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Gedanken und Erinnerungen an den Transport nach Rumänien und Moldavien

 

vom 14.05.95 bis 27.05.95

von Susi Braunsberger

 

Ich bin ganz zufällig an diese Organisation geraten. In Todtnauberg habe ich Peppo am "Berger Höhenlauf" getroffen und habe mich von seinen Berichten fesseln lassen. So kam es, daß ich dann im Mai 1995 das erste mal an einem solchen Transport teilnehmen durfte.
Es war ein anstrengender, eindrucksvoller und doch schöner Transport, und mit acht 40-Tonner, zwei PKW und 19 Personen auch der größte (bis jetzt).
Am Freitag den 12.05.95 haben Peppo, Udo Markus, Thomas, Jürgen, Reinhold und ich die LKW`s bei der Fa. Sixt in Köln abgeholt und nach Lohmar gebracht und sind, nachdem ein LKW schon vorbeladen war, mit drei Zügen nach Todtnau gefahren.
Am Samstagmorgen haben viele Helfer bei strömendem Regen die drei LKW`s angefangen zu beladen. Die "Seelscheider" haben die ganze Nacht von Freitag auf Samstag 5 LKW´s bis 7.00 Uhr morgens beladen. Als wir um 20.00 Uhr den letzten LKW verplomben konnten, regnete es immer noch. Nachts begann es jedoch zu schneien, und unsere Seelscheider hatten am Notschrei ihre liebe Mühe damit. Peppo mußte nachts noch einen Streuwagen mobil machen, damit alle auch noch in Aftersteg ankommen konnten. Sie haben im "Speyerhaus " übernachtet.
Am Sonntagmorgen lag natürlich Schnee, aber alle waren sehr aufgeregt, weil es ja heute auf große Fahrt ging. Für uns "Neue" war es besonders eindrucksvoll. Ich glaube ganz Todtnau war auf dem Marktplatz vor der Kirche versammelt, um uns zu verabschieden. Herr Pfarrer Hillig und Herr Pfarrer Geib sprachen uns ermutigende Worte zu und gaben uns und den Fahrzeugen ihren Segen.
Um 11.45 Uhr heißt es dann "aufsitzen" und abfahren. Unser erstes Etappenziel ist Passau. Die Fahrt bis dahin verläuft planmäßig, und wir kommen um 21.30 Uhr in unserer Unterkunft an, haben jedoch mit 8 LKW´s und 2 PKW´s etwas Probleme geeignete Parkmöglichkeiten zu finden. Aber es geht dann doch.
Am Montag heißt es um 6.00 Uhr aufstehen. Nach dem Frühstück geht´s um 8.00 Uhr dann los zur Grenze Deutschland/Österreich. Dort läuft alles ohne Probleme, und wir können bald weiterfahren.
Da wir nicht durch Wien fahren müssen, es gibt eine Umgehung, ist dies natürlich überhaupt kein Problem. Nicht, wenn ein so guter Transportleiter wie Peppo Schneider vorne fährt. Nachmittags an der ungarischen Grenze dauert die Abfertigung dann schon etwas länger, aber nach ca. zweieinhalb Stunden können wir unsere Fahrt in Richtung Budapest aufnehmen. Die Fahrt verläuft gut und bis jetzt ohne größere Pannen. Da Erich Steck fährt, kann ich die schöne Landschaft genießen, die Sonne scheint und es ist recht warm.
Die Straßenzustände lassen langsam sehr zu wünschen übrig, und wir können zum Teil nicht sehr schnell fahren. So kommen wir erst gegen 21.45 Uhr in Szolnok in unserem Quartier an. Ab jetzt muß in jedem LKW mindestens eine Person übernachten, von uns drei Damen wird dies allerdings nicht verlangt, wir dürfen im Zimmer schlafen. Schließlich müssen wir ja die morgentliche Duschaktion organisieren, was bei 19 Personen etwas hektisch abläuft aber sehr gut klappt.
Am Dienstagmorgen wieder 6.00 Uhr aufstehen, frühstücken und alle Fahrzeuge nochmal volltanken. Jetzt gibt es fast nur noch Landstraßen, und wir fahren zum Teil schneller als es die Polizei erlaubt. Besonders die letzten Fahrzeuge müssen Tempo vorlegen, damit sie den Anschluß nicht verpassen. Bei den schlechten Straßen ist dies garnicht so einfach. Bis zur rumänischen Grenze verläuft alles normal. Dr. Liebhart erwartet uns dort schon. Peppo und Ulla erledigen die Papiere, wir warten ab. Es dauert etwas länger als erwartet. Um 15.00 Uhr (rumän. Zeit) Weiterfahrt nach Tirgu-Mures, unsere erste Abladestelle. Wir kommen dort erst spät abends an und bekommen um 23.00 Uhr aber noch was zu essen. Haben um 24.00 Uhr zum Geburtstag von Erich Steck noch mit Sekt angestoßen und sind noch gemütlich zusammen gesessen. Die Stimmung ist die ganzen Tage über schon ganz toll.
Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Kleinbus zum Krankenhaus und hoffen, daß der Zöllner zum Entplomben nicht so lange auf sich warten läßt. Er kommt jedoch recht bald, und wir können anfangen abzuladen. Peppo und Ulla sind mit den Papieren beschäftigt, Hartmut hält alles mit der Videokamera fest, Margret und ich sehen uns die Kinderstation an und verteilen Stofftiere an diese bedauernswerten kleinen Patienten. Man kann die Zustände in einem rumänischen Krankenhaus nicht beschreiben. Es fehlt an allem, nur nicht an Personal. Aber was nützt dies, wenn fast keine Hygienemittel, Medikamente, Bettwäsche, Kleidung und medizinische Geräte (die Liste ist endlos)vorhanden sind? Wenn Kinder, Babys, zum Teil erst 5 Tage alt, von ihren Müttern abgegeben und nicht mehr abgeholt werden, weil sie sie nicht ernähren können? Es ist furchtbar. Es werden überdurchschnittlich viele Babys mit Herzfehlern geboren. Da kommt man in solch ein Krankenhaus und fragt sich, wie die Ärzte das alles schaffen, was diese mit den wenigen Mitteln leisten müssen. Ihre Hände und ihr Wille Leben zu retten, sind das Wertvollste und fast das einzige, was sie haben. Ich bin recht niedergeschlagen und erkenne, daß hier noch sehr viel geholfen werden muß.
Nach dem Abladen können wir uns etwas die Stadt ansehen. Die Luft ist schlecht und alles ist grau in grau. Es laufen viele Straßenkinder herum, dreckig und zerlumpt, manche sind erst vier Jahre alt.
Vor den Krankenhäusern und Hotels stehen überall Wachleute.
Abends sitzen alle beim Italiener gemütlich zusammen und reden über das, was wir bis jetzt gesehen haben.
Die Straßen werden immer abenteuerlicher. Auf unserer Fahrt nach Bistritz herrscht ziemlich viel Verkehr. Die Armut wird auch zusehends schlimmer. Vor uns fährt ein Militärlaster und kommt einen kleinen Berg nicht hoch. Die Soldaten müssen absitzen und hochlaufen. Ulla fährt bei Peppo auf Wagen 01. Wir Frauen fallen sowieso enorm auf, eine Frau am LKW-Steuer!!
Eine Bemerkung zwischendurch. Nach anfänglichen Bedenken, daß Thomas und Ulla als Anfänger der Führerscheinklasse II auf einem LKW fahren, muß ich sagen : "ich nehme alles zurück, die beiden haben es uns allen ganz schön gezeigt und sind recht gut gefahren, ebenso unser absoluter "Frischling" Markus. Echt toll." Ich glaube nicht, daß ich mit dieser Erkenntnis alleine da stehe.
Am Stadtrand von Bistritz werden wir erwartet. Ein Krankenwagen fährt mit Blaulicht voraus, und wir im Konvoi mit Warnblinklicht hinterher. An jeder Kreuzung haben wir freie Fahrt. Ein LKW fährt ins Krankenhaus zum abladen, die anderen parken außerhalb der Stadt und warten auf Diesel für 4 LKW. Wir bekommen ca. 900 Liter, die mit einem Traktor und 4 Fässern auf einem Anhänger gebracht werden. Getankt wird mit Eimer und Trichter. Der Fahrer muß allerdings erst 3 mal mit dem Mund ansaugen bevor etwas kommt. (Igitt!!) Diese Tankerei kostet natürlich auch viel Zeit. Um 16.00 Uhr fahren wir dann weiter nach Piatra-Neamts. Diese Strecke über die Karpaten ist ganz schön beschwerlich, aber die Landschaft ist wunderschön. Auf der Passhöhe unterhalb von Schloß "Dracula" verteilen wir Kleidung und Schuhe an der Straße. Es fängt an zu regnen und bei einem Gefälle von 10% ist Schrittempo und viel Abstand angesagt. Die Fahrbahnbeläge sind gefährlich rutschig. Ab und zu treffen wir auch mal einen deutschen LKW. Weiter unten halten wir nochmal zum Verteilen an. Es gibt in diesen Bergdörfern kein fließend Wasser, nur ein paar Ziehbrunnen und natürlich kein Telefon, aber wie sich in kurzer Zeit so viele Menschen zusammenfinden um auch etwas abzubekommen, ist erstaunlich. Wir fahren weiter. Es ist eine Strecke mit sehr vielen Kurven, aber landschaftlich sehr schön. Wir folgen dem Fluß Bistrita bis zur Staumauer. Als wir diese überqueren ist es leider schon dunkel, denn wir kommen erst um 23.00 Uhr in Piatra-Neamts an. Wir sind alle so langsam recht müde.
Das Wasser hier ist sehr chlorhaltig, und wir ziehen es vor die Zähne mit Mineralwasser zu putzen. Ich traue mich kaum den Fön an der Steckdose anzustecken, die elektrischen Vorrichtungen lassen doch sehr zu wünschen übrig.
Am nächsten Morgen Abladen in einer Pfarrei und in der Ambulanz einer Fabrik. In dieser Zeit fahren Margret, Thomas, Erich Nann und ich in ein Dorf bei Savinesti, welches mit Hilfsgütern durch ein Mädchen, namens Nicoletta, versorgt wird. Es ist ein armes Dorf mit ca. 700 Einwohnern. Die "Straßen" sind überhaupt nicht befestigt oder geteert. Bei Regen gleicht alles einer Schlammwüste. Hier sind eigentlich nur Pferdefuhrwerke zu sehen. Im ganzen Land sind trotz des wachsenden Autoverkehrs immer noch sehr viele Ochse- und Pferdekarren unterwegs.
Wir besuchen die Familie von Nicoletta und werden sehr herzlich empfangen. Nachdem uns zur Begrüßung nicht nur ein Gläschen Wein angeboten wurde, müssen wir schon wieder aufbrechen, die Zeit drängt. Thomas möchte noch zwei Familien, ein paar Meter weiter, aufsuchen, die er schon von den letzten Jahren kennt. Also für uns, die das erste mal hier sind, ist es unfassbar, wie diese Menschen "wohnen". Ihre Behausung, Haus kann man nicht sagen, besteht aus 1 bis 2 Zimmern ca. 1,90m hoch, und darin müssen, wie hier z. B. 8 Personen, Erwachsene und Kinder, wohnen, essen, schlafen, kochen......Wenn es überhaupt Strom gibt reicht es vielleicht gerade mal für eine schwache Glühbirne. Kein Telefon, kein Kühlschrank, kein fließend Wasser,kein Herd. Es wird meistens am offenen Feuer gekocht, wodurch auch viele Kinder mit Verbrennungen im Krankenhaus liegen.
In dem Moment wird mir immer deutlicher in welchem Wohlstand wir leben, und wie verschwenderisch wir mit allem umgehen. Das macht mich doch sehr nachdenklich.Aber Thomas reißt mich wieder aus meinen Gedanken, denn wir müssen wieder zur Fabrik zurück. Die anderen werden schon warten. Die Rumänen verstehen unsre Eile garnicht, weil in diesem Land Zeit eigentlich keine Rolle spielt. Hier dauert alles nur 5 Minuten, auch wenn Stunden daraus werden. Eine Entfernung wird grundsätzlich mit 100m angegeben.Nur die Literzahl beim Diesel stimmt meistens. Hier bekommen wir für 4 LKW´s 1000 Liter.
Abends sitzen wir wieder alle zusammen nach dem Essen und stellen fest, daß wir uns bis jetzt ganz toll verstanden haben, obwohl sich viele erst ein paar Tage kennen. auch Peppo läßt als Transportleiter ein kleines Lob erklingen wie gut alles bis hierhin geklappt hat. Das freut uns natürlich. Aber noch ist nicht aller Tage Abend, denn wir haben noch einiges vor uns, wir werden sehen.
Am Samstag, den 20.05.95 geht es in aller Herrgottsfrühe ohne Frühstück weiter nach Moldavien, wohin uns unsere Dolmetscherin Gusti natürlich begleitet.
Wir fahren durch Rebberge, 8% hoch, 10% runter, durch Dörfer, wo Hühner, Gänse, Enten mit ihren Küken schnell das Weite suchen wenn wir kommen, langsam durch Schaf- und Ziegenherden, durch Landschaften bestehend aus riesigen Feldern soweit man schauen kann, vorbei an einigen Fischzuchtbecken und vielen Storchennestern mit Nachwuchs drin.
Die Grenze erreichen wir um 12.30 Uhr. Da bei den Papieren angeblich irgendein Stempel vergessen wurde, müssen wir zweieinhalb Stunden warten, bis sich mal ein dafür zuständiger Beamter einfindet. Dann wiederholt Paß- und Gesichtskontrolle, Stempel, Laufzettel ausfüllen, abgeben. Jetzt fehlen nur noch die Visa für Moldavien. Am moldavischen Zoll kommt auf dem WC sogar Wasser aus dem Hahnen zum Hände waschen! Wir beobachten einen Reisebusfahrer, der die Zöllner gerade mit Cola und Zigaretten besticht. Wir warten immer noch, die Sonne brennt. Es geht jedoch immer ein Wind, dementsprechend sieht bei dem Staub auch alles aus. Wir werden dreckig ohne etwas gearbeitet zu haben.
Endlich können wir unsere Fahrt nach Chisinau fortsetzen. Grausam holprige Straßen, auf denen es einem ständig die Gänge raushaut und alles oben runterfällt. Aber so um 19.00 Uhr kommen wir dann doch am Krankenhaus an, wo wir wieder erst einmal das Parkplatzproblem lösen müssen und auch können.
Thomas und Ulla räumen ihren LKW aus und packen ihre Sachen in den PKW, die beiden fahren ja mit in die Ukraine. Andreas und ich übernehmen dann ihren LKW. Während zwei LKW zum Tanken fahren, stellt uns Ulla eine Frau vor, die im letzten Jahr zwei von den gespendeten Herzklappen eingepflanzt bekommen hat. Es ist eine rührende Begegnung, denn sie bedankt sich bei uns für ihr "zweites Leben".Nach so einer freudigen Nachricht schmeckt das Abendessen natürlich wieder besser. Wir essen im Krankenhaus, und Herzchirurg Dr. Manolache erzählt uns, daß 80% von den Medikamenten, die er verwendet, von unserem Verein stammen, und daß diese, wie auch die Herzklappen, kostenlos eingesetzt bzw. verteilt werden. Vom Herbst 94 bis April 95 haben ihm die 60 Herzklappen gerade so gereicht. Die Klappen werden von uns in Moskau zum Stückpreis von 174 DM eingekauft. Bei uns kostet eine Klappe zwischen 2500 DM und 6000 DM!!!
Nach dem Essen verabschieden sich unsere "Ukraine-Piloten" Hartmut, Wolfgang, Rainer, Peter, Ulla und Thomas, sie müssen wieder früh aus den Federn. Wir wünschen ihnen viel Glück bei ihrer Reise ins noch "Unbekannte". Die Sechs fahren mit 2 LKW´s und dem Geländewagen bis fast an die russische Grenze. Toi, toi, toi.
Wir begeben uns in unsere Unterkunft (Schwesternwohnheim?) Ich schaue erst mal nach, ob in den Betten keine "Mitschläfer" wie Wanzen oder sonstige Viecher drin sind. Ist aber nicht der Fall. Sind im dritten Stock mit 15 Zimmern z. T. mit 4 Betten. Als Waschgelegenheit dienen: 5 Waschbecken in einem Raum, den man fast nur mit Gummistiefeln betreten kann, weil das Wasser wie es in das Becken reinläuft unten wieder rauskommt. Ferner eine "Dusche" d. h. zwei rostige, etwas gebogene Rohre, aus denen selbstverständlich nur kaltes Wasser kommt. Schimmel an Decke und Wänden, von denen die Fliesen abfallen, wenn überhaupt welche vorhanden sind. Dann noch 2 Toiletten, als Stehklo umfunktioniert, davor einen Papierkorb , in den das benutzte Klopapier zu werfen ist, da sonst die Rohre verstopfen. Es riecht doch etwas streng.
Das Frühstück am Sonntagmorgen im Krankenhaus ist nicht nur für mich etwas ungewöhnlich. Morgens um 8.00 Uhr gibt es, zugegeben seit längerer Zeit die erste (wirklich) heiße Mahlzeit. Kartoffelbrei und Fleischklößchen mit Salat. Ich stelle mir eben vor, es ist schon 13.00 Uhr, aber es schmeckt gut.
Während dann abgeladen wird, und Peppo mit Gusti und dem Zollbeamten losfährt um den Papierkrieg zu erledigen, schaue ich mit Udo, Stefan, Charly mal in die Klinik rein. Dieses Haus hat 1600 Betten, 2500 Personal, 6000 Praktikanten und Schüler und muß im Jahr bis zu 30.000 Patienten mit Medikamenten versorgen, nicht nur in diesem Haus sondern in noch 8 bis 10 weiteren Kliniken. Dies ist sozusagen eine Zentrale. Die ganzen Apparate sind sehr veraltet und nur noch zum Teil funktionsfähig, z. B. im Labor. Es fehlen eben Ersatzteile. Wir werden versuchen diese zu besorgen und nächstes mal mitzubringen. Der Putz fällt von den Wänden, PVC-Böden, sehr desolat, Flure spärlich beleuchtet, und es riecht überall doch etwas streng, aber nicht nach Desinfektionsmitteln. Margret übergibt einem armen Mädchen, 8 Jahre alt, einen Umschlag mit Geld, das eine Todtnauerin gespendet hat, damit es operiert werden kann. Die Mutter kann es garnicht fassen. Wir verteilen auch hier Stofftiere an Kinder und bekommen ein paar Blumen, selbst gepflückt, als Dankeschön und vor allen Dingen ein lächelndes Kindergesicht. Auch hier müssen wir uns losreißen, die nächsten Abladestellen warten. Einmal beim katholischen Pfarramt, einmal bei der orthodoxen Kirche. Wir veranstalten in der Stadt ein mittleres Chaos und müssen mehrmals nach dem Weg fragen, denn hier sieht eine Straße aus wie die andere. Aber wir finden auch unsere Adressen und machen uns ans Werk. Die Kirche ist als solches gar keine, es ist ein großes, altes, heruntergekommenes Gebäude, welches aber gerade renoviert wird. Als Installateur schlägt Charly die Hände über dem Kopf zusammen. Hier geht es scheinbar nach dem Motto "Hauptsache, es funktioniert". Heizungsrohre z. B. liegen nur auf dem Boden und sind 1. Stolperfallen und 2. Dreckschleudern. Sämtliche Rohrleitungen sind total verrostet und somit wiederum Bakterienträger. Es fehlt eben nicht nur an Material sondern auch an Fachkenntnis. Aber es wird uns versprochen, daß die sanitären Anlagen, die wir bringen, ordnungsgemäß intalliert werden. Nächstes Jahr werden wir uns davon überzeugen.
Um 18.00 Uhr treffen wir uns wieder alle in der Pfarrei und essen zu Abend. Reinhold ist nicht dabei, er hat mit einem der russischen Soldaten, die unsere LKW´s bewachen, Freundschaft geschlossen und ist zu seiner Familie eingeladen worden.
Am Montagmorgen werden wir vom Pfarrer aus Orhei hier am Krankenhaus abgeholt. Wir müssen die Fahrt nur einmal kurz unterbrechen, da uns die Polizei wiedermal anhält. Auch in diesem Land dürfen LKW´s nur 60 km/h fahren. Aber Pfarrer Johann hat alles im Griff und regelt es auf seine freundliche Art. Als wir am Krankenhaus ankommen, trifft uns alle fast der Schlag. Hier werden in einem Lager, das Löcher im Dach hat, Hilfsgüter vom letzten Jahr gehortet, angeblich für das sich im Bau befindliche neue Krankenhaus. Eigentlich war diese Klinik mit den meisten Hilfsgütern bedacht worden. Nach kurzer Beratung entschließen wir uns hier nur einen Teil abzuladen. Peppo, Margret und Gusti versuchen dem Direktor klar zu machen, daß wir für jetzt und hier helfen und nicht um das Lager für irgendwann zu füllen.Wenn das neue Krankenhaus fertig ist, wird auch dort geholfen.
Während die anderen draußen abladen, sehen sich ein Teil von uns mal diese Klinik genauer an. Mir stellen sich die Haare. Diese Zustände kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Jedes Tierheim würde man schließen bei solchen Bedingungen. Hier werden auf geschweißten, speckigen Op-Tischen 1100 - 1200 Operationen im Jahr durchgeführt, 40% davon sind Notfälle. Für 1 Station mit ca. 90 Betten, linker Flur eitrige Fälle, rechter Flur nicht eitrige Fälle, stehen eine, maximal zwei Toiletten und eine Dusche zur Verfügung. Den Zustand dieser beiden Einrichtungen möchte ich hier nicht beschreiben, hier würde nicht einmal mein Hund sein Bein heben. Der fürchterliche Gestank erstreckt sich natürlich bis in die Gänge und Zimmer. Ein solches Zimmer ist mit 6 - 9 Betten belegt, kein Waschbecken, keine Bettwäsche und Schlafanzüge. Die Fußböden überall kaputt, richtige Löcher im PVC, kaum Licht in den Fluren. Es stehen Emailtöpfe auf Schränkchen, in denen das Op-Besteck desinfiziert wird, in einer rot-braunen Brühe, die nicht gerade nach Desinfektionsmittel riecht.
Im Wartezimmer ist eine gynäkologische Abteilung eingerichtet, nur durch eine spanische Wand von den wartenden Patienten abgetrennt. Im Röntgenraum finden wir keine Bleischürzen, OP-Schürzen hängen draußen auf einer Wäscheleine, Kinder liegen ohne Matratzen in ihren Bettchen. Eine Seuchenstation ist als solche überhaupt nicht erkennbar. In manchen Zimmern, OP´s oder Kreissäälen stehen Heizlüfter, weil die Heizung nicht funktioniert. Die Medikamentenschränke sind auch fast überall leer, es wird Zeit, daß wir wieder etwas bringen.
Am gleichen Abend fahren wir wieder zurück nach Chisinau und laden dort bis nachts um 3.00 Uhr in einer Kinderklinik ab. Diese Klinik ist neu für uns, und wir fahren nach nur 1 - 2 Stunden Schlaf nach dem Frühstück nochmal hin um uns zu informieren wo und wie noch geholfen werden kann. Die Freude ist bei uns allen groß, als wir sehen, daß die Kinder schon in den "neuen" Betten liegen und viel Spaß darin haben. Die Ärztin hat die ganze Nacht die Sachen versorgt, und es ist wirklich schon alles in Gebrauch. Da sind für uns alle die Strapazen und die kurze Nacht ganz vergessen.
Wir müssen wieder mal die Beine in die Hand nehmen, denn spätestens um 14.00 Uhr sollten wir wieder an der Grenze sein, es geht langsam wieder auf den Rückweg. Pünktlich an der rumänischen Grenze angekommen, richten wir uns auf einen längeren Aufenthalt ein. Der Kaffee läuft, Wurst und Brot werden brüderlich geteilt, und da die Zöllner wiedermal nicht in Gang kommen, hilft Peppo etwas nach mit Medikamenten, Kaffee, Schokolade. Irgendwo fällt ein Spruch:"Russisch sprechen, nix verstehen, zap-zarapp, auf Wiedersehen." In Moldavien wird überwiegend russisch gesprochen. Ich beobachte ein paar Bauarbeiter mit Planierraupen. Hier sind nicht nur die Menschen langsam, sondern auch die Maschinen. Kein Wunder, daß alles so lange dauert. Wir dürfen endlich weiter , und Reinhold gibt an Peppo durch, daß er mit der Führerhausaufhängung Probleme hat. Andreas ist natürlich gleich wieder zur Stelle, es scheint aber nicht so tragisch zu sein. Wir fahren weiter und sind um 21.30 Uhr wieder in Piatra-Neamts.
Am Mittwoch brechen wir nach Tulghes auf. Vorher müssen wir uns leider von unserer Dolmetscherin Gusti verabschieden. Es hat mich gefreut sie kennengelernt zu haben, ist eine tolle, sympatische Frau.
Auch in Tulghes werden wir schon erwartet. In dieser ehemaligen Kaserne ist heute eine psychiatrische Anstalt für körperlich und geistig behinderte Kinder und Erwachsene. Mir treibt es heute noch Tränen in die Augen bei dem Gedanken an diese Menschen. Als Peppo sagt, daß sie jetzt schon mal ordentlich gekleidet und einigermaßen gut untergebracht sind, kann ich mir gut vorstellen, wie es hier vor Jahren ausgesehen haben muß, grauenhaft. Kinder liegen, meist zu zweit in einem Bett, viele in Embryohaltung, weil sie nicht wissen was sie mit ihren dürren Beinen anfangen sollen. Es wurde ihnen nie gezeigt oder beigebracht damit zu laufen. Sie können zum Teil nicht sprechen, liegen apathisch im Bett usw. Mit diesen Kindern hat sich früher nie jemand beschäftigt, gespielt oder sie erzogen. Sie waren halt da, weil sie lebten. Heute sieht es, Gott sei Dank, besser aus. Aber es gibt für das 555 - Betten - Haus nur 260 Betreuer, bei weitem viel zu wenig.
Wir sehen uns ein wenig um und stellen fest, daß die Naßräume alle mit Badewannen, Waschbecken, gefließten Wänden und Böden ausgestattet sind, die Zimmer und Flure gestrichen und bemalt werden, mit großen bunten Tierbildern. Die Gehhilfen, Rollstühle und Behindertengeräte sind in Gebrauch. Einen Therapieraum und eine Bibliothek sehen wir uns auch an. Jetzt freut es mich schon, daß hier so viel getan wird, und daß die HFO - Güter auch hier mit großer Freude in Empfang genommen werden, auch von den Patienten. Es wurde auch von holländischen Studenten ein Spielplatz gebaut, ganz toll.
Um 17.00 Uhr verlassen wir wieder Tulghes. nicht nur ich bin nachdenklich und bedrückt und den Tränen nahe. Dennoch müssen wir weiter nach Tirgu-Mures. Es fängt stark an zu regnen, bei Dunkelheit sehr schlecht und gefährlich zu fahren. Wir kommen aber wohlbehalten um 20.30 Uhr in T.-M. an. Nach dem Abendessen stoßen wir um 0.00 Uhr auf Margret´s Geburtstag an und überreichen ihr ein kleines Geschenk.
Am Donnerstag, den 25.05.95 machen wir uns endgültig auf den Heimweg und tanken nochmal alle Fahrzeuge voll. In der Stadt verlieren wir durch den vielen Verkehr zwei LKW´s. Peppo fährt mit dem Golf zurück um sie wieder zu holen. Wir anderen warten, bevor wir uns total verfahren und uns ganz verlieren. Aber unser Peppo hat wieder mal alles unter Kontrolle, und so können wir um 11.00 Uhr unsere Fahrt aufnehmen. Irgendwo hält uns die Polizei wieder an und ermahnt uns, nach heftiger Diskussion mit Peppo, doch etwas langsamer zu fahren.
In der Nähe eines Kieswerkes wird der Rest der Hilfsgüter noch an der Straße verteilt. Eine Frau freut sich über ein Paket Waschpulver wie ein kleines Kind über ein neues Spielzeug. Andere umarmen uns und küssen uns auf beide Wangen, sie sind so herzlich und dankbar.
Um 19.30 Uhr erreichen wir die ungarische Grenze und dürfen an den wartenden LKW´s vorbeifahren, worüber diese sich zum Teil ganz schön aufregen. Aber im Zollhof heißt es auch für uns warten. Nach ca. 2 Stunden dürfen wir weiterfahren und erreichen unser Quartier in Szolnok wieder erst um 23.00 Uhr. Hunger habe ich keinen, und so gehe ich auch bald ins Bett. Am Freitag, den 26.05. kommen wir bei sehr schönem Wetter und nach zügiger Fahrt schon um 13.00 Uhr an der österreichischen Grenze an. Unterwegs stellen wir fest, daß die Beifahrertür an unserem LKW von außen nicht mehr aufgeht. An der Grenze wird der Schaden durch meinen Bordmechaniker und Copiloten Andreas sofort behoben.
Nach nur einer Stunde dürfen wir weiterfahren. Markus löst mich wiedermal ab, und ich versuche etwas zu schlafen. Wir müssen bis nach Lohmar durchfahren, weil wir weder in Passau noch in Nürnberg ein Quartier bekommen. Die LKW´s sind mit dem ganzen Gepäck im Führerhaus beladen, sodaß wir nicht alle darin schlafen können.
Die Grenze Österreich/Deutschland passieren wir in einem Rutsch, brauchen nicht einmal anzuhalten. Am nächsten Rastplatz legen wir eine etwas längere Pause ein. Essen, etwas ausruhen, mal wieder zu Hause anrufen, Gepäck in den Golf umpacken, da dieser mit Josef und Erich Nann von hier direkt nach Todtnau durchfährt. Bevor wir wieder losfahren halten Peppo und Erich Steck noch eine kurze Rede, sie sagen, wie gut alles geklappt hat, daß wir eine tolle Mannschaft sind, und daß Peppo sehr mit uns zufrieden ist. Erich bedankt sich im Namen aller bei Peppo, indem er ihm ein kleines Geschenk überreicht. Wir verabschieden uns von Erich Nann und Josef und fahren weiter.Es fängt an zu gewittern und wie aus Eimern zu regnen.
In Frankfurt am Rastplatz laden wir das meiste Gepäck in den PKW mit Anhänger von Markus Bruder. Um 5.00 Uhr morgens treten wir die letzte Etappe nach Lohmar an. Wir sind alle sehr müde, und die letzten 11/2 Stunden Fahrt sind furchtbar lang. Um 6.30 Uhr stellen wir die Fahrzeuge in Lohmar ab und fahren zu Margret zum frühstücken und 3 Stunden schlafen.
Um 13.00 Uhr machen wir uns daran die LKW´s auszuräumen, zu säubern, vollzutanken und wieder nach Köln zur Fa. SIXT zu fahren. Der Twingo von Ulla wird mit unserem restlichen Gepäck beladen. Nach großer Verabschiedung fahren Peppo, Peter Charly, Markus und ich gegen 20.00 Uhr in Richtung Heimat. In Riegel werde ich zu Hause abgesetzt und falle todmüde ins Bett.
Diesen Bericht habe ich erst ein paar Tage später geschrieben, weil ich meine Gedanken erst einmal sortieren und verarbeiten mußte. Vergessen werde ich dieses Erlebnis mit Sicherheit nie. Auch ich habe meine Ärmel hochgekrempelt und werde mich hier im Kaiserstuhl für die HFO einsetzen. Dieser Transport war für mich der erste und bestimmt nicht der letzte. Ich werde wieder mitfahren. Nächstes Jahr.

 Susi Braunsberger

 

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Letzte Änderung: 30/03/02 -- Autor: Dr.med. Thomas Honeck

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