdrueckte. Und auch muslimische Kindergaerten oder Schulen werden - im Gegensatz zu entsprechenden christlichen konfessionellen oder juedischen Einrichtungen - vom deutschen Staat nicht unterstuetzt. Ebensowenig wie muslimische Krankenhaeuser oder Altenheime. Selbst muslimische Bestattungen sind vielerorts problematisch.

Mit einer Anerkennung der islamischen Gemeinschaft als „Koerperschaft des oeffentlichen Rechts“ - mit Rechten vergleichbar etwa den Rechten der christlichen Kirchen oder der juedischen Gemeinschaft - liessen sich viele Probleme der Muslime in der deutschen Gesellschaft loesen. Aber der deutsche Staat ist weit davon entfernt, den Muslimen eine solche rechtliche Plattform zu bieten. Dazu muesste ja offiziell anerkannt werden, dass der Islam in Deutschland keine voruebergehende Erscheinung mehr ist. Und welcher Politiker moechte schon seinen Waehlern erzaehlen, sie muessten sich nun doch mal langsam an Kopftuecher und Minarette in ihrer Nachbarschaft gewoehnen?

Minarette und Moscheen sind ueberhaupt ein Thema fuer sich. Jeden Freitag rufen die Nachbarn unserer Moschee gegen Mittag die Polizei an, weil sich so viele Auslaender versammeln. Die kommen natuerlich zum Freitagsgebet, was auch die Polizei schon lange weiss. Die Nachbarn dagegen scheinen das noch nicht mitbekommen zu haben. 
Und als wir einmal unseren Wagen abholten, der aus dem Parkverbot vor einer anderen Moschee abgeschleppt worden war, sagte man uns: „Parken Sie besser nicht noch mal vor der Moschee. Da wird jetzt im Ramadan immer abgeschleppt.“
Moscheen existieren praktisch nur in Hinterhoefen. Baugenehmigungen werden kaum erteilt.
In Aachen tauchten im Vorfeld der Planungen fuer ein neues islamisches Kulturzentrum Flugblaetter einer „Buergerinitiative gegen islamische Gewalt und Terror“ auf: „Wichtige Informationen fuer alle Aachener Buerger!!! Wehret den Anfaengen!“
In Soest fuehrte die „CHRISTLICHE MITTE“ aus gleichem Anlass eine Buerger-Befragung durch: „Ein Islam-Zentrum im islamischen Soest? Die Islamisierung ist auf dem Vormarsch.“

Einzelfaelle? Wohl kaum! Der Untersuchungsausschuss „Rassismus und Auslaenderfeindlichkeit“ des Europaeischen Parlaments konstatierte 1991 in seinem Bericht  eine seit 1986 um sich greifende „Islamophobie“ in Belgien , „breite Opposition gegen den Bau von Moscheen in Frankreich“  und eine „Ablehnung, ja Feindseligkeit“ gegenueber dem Islam im Vereinigten Koenigreich . Der Buergermeister der Gemeinde Ishøj in Daenemark aeusserte 1987, „er wolle keine weiteren Auslaender in Ishoj mehr zulassen, unter der Behauptung, die Tuerken betrieben die ‘Khomeinisierung Ishojs’“. (EG-EP 1991:61)
DIE WELT veroeffentlichte am 19. Maerz 1994 den Vorabdruck eines neuen Buches ueber den Islam. Der Autor setzt sich mit islamischem Fundamentalismus in Europa auseinander. Er spricht unter anderem ueber „Duesternis der eifernden Dunkelmaenner, die Nacht der Denkverbote und Glaubenszwaenge, die lebensfeindliche Weltverneinung der schwarz verhuellten Frauengestalten“. Er beschaeftigt sich mit dem „Recht auf Heimat“ der „‘eingeborenen’ Bevoelkerungsmehrheit“, die ihre Rechte „unbedingt verteidigen“ muss gegen eine „ohnehin nur in der Anfangsphase friedliche unkontrollierte Masseneinwanderung“, Zitat: „Wer wuerde annehmen, dass eine Religion, die von vornherein darauf besteht, zu herrschen und nicht beherrscht zu werden, sich auf die Dauer damit zufrieden geben wird, der Ewige Zweite zu sein?“ 
Die Staatsanwaltschaft schreibt dazu am 17. Mai: „Der Artikel setzt sich kritisch mit dem fundamentalistischen Fluegel der Islamisten auseinander, der weder ein Teil der Bevoelkerung i.S.v. § 130 des Strafgesetzbuches (StGB) noch eine rassische Einheit i.S.v. § 131 StGB ist.
Zu Gewalt- und Willkuermassnahmen wird nicht aufgerufen. ...
Das Strafrecht jedenfalls darf  .. Missbrauchsgefahr nicht zum Massstab seiner Grenzziehung zwischen Recht und Unrecht machen.“ 
Nur eine Woche danach, am 24. Mai, veroeffentlicht die Evangelische Akademie Iserlohn in einer Presseerklaerung: „Mit heutigem Datum teilen wir mit, dass sich die Evangelische Akademie Iserlohn genoetigt sieht, das vom 3. - 5. Juni 1994 angesetzte christlich-islamische Forum zu den Themenbereichen: ‘Staatsverstaendnis - Menschenrechte - Wirtschaftsordnung’ aus Sicherheitsgruenden abzusagen.
Seit ca. zwei Wochen erhalten wir taeglich Drohungen der unterschiedlichsten Herkunft und Qualitaet - von Demonstrationsankuendigungen bis zu Hinweisen auf gewalttaetige Anschlaege -, von denen wir einige in ihrem Realitaetsgehalt verifizieren koennen, waehrend bei anderen ein Unsicherheitsfaktor ueber die mit ihnen verbundene Ernsthaftigkeit verbleibt.“ 
Das deutsche Volk laesst sich nicht gerne provozieren. Und ist es etwa keine Provokation, wenn wir Deutschen aus purer Menschenfreundlichkeit diesen Muslimen erlauben, in unserem Lande zu leben, und diese bornierten Starrkoepfe, anstatt unsere moderne Lebensart dankbar zu uebernehmen, auf ihrer rueckstaendigen Lebensweise beharren. 
Einer meiner Pruefer an der Universitaet sagte mir: „Wenn eine Frau ein Kopftuch traegt, so will sie mir damit doch signalisieren, sie sei besser als ich.“
Und wie kann das sein? Ist Europa nicht unumstritten die Krone der Zivilisation?

Nun werden Sie wahrscheinlich das sagen, was ich schon so oft gehoert habe: „Die Muslime sind aber auch selber schuld. Schliesslich koennten sie sich ja anpassen.“

Ich frage Sie, was ist das fuer eine Logik? Schuld ist nicht die Gesellschaft, die das Fremde ausgrenzt? Schuld ist das Fremde selbst, da es die Dreistigkeit besitzt, hier zu existieren?
Was sagen Sie den anderen Minderheiten, den Juden, Schwarzen, Behinderten?

Was sagen Sie meinen Kindern? Deutschland bietet ihnen die Freiheit, so zu sein, wie die anderen? Wie koennen sie das, mit einem aegyptischen Vater? Mit einem arabischen Namen? Selbst wenn sie sich, was meine Familie ja immer noch hofft, spaeter einmal gegen den Islam entscheiden - Gott moege es verhueten - werden sie nie so sein, wie die anderen. Aber daran bin ja auch wieder nur ich selber schuld. Warum habe ich einen Auslaender geheiratet, mit ihm Kinder bekommen, und denen dann auch noch einen „exotischen“ Namen gegeben? Hatte man mir nicht schon am Standesamt davon abgeraten?
Deutschland ist ein demokratisches Land. Das Volk bestimmt, was hierhin passt, und was nicht. Zur Zeit erfreuen sich hier auch „Auslaender“ keiner all zu grossen Beliebtheit - ebenso wie im uebrigen Europa. Immer wieder werden sie zum Ziel auslaenderfeindlicher Gewalttaeter. „Weil sie am leichtesten als Fremde zu identifizieren sind, gehoeren Menschen aus der Dritten Welt zu den bevorzugten Opfern.“  (DER SPIEGEL 22.07.1996:29)
In Frankreich wurden laut Bericht des Untersuchungsausschusses „Rassismus und Auslaenderfeindlichkeit“ des Europaeischen Parlaments in den Jahren 1987 bis 1990 neunzehn Nordafrikaner und ein Rumaene ermordet: „zumindest fuer die Haelfte der Morde gibt es keinen anderen Grund als den Wunsch, Auslaender zu toeten. In einem Fall, bei dem sechs Jugendliche einen tunesischen Vater von sechs Kindern einfach zu Tode traten, meinte einer der festnehmenden Polizisten fassungslos: „Am meisten hat mich schockiert, dass ihnen jegliches Unrechtsbewusstsein fehlte.“ ... Bei einem weiteren Vorfall, bei dem ein marokkanischer Jugendlicher sich schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort befand, gab der Moerder ein „Versehen“ zu, denn er glaubte, auf einen Chinesen geschossen zu haben.“ (EG-EP 1991:65) 
Das gleiche fehlende Unrechtsbewusstsein konstatieren 1996 deutsche Ermittler den meist jugendlichen fremdenfeindlichen Gewalttaetern. „Es macht denen einfach Spass, jemanden zusammenzuschlagen“. (DER SPIEGEL 22.07.1996:32)

Und auch Politikern fehlt jedes Unrechtsbewusstsein. Schliesslich gilt in Deutschland doch auch fuer Auslaender das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz und die Rechtswegsgarantie fuer denjenigen, „der durch die oeffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird“ (GG Art.19, Abs.4). Im uebrigen kann die Polizei ja nicht ueberall gleichzeitig sein.
In Frankreich dagegen gibt es zumindest ein Antirassismusgesetz. Doch dieses Gesetz wird dort von Gerichten „immer restriktiver ausgelegt. So sollte es „Menschengruppen“ vor Diskriminierung schuetzen. Die Gerichte gelangten zu einer Definition des Begriffs „Menschengruppe“, der zufolge Auslaender keine Gruppe bilden“  (EG-EP 1991:67)
„Klagen wegen rassistischer Aeusserungen werden abgewiesen, da sie „sich in den Grenzen der Polemik“ bewegen oder „eine politische Meinung“ wiedergeben. Waehrend es schwierig, wenn nicht unmoeglich ist, einem Polizisten rassistische Aeusserungen nachzuweisen, werden Auslaender, die es wagen, einen Polizisten als Rassisten oder „sale Français“ (dreckigen Franzosen) zu beschimpfen, sehr schnell wegen Rassismus bestraft.“ (EG-EP 1991:91) 
„Die schwierige Beweisfuehrung in Faellen von Rassismus wird im Fall von drei Nordafrikanern deutlich, die zeigen wollten, dass zwei Nachtclubs in Moulkins (Zentralfrankreich) ihre Gaeste nach rassistischen Kriterien auswaehlen. Ein hilfreicher Journalist betrat die beiden Nachtclubs mit Bluejeans und Krawatte. Die drei arabischen Jugendlichen folgten ihm in eleganter Kleidung und mit Krawatte, wurden aber abgewiesen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verurteilte ihr Vorgehen mit den Worte: „Sie haben keine Untersuchung durchgefuehrt, sondern die Provokation gesucht. In Frankreich aber werden Provokateure aus dem Gerichtssaal gewiesen.“ (EG-EP 1991:93)

Auslaender provozieren allein durch ihre Existenz. Sie provozieren dadurch, dass sie anders sind. Ein deutscher Skinhead sagte einmal bei einem Fernsehinterview: "Die haben halt kein Deutschtum." Was das genau sein soll? Wer weiss das schon? Hat sich das „Deutsche“ nicht erst im Zusammenspiel vielfaeltiger Einfluesse entwickelt? Wuerden wir nicht sonst noch in Huetten hausen, Felle anziehen und Auseinandersetzungen mit der Keule austragen? Nun, im letzten Punkt zumindest scheinen die deutschen Skins ja schon wieder auf ihre Wurzeln zurueckgegangen zu sein.
Aber mal im Ernst, zwei Soziologen, Lutz Hoffmann und Herbert Even, haben Auslaenderfeindlichkeit einmal beschrieben als „hartnaeckiges Festhalten an dem Bild einer ethnisch und kulturell homogenen Gesellschaft in der Bundesrepublik“ und als "Weigerung zu lernen" (HOFFMANN 1984:9f). Kultureller Wandel innerhalb einer Gesellschaft, der natuerlich auch durch aeussere Einfluesse zustande kommt, kann gar nicht an einem Punkt der Geschichte angehalten werden, um zu sagen: "Das ist es jetzt. Das ist die deutsche Kultur."

Aber nicht nur Deutschland, ganz Europa beginnt, sich zunehmend abzuschotten. „Auslaenderpolitik? Sowas gibt es doch im Europaparlament gar nicht. Da sind doch alle Auslaender.“ Das sagte man mir am Wahlstand der CDU, als ich um Broschueren zur Auslaenderfrage bat. Armes Europa. Die Grenzen verschwinden und hinter Europa hoert die Welt auf.

Ich bin nicht deshalb Muslima geworden, weil mir die Entwicklung in der westlichen Gesellschaft nicht gefaellt. Aber je laenger ich Muslima bin, desto deutlicher sehe ich, was alles anders sein koennte. Ich habe immer dafuer plaediert zu bleiben. Denn wenn wir gehen, dann vertun wir die Chance, ueberhaupt jemals etwas zu veraendern. Und das tut mir nicht nur als Muslima leid, sondern erst recht tut mir das als Deutsche leid. Schliesslich ist und bleibt das immer noch mein Land, das sich da selbst sein Grab schaufelt. Denn Stillstand, das ist Tod. 
Aber wie erklaeren Sie das einem Kind? Wie erklaeren Sie ihm, warum es auf der Strasse angepoebelt wird? Wie erklaeren Sie ihm, warum die anderen Kinder nicht mit ihm spielen wollen? Warum man es hier nicht haben will? Habe ich das Recht, meinen Kindern eine Zukunft vorzuenthalten?

Ich habe die Kinder gesehen, die von Land zu Land geschickt werden, von Sprache zu Sprache, von Schule zu Schule. Auch das ist keine Loesung. Kinder brauchen ein Zuhause, einen Ort, wo sie hingehoeren.

So sind wir dann doch gegangen, solange wir noch die Zeit dazu hatten. Solange unsere Kinder noch klein waren und noch nicht in die Schule gingen. Solange wir uns noch an eine neue Umgebung gewoehnen konnten. Solange nicht auch noch die letzten Beziehungen Mohameds zu seiner Heimat abgebrochen waren. Neun Jahre Deutschland sind eine lange Zeit!

Wir haben eines Tages unsere Sachen gepackt und sind nach Aegypten gegangen, das Land der Pyramiden, der Wuesten und des Staubs. Hier sind meine Kinder zu Hause. Mein Mann ist Aegypter. Und da Kinder in Aegypten ueber den Vater definiert werden, sind auch sie Aegypter. Dass sie etwas hellere Haut und Haare haben, als die anderen, gilt als schick.
Und was nun mich betrifft, natuerlich vermisse ich meine Familie, meine Freundinnen, meine Sprache. Und auch das gruene Sauerland, die kalten Winter und die sauberen Strassen. Aegypten ist Dritte Welt. Das laesst sich nicht verleugnen. Aber ich denke, Deutschland hat schon aufgehoert, meine Heimat zu sein, als ich Muslima geworden bin.
Als wir Deutschland verlassen haben, sagte mir meine Oma: „Dein Platz ist da, wo dein Mann ist.“  Sie war die einzige, fuer die es ganz natuerlich war, dass ich gegangen bin. 
Sie hatte recht. Ich gehoere dahin, wo meine Familie hingehoert. Und mein Familie gehoert nach Aegypten. Hier bin ich die Mutter von Tasnim und Yusra. Viele nennen mich „Umm Tasnim“, nach dem aeltesten Kind. Keinen interessiert, woher ich gekommen bin. Und als Muslima bin ich eine Glaubensschwester. Auch als solche gehoere ich hier hin. Ich habe einen Platz in der Gesellschaft. Ich bin eben doch noch „Aegypterin“ geworden. Oder vielleicht immer noch nicht so ganz ...?
 

Ich denke, es war auch fuer mich die richtige Entscheidung, Deutschland zu verlassen und nach Aegypten zu ziehen.

Doch sicher weiss das nur Gott allein.
 

Ich nehme meine Zuflucht bei Gott vor dem gesteinigten Satan .
Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen.
„Bei der Zeit! Wahrlich, der Mensch ist zum Verderben verurteilt, ausser denjenigen, die glauben und gute Werke tun und sich gegenseitig zum Rechten aufrufen und sich gegenseitig zur Geduld und Standhaftigkeit aufrufen.“ (103)
Saddak Allahu Azim.
 

 
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