Die Haltung des Wachtturms gerät ins Wanken
Einer der beunruhigendsten Aspekte der Blutfrage bildet für diejenigen, die einige Zeit dafür aufgewendet haben, um sich mit der Haltung der Wachtturm-Gesellschaft in dieser Doktrin auseinanderzusetzen, die Erlaubnis aller einzelnen Bestandteile von Blutplasma mit Ausnahme von Wasser. Danach ist es Zeugen auf der einen Seite freigestellt, sich verschiedene Immunglobuline, Gerinnungsfaktoren, Albumin usw. geben zu lassen, sie dürfen sie andererseits aber nicht alle gleichzeitig erhalten.
Wie rechtfertigt die Gesellschaft eine solch groteske Haltung, und dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß sie früher die Anwendung von Blutfraktionen vehement ablehnte, wie das folgende Zitat deutlich beweist?
Doch ungeachtet dessen, ob es Vollblut oder Blutfraktionen seien, ob Blut dem eigenen Körper oder dem Körper eines anderen entnommen werde, ob es durch Transfusion oder als Injektion eingeführt werde, gilt doch Gottes Gesetz. [d. h. sein Verbot] - Der Wachtturm 1.12.1961 Seite 719
Im folgenden Zitat, das dem Wachtturm vom 1. Juni 1990, Seite 30f, entnommen wurde, finden wir die Argumente, aufgrund derer die Gesellschaft nunmehr den Gebrauch von Blutfraktionen rechtfertigt:
Bemerkenswert ist, daß der Blutkreislauf einer Schwangeren von dem des Fetus getrennt ist; häufig unterscheiden sich auch die Blutgruppen. Das Blut der Mutter strömt nicht in den Fetus. Weder die im Blut der Mutter gebildeten Grundbestandteile (Zellen) noch das Plasma überschreiten die Plazentaschranke und gelangen deshalb nicht in das Blut des Fetus. Tatsächlich kann es später, wenn sich das Blut der Mutter und das des Fetus aufgrund einer Verletzung vermischen, zu gesundheitlichen Problemen kommen (Rh- oder AB0-Unverträglichkeit). Doch einige Substanzen aus dem Plasma der Mutter dringen in den Blutkreislauf des Fetus ein. Trifft das auch auf die Plasmaproteine zu, wie zum Beispiel auf Immunglobulin oder Albumin? Ja, auf einige trifft es zu.
Das Immunsystem einer Schwangeren verfügt über einen Transportmechanismus, durch den etwas von diesem Plasmaprotein in das Blut des Fetus gelangt. Da bei allen Schwangerschaften ein solcher natürlicher Transport von Antikörpern in den Fetus erfolgt, weisen Neugeborene ein gewisses normales Maß an Immunität auf und sind so vor bestimmten Infektionen geschützt.Ähnlich verhält es sich auch mit Albumin, das Ärzte zur Schockbehandlung oder aus bestimmten anderen therapeutischen Gründen verordnen. Forschungen haben ergeben, daß Albumin aus dem Plasma der Mutter ebenfalls über die Plazenta in den Fetus transportiert wird, wenn auch in geringerer Menge als Immunglobulin. Daß einige Plasmafraktionen auf natürliche Weise in das Kreislaufsystem einer anderen Person (des Fetus) transportiert werden, mag zu einer weiteren Überlegung Anlaß geben, wenn ein Christ zu entscheiden hat, ob er sich Immunglobulin, Albumin oder eine ähnliche Plasmafraktion injizieren lassen soll oder nicht. Der eine sagt sich vielleicht, daß er es guten Gewissens tun kann, der andere mag zu einem gegenteiligen Schluß kommen. Jeder muß vor Gott die Angelegenheit selbst entscheiden. (Kursivschrift und Hervorhebungen durch uns)
Die Art der von der Gesellschaft benutzten Argumentation, wird hier ganz deutlich. Der natürliche Transport der verschiedenen erlaubten Bestandteile durch die Plazentaschranke wird als Grundlage dafür angesehen, ob ein Christ diese Blutbestandteile annehmen darf oder nicht.
Älteste und Mitglieder des Krankenhaus-Verbindungskomitees machen oft Aussagen in der Richtung, daß der natürliche Transport dieser Blutbestandteile ein Beweis dafür ist, daß Gott den Gebrauch dieser Blutprodukte erlaubt, da es unvorstellbar wäre, daß Gott sein eigenes Gesetz im Hinblick auf Blut übertreten würde.
Wir, die Mitglieder der Vereinigung der Zeugen Jehovas für eine Reform in der Blutfrage, stimmen dem zu. Es wäre für Gott unvorstellbar, seine eigenen Gesetze zu übertreten. Wenn verschiedene Blutbestandteile tatsächlich die Plazentaschranke überwinden, ob nun von der Mutter zum Fetus oder umgekehrt, dann wäre es ganz vernünftig anzunehmen, daß Gott keinen Einwand gegen den medizinischen Gebrauch dieser Blutbestandteile durch uns Menschen erheben würde.
Interessanterweise enthält die medizinische Literatur umfangreiche Informationen zu diesem Thema. Einiges ist über das Internet zugänglich, anderes nur in Fachzeitschriften zu finden. In beiden Fällen führen wir einen vollständigen Quellennachweis an, so daß jeder dieses Material für sich selbst noch genauer untersuchen kann.
Wir möchten mit der Feststellung beginnen, daß es eine durch viele, viele medizinische Studien bewiesene Tatsache ist, daß im mütterlichen Kreislauf auch fötales Blut zirkuliert. Ist dies eine erst kürzlich gemachte Entdeckung, die der Gesellschaft noch nicht bekannt ist? Das kann man sich kaum vorstellen. Fötale Zellen wurden erstmals aus mütterlichem Blut von Walknowska et al im Jahre 1969 isoliert. Darüber hinaus erkannte dies die Gesellschaft schon bereits im Jahre 1961 als Tatsache an:
Auch wenn es keinen direkten Blutaustausch zwischen der Mutter und dem Fötus gibt, so findet durch Osmose doch ein geringfügiger Transfer zwischen der Mutter und dem Baby über die Plazenta statt. - Blood, Medicine and the Law of God, 1961, S. 25 (Übersetzung durch uns)
Der Einzug gentechnologischer Methoden (Genamplifikation durch P.C.R.) erleichterte zusätzliche Studien in diesem Bereich der Wissenschaften, wobei diese Entwicklungsarbeiten hauptsächlich auf die routinemäßige Diagnose von Geburtsfehlern oder vorgeburtliche Diagnosemethoden abzielten. Dadurch konnte eine wesentlich klarere Antwort auf die Frage, inwiefern ein Austausch von Blutbestandteilen zwischen der Mutter und dem Fötus stattfindet, gewonnen werden. Diese Techniken und das sich daraus ergebende Wissen war bereits vor dem oben zitierten WT-Artikel vom Juni 1990 bekannt und zugänglich geworden.
Ein Artikel im "Journal of the American Medical Association" aus dem Jahre 1993 bespricht zwei Untersuchungen, die im Jahre 1989 und 1990 veröffentlicht wurden, und fährt dann wie folgt fort:
Demnach sind fötale DNA-Sequenzen in der Tat im mütterlichen Blut vorhanden. Unter den verschiedenen dafür in Frage kommenden Zellen scheinen die kernhaltigen Erythrozytenvorläufer am wahrscheinlichsten. Wir konnten kernhaltige Erythrozytenvorläufer [mit einem bestimmten technischen Verfahren] tatsächlich isolieren.
(Übersetzung und Kursivschrift durch uns)
Hier finden wir den Beweis, daß rote Blutkörperchen in der Tat von der Mutter auf den Fötus übergehen. Man kann die Bedeutung dieses Befundes für die Blutdoktrin der Wachtturm-Gesellschaft kaum überschätzen. Wenn man die Überlegungen und die Logik, die von der Wachtturm-Gesellschaft selbst angewandt werden, benutzt, benötigt man eigentlich keine weiteren Beweise mehr, um zu dem Schluß zu kommen, daß Gott keine Einwände gegen die Transfusion roter Blutkörperchen haben dürfte.
Das folgende Untersuchungsergebnis stammt aus den Labors des Baylor College of Medicine:
Fötale Zellen kommen unzweideutig im mütterlichen Blut vor und sie können daraus isoliert werden. Erythroblasten, Trophoblasten, Granulozyten und Lymphozyten wurden alle durch verschiedene Dichtegradienten- und Sortierverfahren isoliert.
(Übersetzung und Kursivschrift durch uns)
Erythroblasten sind unreife rote Blutkörperchen, Lymphozyten weiße Blutkörperchen. Beides sind Blutbestandteile, die von der Wachtturm-Gesellschaft verboten wurden, und dies trotz der Tatsache, daß sie eindeutig unter die Bestandteile fallen, die einem natürlichen Transport durch die Plazentaschranke hindurch unterliegen.
Diese Untersuchung ergab als interessantes Nebenprodukt die Erkenntnis, daß fötale Zellen im mütterlichen Blutstrom über einen ausgedehnten Zeitraum überlebensfähig sind. In einem Fall waren fötale Zellen noch siebenundzwanzig Jahre nach der Geburt des Kindes nachweisbar. Wie passend ist es dann doch, daß wir eine Bluttransfusion als ein Organtransplantat, das Teil unseres Körpers wird, ansehen.
Wie in dem Buch Early Human Development berichtet wird, wurden fötale kernhaltige Erythrozytenvorläufer von vielen Arbeitsgruppen bestätigt. Fötale Zellen wurden im mütterlichen Kreislauf bereits vier Wochen und vier Tage nach der Empfängnis entdeckt und sie sind während der gesamten drei Trimester der Schwangerschaft nachweisbar. Von ebenso großer Bedeutung ist die Tatsache, daß die überwiegende Mehrzahl der Blutproben aus der Nabelschnur belegen, daß die Zellen der Mutter auch im fötalen Kreislauf vorhanden sind. Demnach haben wir in mehr als 50% der Fälle einen gegenseitigen Austausch von Blutbestandteilen [4]
Abschließende Gedanken
Wie kann die Wachtturm-Gesellschaft weiterhin die Tatsachen ignorieren und darauf bestehen, daß Zeugen Jehovas weiterhin eine Politik befolgen müssen, die regelmäßig vermeidbare Todesfälle zur Folge hat. Hier haben wir gesehen, wie die medizinischen Tatsachen klar die Grundlage widerlegen, auf welcher die Gesellschaft einige Blutbestandteile erlaubt und andere verbietet. Die einzigen Fragen, die übrigbleiben, sind folgende:
1. Kannte die Wachtturm-Gesellschaft die ganze Zeit die Tatsachen, und stellte sie die Wahrheit bewußt falsch dar?
2. Versäumte es die Gesellschaft fahrlässigerweise, mit aller Sorgfalt nachzuforschen, als sie eine Verfahrensweise aufstellte, auf die Millionen sich verlassen würden, wenn es um die Wahl ihrer medizinischen Versorgung gehen würde?
3. Werden sie den moralischen Mut aufbringen, und die Angelegenheit bereinigen, ungeachtet dessen, was es sie kosten wird?
4. Wie viele Menschenleben werden bis dahin noch geopfert werden müssen?
Referenzen
1 - Walknowska,J., Conte, F.A., Grumback, M.M. (1969). Practical and theoretical implications of fetal/maternal lymphocyte transfer, Lancet, 1, 119-1122.
2 - Simpson JL; Elias S., JAMA 1993 Nov. 17;270(19):2357-61
3 - Isolating Fetal Cells in Maternal Circulation For Prenatal Diagnosis von Joe Leigh Simpson and Sherman Elias; Prenatal Diagnosis, Vol. 14: 1229-1242 (1994)
4 - Early Human Development 47 Suppl. (1996) S73-S77
letzte Aktualisierung: 3. 8. 1998
Web-Adresse: http://geocities.datacellar.net/athens/ithaca/6236/widerleg.htm
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