Hilfe für Osteuropa Todtnau-Seelscheid e.V.
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Bericht über den Hilfstransport nach

Rumänien, Moldavien und in die

Ukraine

vom 5.5.1996 bis zum 24.5.96

Ursula Honeck

 

 Als wir 1995 unseren Hilfstransport mit 8 LKWs und einem Begleitfahrzeug beendet hatten, glaubten wir, daß damit eine Größe und ein Umfang erreicht war, der nicht mehr zu überbieten sein würde. Dies, sowohl aus finanziellen, als auch aus Gründen der Belastbarkeit der wenigen Helfer, die zur Transportvorbereitung immer zur Stelle sind. Doch es sollte, wie schon so oft, wieder einmal ganz anders kommen.Wir hatten ja schon im Vorjahr die drei Krankenwagen für Rumänien und Moldavien erworben, und die Flut an Medikamenten und Sachspenden in den letzten Wochen vor unserem diesjährigen Transport bescherte uns wiederum ein Volumen, mit dem wir acht Vierzigtonner mit Spenden im Wert von über 2,5 Millionen beladen konnten. Die Spender haben wohl Vertrauen in unseren Verein und dies sicher nicht zuletzt wegen des Spendensiegels, das wir auch dieses Jahr wieder zuerkannt bekamen.
Noch am letzten Tag vor der Abfahrt wurden Paletten mit Hilfsgütern angeliefert. Ablehnung hätte bedeutet, daß man vielleicht das nächste Mal nicht mehr bedacht würde, also wurde bis zur letzten Minute auf die einzelnen Stationen verteilt und auf die LKWs geladen.
Dank unserer in den Jahren gewachsenen Routine gab es im Vorfeld kaum Probleme mit Behörden. Lediglich die Tatsache, daß wir bundesweit nur noch eine Firma fanden, die uns Zugmaschinen verlieh und nur eine, die die Auflieger dazu lieferte, ließ uns bis wenige Tage vor der Abreise etwas zittern. Doch schließlich, nachdem wir eine Kaskoversicherung nachweisen konnten, die auch Diebstahl einschloß und zusätzlich eine Bankbürgschaft von 150.000 DM !! hinterlegt hatten, bekamen wir beides, Zugmaschinen und Auflieger. Hätten wir nicht so viele Freunde, die uns ver-trauen, wären wir wohl mit unseren 104 Tonnen Hilfsgütern noch heute hier. Die Sorge der Verleihfirmen scheint uns im Nachhinein durchaus verständlich. Überall, wo wir hinkamen, hörten wir, daß die Kriminalität erschreckend zunimmt, und daß Fahrzeuge, wie wir sie benötigen, nie und nirgends sicher sind.
Nun, wir haben es trotz aller Hindernisse wieder einmal geschafft, und am Freitag den 3. Mai kamen vier LKWs nach Todtnau zum Beladen. Auch hier zeigte sich eine zu-nehmende Routine. Das Beladen der LKWs am Samstag verlief zügig und so gut wie problemlos. Dies nicht zuletzt, weil wir diesmal Dank der großzügigen Unterstützung durch Herrn Hans-Peter Bernauer alles an einem Ort in den Textilwerken sammeln und lagern konnten.
Mit acht LKWs, drei Krankenwagen und einem Begleit-PKW , die alle mit zwei, teilweise sogar nur mit einer Person besetzt waren, hatten wir also eine Mannschaft mit 23 Personen. Der Jüngste 23 , der Älteste 64 , ein Teil aus dem Norden, ein Teil aus dem Süden, kein Grund sich zu sorgen ? Ich glaube doch. Es gibt nichts Schlimmeres auf einem solchen Transport, als Unfrieden in der Mannschaft. Die Spannung, die durch den Streß und die Anstrengungen im Vorfeld und auch während der Fahrt ohnehin immer sehr groß ist, wird dann unerträglich. Je größer eine Mannschaft, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, daß es Reibereien gibt. Deshalb mache ich mir vorher immer Sorgen, obwohl wir das schon so oft befürchtete Fiasko gottlob noch
nie erlebt haben.
Jetzt, wieder zu Hause, weiß ich natürlich, die Sorgen waren fast unbegründet. Unsere Leute haben sich wacker geschlagen, und ich möchte deshalb nicht versäumen allen einzeln zu danken und sie Ihnen vorzustellen.
Erich Steck , unser Transportleiter, hat sich, wie es seine Art ist, schon im Vorfeld gründlichst vorbereitet und meisterte seine schwere Aufgabe bravourös.
Peter Becker,versierter Berufsfahrer, schon zum zweiten mal dabei, konnte Erich an der Spitze des Konvois sehr viel helfen .
Armin Steinebrunner war das erstemal dabei und machte sich bei den vielen Pannen als fachkundiger Helfer unentbehrlich.
Norbert Günther, auch zum erstenmal dabei und erfahrener Berufsfahrer , gab sich redlich Mühe, sich in die Mannschaft zu integrieren, obwohl es ihm manchmal schwer zu fallen schien, einzelne Mitfahrer in ihrer Eigenart zu akzeptieren.
Angela Girzalsky, neu im Team, Fahrerin unseres Begleit-PKWs, brachte mit ihrer quirligen und direkten Art Leben in die Mannschaft. Des öfteren hatte sie mit den Eigenarten ihrer Mitfahrer zu kämpfen.
Paul Honeck, von Beruf Künstler, Erfinder und "Einzelgänger", als Transportfotograf und PKW-Fahrer angeheuert, hatte sich das ganze wohl mehr als "sight-seeing-tour" vorgestellt, litt unter der notwendigen Reglementierung und seiner lebhaften Beifahrerin, brachte aber seinerseits durch seine Vergeßlichkeit und häufigen Extratouren manchen von uns zum Schmunzeln.
Erich Nann, inzwischen zum Stamm der Mannschaft gehörend, zuverlässiger Fahrer, verstand es teilweise unvermeidliche Enttäuschungen im Interesse eines reibungslosen Transportablaufes zu überspielen.
Bernd Oberhofer, mit seinen 23 Jahren der Jüngste in der Mannschaft, war voller Begeisterung dabei und immer beim Helfen sowie beim geselligen Beisammensein zur Stelle.
Susi Braunsberger, eine Top - LKW- Fahrerin, wie immer zuverlässig und hilfsbereit, zum zweitenmal dabei, war auch diesmal recht unkompliziert und kooperativ.
Norbert Wissler hat sich nicht nur als Fahrer und Helfer während des Transports sondern auch im Vorfeld als Berater in Sachen Installation bewährt.
Gunther Köllner, zum ersten mal dabei, war voll Begeisterung und zeigte diese nicht nur als Fahrer des KTWs sondern auch als unermüdlicher Helfer , wo immer er gebraucht wurde.
Günther Volkmann, korrekt, genau und zuverlässig, wie ihn viele kennen, hat sich um die Belange der Krankenwagen gekümmert und sich als ältestes Mitglied der Mannschaft vorbildlich integriert, obwohl es manchmal sicher nicht so einfach für ihn war.
Reinhold Miller, anfänglich unser "enfant terrible",inzwischen Stammfahrer, wußte sich, bis auf wenige Ausnahmen sehr gut in die Mannschaft einzufügen und fungierte als zuverlässiger Mitstreiter.
Norbert Thome, das erstemal dabei, sah man bei jeder Gelegenheit begeistert beim Abladen auf dem LKW. Er wußte sehr ruhig Wolfgangs Kritiken bezüglich des LKW-Fahrens einzustecken.
Wolfgang Lisse, zu ihm brauche ich nicht viel zu sagen, da er schon sooft als alter Hase vorgestellt wurde und sich nicht geändert hat. Trotz seiner oft rüden Sprüche, wurde und wird er allseits hoch geschätzt, zumal alle wissen, daß hinter der rauhen Schale ein weicher Kern sitzt.
Markus Albrecht, zum zweiten mal dabei, hat auch diesmal gezeigt, daß man ihn überall einsetzen kann, und daß man sich jederzeit voll und ganz auf ihn verlassen kann. Er war als zweiter Mann auf dem vereinseigenen LKW häufig bis zur Erschöpfung im Einsatz und ist an der harten Schule von Wolfgang nicht zerbrochen sondern gewachsen.
Aldo Cerbo mußte leider häufig alleine fahren, hat alle ihm aufgetragenen Aufgaben ohne Murren zuverlässig erledigt, auch wenn er manchmal den hin und wieder chaotischen Ablauf nach dem Motto "Figaro da, Figaro dort" nicht ganz verstehen konnte und machte mit seinem Temperament seinen Landsleuten alle Ehre.
Ursula Honeck, es fällt mir schwer etwas über mich selbst zu sagen. Nicht immer ist es mir gelungen über allen auftretenden Problemen zu stehen und Gefühle nicht zu zeigen. Ich habe mich aber bemüht, den Verein zu repräsentieren und auch als eingesetzte LKW-Fahrerin meinen Mann zu stehen, (immerhin haben wir unseren LKW ohne Schaden wieder nach Hause gebracht).
Thomas Honeck, mein Mann und Partner auf dem LKW Nummer 10, ist mir, wie immer, in allen Situationen zur Seite gestanden. Er konnte mit der Zeit seine "Beifahrerangst" überwinden und brachte es sogar fertig, während ich den LKW fuhr, zu schlafen. .
Hartmut Schulz, wie Wolfgang ein alter Hase, über den schon viel geschrieben wurde, und der inzwischen allen als vorbildlicher Organisator, Teamleader von Seelscheid und begeisterter Freizeittrucker bestens bekannt sein dürfte, mußte sich mit dem Fahren diesmal etwas zurückhalten, da er sich den LKW mit Peter Nienhaus teilte, der nicht weniger LKW-begeistert ist wie er selbst, bei allen möglichen Gelegenheiten Kaffee im LKW kocht und seit Jahren zu unseren zuverlässigsten Mitarbeitern gehört.
Andreas Reimann ist seit vielen Jahren mit Leib und Seele bei der Sache und erweist sich am Ladetag immer wieder als Tüftler und Verpackungskünstler. Er teilte sich den zweiten Rettungswagen mit
Agnes Pohrt, der Redakteurin der Badischen Zeitung, die alles sehr kritisch beobachtete und in ihrer unkomplizierten, liebenswerten Art schon nach kurzer Zeit von allen akzeptiert und respektiert wurde.
Die Verabschiedung auf dem Marktplatz beim letzten Transport hat alle unsere Fahrer so beeindruckt, daß es für die Seelscheider selbstverständlich war, wieder den großen Umweg über Todtnau zu machen, um eine gemeinsame Verabschiedung zu ermög-lichen.
Daß auch bei der Verabschiedung noch eine Steigerung möglich sein sollte, schien uns undenkbar. Und doch war es möglich. Die für uns vorbereitete Messe und das rühren-de Programm der Kinder, brachte manchen von uns den Tränen nahe. Wir wußten, die-sen Transport würden wir nicht alleine machen. Bei diesem Transport begleiteten uns die reinen Gedanken der Kinder, die uns ihr Herz mit auf den Weg gaben, und das Symbol dieser Geste, das halbe Herz an unserer Windschutzscheibe, erinnerte uns jeden Tag daran: da ist noch jemand mit uns auf dem Weg. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, daß hier Kinder sind, die auf diese Weise zeigen, daß sie das wichtigste Geheimnis für ein friedvolles Miteinander, das Teilen, begriffen haben, und es ist ein gutes Gefühl zu wissen, daß hier Eltern sind, die Ihre Kinder in dieser Gewißheit bestärken. Ich könnte noch seitenweise über diese ergreifende Verabschiedung und die Gedanken, die mir dabei durch den Kopf gingen, schreiben , doch die Reise war lang, und ich habe noch viel zu berichten.
Wir hatten uns fest vorgenommen, diesmal die erste Etappe etwas zu verlängern, um dann in Rumänien etwas mehr Zeit für Gespräche zu haben.
Der erste Tag verlief auch ganz in diesem Sinne, das heißt ohne Panne, und auch unser Mannschaftsbus, der schon in der Vorbereitungsphase streikte, hielt durch. Ohne Pro-bleme bewältigten wir bis zum Abend die Strecke bis nach St. Pölten. Ein Teil der Mannschaft übernachtete im LKW, ein Teil in einem nahe gelegenen Gasthaus, natür-lich erst, nachdem wir uns von den ersten Strapazen beim Abendessen etwas erholt hatten.
Früh am nächsten Morgen brachen wir in Richtung ungarische Grenze auf und erreichten diese auch vor dem ersten Ansturm der Berufsfahrer. Nach den üblichen an der ungarischen Grenze immer etwas schikanösen Schwierigkeiten konnte der LKW- Konvoi nach knapp drei Stunden weiterfahren. Der Transportleiter blieb mit mir, dem Mannschaftsbus und den Krankenwagen noch zurück, um einen Stempel zu besorgen, den der ungarische Zoll versäumt hatte. Wir wollten uns beim nächsten Parkplatz treffen. Nach zwei Stunden wurde die vorausgefahrene LKW- Mannschaft unruhig.
So lange für einen Stempel, das konnte nicht sein. Kurzerhand wurde ein Zug abgesattelt und zurück geschickt. Die Nachricht, die er brachte, war ernüchternd. Beim Mannschaftsbus war die Wasserpumpe defekt, und Andreas mußte in den nächsten Ort, um Ersatzteile zu besorgen. Nach fünf Stunden war dann die Reparatur am Straßenrand glücklich erledigt, und wir konnten weiter ziehen. Der Plan, an diesem Tage bis zur rumänischen Grenze zu kommen, war damit natürlich vom Tisch. Wir schafften es, nachdem wir uns noch unglücklich verfahren hatten, bis Mitternacht gerade noch bis zu unserem von früher her bekannten Hotel in Szolnok zu kommen.
Nach einem kurzen Zusammensein und einer noch kürzeren Nacht ging es dann im alten Zeitplan weiter zur rumänischen Grenze, die wir Dank der Hilfe von unserem alten Freund Dr. Liebhart, der uns dort erwartete, in drei Stunden passierten. (Auf die Unverschämtheiten und Schikanen der ungarischen Zollbeamten möchte ich hier nicht weiter eingehen.) So blieben uns nach der Ankunft in Tirgu Mures am späten Abend doch noch einige Stunden zur Kontaktpflege beim Abendessen in der Kantine des Krankenhauses.
Da wir wußten, daß eine so große Mannschaft für unsere Gastgeber und Empfänger der Hilfsgüter eine fast unzumutbare Belastung bedeutete, hatten wir zuvor allen geschrieben, daß wir mit einfachstem Essen und einer bescheidenen Unterkunft zufrieden wären. Bezüglich des Essens waren wir wohl richtig verstanden worden, aber bei der Unterkunft fühlten sich manche doch etwas mißverstanden. Sie war wirklich mehr als dürftig, und wenn Herr Dr. Liebhart meinte, sie sei zwar bescheiden aber sauber, so hatte er mit ersterem sicher recht, bei der Sauberkeit aber wohl landes-übliche Maßstäbe angelegt. So hatten am nächsten Morgen einige wieder diese hartnäckig juckenden Flecken am Körper, die wir schon zur Genüge kannten, und die wir als Botschaft von kleinen Mitbewohnern interpretieren. ( Übrigens hatten wir den ganzen Transport über kaum einmal warmes Wasser, aber das ist ja nichts Neues.)
Der andeutungsweise aufkommende Mißmut legte sich am nächsten Morgen sofort, als wir sahen, daß unser jahrelanges Drängen nach mehr Planung und Pünktlichkeit bei unseren rumänischen Freunden in Tirgu- Mures Früchte getragen hatte. Der Zoll war pünktlich zur Stelle und erledigte alle Formalitäten zügig. Diesmal wohl etwas zu zügig, wie wir später an einem vergessenen Stempel und falsch ausgefüllten TIR- Pa-pieren, die uns noch sehr viel Ärger bereiten sollten, gesehen haben.
Nachdem Dr. Nikolescu und das Forum aus Bukarest die für sie bestimmten Hilfsgüter abgeholt hatten, trennten wir uns für diesen Tag. Ich fuhr mit meinem Mann, Agnes Pohrt von der BZ und Angela nach Medias, um dort unsere Patenfamilie zu besuchen und die für Medias und Copsa Mica bestimmten Patenpakete abzugeben. Der Konvoi fuhr unterdessen weiter nach Bistritz, unserer zweiten Station in Rumänien, wo wir uns zum Abendessen wieder trafen.
Auch hier war alles bestens organisiert, und die einzigen Probleme, die auftraten, waren hausgemacht, weil in den Massenquartieren einige nicht schlafen wollten und andere deshalb nicht schlafen konnten. Doch durch diese kleine Mißstimmung war die Tolleranzgrenze unserer großen Mannschaft gottlob noch nicht überschritten, und der Tag verlief ruhig und planmäßig. Wenn wir auch aus den genannten Gründen nicht wie geplant die Zeit fanden, uns mit den Mitgliedern des Forums zusammenzusetzen, um mehr über die noch bestehenden Probleme zu erfahren, blieben doch zwischendurch immer wieder einige Minuten, um sich mit dem einen oder anderen zu unterhalten.
Nach wie vor ist es schwierig, von den Leuten klare Auskünfte über die derzeitige Situation zu bekommen. Noch immer herrschen Angst vor Denunziation und Benachteiligungen bei offen vorgetragener Kritik. Erst im Auto, auf der Fahrt zu dem Haus seiner Tochter, bei der wir übernachten sollten, spricht Dr.Suteu, unser Kontaktmann für Bistritz, etwas freier. Jetzt gibt er uns auch eine ehrliche Antwort auf unsere schon beim Abendessen gestellte Frage, wo denn der ärztliche und der kaufmännische Direk-tor vom letzten Jahr seien. "Sie wurden abgelöst, sie hatten die falschen Gedanken ", sagte er resignierend. Falsche Gedanken, das konnten wir zudem in Erfahrung bringen, das waren Gedanken an eine freiheitliche, vom Kommunismus und vom alten Filz losgelöste Ordnung. " Nein", sagte er, "das hat man nicht akzeptiert, jetzt sind wieder die Leute oben, die die alte "Ordnung" schon immer unterstützt haben". "Und", so fährt er fort, "ich frage mich langsam selbst, was dieser aussichtslose Kampf soll. Was hat sich geändert in all den Jahren? Alles ist schlechter geworden, einzig die Freiheit zu reisen haben wir, aber womit sollen wir diese Freiheit finanzieren? Ich meine, es hat sich für den Einzelnen auch in dieser Hinsicht nichts geändert. Früher konnten wir wegen der politischen Grenzen unser Land nicht verlassen, heute sind die Grenzen für uns die gleichen, nur haben sie einen anderen Namen, es sind jetzt ökonomische Grenzen. Ja es ist wahr, viele der Alten glauben , daß der Preis für eine Freiheit des anderen einfach zu hoch ist und so glauben auch viele, daß es sehr bald wieder besser würde, wenn die alten Zeiten zurückkämen. Eine schlimme Entwicklung, die nur noch unsere Jugend mit ihren Idealen und ihrem Glauben an die Freiheit und Freizügigkeit in ferner Zukunft noch aufhalten kann."
Nein, es waren keine ermutigenden Gespräche, die wir mit Dr. Suteu führten, und dabei lernten wir ihn als einen ausgesprochenen Optimisten kennen, damals vor 6 Jahren, bei unserem ersten Transport.
In Bistritz wurde und wird immer alles zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt.
Das Tanken, die Verteilung der Hilfsgüter in den Krankenhäusern und bei dem Forum. Bistritz wird auch weiterhin eine Station bei unseren kommenden Transporten bleiben. Wir kamen am nächsten Morgen pünktlich los und genossen die Fahrt über die Kar-paten nach Piatra Neamts. Bei einem kurzen Stopp beim Schloß Drakula bereinigte Erich, unser Transportleiter, durch eine kurze, aber bestimmte Ansprache die o.e. Unstimmigkeiten, und am späten Nachmittag erreichten wir den Parkplatz vor Piatra, wo wir von Gusti, unserer Freundin und Dolmetscherin, Herrn Munteanu, unserem Kontaktmann in Piatra-Neamts, seiner Frau und einer Abordnung des Werkes Fibrex, Savinesti herzlich empfangen wurden. Gleich meldeten sich auch Peppos Jungen zur Stelle . Diese beiden Jungen , die gegenüber dem Parkplatz wohnen, scheinen das ganze Jahr über auf Peppo zu warten. Ob wir mittags um 12h oder nachts um 12h ankommen, sie sind immer sofort bei den LKWs. Diesmal war die Enttäuschung zu sehen, daß Peppo nicht dabei war, aber sie nahmen das Paket, das Peppo für sie mitgegeben hatte, doch mit strahlenden Augen entgegen.
Größere Probleme gab es auch in Piatra nicht. Die LKWs waren sicher untergebracht, und am Morgen trennte sich die Mannschaft wieder. Ein Teil lud in der katholischen Pfarrei, ein Teil im Werk von Savinesti ab, und eine Abordnung fuhr mit in das Dorf Borlesti. Thomas, Agnes, Gusti und ich machten noch einen kurzen Besuch in dem Kinderheim, in dem unsere Tochter Andrea zwei Monate gearbeitet hatte. Natürlich war man auf unseren Besuch vorbereitet und hatte die Kinder dementsprechend hergerichtet. Trotzdem befiel mich die gleiche Art von Traurigkeit, das Gefühl der Machtlosigkeit und Resignation beim Anblick dieser bedauernswerten Geschöpfe, die auch Andrea hatte während ihrer Anwesenheit. Traurig gestimmt war ich auch durch die leider immer wiederkehrende Tatsache, daß ich jedesmal einfach zu wenig Zeit habe, um persönliche Kontakte zu pflegen. So blieb für die liebenswerte Rosa, die das ganze Jahr auf mich wartet, nur eine kurze Zeitspanne. Ich würde dies gerne ändern, wenn es möglich wäre.Ganz auf die Schnelle mußten wir auch dem dortigen Krankenhaus einen Besuch abstatten, wo wir von dem Chefarzt, der von der Poliklinik in Savinesti Medikamente bekommen hatte, freudig und dankbar begrüßt wurden.
Etwas verärgert hat uns die Prozedur beim Tanken, die sich unendlich - fast vier Stunden - hinzog, weil die Verantwortlichen des Werkes von Savinseti versäumt hatten, genügend Geld einzustecken und am LKW von Erich Nann während der Wartezeit derweil von einem ungeduldigen Rumänen der Spiegel abgerissen wurde. Erst nachdem die Polizei da war, und wir auf seiner LKW- Pritsche Reste des Spiegels fanden, war er bereit zuzugeben, daß er den Unfall verursacht hatte. Langwierige Palaver, noch trägere Protokollausfertigungen und am nächsten Morgen zum Phototermin zur Versicherung des Verursachers in Piatra, das kostete viel Zeit. Zeit, die eigentlich zum Ausruhen gedacht war. Aldo machte sich bei der ganzen Prozedur damit verdient, daß er ohne zu murren stundenlang mit seinem KTW Kurrierdienst fuhr zwischen Piatra und der vor der Stadt gelegenen Tankstelle. Obwohl uns der Abend im Höhenrestaurant wieder etwas versöhnlich stimmte, hat uns die Trägheit und Gleichgültigkeit der Verantwortlichen vor Ort doch so gestört, daß wir ernsthaft überlegen, ob wir das nächste Mal in Piatra nur noch die Pfarrei und das Dorf be-liefern. Sei es auch nur um zu zeigen, das wir auf niemanden angewiesen sind.
Am Morgen machten sich sechs LKWs, zwei RTWs und der Begleit-PKW auf zur Grenze nach Moldavien. Andreas war mit Erich Nann schon am Vorabend nach Tulghes gefahren. Der für dort bestimmte LKW und auch Andreas sollten bis zur Rückkehr der Moldavienmannschaft da bleiben. Ein LKW war bereits leer und blieb in Piatra, und der KTW war im Werk Savinesti abgegeben worden.
Die Grenze war nach wenigen Stunden erreicht, und der Grenzübertritt gestaltete sich recht unproblematisch, da wir zu unserer großen Freude und Überraschung dort von Dr. Manolache, dem Herzchirurgen, dem Bischof von Orhei, Pfarrer Joan Vulpe und von den Chefärzten der Kliniken von Chisinau und Orhei empfangen wurden. Von so einer großen und gewichtigen Empfangsdelegation waren wohl offensichtlich selbst die Zollbeamten beeindruckt.
Nach Plan trafen wir in Chisinau ein. Der erste Abend war ausgefüllt durch die üb-lichen Empfangsformalitäten beim Abendessen in der Klinik und dem Einrichten in der bereits bekannten, mehr als bescheidenen Unterkunft. Der Chefarzt Dr. Donet hielt wieder eine sehr schmeichelnde und blumige Ansprache, in der er unter anderem er-wähnte, daß die Klinik bis zum heutigen Tag von unseren Hilfsgütern aus dem letzten Jahr profitiere, und daß es seit 1993, unserem ersten Transport nach Moldavien, dort drei große Feiertage gebe, Weihnachten, Ostern und ein Tag im Monat Mai, wenn ein Transport von "Hilfe für Osteuropa" eintrifft.
Das Programm für den nächsten Tag war bereits festgelegt. Nach dem Frühstück in der Klinik, Zollformalitäten und abladen in der Klinik. Ich denke, nicht ohne Grund konnten wir wieder stolz darauf sein, daß abermals ein Fernsehteam am nächsten Morgen da war, um unsere Abladeaktion, ein Interview und die Übergabe der 25 Herzklappen, die wir wieder in Moskau gekauft hatten, für die Tagesschau zu filmen. Eine beson-dere Freude bereitete mir das Wiedersehen mit meiner Freundin aus Moskau, Regina, die jedesmal persönlich nach Chisinau kommt, um die Herzklappen zu überreichen. Wir können uns nur englisch unterhalten, aber was uns verbindet ist nicht das Gespräch, sondern das Zwischenmenschliche, das, was nicht ausgesprochen werden muß und keiner gemeinsamen Sprache bedarf. Was mir, wie schon erwähnt, auch hier sehr zu schaffen machte, ist die Tatsache, daß ich als Vorsitzende der Organisation leider zu wenig Zeit habe um alle Freunde, die ich inzwischen kennengelernt habe, während solch eines Hilfstransports zu besuchen. Ich weiß, daß ich sehr viel Enttäuschung zurücklassen muß, aber ich kann mich nicht aufteilen. Ich fahre jedesmal mit einem sehr schlechten Gewissen nach Hause und hoffe, daß man mir etwas Verständnis entgegenbringen kann.
Nach dem Abladen in der Universitätsklinik fuhren wir zur Onkologie, deren Chefarzt, Dr. Seremet ich im Januar persönlich kennengelernt habe. Er betreut nicht nur die Klinik, sondern auch eine Stiftung für "Arme und Alte", für die wir auch einige Hilfsgüter mitgebracht und einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt haben. Der Rundgang durch die Klinik hinterließ bei allen eine tiefe Betroffenheit. " Der Staat läßt die Krebskranken sterben, sie können dem Staat nicht mehr nutzen.", so sagt Dr. Seremet.
Bei sengender Hitze fuhren wir in die Kinderklinik zum Abladen. Ich hatte diese Klinik, wo sich nichts geändert hatte, im Januar zum ersten mal gesehen und über die Zustände in meinem Bericht über meine Vorbereitungsreise vom Januar 96 berichtet. Ein Teil unserer Mannschaft hatte schon abgeladen und saß an einer fürstlich gedeckten Tafel. Beim Anblick der allgemeinen Armut ist es sehr schwer nachzuvollziehen, daß man an einem derart reichlich gedeckten Tisch sitzen kann. Wir, die wir schon seit Jahren in diese Länder fahren, wissen, daß das Einzige, was man uns als Gegenleistung bieten kann, eine nicht zu überbietende, von Herzen kommende Gastfreundschaft ist. Als solches muß man diese Tafel einfach sehen und dankbar annehmen.
Nach dem Abladen und Besichtigen der einzelnen Stationen fuhren wir in die orthodoxe Pfarrei des Metropoliten Vladimir. Bereits bei der Ankunft waren wir etwas erstaunt, daß der Metropolit nicht zur Begrüßung da war, obwohl wir angemeldet waren. Nach dem Abladen wurden wir das Gefühl nicht los, daß man enttäuscht war , daß wir diesmal nur Kleidung und Pflegemittel für diese Station dabei hatten. Für uns nicht ganz begreiflich, da diese Hilfsgüter schließlich nicht für den Metropoliten sondern für die Armen der Pfarrei bestimmt waren. Erbost waren wir, als wir dann bei der Verabschiedung gesagt bekamen, daß der Metropolit Vladimir am Morgen früh aufstehen müsse und sich deshalb entschuldigen ließe, er würde uns aber per Fax den SEGEN geben. Diese Geste haben wir wohl verstanden und dankend, teilweise auch mit offen bekundeter Entrüstung, abgelehnt. Eine Station weniger für das nächste
Jahr ??? Wenn unser Freund Joan aus Orhei, der ja schließlich der Untergebene des Metropoliten ist, dadurch keine Schwierigkeiten bekommt, sicher ja..
Am Montag waren Hartmut, Agnes und ich zu einem Empfang bei dem Gesundheitsminister von Moldavien und bei der deutschen Botschafterin geladen. Der Gesundheitsminister, Herr Dr. Mosneaga, der während unseres ersten Transportes nach Moldavien noch Chef der Klinik in Chisinau war, erkannte uns sofort wieder und begrüßte uns herzlich. Seine Worte und sein Lob über unsere Tätigkeit zeigten uns, daß man auch in Regierungskreisen unsere Unterstützung für dieses Land zu schätzen weiß.
Im Gegensatz hierzu hatten wir bei der deutschen Botschafterin, Frau Kohlhaas, das Gefühl, daß sie nur einer tagtäglichen Routineverpflichtung nachkam und uns sicher schon beim Verlassen des Gebäudes wieder vergessen hatte.
Eine spontane Idee, das Geld, das ich von einer Todtnauer Bürgerin bei mir hatte, die jedesmal einem armen Kind in Moldavien helfen möchte, in der gegenüberliegenden Kinderklinik zu verteilen, ließ uns nochmal dort haltmachen. Frau Dr. Matraguna war überrascht uns nochmal wiederzusehen und stellte uns sogleich eine junge Mutter mit ihrem 19 Monate alten, schwer herzkranken Kind vor, dem ich die großzügige Spende überreichen konnte. Solche Augenblicke der zwischenmenschlichen Liebe und Ver-bundenheit geben mir immer wieder den Mut weiter zu machen und andere darin zu bestärken, uns in dieser nicht einfachen Aufgabe zu unterstützen..
Inzwischen war die übrige Mannschaft mit dem Abladen im Krankenhaus in
Orhei schon fast fertig, und wir kamen noch rechtzeitig zu dem geplanten Rundgang durch die Klinik. Bewußt bestanden wir darauf, diesmal Teile der Klinik zu sehen, die uns bisher noch nicht gezeigt wurden. Wir wählten einen etwas abseits gelegenen Flügel des Hauses und merkten sofort an der Reaktion des Chefarztes, daß wir hier einen wunden Punkt berührten. Nur nach hartnäckigem Insistieren war er schließlich bereit, uns die Station, in der die "schlechten Menschen" untergebracht waren, zu zeigen. Be-reits beim Eintritt in den Bau kam uns ein modriger unangenehmer Geruch entgegen, und bei der weiteren Besichtigung wurden unsere schlimmsten Erwartungen noch übertroffen. Die Zimmer waren noch schlechter, noch feuchter, noch enger, als die, die wir bisher gesehen hatten. Hier war die Station für die Geschlechtskranken, und der Chefarzt und seine Begleiter wurden nicht müde uns zu erklären, daß diese Men-schen eine bessere Unterbringung nicht verdient hätten.????
Während die übrige Mannschaft sich noch davon überzeugte, daß die Hilfsgüter vom letzten Transport inzwischen im Haus auch ihre Verwendung gefunden haben, machten sich Agnes, Hartmut und ich auf den Weg nach Susleni, wo im letzten Jahr einiges an Krankenhausbedarf abgeliefert wurde. Wir nahmen von dort einen ausgesprochen positiven Eindruck mit nach Hause.
Der Höhepunkt unserer Reise durch Moldavien war, wie immer, der sehr herzliche Empfang beim Bischof Joan Vulpe von Orhei. Für ihn hatten wir diesmal außer Kleidung für seine Kleiderkammer vor allen Dingen Betten und Matratzen für sein Kloster mit Ländereien, das der Kirchengemeinde erst vor Kurzem wieder übereignet wurde.
Vor dem, wie immer unübertrefflichen Empfang im großen Saal des Hauses, zeigte er uns noch zwei kleine Räume. In einem war bereits ein Ambulatorium für innere Krankheiten eingerichtet, und für den anderen suchte er noch dringend Gerätschaft für eine zahnärztliche Praxis. Beide Ambulatorien werden von entsprechend ausgebildeten Priestern der Gemeinde geleitet, und die Behandlung dort ist kostenlos. Bei der gegebenen gesundheitspolitischen Situation sicher eine segensreiche und unterstützenswerte Einrichtung.
Am Dienstag, den 14. Mai hieß es dann sich zu verabschieden. Das Groß der Mann-schaft machte sich nun auf den Heimweg und holte in Tulghes Andreas ab, der die Woche über dort geblieben war, um das Personal in der Anwendung der gebrachten orthopädischen Hilfsmittel zu schulen. Wie wir später erfahren sollten, hat Andreas begeistert darüber berichtet, daß er schon während seines Aufenthaltes erste Behand-lungserfolge sehen konnte, und daß er plane, das nächste Jahr wieder in Tulghes zu bleiben. Nur wer Tulghes und die dortigen Zustände schon einmal gesehen hat, kann ermessen, wieviel uneigennützige Aufopferungsbereitschaft dazu gehört, dort Tage oder gar eine Woche zu verbringen.
Andreas gebührt deshalb unser aller Anerkennung und Respekt.!!!
Wir, d. h. Wolfgang, Markus, Hartmut, Peter, Thomas und ich, und natürlich unsere Begleiter und Dolmetscher für die Ukraine, Gusti und Bischof Joan mit Begleiter (Bodygard?) traten den weiten und auch beim zweiten mal noch recht ungewissen Weg in die Ukraine an. Wir hatten bereits in Moldavien erfahren, von welch unschätzbarem Wert Joan für uns war. Keine Polizeikontrolle wagte es, einen Konvoi anzuhalten, dem ein Bischof voran fuhr. Er wisse zwar nicht, wie das in der Ukraine funktioniere, aber er würde sein Bestes versuchen, sagte er schmunzelnd. Die ersten Schwierigkeiten, die wir ohne ihn sicher nicht so hätten meistern können, erwarteten uns an der Grenze nach Transnistrien. Dieser kleine Staat von Lebeds Gnaden, der noch immer auf inter-nationale Anerkennung wartet, scheint noch immer von Millitärhorden beherrscht, und hält bei Tiraspol- Bender einen der wenigen funktionierenden Übergänge von Mol-davien in die Ukraine fest in der Hand. Irgendwo mitten in der Doppelstadt stand man plötzlich vor einem selbstgebastelten Schlagbaum und wurde von "Beamten" in zer-schlissenen Jeans unmißverständlich aufgefordert in das "Zollgebäude" ,einen um-gebauten Öltank, zu folgen. Die Abfertigung war barsch und ungehalten. Man nahm uns offensichtlich übel, daß wir Moldavien und die Ukraine versorgten, nicht aber Transnistrien.
Joan verstand es souverän, diese wilden Gesellen durch einen kurzen Segen und einen orthodoxen Kalender, von denen er einen schier unerschöpflichen Vorrat dabei hatte, versöhnlich zu stimmen.
Obwohl Pfarrer Joan die Gattin des moldavischen Botschafters in der Ukraine am Vorabend zum Essen eingeladen hatte, und dieser sich deshalb besonders intensiv für uns an der Grenze verwandte, war der Grenzübertritt in die Ukraine wegen eines an der rumänischen Grenze falsch ausgefüllten Papiers fast nicht möglich. Man hatte bei der Einreise nach Moldavien als Ausreiseort Palanka eingetragen. Palanka liegt aber am schwarzen Meer, etwa 200 km südlich von Tiraspol, und der Grenzübergang, an dem wir übertreten wollten, hieß Pervomaiscoe, ein Ort, der auf keiner Karte zu finden ist, weshalb uns dies bei der Einreise auch nicht auffiel. Erst als Joan erklärte, daß wir und er um 18.00 Uhr in Odessa vom Metropoliten erwartet würden, und daß eine Ver-spätung schwerwiegende Folgen hätte, wurde die weitere Abfertigung ermöglicht, und wir konnten nach ca. 4 Stunden die Grenze passieren. Beim ersten Halt in der Ukraine erklärte uns Joan, daß er für diese Notlüge sein Bischofskreuz unter der Kutte habe verstecken müssen, aber dies für einen guten Zweck.
Bei der weiteren Fahrt durch die Ukraine hatten wir Dank der Tatsache, daß viele der Polizeistopps, wohl aus Kostengründen nicht mehr besetzt waren und Dank Joan, der uns mit seinen Kalendern und wortreichen Palavern (Notlügen??) fast immer freie Fahrt verschaffte, diesmal wenig Probleme. Nur einmal dauerte der Halt etwas länger.
Der Polizist hatte Markus im ersten Wagen gesehen und wollte nun auch die anderen Fahrer kontrollieren. Als ich die Tür öffnete und ihm meine Papiere zeigte, sagte er kopfschüttelnd etwas zu Joan und ging weg. Joan erklärte, er habe ihm gesagt, er habe nicht gewußt, daß in Deutschland auch Kinder solche LKW fahren dürfen. (Kommentar von Thomas: "wir sollten den Ukrainern das nächste mal auch Brillen mitbringen", typisch Mann, oder???).
Sein Versprechen, uns jederzeit in einem Kloster unterzubringen, konnte Joan zwar nicht einhalten, aber Dank seines Verhandlungsgeschickes und seiner Kalender konn-ten die, die nicht ohnehin im LKW übernachten mußten, zu Inlandspreisen in den Hotels übernachten.
Ich erinnere mich, wie er in einem Hotel, in dem die Empfangsdame zu keinem Kompromiß bereit war, ruhig aber bestimmt den Hotelchef ans Telefon verlangte und sagte: " Ich, der Bischof von Orhei, Joan Vulpe, bin in einer humanitären Aktion in der Ukraine unterwegs. Ich erwarte, daß meine Helfer aus Deutschland die gleichen Preise bezahlen wie ich". Der Übernachtungspreis war damit für alle so hoch, wie sonst für eine Person.
Wie geplant schafften wir so die lange Strecke nach Lugansk, trotz aller Hindernisse an der Grenze, in knapp zwei Tagen. Dank dem unübertrefflichen Ortsgedächtnis von Peter und Wolfgang fanden wir die Klinik diesmal ohne fremde Hilfe auf Anhieb.
Der Direktor der Klinik erwartete uns bereits. Wir waren etwas enttäuscht, daß Feoder, der charmante Arzt , der uns letztes Jahr empfangen hatte, und den wir sehr geschätzt haben, und die beiden Dolmetscherinnen, Helena und Oxana, nicht da waren. Trotz Dolmetscher Joan und Gusti war die Verständigung schwierig, und man wollte offen-sichtlich nicht verstehen, daß wir darauf bestanden unsere Kontaktleute vom letzten Jahr wiederzusehen. Während Hartmut und ich mit dem Klinikdirektor sprachen, warteten die anderen bei den LKW. Thomas erzählte mir später, wie er plötzlich zwischen den LKW eine bekannte Stimme rufen hörte: " Frau Ursula, Herr Thomas, Herr Schulz"! Feoder war von einem Notarzteinsatz zurückgekommen und stand uns fortan jede Minute zur Verfügung.
Beim Abendessen zur Begrüßung im Ärztekassino kam uns der Gedanke, daß wir Joan und Gusti, die beide so engagiert und ehrenamtlich vor Ort für unsere Sache tätig sind, in unseren Verein als Ehrenmitglieder aufnehmen sollten. Beide waren über diese Geste sichtlich gerührt, und Joan bestellte sich sogleich ein HFO-T-Shirt. Auch hatte er sich entschlossen uns die ganze Reise über zu begleiten (eigentlich hätte er am nächsten Tag schon wieder in Moldavien sein sollen). Er führte kurzerhand ein län-geres Gespräch mit seinem Vorgesetzten und bekam dann grünes Licht für die restlichen Tage, was für uns natürlich ein Segen war.
Der weitere Ablauf war fest geplant. Zoll, Abladen, Besichtigung der Klinik und offizieller Empfang in der Kantine. Zoll und Abladen waren bestens organisiert, auch die Vertreter der Sozialstation waren zugegen und zählten peinlich genau jedes Paket, das für sie bestimmt war. Während des Abladens beobachtete und filmte Thomas einige spielende Kinder auf dem recht ungepflegten Klinikgelände. Bei näherem Hinsehen mußte er zu seinem Entsetzen feststellen, daß auf der Wiese zerstreut Knochen lagen, die eindeutig menschlichen Ursprungs waren. Er ging der Sache nach und fand hinter der Klinik einen Schuppen, der als Müllraum diente, und in dem offensichtlich auch Amputate und andere "Operationsabfälle", von Embryonen bis Innereien entsorgt wurden. Die verwilderten Hunde des Klinikgeländes hatten, Dank ihrer Spürnasen, einen Weg in diesen Raum gefunden.
Beim Betanken der LKW hatte man offensichtlich die Größe der Tanks unterschätzt. Die zugesagten 1000 Liter lagen zwar in 200 Literfässern bereit, aber der Tankwart kam mit 20 Literkanistern, die er jeweils durch ansaugen mit einem Schlauch füllen wollte. Pro Kanister zehn Minuten, das wären bei 1000 Liter 500 Minuten, also gute 8 Stunden gewesen. Solange konnten und wollten unsere Leute nicht warten. Erst nach längerem Palaver kam der Chef des technischen Dienstes auf die Idee, die Fässer mit einem Radlader anzuheben und die LKW direkt zu betanken. Beim Abendessen wurde fast jeder, wie in den osteuropäischen Ländern üblich, zu einer Tischrede aufgerufen, wo sehr viele Worte des Dankes und der Freundschaft fielen.
Spät am Abend war es erfreulicherweise noch möglich die beiden Dolmetscherinnen Helena und Oxana in unserem Hotel zu treffen. Wir hatten noch ein nettes Gespräch in Gustis Zimmer.
Morgens wurden wir von einer Delegation der Sozialstation von Sewerodonetzk in der Klinik empfangen. Die Herzlichkeit dieses Empfanges kann man kaum beschreiben. Nach einigen Formalitäten verabschiedeten wir uns von den Leitern und Ärzten der Klinik und fuhren im Konvoi in Richtung Sewerodonetzk. Schon im letzten Jahr wur-den wir am Ortseingang so herzlich mit Brot und Salz empfangen, aber in diesem Jahr sollte es noch viel schöner sein. Etwa acht Mädchen in ukrainischer Tracht, der Bürgermeister und seine Frau, standen zu unserer Begrüßung mit dem landesüblichen Brot, Salz und Blumen am Straßenrand. Es war eine unvergessliche Begrüßung. Am Nachmittag wurde dann in der Klinik und gleichzeitig in der Sozialstation abgeladen. Unsere aktivsten Helfer waren die vielen Kinder, die sich um die LKW geschart haben. Nach einem wunderschönen Abend wurden wir nach einer kurzen Nacht (wieder kaltes Wasser!!) zum Frühstück abgeholt. Wir besichtigten einen Teil der Klinik, in welchem hauptsächlich alte und herzkranke Patienten untergebracht waren. Man sagte uns, daß derzeit keine Möglichkeit besteht zu duschen oder gar sich zu waschen, da man am Renovieren sei. Die Patienten würden ja meistens über das Wochenende nach Hause gehen und dann dort duschen, aber viele sahen nicht danach aus und strömten auch einen dementsprechenden Duft aus. Obwohl ich eben wegen dieser Gegebenheit die Räumlichkeiten verlassen mußte, bekam ich noch mit, daß auf allen Nachtschränkchen Medikamente von unserem letzten Hilfstransport lagen, ein positives Erlebnis für uns.
Anschließend besuchten wir das Kinderkrankenhaus, welches auch von unseren Hilfsgütern erhalten hatte. Es war Wochenende, und viele der kleinen Patienten waren zu Hause. Die Wenigen, die anzutreffen waren, wohnten mit ihren Müttern in einfachen Räumen, ausgestattet mit eigenen Naßzellen, die aber alles andere als einladend waren.
Anschließend besichtigten wir noch eine Internatsschule, die auch von unseren Hilfsgütern erhalten hatte. Das Haus machte uns einen einfachen, aber geordneten Eindruck. Dort sind Kinder vom Kindergartenalter bis zur 9. Klasse untergebracht, die entweder keine Eltern haben oder solche, die sie nicht versorgen können, oder welche, die im Gefängnis sind. Die Kinder der Schulklassen, die uns vorgestellt wurden, machten uns einen guten, wohlerzogenen Eindruck, und Margret stellte an Hand von Bildern fest, daß die Mädchen Blusen von einer Spende des letzten Jahres trugen. (eine erfreuliche Feststellung für uns).
Am Nachmittag waren wir dann von einer Dorfgemeinde, die auch Hilfsgüter von uns erhalten hatte, zu einem Picknick auf dem Lande eingeladen. Man hatte sich sehr viel Mühe gegeben und unendlich viel Schmackhaftes auf einer Waldlichtung dargeboten. Trotz der lästigen Stechmücken haben wir alle den schönen Nachmittag genoßen und natürlich viel zu viel gegessen. Beim anschließenden Versuch einzelne Häuser der Dorfbewohner zu besichtigen, stießen wir auf Wiederstand. Nur das Haus des Ortsvorstehers war zu besichtigen und ein dazugehöriger Kuhstall. Thomas wollte auch die Ställe der Kooperativen besichtigen. Der Ortsvorsteher meinte, das ginge nicht, alle Tiere seien draußen. Dann als Begründung brachte er die Schweinepest an, und zu guter letzt war sein Kommentar, er sei überhaupt nicht zuständig. Mit vorgehaltener Hand meinte er: "Sie haben hier schon genug Elend gesehen, vielleicht das nächste mal." (Bei dem Gedanken an die Krankenhäuser, die wir besichtigt hatten, hatte er nicht unrecht)
Am nächsten Morgen hieß es sich zu verabschieden. Nicht nur ich hatte beim Abschied außerhalb der Stadt Tränen in den Augen. Ich denke, alle hatten das Gefühl, wahre Freunde, die so weit entfernt sind, zurücklassen zu müssen, eine Empfindung, die man nur mit einer gewissen Tiefe nachvollziehen kann. Ja, es war, zumindest für mich, ein schwerer Abschied, aber immer mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Nun ging unsere Fahrt in Richtung Kiew. Einmal haben wir noch in Poltawa übernachtet. Am Vormittag sind wir dann nach unkomplizierter Fahrt in Kiew angekom-men. Wir freuten uns alle darauf, Frau Anka Feldhusen, die Sekretärin der deutschen Botschaft, die uns im letzten Jahr viel geholfen hatte, wiederzusehen. Leider hatte sie nur ein paar Minuten Zeit, um mit uns eine Cola an einem Imbisstand zu trinken.
Bei schwülem Wetter besichtigten wir noch das berühmte Kloster von Kiew und trafen uns anschließend mit dem Botschafter von Moldavien, der uns dann ein kostengün-stiges Hotel in der Stadtmitte besorgte.
Am nächsten Morgen nahmen wir Abschied von der Sekretärin der deutschen Botschaft und von Kiew und fuhren in Richtung Lemberg und der polnischen Grenze. Wie schon einmal erwähnt, hat Bischof Joan Vulpe und Gusti es sich nicht nehmen lassen uns bis an die polnische Grenze zu begleiten. Es war ein wahrhaft rührender Abschied von unseren Freunden, die uns keine Minute alleine gelassen und sich auch wieder für das kommende Jahr bereit erklärt haben, dabei zu sein, auch wenn die Reise sonst wohin führen würde. Nicht nur ich hatte Tränen in den Augen. Aber Abschied -nehmen von geliebten Menschen heißt nicht, daß alles vorbei ist, sondern, daß es eine Steigerung geben kann, wenn man dies wirklich will. Ich bin davon überzeugt, daß wir mit Menschen, die zu der Sache und zu uns stehen, noch viele intensieve, gute Augenblicke haben werden.
In Polen fanden wir im Kloster Lesnica bei den Schwestern, wo Hartmut schon sooft Hilfsgüter hingebracht und eine Art Heimat gefunden hat, einen wahren Ruhepol. Dort konnten wir alle Gedanken über die Reise und auch über zwischenmenschliche Gefühle nochmal einer gründlichen Prüfung unterziehen, was der Einzelne schlafend im Zimmer und der andere meditierend im Garten vollzog. Für mich war ein beson-deres Erlebnis, daß ich mit Schwester Manuela musikalisch in wunderbarer Weise einige Minuten des letzten Abends in der Klosterkirche verbringen konnte.
Der Grenzübertritt nach Deutschland war in einer halben Stunde erledigt und ohne Schwierigkeiten. Zur anschließenden Heimfahrt kann ich nur wie ein Moderator von SWF 3 berichten, Stau, Baustellen und zähfließender Verkehr.
Am Abend sind wir, fast pünktlich in Lohmar gelandet, wo wir von den Angehörigen der Seelscheider Mannschaft herzlich empfangen wurden. Um 24.00Uhr haben wir, alle recht müde, auf Margrets Geburtstag angestoßen und sind dann am nächsten Mittag, nach der Reinigung der LKWs, vollbeladen mit unserem Twingo nach Hause gefahren.
Ja, es war ein riesiger, und nicht nur für mich, anstrengender Transport. Nicht das LKW-Fahren war es, sondern das Mitfühlen, Mitempfinden und Mitdenken.
Manchesmal habe ich Angst, daß diese Gefühle mit mir alleine bleiben, und damit wäre diese Idee, dieses Vorhaben, Menschen in ihrer Not zu helfen, gescheitert.
Getragen von positiven Gedanken werde ich trotz aller Hindernisse mit meinen Freunden weitermachen und Gutes weitergeben, in der Hoffnung, daß uns auch in Zukunft die Hilfe der Bevölkerung zuteil wird.
Allen, die ihre Freizeit schon im Vorfeld und dann auch für den Transport geopfert haben, und allen, die uns auf dem gefahrvollen Weg mit Ihren Gedanken begleitet haben, möchte ich von ganzem Herzen danken.

Ursula Honeck

 

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Letzte Änderung: 30/03/02 -- Autor: Dr.med. Thomas Honeck

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