Michael Bruder [alias M. Bibleres]
Cäcilienweg 17
46537 Dinslaken

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft
d. Zeugen Jehovas; E.V.
— Schreibabteilung —
Am Steinfels
65618 Selters (Niederselters)

Dinslaken, den 03.03.2000


Betreff: Jahrbuch 2000 über Jehovas Zeugen gegen Bulgarien und der Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte, der mir vorliegt

Liebe Brüder,

Im Jahrbuch 2000 auf der Seite 24 wird kurz geschildert, was dazu führte, daß Jehovas Zeugen in Bulgarien rechtmäßig anerkannt wurden, obwohl ganz andere Umstände zur Anerkennung führten. So heißt es im Jahrbuch:

Eine Berufung vor dem obersten bulgarischen Gerichtshof wurde unter anderem aus dem Grund zurückgewiesen, weil Jehovas Zeugen nicht an die Dreieinigkeit und an andere unbiblische Lehren der Christenheit glauben.


Welche Gründe "unter anderem" waren es denn, an denen die rechtliche Anerkennung der Zeugen Jehovas gleichfalls scheiterte? Nur ganz beiläufig wird hier erwähnt, daß die Ablehnung der "Dreieinigkeitslehre" und "andere unbiblische Lehren der Christenheit" — um welche es sich dabei handelte wird in dem besagten Buch (lieber nicht?) angegeben — dafür verantwortlich waren. Eine Konstruktion, die nicht sehr überzeugt, da es einen weit gewichtigeren Grund dafür gäbe, von einer Anerkennung seitens der bulgarischen Regierung Abstand zu nehmen. Nichts von dem wird im Jahrbuch berichtet, zu welcher Feststellung die Europäische Kommission am 9. März 1998 in ihrer Sitzung gekommen ist. In ihren Briefen vom 10. Und 11. Februar 1998, setzten die Parteien die Kommission in einem Schlußtext zur Kenntnis, daß diese eine gütliche Einigung (friendly settlement) erziehlt hatten. Diesen Text hat die Kommission in ihrem Report of the Commission zusammengestellt und hätte ins Jahrbuch, zumindest auszugsweise, mit aufgenommen werden müssen. Dann hätten alle unsere Brüder und Schwestern die folgenden Zeilen zu lesen bekommen:


EUROPÄISCHE MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Antrag Nr. 28626/95
Khristiansko Sdruzhenie "Svideteli na Iehova"
(Christliche Gemeinschaft der Zeugen Jehovas)
gegen
Bulgarien
BERICHT DER KOMMISSION
(angenommen am 9. März 1998)


17. In Briefen vom 10. und 11. Februar 1998 setzten die Parteien die Kommission über einen Schlußtext für eine gütliche Regelung in Kenntnis. Dieser Text, zusammengestellt auf der Grundlage des von den Parteien erhaltenen Briefwechsels, lautet wie folgt:

I. Bezüglich des Ersatzes der Wehrdienstes durch einen Ersatzdienst wird die Regierung Bulgariens sich verpflichten, im Parlament einen Gesetzentwurf einzubringen, mit dem ein Zivildienst als Alternative zum Wehrdienst eingerichtet wird.

1.1. Nach dem Dafürhalten der Antragstellerin kommt der Entwurf der Forderung von Verweigerern aus Gewissensgründen, Angehörigen der Zeugen Jehovas, nach, die an einem zivilen Ersatzdienst anstelle des Wehrdienstes teilnehmen wollen.

1.2. Der abschließende Gesetzesentwurf, eingebracht vom parlamentarischen Ministerrat, wird sofort der Europäischen Kommission für Menschenrechte unterbreitet.

II. Bezüglich der Haltung der Zeugen Jehovas zur Blutfrage verpflichtet sich die Antragstellerin, eine Erklärung zu verfassen, die den Statuten der Zeugen Jehovas in Bulgarien im Hinblick auf ihre Registrierung als wesentlicher Bestandteil beigefügt wird, und die besagt:

2.1. Jehovas Zeugen als Patienten nehmen für sich selbst und für ihre Kinder das medizinische System in Anspruch; jedes Mitglied hat das Recht, dieses [medizinische System] aus freiem Willen in Anspruch zu nehmen, und zwar ohne Kontrollen und Sanktionen seitens der Antragstellerin.

2.2. In Übereinstimmung mit dem bulgarischen Gesundheitsrecht verpflichtet sich die Christliche Gemeinschaft der Zeugen Jehovas in Bulgarien, die Anwendung des besagten Gesetzes zu respektieren, worin es heißt: \2.2.1. - keine medizinische Voraberklärung abzugeben, daß Minderjährige keine Bluttransfusion erhalten dürfen [d.h. daß ungetauften oder getauften Minderjährige verboten wird, eine Karte gegen Transfusionen mit sich zu führen]. 2.2.2. - und was Erwachsene betrifft, wird in Beachtung des genannten Rechts anerkannt, daß jeder einzelne die Freiheit der Wahl behält. 18. Auf ihrer Sitzung am 9. März 1998 stellte die Kommission fest, daß die Parteien über die Bedingungen für eine Regelung Einigkeit erzielt hatten.
Mit Bezug auf Artikel 28, Absatz 1 (b) der Konvention wurde weiter in Betracht gezogen, daß die gütliche Regelung des Falles auf der Basis der Achtung vor den Menschenrechten, wie sie in der Konvention niedergelegt sind, erreicht wurde. (Unterstreichung von mir) Aus diesen Gründen nahm die Kommission den vorliegenden Bericht an. M. De SALVIA S. TRECHSEL
Secretary President
to the Commission of the Commission

Wenigstens die Punkte 2.1 bis 2.2.1 (sehr wichtig!) hätten im Jahrbuch Aufnahme finden müssen. Ich glaube, den vorgeschobenen Grund der "Dreieinigkeitslehre" und den "anderen unbiblischen Lehren" können wir getrost beiseite schieben. Nicht irgendein Glaubensbekenntnis steht in dem Bericht der Kommission zur Sprache. Die erzielte "gütliche Einigung" wurde auf der "Basis der Achtung vor den Menschenrechten getroffen, wobei die "Blutfrage" hier recht gut ins Bild des Berichtes passt. Dies wird im Jahrbuch 2000 verschwiegen.
Übrigens, eine Kopie des Report of the Commission (ich hatte ihn mir direkt aus Frankreich schicken lassen) habe ich unserem ehmaligen Kreisaufseher zukommen lassen, der sich bei mir dafür bedankte mit der Bemerkung, "wir haben darüber lediglich einen Pressebericht [zensiert?] erhalten."


Mit freundlichen Grüßen

Michael Bruder


Anwortschreiben aus Selters:

 

JEHOVAS ZEUGEN
AM STEINFELS, 65618 SELTERS, OT NIEDERSELTERS

LC:LSC
Herrn Michael Bruder
Cäcilienweg 17
46537 Dinslaken


15. März 2000

Lieber Bruder Bruder,

vielen Dank für Dein Schreiben vom 03.03.2000 zu Seite 24 des Jahrbuches 2000.
Wie aus dem von Dir beigefügten Bericht der Kommission zu erkennen ist, wurde der Wortlaut dieses Textes von der Kommission „auf der Grundlage des von den Parteien erhaltenen Briefwechsels“ zusammengestellt. Die Mißverständlichkeit in den Formulierungen wird anhand folgender Ausführungen deutlich.

Unter Punkt 2.1 wird gesagt, daß Jehovas Zeugen als Patienten für sich selbst und ihre Kinder das medizinische System in Anspruch nehmen; jedes Mitglied hat das Recht, dieses [medizinische System] aus freiem Willen in Anspruch zu nehmen, und zwar ohne Kontrollen und Sanktionen von Seiten der Religionsgemeinschaft. Wie Dir bekannt ist, suchen wir als Zeugen Jehovas die bestmögliche medizinische Versorgung für uns und unsere Kinder. Weder wird die Wahl der medizinischen Behandlung seitens der Religionsgemeinschaft kontrolliert, noch mit irgendwelchen Sanktionen belegt. Dies wird ums so deutlicher, wenn man den Hintergrund dieser Vereinbarung kennt und weiß, daß in den Verhandlungen der Begriff "Sanktion" mit einem automatischen, willkürlichen Gemeinschaftsentzug gleichgesetzt wurde. Selbst wenn bekannt werden sollte, daß sich jemand für eine medizinische Behandlungsmethode entschieden hat, die die Gabe von Blut erforderte, kommt es nicht zu einem automatischen Gemeinschaftsentzug. Ausschlaggebend sind vielmehr die Umstände und die Einstellung des Betroffenen. In der von der Regierung von Bulgarien genehmigten und anerkannten Satzung der Religionsgemeinschaft in Bulgarien heißt es wörtlich:

The Denomination of Jehovah’s Witnesses in Bulgaria does not exercise any control over the free will of believers but allows them to exercise their conscience consistent with godly Bible principles. Nor does the Denomination arbitrarily apply sanctions in connection with the medical care that Jehovah’s Witnesses conscientiously seek for themselves and their children. The Denomination adheres to the loving and righteous principles of God’s Word in this aspect of Christian life.

Im Hinblick auf die unter 2.2.1. stehenden Passage der Erklärung, daß keine medizinische Voraberklärung abgegeben wird, daß Minderjährige keine Bluttransfusionen erhalten dürfen, ist folgendes erklärend hinzuzufügen.
Die Gesetzeslage in Bulgarien sieht im Gegensatz zu der in Deutschland nicht die Möglichkeit vor, daß sogenannte "reife Minderjährige" die Möglichkeit haben, eine Entscheidung hinsichtlich der medizinischen Behandlung zu treffen. Insofern sind getaufte Minderjährige gesetzlich nicht in der Lage, eine eigene Willenserklärung über die medizinische Behandlungsmethode zu treffen, sondern unterstehen weiterhin der elterlichen Fürsorge. Deshalb werden minderjährige Zeugen Jehovas in Bulgarien keine medizinische Anweisung (Dokument zur ärztlichen Versorgung) gebrauchen.

Durch die Formulierung "unter anderem" läßt die Leitende Körperschaft deutlich werden, daß der angegebene Grund nur einer neben anderen Gründen war. Wir sind davon überzeugt, daß die Brüder sorgfältig erwogen haben, was zur Ermunterung und Erbauung der internationalen Bruderschaft passend und im Rahmen des vorgegebenen Umfangs möglich war.

Wir hoffen Dir mit diesen zusätzlichen Erklärungen geholfen zu haben. Sofern es weitere Fragen in diesem Zusammenhang gibt, kannst Du Dich gern unter Bezugnahme auf obiges Abteilungszeichen an uns wenden.

Während wir darin aufgehen, die gute Botschaft zu predigen, senden wir herzliche Grüße christlicher Verbundenheit.

Eure Brüder
Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland, e.V.


Mein Anwortschreiben:

 

Michael Bruder
Cäcilienweg 17
46537 Dinslaken

Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft
d. Zeugen Jehovas; E.V.
— Schreibabteilung —
Am Steinfels
65618 Selters (Niederselters)

Dinslaken, den 30.04.2000

Betreff: Euer Schreiben/Zeichen: LC: LSC vom 15 März 2000


Liebe Brüder,

habt recht herzlichen Dank für Eure sachliche Kommentierung meines Briefes über den Fall Zeugen Jehovas in Bulgarien. Ihr habt in Eurem Brief noch einmal mit Bezug auf den Punkt 2.1 der europ. Kommission klargestellt, daß weder die Wahl der medizinischen Behandlung seitens der Religionsgemeinschaft kontrolliert, noch mit irgendwelchen Sanktionen belegt wird. Zweifel an der Zusicherung, daß derartige höchstpersönliche Gewissensentscheidungen über eine medizinische Behandlung sanktionsfrei bleiben, bzw. nicht kontrolliert werden, ergeben sich jedoch meines Erachtens aus Eurer Formulierung, welche besagt, daß die Einwilligung einer Bluttransfusion "nicht zu einem automatischen Gemeinschaftsentzug" führt (Unterstreichung von mir); ausschlaggebend seien "vielmehr die Umstände und die Einstellung der Betroffenen" (ebd.). Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn ihr nochmal konkretisieren könntet, was darunter zu verstehen ist. Diese Vorbehaltsklausel nimmt zwar nicht unmittelbar Einfluß auf die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, sie erweckt jedoch in mir den Eindruck, daß das Gebrauchmachen von ihr, für den getauften Patienten mit einem Nachspiel verbunden ist.

Wie Ihr weiterhin in Eurem Brief ausführt, ist die Bulgarische Regierung offensichtlich fälschlicherweise davon ausgegangen, daß einem Zeugen Jehovas, der sich für eine medizinische Behandlungsmethode, welche eine Bluttransfusion erfordert, entscheidet, automatisch die Gemeinschaft entzogen wird. Auch ich bin mir klar darüber, daß der Vollzug eines Ausschlusses aus der Gemeinschaft nicht unmittelbar erfolgt.

Warum sind dennoch beide Parteien schriftlich in dem Punkt 2.1 aber gerade darin übereingekommen, daß jedes Mitglied das Recht hat, "dieses [medizinische System] aus freiem Willen in Anspruch zu nehmen, und zwar ohne Kontrollen und Sanktionen seitens der Antragstellerin" (Bericht der Kommission, 9. März 1998; Unterstreichung von mir), obwohl es sowieso nicht zu einem automatischen Gemeinschaftsentzug kommt? Also konkret, warum war ein Einvernehmen auch in diesem Punkt dann überhaupt notwendig?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Bruder


Erinnerungsschreiben

Michael Bruder
Cäcilienweg 17
46537 Dinslaken


Jehovas Zeugen
Am Steinfels,
65617 Selters, OT Niederselters

Dinslaken, den 06.07.2000

Betreff: Mein zweiter Brief vom 30.04.2000 an Euch wegen einiger Nachfragen zu Eurem Schreiben LC:LSC 15.März 2000 (Jehovas Zeugen und Bulgarien)


Liebe Brüder,

in März hatte ich Euch ein weiteres Schreiben zukommen lassen, datiert 30.04.2000, weil ich noch ein paar Nachfragen zu Eurem obengenanntem Antwortschreiben geäußert hatte. Durch die Kongressvorbereitungen seid ihr wahrscheinlich nicht in der Lage, alle Anfragen in einem angemessenen Zeitraum zu beantworten. Ich dachte bei mir, dass es sicherlich gut ist, mich bei Euch noch mal in Erinnerung zu rufen. Um zur Vereinfachung und Reduzierung Eures Zeitaufwandes beizutragen, habe ich meine Nachfrage vom 30.04.2000 als Anhang in Kopie nochmals zu Euren Händen beigefügt. In der Zuversicht, dass ihr den Geist Jehovas in Euch wirken lasst verbleibe ich mit christlichen und herzlichen Grüßen.

Euer Bruder

Michael Bruder


Antwort von Selters

 

JEHOVAS ZEUGEN
AM STEINFELS, 65618 SELTERS, OT NIEDERSELTERS

Herrn LC:LSC
Michael Bruder
Cäcilienweg 17
46537 Dinslaken

15. März 2000


Lieber Bruder Bruder,

Deine Briefe vom 30.04.2000 und 06.07.2000 haben wir erhalten und bedanken uns für Dein geduldiges Warten auf Antwort.

Leider können wir zu unserem Antwortschreiben vom 15.03.2000 keine Auskünfte hinzufügen, da uns keine weiteren Einzelheiten bekannt sind. Außerdem wird durch die Leserfrage in der Wachtturm-Ausgabe vom 15. Juni 2000 deutlich, dass sich in unserem Lehrverständnis in Verbindung mit der Blutfrage nichts grundlegend verändert hat.

Mit dem Wunsch, dass Jehova uns durch seinen Geist helfen möge, die gute Botschaft eifrig zu verkündigen, senden wir unsere herzlichen Grüße

Deine Brüder
Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas In Deutschland, e.V.

 

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letzte Aktualisierung: 1. 11. 2000
Web-Adresse: http://geocities.datacellar.net/athens/ithaca/6236/bibleres.htm

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