Hilfe für Osteuropa Todtnau-Seelscheid e.V.
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Reisebericht über die Informationsreise

vom 29.10.94 bis zum 5.11.94

nach Rumänien

 

Ursula Honeck

Die Mitglieder des Vereins " Hilfe für Osteuropa Todtnau Seelscheid e.V." , Frau und Herr Honeck sowie Frau und Herr Albrecht , unternahmen vom 29.10.- 5.11. eine privat finazierte Reise nach Rumänien. Zweck der Reise war es einerseits Informationen über noch notwendige Hilfen zu erhalten, die dann soweit möglich beim Transport im Mai 1995 umgesetzt werden sollten und andererseits zu erkunden, wie die Hilfsgüter vom letzten Transport verwaltet und verteilt wurden. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, daß für solche Erkundungen während der Transporte in aller Regel die Zeit fehlt.
Ich will versuchen das erlebte und die Gespräche die wir führten so zu beschreiben, wie ich es auf der Reise empfunden und gesehen habe.
Früh morgens am 29.10. bricht die Delegation mit dem PKW in Richtung Flughafen Frankfurt auf. Ohne Stau kann die Strecke zum Flughafen in knapp zweieinhalb Stunden zurückgelegt werden und es bleibt Zeit, den imposanten Bau " Terminal 2 " in Frankfurt zu besichtigen.
Dies ist für uns umso eindrücklicher , als wir uns incl. Zwischenlandung in Wien, bereits ca fünf Stunden später in einer anderen Welt befinden. Wenn auch die inzwischen fertiggestellte Renovierung des Flughafens in Bukarest dem Reisenden noch einen Hauch der westlichen Athmosphäre vermittelt, so bemerkt er doch spätestens bei der Zollabfertigung, wo er ist.
Bei uns dauert sie fast eben so lange wie der gesamte Flug. Drei von fünf Schaltern sind besetzt und an zweien wird gearbeitet, soweit man das Stempeln von Zetteln, Formularen und Pässen im Zeitlupentempo, als Arbeit bezeichnen kann. Reklamieren hilft da nichts, sofort steht ein finster dreinschauender Polizist da und belehrt einem über das, was hier Recht und Sitte ist.
Hinter den Kontrollhäuschen sehen wir deutsche Grenzschutzbeamte, vermutlich haben sie Asylbewerber zurückgebracht. Noch immer versuchen viele Rumänen, wie man uns sagt vor allem Scinti und Roma, der Not im Lande durch einen Asylantrag in Deutschland zu entgehen.
Gegen 21h kommen wir bei unserer Gastfamilie Fam. Dinu an.
Vorab war abgeklärt worden, daß zwei bei der Fam. Dinu und zwei bei der Fam. Sorin übernachten. Nicht geklärt hatten wir, wo wir heute abend essen und so hatten sich beide Familien auf den Besuch von vier Personen eingerichtet. Nur wer schon einmal die Gast-freundschaft dieser Menschen erleben durfte, kann ermessen, was dies bedeutete. Beide hatten sich sicher schon tagelang darauf vorbereitet, um den Gästen alles nur erdenkliche zu bieten.
Wir wollen uns aber am ersten Abend nicht trennen und so kommt es uns sehr gelegen, daß Raluka, das Enkelkind von Frau Dinu etwas kränkelt und wir unseren Entschluß, das Abendessen bei Fam. Sorin einzunehmen, damit begründen können, ohne jemand zu beleidigen.
Herr Dr. Sorin lebt in einem anderen Stadtteil, auf der Fahrt dorthin erzählt er stolz, daß der Stadtteil in dem er wohne ein sehr gutes Viertel sei. Bei der Ankunft vor dem 8 stöckigen Block, erklärt er, daß dieses Haus erst 15 Jahre alt sei und nach modernsten Gesichtspunkten und erdbebensicher, nur mit Betonplatten gebaut sei. Letzteres habe zwar den Nachteil, daß man durch die Wände den Nachbarn husten und schnarchen höre, sei aber dafür eben sicher.
Unten im Hausgang empfängt uns ein muffiger Geruch, der Gang ist ungepflegt, die Wände versport und beim Aufzug, Herr Dr. Sorin wohnt im 7 Stock, wünscht man sich spätestens nach dem Schließen der Türe, man wäre zu Fuß gegangen. Mein Mann geht zu Fuß und ihm fällt auf, daß alle Wohnungen mit neuen Fernsehanschlüßen versorgt sind.
Dr. Sorin bestätigt uns nachdem wir seine saubere, bescheiden eingerichtete Wohnung
erreicht haben, daß ganz Bukarest nunmehr verkabelt sei. Wir denken spontan an die Zeiten der Römer, auch hier galt das Motto, gib dem Volk zu essen und Ablenkung, dann wird es ruhig bleiben. Dr. Sorin bestätigt uns, indem er sofort ein deutsches Programm einstellt, daß dies für die Bevölkerung die einzig mögliche Art und Weise sei, ins Ausland zu schauen, denn an Reisen kann hier keiner mehr denken.
Inzwischen kommt auch Frau Sorin zu einem kurzen Begrüßungstrunk, verschwindet aber sofort wieder in der kleinen Küche mit den Worten der Entschuldigung, daß sie für die Zubereitung des Essens etwas länger brauche, weil es gerade heute wieder mal kein Wasser gäbe. Inzwischen zeigt uns Dr. Sorin sein Lager für die beim letzten Transport gebrachten Medikamente. Er hat alles in seiner Zwei- Zimmer- Wohnung untergebracht und erklärt, daß er immer nur das in die Ambulanz mitnehme, was gerade gebraucht wird und daß er auch immer nur Teile einer Medikamentenschachtel ausgebe. Sicher ist sicher, meint er, so kann man sie nicht auf dem Markt verkaufen. Er schaut uns bedeutungsvoll an und wir wissen, daß wir hier dem rechten Mann unser Vertrauen geschenkt haben.
Wir sitzen wieder vor dem Fernseher und " bewundern " die Sendung in SAT 3, plötzlich geht Licht und Fernseher aus und Dr. Sorin bastelt irgend etwas an einem Kabeldurcheinander an der Wand in der Diele, was wohl einem Sicherungskasten gleichzustellen ist. Lakonisch meint er, Licht, Fernsehen und Kochen, das ist halt zu viel verlangt. Diese Spiel wiederholt sich mehrfach, bis die Hausherrin dann endlich das Essen bringt. Sie deckt den Tisch und will sofort wieder gehen. Wir wissen von früheren Besuchen, daß dies so üblich ist, die Hausfrau sitzt selten mit am Tisch. Sie hat zu tun, sie ißt in der Küche, meinte Dr. Sorin, doch nach energischem Zureden kommt sie dann doch zu Tisch.
Dr. Sorin erzählt uns, daß er in der Ambulanz nur solche Medikamente brauchen könne, die die Patienten dann auch in Rumänien kaufen können, um eine kontinuierliche Behandlung zu gewährleisten. Wir werden unsere Hilfslieferungen beim nächsten Transport darauf einrichten.
Wir gehen früh nach Hause zu den Dinu´s und am nächsten morgen treffen wir uns, um gemeinsam zum Vorsitzenden des Forums in Bukarest zu fahren.
Marlies erzählt, daß das Sofa bei Sorins für beide Albrechts doch etwas zu schmal war und daß sie die Nacht auf dem Boden verbracht hat, ist aber doch recht zufrieden, weil während der Nacht das Wasser wieder kurz lief, so daß wenigstens für eine kurze Zeit die Möglichkeit bestand, dringende Bedürfnisse zu erledigen.
Beim Forum werden wir von Dr. Fabricius und der zweiten Vorsitzenden sowie einer Sekretärin erwartet. Dr. Fabricius gibt uns einen ausführlichen Bericht über die Tätigkeit des Forums. Deutschunterricht, Versorgung der Alten, Unterstützung der Mitglieder bei der Visumsbeschaffung, Pflege des deutschen Brauchtums, Beratung und finanzielle Unterstützung bei der Gründung von Landwirtschaftsvereinen, die nach dem Sturz der Diktatur übereilig zerschlagenen LPG´s ersetzen sollen. Die Auflösung der landwirtschaftlichen Kooperativen hatte nach 1989 eine völlige Lähmung der landwirtschaftlichen Produktion zur Folge, da die Leute danach zwar wieder eigenes Land hatten, aber weder Maschinen noch das Wissen, um dieses zu bewirtschaften. Dieser Fehlentwicklung soll die Gründung von Landwirtschafts-vereinen nun entgegenwirken. Die Sekretärin erklärt uns , wie sie die Kleider, die wir gebracht haben verteilt hat und wir müssen zu unserer Freude erkennen, daß sich diese Menschen vor Ort genauso viele Mühe beim Verteilen geben , wie wir beim Sammeln. Zunächst werden die bedürftigen Familien nach den dringendsten Bedürfnissen gefragt und dann werden aus unseren großen Paketen kleine, auf die Bedürfnisse der Einzelnen ausgerichtete Pakete gemacht, die dann auf Aufforderung abgeholt oder bei Behinderten gebracht werden. So ist ein Mißbrauch durch punktuelle Überversorgung weitgehend ausgeschlossen.
Auch bei Dr. Fabricius kommen wir auf Sinn oder Unsinn einer Verkabelung zu sprechen, bei einem Volk, das nicht weiß, wo es das Geld für die notwendigsten Investitionen hernehmen soll. Seine Erklärung ist ganz simpel und einleuchtend. Auch er sagt, dies ist unsere einzige Verbindung zum Westen und prägt den eindrücklichen Satz:" früher waren wir eingeschlossen, heute sind wir ausgeschlossen".
Insgesamt war die Begegnung mit Dr. Fabricius und seinen Mitarbeitern für uns hoch interes-sant und informativ und wir sind sicher, daß wir auch in diesen Leuten, integre und zuver-lässige Mitarbeiter gefunden haben.
Wir übergeben für das Forum 500 DM für die Ärmsten Mitglieder. Dr. Fabricius nimmt das Geld dankbar an und versichert, daß es für manchen Bedürftigen lebensrettend sein wird.
Mit dreißigtausend Lei, das sind ca 30 DM, Rente kann man eigentlich nicht leben und wenn nun der Winter kommt und die Leute zu den 10 000 Lei Miete auch nochmal soviel Heizung zahlen müssen, dann bleibt ihnen eigentlich nur die Wahl, zu erfrieren oder zu verhungern, wenn sie nicht von irgendwoher Hilfe bekommen.
Bis zum Abendessen bei der Fam. Dinu haben wir noch Zeit, die Stadt ein wenig anzusehen.
Wir gehen in einige Geschäfte und sehen uns Preise an, sie haben inzwischen für Konsumgüter, wie Kleidung, Schuhe und Geräte fast westliches Niveau und dies bei Gehältern, die kaum ein zehntel der unsrigen betragen. Ein Arzt oder Ingenieur verdient ca 150 - max.200 DM, ebenso auch ein Arbeiter, die Renten sind wie gesagt minimal und schwanken zwischen 20 DM bis max 130 DM. Grundnahrungsmittel sind dank Subventionierung zwar noch rel. billig, ein Brot ca. 50 Pfg, Schweinefleisch ca 2-3 DM aber alles, was über die Grundnahrungsmittel hinaus-geht ist bei den hiesigen Löhnen eigentlich unerschwinglich. Ein Paar Schuhe kosten 30-50 DM, also ein drittel des Monatsverdienstes, ein Auto inzwischen 1,5 Mio Lei, eine Wasch-maschine 500 000 Lei usw.. Alle, die wir sprechen, sagen einhellig, daß sie von den Reserven früherer Jahre leben und keiner weiß wie lange das durchzuhalten ist. Bewundernswert bleiben vor diesem Hintergrund solche Bemerkungen, wie die von Dr. Sorin: " ich habe zwar heute nichts oder wenig, aber sind Sie wirklich besser dran als wir? Ich habe noch Perspektiven!"
Auf dem Nachhauseweg sehe ich bei kaltem, trübem Herbstwetter einen kleinen Jungen, unbeschreiblich schmutzig, in verschlissenen Hosen und barfuß an uns vorbeihuschen. Dr. Sorin erklärt, daß dies eines der vielen tausend Straßenkinder von Bukarest sei. Kinder , die keine Eltern mehr haben, von zu Hause oder aus einem der Heime weggelaufen sind, und von denen niemand weiß wie und wovon sie leben. Ich denke an einen Artikel in der Presse zu Hause, wo über eine Krankenschwester berichtet wird, die sich um diese Kinder bemüht und ich nehme mir vor, mit dieser Frau Kontakt aufzunehmen. Vielleicht kann sie unsere Hilfe brauchen.
Das Abendessen bei Dinu´s war wieder ein Erlebnis für sich. Wie letztes Jahr hatte Frau Dinu aus wenig viel gezaubert getreu dem Motto, egal was Du besitzt, wenn Gäste kommen muß der Tisch sich biegen.
Am nächsten Morgen, dem 31.10. geht es weiter per Inlandsflug mit Tarom nach Tirgu Mures.
Wir haben uns schon auf einiges gefaßt gemacht, doch die zweimotorigen Flugzeuge sehen von außen recht manierlich aus. Erst einmal drin, kommen wir jedoch auf unsere Kosten. Drückende Enge, offensichtliche Überladung und eine durch die nahe am Rumpf liegenden Motoren während des Fluges sich unerträglich aufheizende Bordwand, machen den kurzen Flug zu einem Abenteuer besonderer Art. Gottlob ist schönes Wetter und der Ausblick auf die grandiose Landschaft der Karpaten und die endlosen Weiten der Donauebene lassen schnell die anfänglichen Ängste und Bedenken verfliegen.
In Tirgu Mures holt uns Dr. Liebhardt mit dem Minibus ab, den wir vor einem Jahr dem Forum von Tirgu Mures gespendet haben und den sie uns nun für unsere Reise nach Piatra zur Verfü-gung stellen.
Nach einem Bummel durch die schöne Innenstadt, wo wir uns wieder besonders für die Geschäfte interessieren und einem kleinen Mittagessen, treffen wir uns zu einem Gespräch mit Dr. Liebhardt. Er berichtet uns daß man zur Zeit zwar alles kaufen könne, aber zu Preisen, die für einen Rumänen unbezahlbar seien, eben deshalb seien auch alle Geschäfte voll mit Waren. Wie zuvor schon Dr. Sorin und Claudio, der Chirurg aus Bukarest, erzählt er auch über die Bestrebungen der Regierung, in Rumänien ein Gesundheits-und Versicherungssystem nach deutschem Muster einzuführen. Zur Zeit ist das Gesundheitssystem kostenlos und wird durch einen Steueranteil von ca 5 % des Lohnes, der außerdem noch für Polizei und Verwaltung verwendet wird, finanziert. Bei einem solchen Budget wundert es niemanden, daß das Gesund-heitswesen völlig am Boden ist. Geplant waren nun Abzüge für Sozialausgaben von ca 13 %, also etwa so wie bei uns. Das Parlament hat aber nur 9 % beschlossen, was bei dem Nachhol-bedarf der maroden medizinischen Versorgung wahrscheinlich von vornherein das Scheitern der beschlossenen Reform bedeutet.
Am Dienstag fahren wir mit dem Minibus wie geplant nach Medias . Während wir bei unserem Patenkind Chrsitian zu Besuch sind geht Alfred mit dem Vater von Christian tanken. Zu einer der inzwischen eröffneten privaten Tankstellen. Dort muß man nicht so lange warten, meint Christian. Während wir uns unterhalten, sieht mein Mann nach einer Nachbarin, die schwer krank ist und nachdem er zurück ist öffnet sich kurze Zeit später die Türe und wir hören wie eine Jungenstimme fröhlich " Tag " ruft. Christian bringt einen Jungen herein, dem man ansieht, daß er kein Rumäne ist und sagt, " das ist Bernd, er spricht gut deutsch ". Bei der Unterhaltung mit Bernd erfahren wir, daß er und ca 20 andere Kinder noch die einzigen deutschstämmigen Schüler von ca 2000 dieser Region sind und daß sein Vater Maler und Schreiner ist und daß sie in einem Dorf ganz in der Nähe von Hetzeldorf leben. Wir erinnern uns, daß wir Hetzeldorf bei unserer ersten Rumänienaktion im Frühjahr 1990 unterstützen und daß damals schon fast alle deutschstämmigen Bewohner weg waren. Die Antwort auf meine Frage, warum seine Familie geblieben sei, ist verblüffend einfach:" mein Vater wollte nicht."
Nach ca 3 Stunden kommt Alfred zurück. Er hat in der ca fünf Kilometer entfernten privaten Tankstelle doch ein wenig warten müssen, um seinen Tank und den Reservekanister zu füllen.
Was soll´s , wir sind nicht mit einem Hilfstransport unterwegs und die kleine Verspätung bringt Alfred in den " Genuß " die rumänischen Straßen bei Nacht zu erleben. Alle paar Kilometer ruft er erschrocken " das gibt es doch nicht, schaut euch den an usw.". Ja rumänische Straßen bei Nacht sind ein Abenteuer für sich. Massenweise Fußgänger zu dritt und viert neben-einander, dann Fuhrwerke und Lastzüge, natürlich alle fast oder gänzlich ohne Beleuchtung und nicht zu vergessen die Schlaglöcher, die, wenn übersehen, jede Achse brechen lassen. Doch Alfred ist schon von der rumänischen Gelassenheit angesteckt und meistert die Fahrt ohne Zwischenfälle.
Spät kommen wir in Bistriz an, zu spät, um noch unsere Kontaktleute Herrn Dr. Suteu und seine Tochter zu besuchen. Also suchen wir das " Grand Hotel " des Ortes, das Corona und mieten uns ein. Dr. Suteu und Tochter kommen doch noch auf einen Sprung und nach dem der Plan für morgen gemacht ist, gehen wir in unsere Luxusquartiere. Das beste Hotel am Platz für umgerechnet 20 DM pro Person und kein warmes Wasser. Der Hahn läßt sich zwar aufdrehen, es kommt aber kein Tropfen. Mitten in der Nacht weckt mich das Geräusch von fließendem Wasser. Das "Badezimmer" ist in eine Dampfwolke gehüllt. Jetzt läuft das Wasser, heißer als man es vertragen kann und der Hahn läßt sich nicht mehr schließen.
Doch nicht genug damit, die Nachtruhe wird noch mehr durch lästige Stiche gestört. Wir suchen nach Stechmücken, doch es ist nichts zu sehen und zu hören, es ja auch schon viel zu kalt dafür. Am Morgen finden wir die Erklärung, es waren kleine " Mitschläfer" , die man hier zu Lande schon fast vergessen hat, Wanzen.
Um Zehn Uhr treffen wir uns mit der Forumsvorsitzenden von Bistriz , Frau Brigitte. Auch hier erfahren wir, wie gewissenhaft sie die beim letzten Transport gebrachten Kleider und Nahrungsmittel verteilt hat. Auch Frau Brigitte übergeben wir 500 DM für die Ärmsten Mitglieder und auch sie bittet uns, einen Teil des Geldes für den Fall eines strengen Winters auch als Unterstützung für Miete und Heizkosten der Bedürftigen verwenden zu dürfen.
Wir erinnern uns an die Worte von Dr. Fabricius : " wenn ein strenger Winter kommt, haben viele nur die Wahl, entweder zu verhungern oder zu erfrieren " , und so ist es für uns selbst-verständlich, daß wir die Verwendung der Mittel ganz in die Hände dieser Vertrauensperson legen.
Vor dem Mittagessen haben wir noch ein langes Gespräch mit Dr. Suteu und seiner Tochter und geben bei Dr. Stanescu das Lichtkabel für das Cystoskop ab, wobei wir noch einen kurzen Blick in die im Aufbau befindliche urologische Abteilung werfen. Wie überall haben wir den Eindruck, daß sich etwas tut, daß man sich bemüht, und daß die anfängliche Rat- und Tat-losigkeit zunehmend einem " Ärmelaufkrempeln und Anpacken " weicht. Auch hier berichtet man uns über die geplante Reform und die Hoffnungen und Ängste, die man damit verbindet.
Pünktlich um 14 h geht´s weiter nach Piatra. Marlies und Alfred waren noch nie hier und erleben die grandiose Schönheit dieser Landschaft bei der Fahrt über die Karpaten zum ersten mal und dies bei schönstem Wetter.
Abends treffen wir wie verabredet die Fam. Munteanu und Gusti, unsere Dolmetscherin und Kennerin der rumänischen Mentalität aus Piatra Neamts. Mehr als einmal hören wir in diesen Tagen den von ihr geprägten Spruch : " wie weit ? vielleicht 100 m, wie lange ? höchstens 5 Minuten, wird es gehen ? vieleicht ja , vielleicht nein, wir werden sehen "
Der Donnerstag Morgen ist ausgefüllt mit Gesprächen. Zunächst ein Besuch bei Dr. Corularu, dem zweiten Direktor des Krankenhauses in Piatra, das wir wegen Zweifel an der korrekten Verwaltung der Hilfsgüter das letzte Mal nicht mehr besucht haben. Er entschuldigt sich für evtl. Unregelmäßigkeiten und verspricht, sich persönlich um unsere Hilfsgüter zu kümmern, sofern wir uns entschließen könnten, ihn doch noch einmal zu unterstützen. Die Schwester bietet einen " Ness " an, wir nehmen dankend an. Nichtsahnend, auf was wir uns einlassen.
Mangels Warmwasser wird der Nesscaffe mit einer Art Fanta übergossen, ein " Genuß " der uns bei all unseren Reisen bisher noch nicht zu Teil wurde.
Anschließend fahren wir zum Werk Fibrex, wo wir zunächst die inzwischen eingerichtete sehr saubere und von einer Apothekerin geleitete Apotheke besichtigen. Wir lassen uns die Rezepte zeigen mit den Bestätigungen, daß die Medikamente kostenlos abgegeben wurden. Die beim letzten Transport gebrachte Zahnarztpraxis ist noch nicht eingerichtet, da wegen der Gesundheitsreform noch nicht sicher ist, ob dem Werk ein Zahnarzt genehmigt wird. Die Berichterstattung des Syndikatsvorsitzenden erscheint uns offen und ehrlich, zumal er auch Probleme und Differenzen anspricht.
Nun treffen wir uns noch mit den beiden Direktoren des Werkes Klinik und besprechen das Wichtigste für den nächsten Transport. Bei diesem Gespräch erfahren wir über die Absicht, in Piatra ein Notarztsystem aufzubauen, das dann für die Stadt mit ihren 140000 Einwohnern und das Werk mit den 20000 Beschäftigten zuständig wäre. Bis jetzt gibt es für alle nur einen Rettungswagen, den sie aus Holland bekommen haben. Um die Notwendigkeit dieses Projektes zu untermauern zeigt man uns den einzigen Krankenwagen des Werkes, ein uraltes, verrostetes Wrack, das mit einer Kurbel gestartet wird und in dessen unbeschreiblichen Heckraum gerade einmal eine schmuddelige Liege am Boden zu sehen ist. Eindrücklicher kann man die Zustände, die hier herrschen nicht vor Augen führen.
Mittags sind wir in der Pfarrei von Piatra zu Besuch und können auch hier ohne Wenn und Aber nur unsere Hochachtung darüber ausdrücken, wie verantwortungsvoll mit den gebrachten Hilfsgütern umgegangen wurde. Der Pfarrer erzählt uns, daß sie gerade dabei sind, eine Art Sozialstation aufzubauen und daß sie beabsichtigen, eine von Ärzten geleitete Armenapotheke einzurichten. Wir sagen unsere Hilfe wo irgend möglich zu, möchten aber vorher die zustän-digen Ärzte kennen lernen. Für die Armen der Gemeinde und für den Aufbau der Sozialstation übergeben wir auch hier 500 DM, über deren Verwendung uns im Mai die Belege vorliegen werden.
Der Nachmittag gibt mit dem Besuch von drei Klöstern unserer Reise eine wenigstens andeutungsweise kulturelle Note. Doch auch dabei kontrollieren wir, was aus unseren gebrachten Hilfsgütern geworden ist. In Agapia zeigt man uns das Internat und die dort eingebauten sanitären Einrichtungen, die wir vor zwei Jahren gebracht haben. Alles ist vorbildlich, die Waschbecken, die Toiletten, die Toilettendeckel und Spiegel der Fa. Dietsche, alles hat seinen Platz gefunden.
Beim Abendessen bei Rosa gelingt es uns Dr. Monalache, den Herzchirurgen aus Chisinev, telefonisch zu erreichen. Er hat unser Fax nicht bekommen, versichert aber, daß die Herzklappen in Moskau noch zum gleichen Preis zu bekommen sind und daß er sie dringendst benötigt. Wir entschließen uns, Herrn Munteanu zu beauftragen, mit dem dafür gedachten Geld nach Chisinev zu reisen und das Geschäft in unserem Auftrage zu erledigen. Nur so können wir dem Herzchirurgen ermöglichen, bis zu unserem nächsten Transport im Mai 1995 weiter zu arbeiten.
Morgens kehren wir über die malerische Bicasschlucht wieder zurück nach Tirgu Mures.
Wir treffen uns mit Herrn Goldau vom Forum Tirgu Mures und übergeben auch ihm 500 DM für die Armen. Dann noch ein kurzer Besuch der Zahnärztin, die die Praxiseinrichtung des Ehepaares Dr. Trautmann übernehmen will. Die Räume sind fast fertig und werden stolz vorgezeigt. Auch wenn man sich nur schwer daran gewöhnen möchte, daß man dafür von Mai bis jetzt gebraucht hat, müssen wir feststellen, daß das Forum sich mit der Auswahl sehr viel Mühe gegeben und sicher die beste Lösung gefunden hat. Auf der Fahrt zum Flughafen in Tirgu Mures versichert uns Herr Dr. Liebhardt nochmals, daß er sich auch beim nächsten Transport für eine reibungslose Zollabfertigung kümmern wird. Er erklärt, daß zwar inzwischen andere Zollbeamten eingesetzt seien, doch, so sagt er mit einem Augenzwinkern:
" bis zum Mai werde ich die notwendigen Kontakte hergestellt haben."
Danach geht´s zurück nach Bukarest, der Flug ist fast noch unerträglicher, die Maschine voll besetzt und die beiden Piloten haben im Warteraum kräftig Zuika getrunken. Doch was soll´s, wir kommen gut an und nach einer kurzen Nacht in Bukarest und vier Stunden Flug über Wien, auf dem wir genügend Gelegenheit hatten, das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen, sind wir am 5.11. pünktlich um 10 h wieder in Frankfurt, in einer anderen Welt.
Ich glaube für alle, die dabei waren, war diese Reise sehr eindrucksvoll und ich denke keiner
zweifelt daran, daß wir, das heißt der Verein Recht hat, wenn er sich zur Aufgabe gemacht hat, nicht nur sporadisch dort zu helfen, wo die größte Not herrscht, sondern daß es sinnvoll ist, kontinuierliche Hilfe zu leisten, auch wenn die größte Not vorüber ist.
Nur so kann man sicher sein, daß geleistete Hilfe auch die erhofften Früchte trägt.
 

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Letzte Änderung: 30/03/02 -- Autor: Dr.med. Thomas Honeck

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