Eine Stellungnahme der Wachtturm-Gesellschaft in der Blutfrage

 

Auf einer Besprechung der regionalen Repräsentanten der Abt. Öffentlichkeitsarbeit der Zeugen Jehovas (früher "regionaler Informationsdienst" genannt) nahm die Wachtturm-Gesellschaft in zwei Programmpunkten Stellung zur Blutfrage. Im folgenden geben wir eine Zusammenfassung der dargestellten Punkte wieder, wie sie uns ein Teilnehmer des Seminars zukommen ließ.


1. Themenkomplex
"Warum ist das Gebot, sich des Blutes zu enthalten, auf Dauer gültig?"

 

Die Begründung der Gesellschaft, warum das biblische Gebot "sich des Blutes zu enthalten", für immer Bestand hat, stützt sich nach ihren Angaben auf drei Säulen:

Die Behauptung, das Blutverbot sei heute, unter dem neuen Bund, nicht mehr gültig, lässt sich mit Hilfe der Bibel nicht belegen. An keiner Stelle der Bibel wird dieses vormosaische Verbot explizit aufgehoben.

Auch manche Gelehrte bestätigen diese Ansicht:

Es ist eine Verordnung für die ganze Menschheit: (Autor unbekannt)
Das Verbot des Blutgenusses, das Noah ... auferlegt ... wurde, ist nie widerrufen worden, sondern [in der Apostelgeschichte] ... bestätigt und somit zu einer für alle Zeiten geltenden Verpflichtung geworden
(Joseph Benson, Bibelgelehrter, 19. Jhdt, zitiert in WT 15.6.91, S.9)

Im Gegensatz dazu wurde der Noah´sche Auftrag "seid fruchtbar und werdet viele" durch die Empfehlung Jesu, wenn möglich Raum für Ehelosigkeit zu schaffen, relativiert und ist somit heute in einem absoluten Sinne nicht mehr gültig.

Der Hinweis auf der Blutsite von Liberal Elder, 1. Mose 9:4 könne auch in dem Sinn übersetzt werden, dass dort steht: „... esst das Fleisch nicht, das noch lebt in seinem Blut.“ (z. B. Lutherbibel) wies der Redner in einer textkritischen Analyse zurück. Da ich kein Fachmann für Altgriechisch bin (es ging um die grammatikalische Beziehung des Wortes für "Blut" zu dem Wort "Seele"), kann ich dieses Argument nur schwer darlegen und auch nicht verifizieren. Jedenfalls wurde darauf hingewiesen, dass sich diese Übersetzungsspielart mehr auf rabbinische Traditionen als auf die Wortbedeutung stützt. Josephus, der jüdische Historiker, hätte jedenfalls seine Landsleute noch ermahnt: „Doch genießt nicht das Blut zusammen mit dem Fleisch.“ Die Neue-Welt-Übersetzung "Fleisch mit seiner Seele - seinem Blut" ist demnach eine korrekt wiedergegebene Übersetzung des Originaltextes und wird durch viele andere moderne Bibelübersetzung gestützt.

Apostelgeschichte Kap. 15; 28+29 war die zweite Schriftstelle, die unter diesem Gesichtspunkt behandelt wurde. Sollte das Aposteldekret nur vorübergehend gültig sein, damit es zwischen den Heidenchristen und Judenchristen nicht zu unnötigen Spannungen käme?

Diesem Einwand wurde dadurch gegenübergetreten, indem die genaue Bedeutung der griechischen Verbformen hervorgehoben wurde. Die Zeitform, die hier im Vers 29 benutzt wird, hebt die andauernde Haltung in dieser Sache und die dringende Notwendigkeit hervor; es handelt sich demnach nicht um ein "Verzichten" (um des lieben Friedens willen), sondern um eine Notwendigkeit.

Vgl. dazu das Zitat von Eduard Reuss auf S. 2 der Blutbroschüre (Kasten):

Die ... Richtlinien [in Apg 15] sind, durch einen Zusatz bekräftigt, unbedingt (Hervorheb. durch uns) einzuhalten, da sie ganz eindeutig beweisen, dass die Apostel .... keine vorübergehende Einrichtung oder behelfsmäßige Maßnahme im Sinn hatten.

Geschichtliche Beispiele würden das auch bestätigten. Dann folgten die wohlbekannten Beispiele von

Zur Auflösung des Widerspruchs, dass Paulus das Essen von Fleisch, das Götzen geopfert wurde, scheinbar im Gegensatz zu den Aposteln wieder erlaubte, wurde auf WT 1.5.79 verwiesen.

Ein letzter Punkt, der in diesem Teil behandelt wurde, drehte sich um den Einwand, dass sich das Blutverbot nur auf eine Ernährung mit Blut, aber nicht auf dessen medizinische Anwendungen erstreckt.

Dazu wurde angemerkt, dass bei den Juden die Verwendung von Blut oft eng auch mit Heilzwecken in Verbindung stand und noch steht und sie, die ja Meister in der Auslegung der Gesetzestexte sein müssen, hier eine enge Beziehung sehen. Eine enge Verbindung von Blut und Medizin geht auch z. B. ganz allgemein daraus hervor, dass ein Baden in Menschenblut vielerorts als Wunderheilmittel galt.

Daraufhin wurden wieder viele "Belege" angeführt, dass medizinische und andere Fachleute ebenfalls die Meinung vertreten (vertraten), dass Blut und Heilung eng zusammengehören.

Jedenfalls wurde auf die Geschichte der Bluttransfusionen verwiesen, angefangen mit Papst Innozenz, über einen weiteren Papst, der alle derartigen (damals noch sehr primitive Experimente) mit dem Hinweis auf das biblische Dekret verbot, bis zu Santinelli (1688). Kernpunkt ihrer Zitate: „aber dennoch widersprechen die heutigen [geschrieben 1688] Transfusionen dem damaligen [Blut-]Verbot;“ „jede Methode der Blutaufnahme dient demselben Zweck, nämlich der Heilung.“


 

2. Themenkomplex
Hat die leitende Körperschaft Entscheidungen zur Blutfrage revidiert?

 

Der zweite Vortrag stand unter dem Thema: „Hat die leitende Körperschaft Entscheidungen zur Blutfrage revidiert?“ Er behandelte im wesentlichen eines der Argumente, die Dr. Muramoto in seinen Artikeln anführte:

Impfungen, Organtransplantationen und Bluttransfusionen - Wenn die ersteren beiden Dogmen aufgehoben wurden, könnte es sein, dass auch das letzteres Verbot, das Verbot von Bluttransfusionen eines Tages fallen wird?

Dass dem aber niemals so sein wird, wurde ausführlich erläutert.

a) zu Impfungen:
von Impfungen wurde zwar vehement abgeraten, aber es gab nie ein biblisch begründetes Verbot von Impfungen. Im "Goldenen Zeitalter" vom 10.5.29 wurde ein bereits in Fachzeitzschriften erschienener medizinischer Artikel [über die Gefährlichkeit von Impfungen] nachgedruckt, während der Aufsatz im EW vom 5.8.31 von einem Außenstehenden mitverfasst wurde [und dem deswegen auch die Hauptverantwortung aufgebürdet wird?]. Die früheren Warnungen vor Impfungen waren durchaus wegen des primitiven Forschungsstandes und den damaligen Gefahren von Impfungen begründet und wurden von namhaften Kapazitäten geteilt. So benötigte auch die British Medical Association über 100 Jahre, um den medizinischen Wert von Impfungen anzuerkennen.

Das Impf"verbot" war also nach den Angaben der Gesellschaft nie eine offizielle Lehre.

b) zu Organtransplantationen
Hierzu räumt die Gesellschaft ein, dass es Änderungen gegeben hat. Zu Beginn der Transplantationsära waren Organtransplantationen ethisch heftig umstritten und chirurgisch wenig erfolgreich (Zitat Miami Herald: „Wunder oder Kannibalismus?“ - „Sie können beinahe als Kannibalismus bezeichnet werden“).

Im WT vom 15.2.68 wurden deshalb aus ethischen Gründen Organtransplantationen für Zeugen Jehovas abschlägig beurteilt und für Zeugen Jehovas als Kannibalismus verboten.

Im WT vom 15.6.80 wurde dieser Standpunkt revidiert, da man erkannte, dass kein biblisches Verbot als Grundlage vorhanden war. Der Redner fügte dann sarkastisch hinzu: „Hat das zu Tragödien geführt? Wohl kaum!“ war die Antwort, da die Transplantationen zu diesem Zeitpunkt sowieso das Leben kaum verlängerten.

Die Revision, so die Gesellschaft, war ein positiver Schritt, dem biblischen Gesichtspunkt wurde von nun an im Vergleich zum ethischen Standpunkt mehr Gewicht beigemessen.

Man kann schon erahnen, wie es weitergeht:

c) zum Blutverbot
Bei Blut sieht natürlich alles ganz anders aus. Es gibt ein eindeutiges biblisches Gebot in der Apostelgeschichte und „seit 1945 [als das Thema im WT zum ersten Mal erwähnt wurde] hat sich die biblische Grundlage des Tabus nicht geändert.“

Der Vorwurf Muramotos, ständig Veränderungen bei der Auswahl an erlaubten Blutkomponenten zu treffen und immer mehr Ausnahmen zuzulassen, wurde damit zurückgewiesen, dass bereits 1950 Gammaglobuline als untergeordnete und somit nicht betroffene Blutkomponenten erwähnt worden waren, [das Konzept der minor components also bereits damals eingeführt worden war und seitdem grundsätzlich nicht mehr geändert sondern nur verfeinert wurde, so habe ich mir wenigstens diese Argumenation zusammengereiht].

Soweit die nicht gerade erschöpfende Diskussion der Einwände von Dr. Muramoto. Leider wurde auf die mehr diffizileren und subtileren Punkte überhaupt nicht eingegangen.


Zusammenfassung

Zusammenfassend konnte man also folgendes aus diesem Seminar mitnehmen:

1) Nahezu alle Argumente, die auf der Besprechung bezüglich des Blutes vorgetragen wurden, waren altbekannt und oftmals gebraucht.

2) An der prinzipiellen Ablehnung von "Bluttransfusionen" aus religiösen (nicht aus medizinischen) Gründen hat sich nichts, aber auch gar nichts verändert.

3) Jehovas Zeugen, die nach Abwägen aller Fakten und Faktoren zu der Entscheidung kommen, dass ihr Gewissen eine medizinische Behandlung mit verbotene Blutbestandteilen erlaubt, werden zwar weiterhin "nicht automatisch" ausgeschlossen. Aber sie werden von ihren geistlichen Hirten besucht und liebevoll ermuntert, ihre Gewissensentscheidung zu "bereuen". Andernfalls sind sie keine Zeugen Jehovas mehr, denn "echte Zeugen Jehovas möchten keine Bluttransfusionen."

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letzte Aktualisierung: 14. 8. 1999
Web-Adresse: http://geocities.datacellar.net/athens/ithaca/6236/seminar.htm

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