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Informationsreise 1993
nach Bukarest
von Ursula und Thomas Honeck
Nach den Erfahrungen mit der Zollabfertigung und sonstigen behördlichen Abwicklung im Landesinnern , die für alle Beteiligten mehr als
strapaziös waren, haben wir beschlossen eine gesonderte Reise nach Bukarest durchzuführen, um mit den dortigen Behörden im Ministerium über Erleichterung für die zukünftigen Transporte zu verhandeln. Mein Mann und
ich flogen deshalb am 13. November auf eigene Kosten nach Bukarest, um diese Dinge zu regeln. Die Gespräche mit den Behörden gestalteten sich schwieriger als wir dachten. Für jeden Bereich gab es immer mehrere
zuständige Minister, Unterminister und Sekretäre, und bei der Lösung konkreter Fragen saß uns dann des öfteren gerade der gegenüber, der sich dafür nicht zuständig fühlte. Aus diesem Grunde verbrachten wir die
meiste Zeit der acht Tage, die wir in Bukarest eingeplant hatten, in den Ministerien. Dennoch blieben uns, Dank der Mitarbeit von Herrn munteanu und HerrnStroia, beide Kontaktleute aus piatra-Neamts, die trotz
Schnee und Eis angereist waren um uns bei unseren Bemühungen zu unterstützen, noch etwas Zeit, um einiges dieser Millionenstadt zu sehen. Da uns dies sehr beeindruckt hat, möchten wir Ihnen diese Bilder nicht
vorenthalten. Bei unserer Ankunft hatte es kurz zuvor kräftig geschneit, und ganz Bukarest lag unter einer 10 cm hohen Schneedecke, die nur auf den Hauptstraßen geräumt wurde. In der Umgebung unseres Domizils im
Zentrum der zwei Millionen-Stadt blieb der Schnee die ganze Zeit liegen und wurde von den wenigen Autos fest gefahren. Gott sei Dank funktionierte inzwischen die Gasheizung wieder. Die Tage zuvor mußte das ganze
Viertel bei minus 16 - 19 Grad wegen des zu niedrigen Gasdrucks auf Heizung und Warmwasser weitgehend verzichten. Raluca, die Enkelin unserer Gastfamilie führt uns voll Stolz ihre Lieblingspuppe vor, und ihre
Mutter zeigt uns die einfach eingerichtete gynäkologische Praxis. Immer mehr Ärzte versuchen ihr bescheidenes Gehalt (ca. 130.-/Monat.) durch Privatpraxen, die sie nach Feierabend betreiben, aufzubessern. Da in
Rumänien noch keine Sozialversicherung besteht, kann eine Behandlung nur auf privater Basis erfolgen, sodaß bei der allgemeinen Armut der Zulauf zu solchen Privatambulanzen doch sehr gering ist. Überall in
Bukarest findet man Kirchen, die zum größten Teil in dem eindrucksvollen Brincoveanu-Stil erbaut sind. In ganz Bukarest gibt es über 100 dieser kleinen Kirchen, die trotz der Zerstörung des 2. Weltkriegs erhalten
blieben oder später restauriert wurden. Unsere Führer erklärten uns, daß Ceaucescu sich zwar nie traute die Kirche zuverbieten, ihre Allgegenwärtigkeit in Bukarest aber dadurch einzuschränken suchte, daß er die
kleinen Kirchen von profanen Hochbauten quasi einmauern ließ, was an diesem Bild sehr schön zum Ausdruck kommt. Viele der erhaltenen alten Gebäude im Neoklassizistischen Stil erinnerten uns an Paris oder Mailand.
Doch auch viele neue, nüchterne Gebäude sind in dieser Stadt entstanden, hier die Telefonzentrale von Bukarest, das neue Konzerthaus, das Nationalmuseum, das Hotel Intercontinental, das bei der Revolution schwer
beschädigt wurde. Auf dem Weg zum Haus des Volkes, dem wohl grandiosesten Bauwerk der Moderne in Bukarest. Wir erreichten die riesige Anlage erst bei Dunkelheit, sodaß die Eindrücke nur unvollkommen, jedoch so
beeindruckend waren, daß wir uns entschlossen Tags darauf noch einmal dort hin zu gehen. Das Gebäude, das zur Hälfte unterirdisch gebaut ist, soll das zweitgrößte der Welt sein. Zu seiner Errichtung ließ Ceaucescu
ein ganzes Stadtviertel auf einer leichten Anhöhe in Bukarest niederwalzen und neu anlegen. Die Plätze und die sternförmig darauf zuführenden Prunkalleen sind sämtlich mit Natursteinen gepflastert, und die
Zahlreichen Springbrunnen sind mit Mosaik belegt. Die Häuser in der Umgebung werden von Nobelgeschäften und auswärtigen Firmen genutzt. Das Haus des Volkes steht zum größten Teil leer, wird aber dennoch streng
bewacht. Um das riesige bewachte Areal zu umrunden, benötigt man zu Fuß ca. eine Stunde. Hinter den Kulissen sieht man dann wieder das ärmliche Bukarest. Unser Dolmetscher, Herr Dr. Nicolescu bestand darauf ,
daß wir seinen Arbeitsplatz, ein Ambulatorium im Zentrum, zuständig für etwa dreißigtausend Menschen, besichtigen. Wohl mit dem verständlichen Hintergedanken, daß danach bei uns das Bedürfnis auftrete auch hier
Hilfe zu leisten. Seit Öffnung der Grenzen habe diese Station keinerlei Hilfsgüter erhalten. Hier der Wartesaal des Ambulatoriums mit Karteiraum, ein Sprechzimmer mit zwei Ärzten, die diensthabende Ärztin trägt
den obligatorischen Frotteemantel, den man in ganz Rumänien findet. Das Sprechzimmer der Internistin. Außer der Sauerstofflasche und dem Blutdruckmessgerät gibt es hier keinerlei Apparate.
Ebenso bescheiden das Untersuchungszimmer des Gynäkologen. Der monströse Sterilisationsapparat leistet nach Auskunft unseres Dolmetschers noch gute Dienste. Beim Besuch des Leiters des Hygieneinstituts, Herrn
Dr. Fabritius, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Deutsch - Rumänischen Forums in Bukarest ist, ließ es sich dieser nicht nehmen uns sein bescheiden eingerichtetes Institut zu zeigen. Hier ein Blick in den
Hörsaal. Die Kontaktaufnahme mit Herrn Dr. Fabritius, hier rechts, war für uns von besonderer Wichtigkeit, versprach er uns doch die von uns gebrachten Patenpakete für Bukarest in Tirgu-Mures abzuholen und
zuverlässig zu verteilen.Damit war für uns ein drängendes Problem auf elegante Weise gelöst. Das Mitführen von Privatpaketen ist nämlich seit langem strengstes verboten. Das Deutsch - Rumänische Forum gilt als
soziale Einrichtung, sodaß wir hier wohl kaum mehr Probleme zu erwarten haben. Im Zentrum der Stadt um den Platz der Revolution sieht man noch allenthalben die zeugen des Umbruchs. Hier ein Haus mit vielen
noch nicht übertünchten Einschüssen und rechts ein Gebäude, das als Mahnmal so erhalten bleiben soll. Vor dem Parlamentsgebäude ein Denkmal für die Märtyrer des Dezember 1989, und vor dem Hotel Intercontinental
mitten auf der Hauptallee ein Feld von Kreuzen, die an die Gefallenen erinnern, und an den Wänden der umgebenden Häuser Inschriften, die dazu ermahnen das so Erkämpfte nicht zur Disposition zu stellen. Wenn man
Bukarest kennen lernen will, muß man auch unsichere öffentliche Verkehrsmittel und mitunter beängstigend dunkle Unterführungen in Anspruch nehmen. Natürlich wollten wir auch die Gastronomie etwas kennenlernen,
hier einmal vornehm im Hotel Intercontinental mit westlichem Niveau und westlichen Preisen,hier in der Kneipe um die Ecke, wo ein Bier nach unsrer Währung 15 Pfennig kostet. Auch die Einkaufsmöglichkeiten wollten
wir erkunden, zunächst auf der alten Marktstraße, auf der es zwar alles gibt, aber für rumänische Verhältnisse zum Teil zu unerschwinglichen Preisen. Nach Brot stehen die Leute auch heute noch an, und die hallen
der riesigen Kaufhäuser sind praktisch leer, und das Wenige, das es dort gibt, ist für den Durchschnittsbürger nicht bezahlbar. Bei diesen Bildern ist zu bedenken, daß uns unser Hausherr in das vornehmste Haus am
Platze führte, weil er dachte, wir wollten etwas für uns kaufen. Lebensmittel kauft man auf dem Markt, doch das Angebot ist, wie Sie sehen, recht spärlich. Die Truhen der Metzgereien sind leer, zu kaufen gibt
es lediglich 3 oder 4 verschiedene Sorten von Konserven, und in dem Raum herrscht eine Kälte, die die Verkäuferinnen zwingt in Winterausrüstung zu bedienen. Beeindruckend war für uns, wie das Problem der
Kinderbetreuung mit bescheidensten Mitteln gelöst wurde. In jedem Stadtviertel gibt es verschiedensprachige, von Privatpersonen geführte Kinderhorte, in denen die Kinder nicht nur spielen und betreut werden, sondern
auch englisch, französisch oder deutsch lernen. Hier Raluca in dem deutschen Kindergarten, einem Zimmer in einer Privatwohnung von 6 x 6 m, in dem ca. 20 Kinder ganztags betreut werden.Für unsere Vorstellung ein
unbegreiflicher Zustand, aber wir sahen nur glückliche und nicht aggressive Kinder. Die Ergebnisse , die dabei erzielt werden, sind für uns fast unbegreiflich. Raluca war erst ein dreiviertel Jahr in diesem
Kindergarten und konnte in der Familie problemlos als Dolmetscher fungieren. Natürlich wollten wir auch einige der von uns unterstützten Patenfamilien kennenlernen, mußten uns jedoch aus Zeitgründen dabei sehr
beschränken. Auf dem Rückflug ließ uns ein Blick auf die Alpen schon ahnen, daß auch bei uns der Winter eingekehrt ist, was sich dann auf dem Schauinsland und Notschrei auf die schönste Art und Weise bestätigte.
Selbst das Hasenhorn bot den leider seltenen Anblick mit einer Schneedecke bis ins Tal. Bei der Rückkehr freuen sich Kind und Hund, daß alle wohlbehalten zu Hause angekommen sind.
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